Verwaltungsrecht

Kosten der Ersatzvornahme für das Aufstellen von Unterständen für Rinder

Aktenzeichen  M 23 K 16.2107

Datum:
6.7.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 128888
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG Art. 19, Art. 23 Abs. 1, Art. 32, Art. 35, Art. 36
KG Art. 1 Abs. 1 S. 1, Art. 10

 

Leitsatz

1 Vor einer Ersatzvornahme ist grundsätzlich als milderes Mittel ein Zwangsgeld zu verhängen, es sei denn das damit verbundene weitere Zuwarten kann nicht hingenommen werden. Dies ist etwa der Fall, wenn durch einen unmittelbar bevorstehenden Wetterwechsel mit deutlicher Temperaturabkühlung Gefahren für Tiere durch Aufstellen von Unterständen abzuwenden sind. Dann bedarf es auch keiner vorausgehenden Androhung der Ersatzvornahme. (Rn. 31 und 34) (redaktioneller Leitsatz)
2 Als Kosten der Ersatzvornahme können nur solche Kosten abgerechnet werden, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Durchführung der Ersatzvornahme angefallen sind. Hierzu zählen nicht solche Kosten, die der Kontrolle des der Ersatzvornahme zugrundeliegenden Handlungsgebots dienen, die also die Ersatzvornahme erst einleiten. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Kosten der Ersatzvornahme müssen verhältnismäßig sein. Dementsprechend ist die Anwesenheit eines Veterinärs zur Sicherstellung eines tiergerechten Aufbaus von Unterständen für Rinder sachgerecht. Die Anwesenheit eines weiteren Veterinärs ist hingegen nicht erforderlich, so dass dessen Kosten als Kosten der Ersatzvornahme durch die Behörde nicht abgerechnet werden können. (Rn. 41 – 42) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid vom … März 2016 wird in Ziffer 3 insoweit aufgehoben, als der Betrag 390.- € übersteigt.
Ziffer 5 wird insoweit aufgehoben, als der Betrag 7.642,64 € übersteigt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige, insbesondere noch fristgerecht erhobene Klage ist ganz überwiegend unbegründet. Der Bescheid vom … März 2016 ist bis auf einen geringen Teilbetrag rechtmäßig und verletzt die Klägerin überwiegend nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Bescheid war daher lediglich um den Betrag von 329.- € in Bezug auf einen Teil der geltend gemachten Kosten des Veterinäramts zu kürzen; die Klage war im Übrigen abzuweisen.
Die Kosten für die Ersatzvornahme konnten der Klägerin größtenteils rechtmäßig auferlegt werden, Art. 32 Bayer. Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) i.V.m Art. 10 Kostengesetz (KG).
Zwar wird in dem Bescheid des Beklagten Art. 32 VwZVG als Rechtsgrundlage nicht explizit genannt, aus den Gesamtumständen sowie der Begründung im Bescheid ergab sich für die Klägerin jedoch unzweifelhaft, dass das Aufstellen der Unterstände im Rahmen einer Ersatzvornahme erfolgte, da die Klägerin die Unterstände nicht fristgerecht aufgebaut hatte.
Die Ersatzvornahme erfolgte rechtmäßig.
Die Klägerin wurde mit Bescheid vom … Dezember 2014 zur Aufstellung von Unterständen verpflichtet und der Sofortvollzug angeordnet. Auch wenn die Frist für die Aufstellung zugunsten der Klägerin mehrfach verlängert wurde, liegt der Ersatzvornahme damit ein vollstreckbarer Verwaltungsakt zu Grunde, Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG. Die Klägerin ist dieser Verpflichtung nicht fristgerecht nachgekommen. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass sie bereits Unterstände für eine Lieferung ab 7. Januar 2015 bestellt gehabt habe, wäre damit zum einen keine fristgerechte Erfüllung erfolgt, zum anderen können die vorgelegten E-Mails eine solche Bestellung nicht beweisen; es handelt sich lediglich um Liefer- und Kostenanfragen, nicht um Dokumente über einen verbindlichen Vertragsabschluss.
Da die Klägerin ihrer Pflicht zu einer Handlung, die auch ein anderer vornehmen kann (vertretbare Handlung), nicht, zumindest nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit erfüllt hat, durfte die Vollstreckungsbehörde die Handlung auf Kosten der Klägerin vornehmen lassen, vgl. Art. 32 Satz 1 VwZVG.
Im vorliegenden Fall bedurfte es ausnahmsweise auch weder einer vorherigen schriftlichen Androhung des Zwangsmittels, vgl. Art. 36 Abs. 1 Satz 1 VwZVG noch zunächst der Verhängung eines Zwangsgelds, vgl. Art. 32 Satz 2 VwZVG.
Im Zeitpunkt des Fristablaufs hätte die Festsetzung des mit dem Ausgangsbescheid vom *. Dezember 2014 bereits angedrohten Zwangsgelds, vgl. Art. 36 Abs. 2 Satz 1 VwZVG, keine ausreichenden Erfolg mehr versprochen, da damit nicht die umgehende Aufstellung von Unterständen zum Schutz der Tiere erreicht worden wäre, vgl. Art. 32 Satz 2 VwZVG.
Zwar ist grundsätzlich das Zwangsmittel des Zwangsgelds als milderes Mittel heranzuziehen. Auf Grund des Termindrucks, der insbesondere wegen der von der Klägerin wiederholt begehrten Terminverlängerungen entstanden ist, brauchte jedoch ein weiteres Zuwarten – unabhängig von den fraglichen Erfolgsaussichten eines Zwangsgelds in Anbetracht der finanziellen Schwierigkeiten der Klägerin – nicht mehr hingenommen werden. Das Aufstellen von Unterständen für die Zwerg-Zebu-Rinder war insbesondere wegen des unmittelbar bevorstehenden Wetterwechsels mit deutlicher Temperaturabkühlung dringend erforderlich, um Schmerzen und Leid von den Tieren abzuwenden. Das Gericht verweist hinsichtlich der Notwendigkeit von Unterständen für Zwerg-Zebu-Rinder in Freilandhaltung insoweit auf die ausführlichen Ausführungen im Urteil vom 6. Juli 2016 im Verfahren M 23 K 16.315, S. 17ff, und macht sich diese auch im vorliegenden Verfahren zu Eigen.
Wegen der bestehenden Eilbedürftigkeit durfte das Landratsamt auch von einer vorherigen Androhung der Ersatzvornahme absehen, vgl. Art. 36 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 35 VwZVG.
Eine den Anforderungen des Gesetzes entsprechende schriftliche Androhung der Ersatzvornahme mit Nennung des (vorläufigen) Kostenbetrags für diese, vgl. Art. 36 Abs. 4 Satz 1 VwZVG, erfolgte zweifelsohne nicht. Auch die mündliche Ankündigung am 29. bzw. 30. Dezember 2014 genügt diesen Anforderungen nicht.
Die Ersatzvornahme kann jedoch auch ohne vorausgehende Androhung angewendet werden, wenn es u.a. zur Abwehr einer drohenden Gefahr notwendig ist, vgl. Art. 35 VwZVG. Im vorliegenden Fall war es auf Grund des bevorstehenden und von Beklagtenseite glaubhaft belegten Wetterwechsels mit deutlicher Abkühlung zwingend erforderlich, umgehend Unterstände für die Tiere zu errichten. Ein weiteres, auch kurzfristiges Abwarten hätte eine konkrete Gefahr zumindest für einige der Tiere dargestellt. Darüber hinaus konnte die Klägerin auch weder im Zeitpunkt der Ersatzvornahme noch im vorliegenden Verfahren glaubhaft nachweisen, dass sie sich ernsthalft um eine umgehende Erfüllung ihrer Pflicht bemüht hatte und eine zeitnahe Befolgung bevorstand.
Das Landratsamt M… konnte daher von der Klägerin rechtmäßig die Kosten für die Ersatzvornahme mit Leistungsbescheid einfordern, Art. 32 Satz 1, Art. 23 Abs. 1 VwZVG i.V.m. Art. 2 KG. Die Erhebung der Kosten war auch noch nicht verjährt, vgl. Art. 13 KG.
Die erhobenen Kosten durften, bis auf einen Teilbetrag der Kosten des Veterinäramts, als Kosten der Ersatzvornahme geltend gemacht werden.
Als Kosten gelten insbesondere Auslagen, die bei der Behörde entstanden sind, vgl. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 10 KG. Gemäß Art. 10 Abs. 1 Nr. 5 KG werden als Auslagen insbesondere die anderen Behörden oder anderen Personen für ihre Tätigkeit zustehenden Beträge erhoben. Hierzu zählen sowohl die Kosten für die Zelte (Ziffer 2 des Bescheids) als auch für die Leistungen des Technischen Hilfswerks (Ziffer 1 des Bescheids). Beide Auslagen wurden durch die Beklagte mit Rechnungen nachgewiesen. Die Rechnungen sind in sich stimmig, Anhaltspunkte für überhöhte Forderungen ergeben sich nicht und wurden in Bezug auf die Rechnung des Technischen Hilfswerks von Klageseite im Übrigen auch nicht geltend gemacht. Soweit die Klägerin die hohen Kosten für die Unterstände rügt, kann sie auch hiermit nicht durchdringen. Die Kosten bewegen sich im üblichen Rahmen für solche Einrichtungen. Es kann von der Behörde im Rahmen einer dringlichen Beschaffung von Unterständen nicht erwartet werden, dass sie langfristige Recherchen und Kostenverhandlungen unternimmt, um möglichst billige Unterstände zu erlangen. Diese Möglichkeit wäre der Klägerin im Rahmen der ihr auferlegten Verpflichtung zur Verfügung gestanden, die sie verstreichen ließ.
Auch die Kosten für die Anwesenheit eines Veterinärs während des Aufbaus der Zelte auf der Weide (Ziffer 3 des Bescheids) können als Auslagen geltend gemacht werden, da es sich insoweit um Aufwendungen bei Ausführung von Dienstgeschäften außerhalb der Dienststelle handelte, vgl. Art. 10 Abs. 1 Nr. 4 KG i.V.m. der Verordnung über Benutzungsgebühren der Gesundheitsverwaltung (GGebO).
Gemäß der Aufstellung des Veterinäramts setzen sich die Kosten aus einem einstündigen Kontrolltermin eines Veterinärs am 1. Januar 2015 und der Anwesenheit eines Veterinärs und einer Beamtin der Qualifikationsebene III während des Aufbaus am 3. Januar 2015 über sechs Stunden zusammen. Die Abrechnung der Stunden erfolgte gemäß Tarif-Nr. 12 des Gebührenverzeichnisses 1 zur GGebO.
Als Kosten der Ersatzvornahme können jedoch nur solche Kosten abgerechnet werden, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Durchführung der Ersatzvornahme angefallen sind. Der Kontrolltermin am 1. Januar 2015 erfolgte jedoch nicht im Zusammenhang mit der Ersatzvornahme, sondern zur Kontrolle der Umsetzung. Die Erkenntnisse hieraus – nämlich das weitere Fehlen der Unterstände – leitete die Ersatzvornahme erst ein. Die Kosten hierfür können daher nicht mit dem Leistungsbescheid über die Ersatzvornahme geltend gemacht werden.
Schließlich sieht das Gericht auch die Kosten für die Anwesenheit von zwei Personen während der Gesamtdauer der Aufstellung der Unterstände über sechs Stunden als nicht verhältnismäßig an. Zwar erscheint es sachgerecht, dass ein Veterinär während des Aufbaus vor Ort ist, um den tiergerechten Aufbau sicherzustellen und ggf. auch auf die Tiere reagieren zu können. Nicht erforderlich, selbst in Anbetracht der Größe der Weide und Herde, ist jedoch die dauerhafte Anwesenheit einer weiteren Person, insbesondere da der Aufbau auf einem abgegrenzten übersichtlichen Gebiet erfolgte; anderes wurde von Beklagtenseite nicht belegt.
Es können daher lediglich die Kosten eines Veterinärs über sechs Stunden abgerechnet werden; gegen die Abrechnung entsprechend der GGebO bestehen keine Einwände, so dass insoweit Kosten in Höhe von 6…65.- € = 390.- € geltend gemacht werden können. Da die Auslagenerstattung nicht im Ermessen der Behörde steht, konnte die Reduzierung der Kosten auch durch das Gericht erfolgen.
Der streitgegenständliche Kostenbescheid stellt sich im Ergebnis somit bis auf die durch das Gericht vorgenommene Reduzierung als rechtmäßig dar.
Die Klage war daher ganz überwiegend abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Kostenausspruchs beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff.


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