Verwaltungsrecht

Kostenerinnerung gegen Kostenfestsetzung für neuen Anwalt im Verfahren

Aktenzeichen  AN 17 M 19.50975

Datum:
15.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 10408
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RVG § 15 Abs. 2, § 16 Nr. 5
ZPO § 91 Abs. 2 S. 2
VwGO § 80 Abs. 5, Abs. 7, § 151, § 165

 

Leitsatz

1. Der Grundsatz, dass für das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO keine erneuten Kosten geltend gemacht werden können, unabhängig davon, ob durch das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO die Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO bestätigt bzw. aufrechterhalten oder abgeändert wurde (vgl. VG München BeckRS 2019, 35820), gilt nicht, wenn der Antragsteller im Ausgangs- und im Abänderungsverfahren von verschiedenen Rechtsanwälten vertreten worden ist (Anschluss an OVG Lüneburg BeckRS 2014, 126764). (Rn. 14 – 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nach § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder der Wechsel in der Person des Rechtsanwalts eintreten musste. An diesen notwendigen Wechsel sind strenge Anforderungen zu stellen; so genügt z.B. eine Störung im Innenverhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt nicht (Anschluss an OVG Lüneburg BeckRS 2014, 126764). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Erinnerung der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer Kostenerinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach, mit dem die Kosten für einen im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO neu mandatierten Rechtsanwalt als erstattungsfähig erklärt worden sind.
Mit Beschluss vom 17. Dezember 2018 lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach den Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage vom 31. Mai 2017 gegen die mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. Mai 2017 verfügten Abschiebungsanordnung nach Frankreich ab und erlegte dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auf (AN 14 S 17.50898). Der Antragsteller war bei Klageeinreichung und Stellung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO in einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in … untergebracht und wurde im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO von einer Rechtsanwältin in … vertreten.
Mit Bescheid der Regierung von Oberfranken vom 20. Juni 2017 wurde dem Antragsteller mit Wirkung vom 27. Juni 2017 eine neue Wohnung in … zugewiesen. Im Klageverfahren (AN 17 K 17.50899) zeigte sich mit Schriftsatz vom 17. Januar 2019 unter Kündigung des alten Mandats die jetzige Prozessbevollmächtigte des Antragstellers an. Ihre Kanzlei befindet sich in … Am 26. Januar 2019 zeigte ein Pfarramt in … gegenüber der Antragsgegnerin an, dass der Antragsteller an diesem Tag dort ins Kirchenasyl aufgenommen worden ist.
Mit Schriftsatz vom 18. Juni 2019 beantragte der Antragsteller durch seine jetzige Prozessbevollmächtigte, den Beschluss vom 17. Dezember 2018 nach § 80 Abs. 7 VwGO abzuändern (AN 17 S 19.50639). Mit Beschluss vom 26. Juli 2019 ordnete das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach aufgrund der Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO daraufhin die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers in Abänderung des Beschlusses vom 17. Dezember 2018 an und legte der Antragsgegnerin die Kosten für dieses Verfahren auf.
Mit Urteil vom 13. August 2019 hob das Verwaltungsgericht Ansbach den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. Mai 2017 auf. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 21. Februar 2020 den Antrag auf Zulassung der Berufung der Antragsgegnerin ab.
Mit Schriftsatz vom 20. August 2019 beantragte die Prozessbevollmächtigte im Verfahren AN 17 S 19.50639 die Kostenfestsetzung unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes von 2.500,00 EUR wie folgt:
„Verfahrensgebühr § 13 RVG, Nr. 3100 VV RVG 1,3.261,30 EUR
Pauschale für P& TNr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme netto 281,30 EUR
19% Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG 53,45 EUR
Gesamtsumme 334,75 EUR
Zur Begründung des Anwaltswechsels wurde mit Schriftsatz vom 10. September 2019 mitgeteilt, dass eine schnelle Erreichbarkeit der ehemaligen Rechtsanwältin durch die erfolgte Umverteilung nicht mehr gegeben gewesen sei. Die Fahrt von … nach … dauere mit öffentlichen Verkehrsmitteln ca. 3 Stunden, die nach … hingegen nur ca. 1 Stunde. Die Wahl sei auf die jetzige Kanzlei gefallen, weil dort ein Mitarbeiter angestellt sei, der die Muttersprache … des Antragstellers spreche. Der Anwaltswechsel sei im Januar 2019 erfolgt, weil zu diesem Zeitpunkt auf Grund des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 17. Dezember 2018 und des bevorstehenden Kirchenasyls erneuter Besprechungsbedarf bestanden habe.“
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11. September 2019 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach die zu erstattenden notwendigen Aufwendungen antragsgemäß fest. Der Anwaltswechsel wurde als notwendig erachtet.
Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss beantragte die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 16. September 2019 die Entscheidung des Gerichts.
Unter umfangreichen Rechtsprechungszitaten stellt sich die Antragsgegnerin auf den Standpunkt, dass der Anwaltswechsel nicht notwendig gewesen sei, weil er nicht in der Person des Rechtsanwalts begründet gewesen sei.
Der Urkundsbeamte half der Kostenerinnerung nicht ab und legte das Verfahren mit Schreiben vom 4. Oktober 2019 der Einzelrichterin zur Entscheidung vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Gerichtsakten AN 14 S 17.50898, AN 17 K 17.50899 und AN 17 S 19.50639 sowie die Akte AN 17 M 19.50975 verwiesen.
II.
Die Kostenerinnerung, über die das Gericht in der Besetzung wie im zugrundeliegenden Beschluss zu entscheiden hat, ist zulässig, insbesondere fristgerecht innerhalb von zwei Wochen nach §§ 165, 151 VwGO erhoben, aber unbegründet. Nach der Mitteilung der Antragsgegnerin vom 24. Oktober 2019 auf den Schriftsatz der Antragstellerbevollmächtigten vom 9. Oktober 2019 und die gerichtliche Nachfrage vom 18. Oktober 2019 hin, ist davon auszugehen, dass neben dem Kostenerinnerungsverfahren – trotz der Formulierung im Schriftsatz vom 16. September 2019 – kein zusätzliches Eilverfahren hinsichtlich der Kostenfestsetzung anhängig gemacht werden sollte.
Die Kostenerinnerung ist unbegründet, weil vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach die zu erstattenden notwendigen Auslagen im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11. September 2019 zutreffend festgesetzt worden sind.
Bei den Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO und § 80 Abs. 7 VwGO handelt es sich im kostenrechtlichen Sinne um dieselbe Angelegenheit, § 16 Nr. 5 RVG. Gebühren können vom Rechtsanwalt insgesamt nur einmal gefordert werden können, § 15 Abs. 2 RVG. Ebenso fällt in diesem Fall die Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG nur einmal an (vgl. OVG NRW, B.v. 16.5.2011 – 17 E 1418/10 – juris Rn. 26, siehe auch BayVGH, B.v. 26.1.2012 – 9 C 11.3040 – juris 13). Für das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO können damit regelmäßig keine erneuten Kosten geltend gemacht werden, unabhängig davon, ob durch das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO die Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO bestätigt bzw. aufrechterhalten oder abgeändert wurde (VG München, B.v. 15.5.2019 – M 12 M 18.50220 – juris Rn. 12 ff.).
Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Antragsteller im Ausgangs- und im Abänderungsverfahren von verschiedenen Rechtsanwälten vertreten worden ist. Wirtschaftlicher Hintergrund der gesetzlichen Regelung der §§ 15 Abs. 2, 16 Nr. 5 RVG ist nämlich die Annahme, dass im Abänderungsverfahren keine besondere Einarbeitung des Prozessvertreters mehr nötig ist, dieser vielmehr auf seine frühere Arbeit zurückgreifen kann (BayVGH, B.v. 24.7.2007 – 22 M 07.40006 – juris Rn. 6, VG München, a.a.O.). Dies trifft bei einem Anwaltswechsel jedoch nicht zu. § 15 Abs. 2 RVG steht der Entstehung des Gebührenanspruchs in dieser Konstellation nicht entgegen (OVG Lüneburg, B.v. 20.3.2014 – 2 MC 310/13 – juris Rn. 4), da nicht „der Rechtsanwalt“ Kosten erneut fordert, sondern mehrere Rechtsanwälte Kosten in derselben Angelegenheit in Rechnung stellen, was auch der Wortlaut des § 15 Abs. 2 RVG nicht ausschließt.
Andererseits sind nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO und nach § 91 Abs. 2 ZPO, der nach § 173 VwGO ergänzend auch im Verwaltungsprozess heranzuziehen ist, grundsätzlich nur die Kosten „eines“ Rechtsanwalts erstattungsfähig. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nach § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder – war hier allein in Frage kommt – der Wechsel in der Person des Rechtsanwalts eintreten musste. An diesen notwendigen Wechsel sind strenge Anforderungen zu stellen; so genügen z.B. eine Störung im Innenverhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt nicht (OVG Lüneburg, a.a.O. Rn. 4 m.w.N.). Ein Wechsel muss vielmehr objektiv notwendig gewesen sein, es darf kein Verschulden des Antragstellers oder seines Anwalts vorgelegen haben und der Wechsel durfte bei der Erstmandatierung nicht absehbar gewesen sein (OVG Lüneburg, a.a.O.).
Diesen Maßstab zugrunde gelegt, ist vorliegend der Rechtsanwaltswechsel als notwendig anzuerkennen. Dieser war bedingt durch die Unterbringung des Antragstellers in … aufgrund der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Ausländerbehörde vom 20. Juni 2017, die der Antragsteller nicht beeinflusst hat und auch nicht hätte beeinflussen können. Der Antragsteller war mit der Zuweisung in … vom Kanzleisitz seiner ersten Rechtsanwältin in … ca. 150 km entfernt. Er hätte diese nur durch eine rund zweistündige Fahrt mit dem PKW (der einem Asylbewerber regelmäßig aber nicht zur Verfügung) steht bzw. mit öffentlichen Verkehrsmitteln innerhalb von rund drei Stunden (einfach Strecke) erreichen können. Dies erscheint nicht mehr zumutbar, weil die rechtsanwaltliche Beratung damit erheblich erschwert, wenn nicht aufgrund dieses Umstandes faktisch ganz verhindert wurde. Auf eine telefonische Besprechung mit seiner ersten Anwältin konnte der Antragsteller ebenfalls nicht verwiesen werden, da nicht anzunehmen ist, dass ein Gespräch mit seiner ursprünglichen Anwältin ohne Dolmetscher und damit am Telefon möglich gewesen wäre. Nachdem zeitlich, örtlich, sachlich und prozessrechtlich ab Ergehen des Beschlusses im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO eine deutliche Zäsur im Verfahren eingetreten war, war eine Fortführung des alten Mandats auch bei objektiver Betrachtung der Angelegenheit nicht mehr sinnvoll und zumutbar. Es waren für den Antragsteller keine Vorteile mehr mit dem alten Mandat verbunden, die die erheblichen Schwierigkeiten im Falle einer Fortsetzung des Mandats aufgewogen hätten. Demgegenüber war die neue Prozessbevollmächtigte für den Antragsteller verkehrstechnisch gut zu erreichen und aufgrund der sprachlichen Verständigungsmöglichkeit von klarem Vorteil für das weitere Gerichtsverfahren. Auch prozessökonomisch trat, da das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO abgeschlossen war, kein erheblicher Nachteil ein. Zweifelhaft ist, aber letztlich dahinstehen kann, weil es hierauf nicht weiter ankommt, ob die benötigte anwaltliche Hilfe bei der Unterbringung im Kirchenasyl den Anwaltswechsel zusätzlich zu rechtfertigen vermochte; die Beratung zum Kirchenasyl als Umgehung des staatlichen Asylsystems war wohl eher nicht als notwendig im Rechtssinne zu erachten.
Nach allem war die Erinnerung mit der Kostenfolge des § 154 abs. 1 VwGO zurückzuweisen. Das Erinnerungsverfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.


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