Verwaltungsrecht

Kosten für die Anordnung eines Fahreignungsgutachtens – Einstweiliger Rechtsschutz

Aktenzeichen  11 CS 20.1518

Datum:
12.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 20544
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 4, Abs. 5, Abs. 6
FeV § 11 Abs. 6

 

Leitsatz

1. Die Aufforderung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens ist als vorbereitende Maßnahme zur Sachverhaltsaufklärung unanfechtbar. Gegen die damit verbundene Kostenentscheidung ist jedoch Rechtsschutz zu gewähren. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die kraft Gesetzes gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO sofortige Vollziehbarkeit einer Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten ist – abgesehen von einer drohenden Vollstreckung – nur zulässig, wenn zuvor an die Behörde ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO gestellt worden ist; dabei handelt es sich um eine nicht mehr nachholbare Zugangsvoraussetzung und nicht lediglich um eine Sachentscheidungsvoraussetzung (vgl. BayVGH BeckRS 2018, 6965 Rn. 4 mwN). (Rn. 9 und 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es kann dahinstehen, inwieweit die Rechtmäßigkeit der Beibringungsanordnung im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen die damit einhergehende Kostenentscheidung inzident zu prüfen ist. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 8 S 20.593 2020-06-04 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung wird der Streitwert für das Verfahren in beiden Rechtszügen auf jeweils 7,28 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der behördlich erhobenen Kosten für die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens.
Mit Schreiben vom 18. März 2020, dem eine Kostenverfügung über Gebühren (25,- Euro) und Auslagen (4,11 Euro) in Höhe von insgesamt 29,11 Euro beigefügt war, forderte das Landratsamt Deggendorf den Antragsteller zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auf, weil er gelegentlich Cannabis konsumiert habe und weitere Tatsachen Zweifel an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen begründen würden.
Über die gegen die Kostenentscheidung erhobene Klage (Az. RN 8 K 20.594) hat das Verwaltungsgericht Regensburg noch nicht entschieden. Den Antrag auf Wiederherstellung (gemeint: Anordnung) der aufschiebenden Wirkung der Klage hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. Juni 2020 abgelehnt. Der Antrag sei zulässig, bleibe jedoch in der Sache ohne Erfolg. In Fällen, in denen eine anfechtbare abschließende Sachentscheidung (Entziehung der Fahrerlaubnis) mit inzidenter Prüfung der Voraussetzungen für die Beibringungsanordnung ergehe, bestehe für eine Doppelprüfung des die Kostenpflicht auslösenden Verwaltungshandelns keine Notwendigkeit. Zu prüfen sei lediglich, ob die gebührenrechtlichen Vorschriften für die Anordnung zur Gutachtensbeibringung beachtet worden seien. Das sei hier der Fall.
Hiergegen hat der Antragsteller Beschwerde einlegen und zur Begründung vortragen lassen, die Rechtmäßigkeit der Kostenentscheidung sei abhängig von der Rechtmäßigkeit der Amtshandlung als solcher. Der Verweis an den Antragsteller, er könne die Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung in einem späteren Führerscheinentzugsverfahren klären lassen, könne nicht begründen, dass über einen Rechtsbehelf nicht umfassend entschieden werde.
Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen. Der Antragsteller habe keinen Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung beim Landratsamt gestellt. Sein Antrag auf gerichtlichen Eilrechtsschutz sei daher unzulässig. Im Übrigen habe die Klage gegen die Kostenentscheidung keine Aussicht auf Erfolg. Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Kostenentscheidung sei die Rechtmäßigkeit der Begutachtungsanordnung nicht inzident zu überprüfen. Außerdem leide die Begutachtungsanordnung weder an formellen noch an materiellen Mängeln und sei daher rechtmäßig.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Landratsamt hat den Antragsteller zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens aufgefordert. Diese Beibringungsaufforderung ist als vorbereitende Maßnahme zur Sachverhaltsaufklärung unanfechtbar (stRspr, vgl. nur BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – BVerwGE 156, 293 Rn. 17). Gegen die damit verbundene Kostenentscheidung ist jedoch Rechtsschutz zu gewähren. Davon geht auch das Verwaltungsgericht zutreffend aus.
Allerdings ist der vom Prozessbevollmächtigten des Antragstellers beim Verwaltungsgericht eingereichte Antrag vom 9. April 2020 auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Kostenentscheidung des Landratsamts vom 18. März 2020 unzulässig, weil der Antragsteller es unterlassen hat, beim Landratsamt zuvor die Aussetzung der Vollziehung dieser Kostenentscheidung zu beantragen.
Die Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten ist kraft Gesetzes sofort vollziehbar (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Die Behörde kann jedoch nach Maßgabe von § 80 Abs. 4 VwGO die Vollziehung aussetzen. Wie die Landesanwaltschaft Bayern in ihrer Beschwerdeerwiderung vom 27. Juli 2020 zu Recht ausführt, ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO ganz oder zum Teil abgelehnt hat (§ 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO), wenn sie über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat (§ 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO) oder wenn eine Vollstreckung droht (§ 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO). Dies ist weder dargelegt noch ersichtlich. Insbesondere hat der Antragsteller sich zwar gegen die Aufforderung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens gewandt, aber beim Landratsamt keinen Antrag auf Aussetzung der damit verbundenen Kostenentscheidung gestellt. Dabei handelt es sich um eine nach Stellung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht mehr nachholbare Zugangsvoraussetzung und nicht lediglich um eine Sachentscheidungsvoraussetzung (vgl. BayVGH, B.v. 9.4.2018 – 11 CS 18.564 – juris Rn. 4 m.w.N.; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 80 Rn. 74; Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 80 Rn. 182 ff.).
Es kann somit dahinstehen, inwieweit die Rechtmäßigkeit der Beibringungsanordnung im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen die damit einhergehende Kostenentscheidung inzident zu prüfen ist (vgl. hierzu Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage 2019, § 11 FeV Rn. 25; VGH BW, U.v. 12.12.2016 – 10 S 2406/14 – juris Rn. 23 ff. sowie BayVGH, B.v. 15.4.2015 – 11 BV 15.134 – NJW 2015, 2139 Rn. 12 ff.; BVerwG, U.v. 27.9.2012 – 3 C 33.11 – NJW 2013, 552 Rn. 11 ff.; OVG NW, B.v. 31.3.2020 – 9 A 1162/18 – juris Rn. 13 f. für ebenfalls nicht eigenständig anfechtbare Maßnahmen im Rahmen des Fahreignungs-Bewertungssystems gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 StVG).
Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 GKG i.V.m. der Empfehlung in Nr. 1.5 Satz 1 2. Alt. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, Anhang zu § 164 Rn. 14). Die Befugnis zur Änderung des Streitwertbeschlusses folgt aus § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben