Verwaltungsrecht

Konversion eines Iraners zum Christentum – Überraschungsentscheidung

Aktenzeichen  14 ZB 19.31771

Datum:
26.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 6735
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 2
VwGO § 108 Abs. 2, § 138 Nr. 6

 

Leitsatz

1. Nicht mit Gründen versehen ist eine Entscheidung nur dann, wenn die Entscheidungsgründe keine Kenntnis darüber vermitteln, welche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte für die Entscheidung maßgebend waren, und wenn den Beteiligten und dem Rechtsmittelgericht deshalb die Möglichkeit entzogen ist, die Entscheidung zu überprüfen. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Annahme einer “Überraschungsentscheidung” setzt voraus, dass das Gericht einen bis dahin nicht erörterten oder sonst hervorgetretenen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der alle oder einzelne Beteiligte nicht zu rechnen brauchten. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 1 K 17.31037 2019-02-20 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Soweit Zulassungsgründe i.S.v. § 78 Abs. 3 AsylG ausdrücklich oder sinngemäß geltend gemacht werden, sind sie nicht in einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegen nicht vor.
1. Die Berufung ist nicht wegen der klägerseits gerügten Verfahrensfehler (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 VwGO) zuzulassen.
1.1. Der Umstand, dass das Verwaltungsgericht seine Einschätzung, die Ausübung des christlichen Glaubens habe für den Kläger keine identitätsprägende Bedeutung (UA S. 16 unten), auch allgemein damit begründet hat, dass iranischen Asylbewerbern durchweg bekannt sei, dass eine Konversion zum Christentum die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zur Folge haben könne, weshalb sie ihr Verhalten danach ausrichten würden (UA S. 17 zweiter Absatz Zeilen 4 bis 9), führt trotz der mehrfachen klägerischen Kritik vorliegend nicht zur Zulassung der Berufung wegen eines Verfahrensfehlers.
1.1.1. Entgegen der Antragsbegründung ist das angegriffene Urteil nicht deshalb i.S.v. § 138 Nr. 6 VwGO „nicht mit Gründen versehen“, weil das Verwaltungsgericht die besagte Erwägung in seine Entscheidungsgründe aufgenommen hat.
§ 138 Nr. 6 VwGO bezieht sich auf den notwendigen (formellen) Inhalt eines Urteils gemäß § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (BVerwG, U.v. 28.11.2002 – 2 C 25.01 – BVerwGE 117, 228/230). Nach § 117 Abs. 2 Nr. 5, § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO müssen im Urteil die Gründe schriftlich niedergelegt werden, die für die Überzeugungsbildung des Gerichts maßgeblich waren. Nicht mit Gründen versehen ist eine Entscheidung vor diesem Hintergrund nur dann, wenn die Entscheidungsgründe keine Kenntnis darüber vermitteln, welche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte für die Entscheidung maßgebend waren, und wenn den Beteiligten und dem Rechtsmittelgericht deshalb die Möglichkeit entzogen ist, die Entscheidung zu überprüfen. Das ist nur der Fall, wenn die Entscheidungsgründe vollständig oder zu wesentlichen Teilen des Streitgegenstands fehlen oder sich als derart verworren oder unverständlich darstellen, dass sie unbrauchbar sind (BVerwG, B.v. 25.9.2013 – 1 B 8.13 – juris Rn. 13 m.w.N.; BayVGH, B.v. 21.5.2015 – 11 ZB 15.50009 – juris Rn. 2 m.w.N.).
Derart verworren oder unverständlich ist der besagte verwaltungsgerichtliche Schluss von anderen iranischen Asylbewerbern auf den Kläger aber nicht, und zwar selbst dann nicht, wenn mit der Antragsbegründung unterstellt würde, dass es sich dabei um eine willkürliche Verallgemeinerung und Vorabwürdigung handeln sollte.
1.1.2. Zwar stellt die verwaltungsgerichtliche Argumentation mit einer Ausrichtung des Verhaltens iranischer Asylbewerber an einer durchweg vorhandenen Kenntnis der asylrechtlichen Relevanz einer Konversion eine unzulässige Überraschungsentscheidung dar, weil dieser Sachverhalt erstmals in der verwaltungsgerichtlichen Schlussentscheidung erwähnt wird, zuvor aber weder im streitgegenständlichen Bescheid auftauchte noch in das verwaltungsgerichtliche Verfahren eingebracht worden war (siehe 1.1.2.1.) – gleichwohl führt sie aber nicht zur Berufungszulassung wegen eines Gehörsverstoßes (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO), weil insoweit den Darlegungsanforderungen nicht genügt ist (siehe 1.1.2.2.).
1.1.2.1. In der Antragsbegründung wird im Ausgangspunkt zutreffend kritisiert, dass sich das angegriffene Urteil mit der besagten Annahme als „Überraschungsentscheidung“ erweist. Das Verwaltungsgericht hat damit einen bis dahin nicht erörterten oder sonst hervorgetretenen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben, mit der der Kläger so nicht zu rechnen brauchte (BVerwG, B.v. 14.11.2007 – 10 B 47.07 – juris Rn. 16). Es handelt sich nicht nur um eine bloße Schlussfolgerung aus dem tatsächlichen Vorbringen der Beteiligten und auch nicht um einen Schluss aus den vom Verwaltungsgericht einbezogenen Erkenntnismitteln (BVerwG, B.v. 14.11.2007 a.a.O.; BVerwG, B.v. 26.11.2001 – 1 B 347.01 – juris Rn. 5 m.w.N.), zumal das Verwaltungsgericht die im Schlussurteil angenommenen Verhaltensweisen anderer iranischer Asylbewerber in Deutschland und speziell im Gerichtsbezirk des Verwaltungsgerichts keinem der vom Verwaltungsgericht einbezogenen Erkenntnismittel entnommen und auch nicht auf sonstige Art und Weise in der mündlichen Verhandlung oder zuvor im vorbereitenden Verfahren den Beteiligten bekannt gegeben hat. Auch handelt es sich nicht um eine „offenkundige“ Tatsache, auf die ausnahmsweise eine Entscheidung auch ohne vorherigen Hinweis gestützt werden dürfte (vgl. VGH BW, B.v. 18.9.2017 – A 11 S 2067/17 – juris Rn. 19).
1.1.2.2. Gleichwohl kommt vorliegend eine Zulassung der Berufung aus diesem Grund nicht in Betracht, weil die Antragsbegründung nicht hinreichend darlegt, was seitens der Klagepartei vorgetragen worden wäre, wenn das Verwaltungsgericht seine kritisierte und überraschend dem Schlussurteil zugrunde gelegte Annahme im Rahmen des rechtlichen Gehörs mitgeteilt hätte.
Eine § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügende Darlegung einer Gehörsrüge erfordert neben Ausführungen zu den Umständen, aus denen sich das Vorliegen einer Gehörsversagung ergibt, grundsätzlich auch die substantiierte Darlegung, was bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen worden wäre, und inwiefern dieser weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 2.4.1985 – 3 B 75.82 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 165 m.w.N.; zu den Ausnahmen vgl. VGH BW, B.v. 18.9.2017 – A 11 S 2067/17 – juris Rn. 20 m.w.N.).
Entgegen dieser Anforderung hat die Antragsbegründung hier aber nicht näher dargelegt, was klägerseits im Einzelnen konkret vorgetragen worden wäre, wenn das Verwaltungsgericht auf den von ihm angenommenen Sachverhalt, iranische Asylbewerber würden ihr Verhalten an der durchweg bei ihnen vorhandenen Kenntnis der asylrechtlichen Relevanz einer Konversion ausrichten, und inwieweit dieser weitere klägerische Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre.
Es ist vorliegend auch kein Grund ersichtlich, von dieser aus § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG folgenden Darlegungsanforderung ausnahmsweise abzusehen. So betrifft der gerügte verwaltungsgerichtliche Gehörsverstoß nicht etwa das Gesamtergebnis des Verfahrens, wie es etwa bei einer fehlerhaft ohne mündliche Verhandlung oder bei einer ohne Teilnahmemöglichkeit aller Beteiligten durchgeführten mündlichen Verhandlung oder bei verweigerter Akteneinsicht der Fall sein könnte (vgl. VGH BW, B.v. 4.7.1997 – 13 S 973/97 – ESVGH 47, 275; B.v. 18.9.2017 – A 11 S 2067/17 – juris Rn. 20 m.w.N.; Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 124a Rn. 114 a.E.). Es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass es der Klagepartei objektiv unzumutbar gewesen wäre, binnen der Rechtsmittelfrist Ausführungen darüber zu machen, was sie Falle einer ordnungsgemäßen Gewährung rechtlichen Gehörs insoweit vorgetragen hätte (vgl. zu diesem Kriterium VGH BW, B.v. 18.9.2017 a.a.O.). Insbesondere ist der gerügte verwaltungsgerichtliche Gehörsverstoß nicht vergleichbar mit Fällen, in denen eine Schlussentscheidung vollständig auf zuvor nicht in das Verfahren einbezogene gerichtliche Entscheidungen und die in diesen genannten Erkenntnismittel gestützt wird und es der Klagepartei dann nicht zumutbar wäre, sich innerhalb der Rechtsmittelfrist von allen herangezogenen Gerichtsentscheidungen Kenntnis zu verschaffen, diese „durchzuarbeiten“ und sich mit ihnen in der Antragsbegründung auseinanderzusetzen (vgl. VGH BW, B.v. 18.8.2017 – A 11 S 1740/17 – DVBl 2017, 1379 Rn. 8).
1.1.3. Soweit in diesem Zusammenhang auch die verwaltungsgerichtliche Beweiswürdigung damit gerügt wird, das Verwaltungsgericht habe mit seiner Annahme, iranische Asylbewerber würden allgemein ihr Verhalten an der asylrechtlichen Relevanz einer Konversion ausrichten, willkürlich von Landsleuten auf den Kläger geschlossen, kommt eine Berufungszulassung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 VwGO nicht in Betracht.
Wird die Beweiswürdigung als solche gerügt, scheidet eine allein darauf gestützte Gehörsverletzung aus. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die Grundsätze der Beweiswürdigung in der Regel schon nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 10.10.2013 – 10 B 19.13 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO Nr. 67 Rn. 4 m.w.N.). Zwar kann die Beweiswürdigung ausnahmsweise verfahrensfehlerhaft i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO sein, wenn sie objektiv willkürlich ist, gegen Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet. Auch bei einer mit derart schweren Mängeln behafteten Sachverhaltswürdigung liegt aber ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs i.S.v. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO nur bei spezifisch auf das rechtliche Gehör bezogenen Fehlern vor, etwa wenn bei einer Entscheidung ein aktenwidriger Vortrag zugrunde gelegt wird (vgl. BVerwG, U.v. 3.4.1987 – 4 C 30.85 – NJW 1988, 275) oder sich das Gericht einer sachlichen Auseinandersetzung mit entscheidungserheblichem Vorbringen entzieht (vgl. BVerwG, B.v. 27.10.2014 – 3 B 40.14 u.a. – LKV 2015, 30 Rn. 4).
Vorliegend führt aber – wie gezeigt – die besagte Kritik an der Beweiswürdigung trotz des Vorliegens einer Überraschungsentscheidung mangels hinreichender Darlegung dessen, was im Fall einer Gehörsgewährung vorgetragen worden wäre, gerade nicht zu einer Berufungszulassung wegen eines Gehörsverstoßes (siehe 1.1.2.), weshalb die Berufung auch im Hinblick auf die gleichzeitige klägerische Kritik an der diesbezüglichen Beweiswürdigung als solcher nicht wegen eines etwaigen damit einhergehenden Gehörsverstoßes zuzulassen ist.
1.2. Nicht zur Zulassung der Berufung nach § 138 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG führt auch die klägerische Rüge, das Verwaltungsgericht habe bei der Verneinung eines identitätsprägenden, verinnerlichten Glaubens des Klägers zwar berücksichtigt, dass der Kläger seine Eltern über seine Konversion nicht informiert habe, jedoch den Vortrag des Klägers, dass er im Falle einer Rückkehr in den Iran auch dort allen Menschen mit Liebe begegnen würde, diese mit dem Christentum bekannt machen wolle und bei einer Rückkehr sehr wohl seine Familie von seiner Konversion zum Christentum unterrichten würde, nicht gewürdigt.
Zwar kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO) darin liegen, dass entscheidungserheblicher Vortrag von einem Gericht nicht zur Kenntnis genommen wird oder unerwogen bleibt (BVerfG, B.v. 23.1.1991 – 2 BvR 902/85 u.a. – BVerfGE 83, 216/229 f.). Allerdings sind die Gerichte nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BVerfG, B.v. 12.10.1988 – 1 BvR 818/88 – BVerfGE 79, 51/61 m.w.N.). Dies ist nur der Fall, wenn Tatsachen oder Tatsachenkomplexe übergangen werden, deren Entscheidungserheblichkeit sich aufdrängt (BVerwG, B.v. 1.10.1993 – 6 P 7.91 – NVwZ-RR 1994, 298 m.w.N.).
Vorliegend ist schon nicht hinreichend dargelegt, dass sich dem Verwaltungsgericht die Entscheidungserheblichkeit der klägerischen Absicht, bei einer Rückkehr in den Iran die eigene Familie über seine Konversion zu unterrichten und im Fall einer Rückkehr dort allen Menschen mit Liebe zu begegnen und diese mit dem Christentum bekannt zu machen, hätte aufdrängen müssen. Soweit die Antragsbegründung betont, die bisherige Nicht-Informierung der Eltern schließe nicht die Absicht einer Informierung nach Rückkehr des Klägers aus, lässt sich dem nicht mit hinreichender Deutlichkeit etwas für die Frage des „Sich-Aufdrängen-Müssens“ entnehmen.
Soweit sich die besagte Kritik der Antragsbegründung gegen die verwaltungsgerichtliche Beweiswürdigung als solche richtet – wobei für das Verwaltungsgericht (ganz im Gegenteil zur klägerischen Einschätzung) gerade die bisherige Nicht-Informierung der Eltern gegen die Erwartung einer nach außen bemerkbaren christlichen Glaubensbetätigung bei einer Rückkehr in den Iran sprechen soll (vgl. UA S. 18 erster und zweiter Absatz) -, betrifft dies wiederum allein die verwaltungsgerichtliche Beweiswürdigung, die im Asylprozess als solche – wie gezeigt (siehe 1.1.3.) – nicht zur Berufungszulassung wegen eines Verfahrensfehlers führt, wenn – wie hier (s.o.) – kein spezifischer Gehörsverstoß vorliegt.
1.3. Soweit in der Antragsbegründung ein Gehörsverstoß darin gesehen wird, dass die verwaltungsgerichtlichen Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Konversion des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht erkennbar gewesen seien, kommt eine Zulassung der Berufung nicht in Betracht.
1.3.1. Die Annahme einer „Überraschungsentscheidung“ setzt voraus, dass das Gericht einen bis dahin nicht erörterten oder sonst hervorgetretenen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der alle oder einzelne Beteiligte nicht zu rechnen brauchten (BVerwG, B.v. 14.11.2007 – 10 B 47.07 – juris Rn. 16). Dagegen kann von einer Überraschungsentscheidung nicht gesprochen werden, wenn ein Tatsachengericht – wie hier – Schlussfolgerungen aus dem tatsächlichen Vorbringen zieht, die nicht den Erwartungen eines Prozessbeteiligten entsprechen und von ihm für unrichtig gehalten werden (BVerwG, B.v. 14.11.2007 a.a.O.). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht keine, auch nicht aus Art. 103 Abs. 1 GG abzuleitende, generelle Pflicht des Gerichts, den Beteiligten vorab mitzuteilen, wie es bestimmte Erkenntnismittel in Bezug auf Einzelheiten des Parteivortrags versteht und bewertet. Das folgt schon daraus, dass in aller Regel die Beweiswürdigung, das daraus folgende Beweisergebnis und die hieraus zu ziehenden Schlussfolgerungen der Schlussberatung des Gerichts vorbehalten bleiben und sich deshalb einer Voraberörterung mit den Beteiligten entziehen. Das gilt auch für den Tatsachenvortrag des Asylbewerbers, der selbst für die Darlegung seiner Asylgründe verantwortlich ist (BVerwG, B.v. 26.11.2001 – 1 B 347.01 – juris Rn. 5 m.w.N.; B.v. 14.11.2007 a.a.O.).
1.3.2. Vor diesem Hintergrund ist im Ergebnis nicht ersichtlich, weshalb das Verwaltungsgericht vorliegend auf eventuelle Zweifel hätte hinweisen müssen (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 26.11.2001 – 1 B 347.01 u.a. – juris Rn. 5), zumal es im Asylverfahren stets auch um die Glaubwürdigkeit des Asylbewerbers und die Glaubhaftigkeit seines Vortrags geht. Unabhängig davon ist auch zu sehen, dass das Verwaltungsgericht denjenigen Aspekten, bei denen es letztlich dem klägerischen Sachvortrag keinen Glauben geschenkt hat, im Rahmen der Befragung durchaus nachgegangen ist. So ist im Sitzungsprotokoll (dort S. 3 vorletzter Absatz [Vorhalt]; S. 4 vierter Absatz bis S. 5 zweiter Absatz [diverse Nachfragen]) sehr wohl – entgegen der klägerischen Kritik – dokumentiert, dass der Einzelrichter im besagten Themenfeld Anlass für kritische Nachfragen gesehen hatte. Jedenfalls setzt sich die Antragsbegründung mit den besagten Stellen des Sitzungsprotokolls nicht näher auseinander und genügt insoweit nicht den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG.
1.3.3. Soweit in diesem Zusammenhang klägerseits auch eine Verletzung der verwaltungsgerichtlichen Aufklärungspflicht gerügt wird, scheidet eine Berufungszulassung schon deswegen aus, weil ein eventueller Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO schon nicht von den in § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 VwGO genannten Verfahrensfehlern erfasst wäre.
1.4. Soweit in der Antragsbegründung kritisiert wird, es sei widersprüchlich, dass das Verwaltungsgericht einerseits dem Kläger zugestehe, sich zwischenzeitlich intensiv mit dem Christentum beschäftigt zu haben, dass es sich andererseits aber gleichwohl nicht von der Wahrheit des klägerischen Vorbringens habe überzeugen lassen, wobei es den – in der Antragsbegründung im Gegensatz zur verwaltungsgerichtlichen Einschätzung für plausibel gehaltenen – Vortrag des Klägers nicht ordnungsgemäß gewürdigt habe, betrifft dies wiederum allein die verwaltungsgerichtliche Beweiswürdigung, die im Asylprozess als solche, wie gezeigt (siehe 1.1.3.), kein Berufungszulassungsgrund ist, soweit kein spezifischer Gehörsverstoß vorliegt, was vorliegend aber jedenfalls nicht hinreichend deutlich dargelegt ist (siehe auch 1.1. bis 1.3.).
2. Entgegen der klägerischen Rüge ist die Berufung nicht gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG wegen Divergenz zuzulassen.
2.1. Eine Divergenz im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht in Anwendung derselben Vorschrift (vgl. BVerwG, B.v. 28.1.2004 – 6 PB 15.03 – NVwZ 2004, 889/890) mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz oder einem verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz von einem in der Rechtsprechung der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten übergeordneten Gerichte aufgestellten Rechts- oder Tatsachensatz oder einer inhaltsgleichen Rechtsvorschrift ausdrücklich oder konkludent abweicht und die Entscheidung darauf beruht (vgl. BayVGH, B.v. 22.8.2017 – 11 ZB 17.30654 – juris Rn. 3 m.w.N.). Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen (vgl. BVerwG, B.v. 27.10.2014 – 2 B 52.14 – juris Rn. 5 m.w.N.; BayVGH, B.v. 10.1.2018 – 10 ZB 17.30394 – juris Rn. 2 m.w.N.). Es genügt nicht, wenn in der angegriffenen Entscheidung ein in der Rechtsprechung der übergeordneten Gerichte aufgestellter Grundsatz lediglich übersehen, übergangen oder in sonstiger Weise nicht richtig angewandt worden ist (BVerwG, B.v. 19.8.1997 – 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328 m.w.N.; B.v. 20.7.2016 – 6 B 35.16 – juris Rn. 12 m.w.N.). Deshalb erfordert die Darlegung der Divergenz nicht nur die genaue Benennung des Divergenzgerichts und die zweifelsfreie Angabe seiner Divergenzentscheidung. Darzulegen ist auch, welcher tragende Rechts- oder Tatsachensatz in dem Urteil des Divergenzgerichts enthalten ist und welcher bei der Anwendung derselben Rechtsvorschrift in dem angefochtenen Urteil aufgestellte tragende Rechts- oder Tatsachensatz dazu in Widerspruch steht. Die divergierenden Sätze müssen einander so gegenübergestellt werden, dass die Abweichung erkennbar wird (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 20.12.1995 – 6 B 35.95 – NVwZ-RR 1996, 712/713; B.v. 17.7.2008 – 9 B 15.08 – NVwZ 2008, 1115 Rn. 22 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 73 m.w.N.).
2.2. Soweit klägerseits eine Divergenz zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Februar 2013 – 10 C 23.12 – (BVerwGE 146, 67) gerügt wird, weil es danach im Hinblick auf die Gefahrenprognose auf das persönliche Glaubensverständnis des Individuums und das Selbstverständnis der Glaubensgemeinschaft ankomme, und in diesem Zusammenhang auch der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. August 2015 – 1 B 40.15 – (NVwZ 2015, 1678 Rn. 11) und das Urteil des Senats vom 25. Februar 2019 – 14 B 17.31462 – (juris) zitiert werden, genügt die Antragsbegründung den Anforderungen an eine Divergenzrüge nicht.
Zwar werden in der Antragsbegründung diverse Aussagen aus höchst- und obergerichtlichen Entscheidungen wiedergegeben. Es wird aber nicht hinreichend dargelegt, welchen divergierenden (abstrakten) Rechtssatz das Verwaltungsgericht aufgestellt haben soll, der von einem Rechtssatz der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Gerichte abweicht. Vielmehr wird letztlich allein die inhaltliche Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestritten, wenn vorgetragen wird, das erkennende Gericht habe pauschal festgestellt, durch die Antragstellung und die behauptete Konversion zum Christentum habe der Kläger bei einer Rückkehr in den Iran keine Verfolgungsmaßnahmen zu befürchten, wobei diese Schlussfolgerung auf der vom Verwaltungsgericht angenommenen Unglaubhaftigkeit des Klägers beruhe. Die klägerische Kritik beschreibt hier nicht die Aufstellung eines divergierenden Prüfungsmaßstabs, sondern vielmehr die aus Sicht der Klagepartei infolge unzutreffender Beweiswürdigung unrichtige „Anwendung“ eines Prüfungsmaßstabs. Dabei ist zu sehen, dass gemäß § 78 Abs. 3 AsylG, der insoweit als asylrechtliche Spezialvorschrift dem § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vorgeht, in Streitigkeiten nach dem Asylgesetz der Berufungszulassungsgrund „ernstlicher Richtigkeitszweifel“ vom Gesetzgeber gerade nicht vorgesehen worden ist.
Unabhängig davon gibt die Antragsbegründung auch den vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Prüfungsmaßstab nur unvollständig wieder. So findet sich dort zwar bei der Begründung, weshalb auf einen Missionierungswillen nicht zwingend abzustellen ist, die Formulierung (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – BVerwGE 146, 67 Rn. 29: „…Dem Umstand, dass die konkrete Form der Glaubensbetätigung (z.B. Missionierung) nach dem Selbstverständnis der Glaubensgemeinschaft, der der Schutzsuchende angehört, zu einem tragenden Glaubensprinzip gehört, kann dabei eine indizielle Wirkung zukommen. Maßgeblich ist aber, wie der einzelne Gläubige seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis unverzichtbar ist.“. Ebenso findet sich aber gleich im Anschluss auch folgende Einschränkung (BVerwG, U.v. 20.2.2013 a.a.O. Rn. 30): „…Jedoch muss die konkrete Glaubenspraxis für den Einzelnen ein zentrales Element seiner religiösen Identität und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar sein. Es reicht nicht aus, dass der Asylbewerber eine enge Verbundenheit mit seinem Glauben hat, wenn er diesen – jedenfalls im Aufnahmemitgliedstaat – nicht in einer Weise lebt, die ihn im Herkunftsstaat der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde. Maßgeblich für die Schwere der Verletzung der religiösen Identität ist die Intensität des Drucks auf die Willensentscheidung des Betroffenen, seinen Glauben in einer für ihn als verpflichtend empfundenen Weise auszuüben oder hierauf wegen der drohenden Sanktionen zu verzichten. Die Tatsache, dass er die unterdrückte religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren, muss der Asylbewerber zur vollen Überzeugung des Gerichts nachweisen…“.
2.3. Auch soweit in der Antragsbegründung unter Hinweis auf den Senatsbeschluss vom 16. November 2015 – 14 ZB 13.30207 – (juris) und den Senatsbeschluss vom 9. April 2015 – 14 ZB 13.30120 – (juris Rn. 6) gerügt wird, das Verwaltungsgericht missachte die ständige Rechtsprechung, dass einem konvertierten Christen, der die christliche Religion und die damit verbundene Abkehr vom Islam nach außen zeige und auslebe, im Iran durchaus Repressalien drohen, wobei der Kläger vorgetragen habe, dass er im Fall einer Rückkehr in den Iran auch dort allen Menschen mit Liebe begegnen werde und diese mit dem Christentum bekannt machen werde, kommt eine Berufungszulassung wegen Divergenz nicht in Betracht.
Auch insoweit gibt die Antragsbegründung zwar Aussagen obergerichtlicher Entscheidungen wieder, beschreibt aber wiederum keinen (abstrakten) Rechtssatz, den das angegriffene verwaltungsgerichtliche Urteil abweichend von den genannten Senatsentscheidungen (oder anderen i.S.v. § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG divergenzfähigen Gerichten) aufgestellt haben sollte, und genügt schon deshalb auch insoweit nicht den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG. Vielmehr wird letztlich wiederum nur die unrichtige Anwendung asylrechtlicher Vorschriften in der obergerichtlich gefundenen Auslegung gerügt, weil das Verwaltungsgericht dem Kläger eine Identitätsprägung durch das Christentum nicht geglaubt hat.
2.4. Soweit in der Antragsbegründung im Kontext der Divergenzrüge diverse Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte als des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zitiert werden, zählen diese schon nicht zu den im vorliegenden Verfahren auf Zulassung der Berufung gegen ein Urteil eines bayerischen Verwaltungsgerichts divergenzfähigen Gerichten, weswegen auf die besagten Judikate an dieser Stelle nicht näher einzugehen ist.
3. Eine Berufungszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist nicht explizit geltend gemacht und käme, selbst wenn man sie konkludent in den Hinweis der Antragsbegründung auf den aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amts hineinlesen wollte, schon deshalb nicht in Betracht, weil die Antragsbegründung nicht mit hinreichender Deutlichkeit eine zu klärende Frage formuliert, was für eine hinreichende Darlegung i.S.v. § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG aber unverzichtbar wäre (BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 14 ZB 16.1867 – juris Rn. 15 m.w.N.; B.v. 23.1.2019 – 14 ZB 17.31930 – juris Rn. 2).
4. Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Kläger, der dieses Rechtsmittel vorliegend ohne Erfolg eingelegt hat (§ 154 Abs. 2 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird die angegriffene Entscheidung rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG i.V.m. § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.


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