Verwaltungsrecht

Kostenrechnung für Gewahrsam

Aktenzeichen  M 7 K 19.800

Datum:
11.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 17021
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKG Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 S. 1
PAG Art. 17 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über den Rechtsstreit kann im Wege des Gerichtsbescheids entschieden werden, da die Sache keine rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten aufweist, die Beteiligten hierzu angehört wurden und sich mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt haben (§ 84 Abs. 1 VwGO).
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die Klage ist teilweise unzulässig. Soweit sie zulässig ist, ist sie unbegründet.
Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger die „Löschung der Sache aus dem Strafregister“ begehrt.
Der Klageantrag ist zunächst gemäß §§ 86 Abs. 3, 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass der Kläger die Löschung der streitgegenständlichen „Sache“ sowohl aus dem bayerischen Kriminalaktennachweis (KAN) als auch aus dem bundesweiten Datenpool des INPOL-Systems gemäß Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG bzw. Art. 62 Abs. 2 Satz 1 PAG begehrt.
Jedoch fehlt es dem Kläger am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis für die insoweit erhobene Verpflichtungsklage i.S.v. § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO. Dieses fehlt immer dann, wenn der Kläger sein Ziel auf anderem Wege einfacher und schneller oder effizienter erreichen könnte (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Vor. 40 Rn. 12). Dementsprechend ist eine Verpflichtungsklage unnötig, solange der Bürger bei der Behörde einen entsprechenden Antrag nicht gestellt und eine angemessene Bescheidungsfrist nicht abgewartet hat (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Vor. 40 Rn. 13). Vorliegend ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass der Kläger vorab einen entsprechenden Antrag auf Löschung bei der zuständigen Behörde gestellt hat.
Die Klage ist im Übrigen unbegründet.
Der Leistungsbescheid vom 21. Januar 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen subjektiven Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Erhebung der Gebühren i.H.v. 60,- EUR in Zusammenhang mit der Gewahrsamnahme vom 15. Dezember 2018 gemäß Art. 93 PAG i.V.m. Art. 1, 2, 3 Abs. 1 Nr. 10 Satz 2 Buchst. a, Art. 6, 10 Abs. 1 Nr. 1, 5 Kostengesetz, Tarif-Nr. 2.II.5/4 ist rechtmäßig.
Nach Art. 1 Satz 1 KG erheben die Behörden des Staates für Tätigkeiten, die sie in Ausübung hoheitlicher Gewalt vornehmen (Amtshandlungen), Kosten (Gebühren und Auslagen) nach den Vorschriften dieses Abschnitts. Nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 Satz 1 KG werden grundsätzlich Kosten nicht erhoben für Amtshandlungen, die von der Polizei zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Art. 2 des Polizeiaufgabengesetzes vorgenommen werden, soweit nichts anderes bestimmt ist. Gemäß Art. 10 Abs. 1 Nr. 10 Satz 2 Buchst. a KG sind Amtshandlungen kostenpflichtig, soweit diese beantragt oder sonst veranlasst sind und nicht überwiegend im öffentlichen Interesse vorgenommen werden.
Vorliegend war die Anordnung des Schutzgewahrsams gegenüber dem Kläger durch diesen veranlasst und zudem nicht im überwiegenden öffentlichen Interesse geboten, sodass die Amtshandlung vorliegend kostenpflichtig i.S.v. Art. 10 Abs. 1 Nr. 10 Satz 2 Buchst. a KG ist.
Soweit aus dem Rechtsstaatsprinzip bzw. Art. 16 Abs. 5 KG folgt, dass Kosten nur für rechtmäßige Polizeimaßnahmen erhoben werden (vgl. BayVGH, U.v. 17.4.2008 – 10 B 08.449 – juris Rn. 12), führt dies vorliegend nicht zur Kostenfreiheit der polizeilichen Maßnahme. Denn die Anordnung des Schutzgewahrsams gegenüber dem Kläger am 15. Dezember 2018 gemäß Art. 17 Abs. 1 Nr. 1 PAG ist rechtmäßig.
Erforderlich ist eine Gefahr für Leib oder Leben des Betroffenen, wobei die Gefahr konkret, aber nicht gegenwärtig sein muss, da die Polizei mit der Ingewahrsamnahme nicht warten muss, bis die Gefahr sich zu realisieren beginnt. Eine Gefahr für Leib oder Leben liegt vor, wenn aus der ex-ante-Sicht bei Nichteingreifen mit dem Tod oder der Verletzung der körperlichen oder geistigen Unversehrtheit oder der Gesundheit gerechnet werden muss (vgl. Grünewald in BeckOK PolR Bayern, 11. Ed. 10.11.2019, PAG Art. 17 Rn. 17).
Ausweislich der in der Behördenakte befindlichen Stellungnahmen der handelnden Polizeibeamten PM R. und PMin R. ist der Kläger am 15. Dezember 2018 gegen 04:45 Uhr auf der Polizeiinspektion G* … erschienen, war deutlich alkoholisiert, hat Gleichgewichtsprobleme gehabt sowie undeutlich und wirr geredet. Angesichts der körperlichen Verfassung des Klägers sowie der Uhr- und Jahreszeit (04:45 Uhr, Dezember) durften die handelnden Polizeibeamten vertretbar davon ausgehen, dass ohne ein Eingreifen eine Gefahr für das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Klägers besteht.
Die Anordnung des Schutzgewahrsams war auch ermessensfehlerfrei i.S.v.Art. 5 PAG, § 114 Satz 1 VwGO und insbesondere verhältnismäßig i.S.v. Art. 4 PAG. Insbesondere wurde der Kläger nicht in eine Arrestzelle verbracht, sondern von den Polizeibeamten PHM G. und PM D. nach Hause gefahren und infolgedessen bereits um 05:20 Uhr, mithin 35 Minuten nach der Anordnung des Schutzgewahrsams wieder aus diesem entlassen.
Die Inanspruchnahme des Klägers als Kostenschuldner ist nicht zu beanstanden. Denn bei dem sog. Schutzgewahrsam gemäß Art. 17 Abs. 1 Nr. 1 PAG handelt es sich um eine Rettungsmaßnahme, die bezweckt, den Betroffenen – ungeachtet der Ursache – vor einer konkreten Gefahr für Leben oder Gesundheit zu bewahren (vgl. Grünewald in BeckOK PolR Bayern, 11. Ed. 10.11.2019, PAG Art. 17 Rn. 17). Er stellt sich damit als Maßnahme dar, die im überwiegenden Interesse des von der polizeilichen Maßnahme Betroffenen erfolgt. Ein überwiegendes öffentliches Interesse, wie es Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 Satz 2 lit. a KG über den Ausschluss einer Kostenerhebung für die polizeiliche Amtshandlung verlangt, besteht an der Maßnahme des Schutzgewahrsams nicht (vgl. VG München, U.v. 14.10.2015 – M 7 K 15.2370 – juris Rn. 15 m.w.N.).
Die Höhe der in dem Bescheid vom 21. Januar 2019 geltend gemachten Kosten ist ebenfalls nicht zu beanstanden (vgl. BayVGH, B.v. 115.2015 – 10 C 14.2739 – juris Rn 6). Sie umfassen lediglich die Regelgebühr für den Gewahrsam in Höhe von 60,- EUR, die auf der Grundlage von Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Art. 2 Abs. 1 Satz 1,Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 Satz 2 Buchst. a), Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und 3, 10 Abs. 1 Nr. 1, 5 KG i.V.m. Tarif-Nr. 2.II.5/4 Kostenverzeichnis erhoben werden kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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