Verwaltungsrecht

Landesinterne Umverteilung von Asylbewerbern

Aktenzeichen  M 24 K 17.71

Datum:
28.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 11437
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
DVAsyl § 1 Abs. 1, § 9
AsylG § 50 Abs. 4, § 53
GG Art. 2 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Ist nicht mit besonders langwierigen Asylverfahren zu rechnen, weil die bundesweite Schutzquote für Ukrainer nur 5,3% aufweist, kann eine Umverteilung zum beschleunigten Abschluss des Asylverfahrens und im Interesse sinnvoller Auslastung einer Gemeinschaftsunterkunft mit freien Kapazitäten im öffentlichen Interesse erfolgen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2 Liegt kein besonderer humanitärer Grund vor und ist die Wahrung der Familieneinheit gesichert, ist die landesinterne Umverteilung eines Asylbewerbers, der keinen Anspruch auf einen bestimmten Aufenthaltsort hat, zwar ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit, der im legitimen öffentlichen Interesse zur Beschleunigung des Asylverfahrens aber gerechtfertigt ist. (Rn. 41 – 47) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Über die Klage konnte nach vorheriger Anhörung gemäß § 84 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
1.2. Für die Klage ist das Verwaltungsgericht (VG) … als Gericht der Hauptsache insbesondere örtlich zuständig gemäß § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO. Es handelt sich um eine Streitigkeit nach dem Asylgesetz (AsylG), weil für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblich jedenfalls auch § 53 AsylG ist (vgl. BayVGH, B.v. 19.10.2016 – 21 CS 16.30179 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 19.10.2016 – 21 ZB 16.30251 – juris Rn. 7). Dabei hatten die Kläger in dem (für die Bestimmung der örtlichen gerichtlichen Zuständigkeit gemäß § 83 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz – GVG – maßgeblichen) Zeitpunkt des Klageeingangs aufgrund des Bescheides ihren Aufenthalt in der GU …, mithin im Gerichtsbezirk des VG … zu nehmen (Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung – AGVwGO), zumal die in der Hauptsache erhobene Klage kraft Gesetzes keine a.W. hat (§ 75 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO).
1.3. Aufgrund des Übertragungsbeschlusses vom 12. Februar 2018 ist der Einzelrichter zur Entscheidung berufen (§ 76 Abs. 1 AsylG).
1.4. Maßgeblicher Zeitpunkt für die vorliegende, gemäß § 101 Abs. 3 VwGO ohne mündliche Verhandlung ergehende Entscheidung ist der Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG).
2. Die Anfechtungsklage ist zulässig, insbesondere statthaft, und zwar hinsichtlich Nr. 1 und 2 des Bescheides gemäß § 42 Abs. 1 VwGO sowie hinsichtlich der vollstreckungsrechtlichen Maßnahmen der Nr. 3 und 4 des Bescheides gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG).
2.1. Nr. 1 und 2 des Bescheides erweisen sich als rechtmäßig und die Anfechtungsklage deshalb als unbegründet (§§ 113 Abs. 1 Satz 1, 114 VwGO).
2.1.1. Als Rechtsgrundlage der im Bescheid von Amts wegen verfügten landesinternen Umverteilung einschlägig ist im maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung § 9 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 DVAsyl. Nach dieser Vorschrift kann aus Gründen des öffentlichen Interesses landesintern eine Umverteilung in einen anderen Landkreis oder in eine andere kreisfreie Gemeinde im selben oder in einem anderen Regierungsbezirk erfolgen; die Kläger gehören als Asylbewerber zu dem in § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 DVAsyl genannten Personenkreis.
2.1.2. Der Bescheid ist formell rechtmäßig.
Zuständig ist insoweit gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 DVAsyl diejenige Regierung, innerhalb oder in deren Bezirk die Verteilung erfolgen soll, vorliegend also die Regierung von Oberbayern (ROB), weil … im Regierungsbezirk Oberbayern liegt.
Dabei bedarf es für derartige Verteilungsentscheidungen gemäß § 50 Abs. 4 Sätze 3 und 4 AsylG (vgl. auch § 9 Abs. 4 und § 7 Abs. 2 Satz 5 DVAsyl) weder einer Anhörung noch einer Begründung. Damit setzt die Asyldurchführungsverordnung voraus, dass wesentliche Teile der Sachverhaltsermittlung und der Begründung auch erst nach Bekanntgabe derartiger Umverteilungsentscheidungen erfolgen können, mithin auch im Wege von Schriftsätzen in nachfolgenden gerichtlichen Verfahren wie vorliegend.
2.1.3. Der Bescheid ist hinsichtlich Nr. 1 und 2 des Bescheides materiell rechtmäßig.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 DVAsyl für eine landesinterne Umverteilung liegen vor.
An der streitgegenständlichen Umverteilung besteht ein „öffentliches Interesse“, weil damit zu rechnen ist, dass durch die Umverteilung in die GU … das Asylverfahren der Kläger wegen der dortigen Bündelung der beteiligten Stellen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [BAMF], Zentrale Ausländerbehörde der ROB, Rechtsantragstelle des Verwaltungsgerichts) beschleunigt und unter effizientem Einsatz öffentlicher Mittel fortgeführt werden kann. Da die allgemein bekannte Geschäftsstatistik des BAMF für die Zeit von Januar bis November 2017 für die Ukraine eine bundesweite Gesamtschutzquote von nur 5,3 Prozent ausweist, darf davon ausgegangen werden, dass sich nur in wenigen Asylverfahren von Personen dieses Herkunftslandes derart gravierende Asylgründe auftun werden, dass mit besonders langwierigen Asylverfahren zu rechnen ist, so dass die in der GU … vorhandenen freien Kapazitäten durch Umverteilungen von ukrainischen Asylbewerbern sinnvoll ausgelastet werden können und zudem die Umverteilungen in die GU … zu einem beschleunigten Abschluss des Asylverwaltungsverfahrens führen. Dieses aus einer Betrachtung der Gruppe der ukrainischen Asylbewerber folgende „öffentliche Interesse“ schlägt auch auf den Einzelfall der Kläger durch, weil diese zur Gruppe der ukrainischen Asylbewerber gehören. Zwar liegt hierin keine der in § 9 Abs. 5 DVAsyl genannten Fallvarianten; aus dem dort geschriebenen Wort „insbesondere“ folgt aber, dass § 9 Abs. 1 Satz 1 DVAsyl auch andere „öffentliche Interessen“ erfasst.
Der Bescheid verstößt nicht gegen die in § 9 Abs. 6 DVAsyl genannten Anforderungen, bei denen es sich im Hinblick auf § 53 Abs. 1 Satz 2 AsylG um gerichtlich vollständig überprüfbare Anforderungen handelt; nach § 9 Abs. 6 DVAsyl soll der Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten sowie von Eltern und ihren minderjährigen Kindern oder sonstigen humanitären Gründen von gleichem Gewicht Rechnung getragen werden.
Der Aspekt der Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten sowie Eltern mit ihren minderjährigen ledigen Kindern wird gewahrt. Dies hat sich auch durch die Geburt der Zwillinge nicht geändert. Die Beklagte teilte mit, dass – sobald die Registrierung der neugeborenen Kinder des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) durchgeführt wurde – auch für diese ein Zuweisungsbescheid in die GU … erfolge. Es werde zugesichert, dass die Kernfamilie nicht auseinandergerissen werde. Der Bescheid kann derzeit somit lediglich aufgrund der noch fehlenden Registrierung nicht erlassen werden. Durch die Zusicherung der Beklagten wird dem Aspekt der Haushaltsgemeinschaft der Kernfamilie jedoch Genüge getan.
Der Bescheid verstößt nicht gegen sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht. Insbesondere die von der Klagepartei betonte gesundheitliche Situation der Kläger führt nicht zu einem Verstoß des Bescheid gegen § 9 Abs. 6 DVAsyl i.V.m. § 53 Abs. 1 Satz 2 AsylG.
Dabei hat die Klagepartei medizinische Aspekte, aus denen sich sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem, einer landesinternen Umverteilung entgegenstehendem, Gewicht ergeben, im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO) nicht nur vorzutragen, sondern auch zu belegen.
Bei bloß bayerninternen Umverteilungen – angesichts der in Deutschland verfügbaren Medikamente und der im Raum … dichten medizinischen Versorgung – die Klagepartei im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO) gehalten, solche fachärztlichen/fachtherapeutischen Belege vorzulegen, die eine explizite Begründung enthalten, warum eine Therapie oder eine medizinische Behandlung im Raum … nicht möglich sein sollte und womit (mit welcher Wahrscheinlichkeit) konkret gerade im Falle einer Verlegung der Therapie in den Raum … zu rechnen wäre. Vor diesem Hintergrund sind an die Darlegung und Belegung gesundheitlicher Gefahren, die mit einer landesinternen Umverteilung in die GU … verbunden sein können, insgesamt hohe Anforderungen zu stellen.
Vorliegend hat die Klagepartei im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht nicht hinreichend belegt, dass die Nierenbeckenerkrankung des Klägers zu 1) einen Umzug nach … ausschließt. Zum einen ist weder vorgetragen noch belegt noch ersichtlich, dass die erforderliche Behandlung insoweit nicht auch in Ingolstadt verfügbar wäre. Insbesondere dem von der Klagepartei vorgelegten Klinikschreiben vom 21. Dezember 2016 lässt sich insoweit nur entnehmen, dass am 30. Januar 2016 ein „Wiedervorstellungstermin“ vereinbart worden war. Es finden sich aber keinerlei Aussagen dahingehend, dass der Kläger zu 1) aus medizinischen Gründen nicht nach … umziehen könne oder dass die für erforderlich gehaltene Therapie in … nicht zur Verfügung stehen würde.
Auch beim Kläger zu 3) liegt kein sonstiger humanitärer Grund vor, der vom Gewicht her mit der Wahrung der Familieneinheit vergleichbar wäre. Soweit die Klagepartei von einer „Traumatisierung“ des Klägers zu 3) spricht, wurden keinerlei medizinische Unterlagen vorgelegt, die insoweit substantiiert bestimmte Befunde und daraus folgende Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Frage eines bayerninternen Umzugs festhalten würden; dass beim Kläger zu 3) eine „PTBS“ vorliegen könnte, wurde schon nicht vorgetragen. Der von der Klagepartei vorgelegte Bericht der Kindertagesstätte vom 2. November 2016 beschreibt zwar unter anderem die Schreckhaftigkeit und Geräuschempfindlichkeit des Kindes – auch hierin liegt aber keine medizinisch-fachliche Äußerung, weswegen auch insoweit nicht von einem sonstigen humanitären Grund von gleichem Gewicht, wie es der Wahrung der Familieneinheit zukommt, auszugehen ist. Auch die Stellungnahme des Landratsamtes … führt zu keiner anderen Entscheidung.
Ebenso liegt bei der Klägerin zu 2) kein sonstiger humanitärer Grund von vergleichbarem Gewicht vor. Im vorgelegten ärztlichen Attest vom 22. November 2017 wird ausgeführt, dass die Klägerin zu 2) für die nächsten 6 Monate, also bis 22. Mai 2018, nicht reisefähig sei. Aufgrund dessen hat die Beklagte zugestimmt, bis zum 22. Mai 2018 von Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen. Dies führt jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheides. Es wurde kein medizinischer Nachweis erbracht, dass eine Umverteilung grundsätzlich nicht möglich sei. Es handelt sich vielmehr um eine vorübergehende Reiseunfähigkeit. Das ärztliche Attest zeigt keine Gründe auf, die dauerhaft gegen eine Umverteilung sprechen würden. Eine medizinische Behandlung ist – wie bereits dargelegt – auch in … uneingeschränkt möglich. Ein humanitärer Grund von vergleichbarem Gewicht ist nicht gegeben.
Der Bescheid leidet hinsichtlich seiner Nr. 1 und 2 im maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nicht unter Ermessensfehlern.
Auf der Rechtsfolgenseite räumt § 9 Abs. 1 DVAsyl der Verwaltung Ermessen ein, das sowohl hinsichtlich des Entschließungsermessens als auch hinsichtlich des Auswahlermessens gemäß § 114 VwGO nur dahingehend gerichtlich überprüft werden kann, ob die in § 114 Satz 1 Alt. 1 und Alt. 2 VwGO genannten Ermessensfehler vorliegen. Gemäß § 114 Satz 2 VwGO sind Ergänzungen noch im gerichtlichen Verfahren möglich, wobei stets auch die Wertung von § 50 Abs. 4 Satz 4 AsylG (i.V.m. §§ 9, 7 DVAsyl) zu berücksichtigen ist, wonach auch landesinterne Umverteilungen keiner Begründung bedürfen.
Die gesetzlichen Grenzen des Ermessens i.S.v. § 114 Satz 1 Alt. 1 VwGO werden durch den Bescheid nicht überschritten.
Dabei sind bei von Amts wegen verfügten landesinternen Umverteilungen vor allem Grundrechte und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als gesetzliche Grenzen des Ermessens bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen. Daran ändert auch § 55 Abs. 1 Satz 2 AsylG nichts, wonach ein Asylbewerber keinen Anspruch auf einen bestimmten Aufenthaltsort hat. Denn bei von Amts wegen verfügten landesinternen Umverteilungen als belastenden Verwaltungsakten kommen die Grundrechte in ihrer Ausgangsfunktion als Abwehrrechte gegen den Staat (Art. 1 Abs. 3 Grundgesetz – GG) zur Anwendung.
Auch ein Eingriff in Grundrechte kann dabei allerdings gerechtfertigt sein, was vorliegend der Fall ist.
Der Bescheid greift in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) der Kläger ein. Es ist nicht davon auszugehen, dass durch die streitgegenständliche Umverteilung innerhalb des Regierungsbezirks Oberbayern in die körperliche Unversehrtheit der Kläger eingegriffen wird, weil insoweit keine hinreichend substantiierten medizinischen Unterlagen vorgelegt worden sind; auf die Ausführungen zu § 9 Abs. 6 DVAsyl wird Bezug genommen (s.o.).
Die Intensität des somit allein hinsichtlich Art. 2 Abs. 1 GG verbleibenden Grundrechtseingriffs ist allerdings nicht tiefgreifend; insbesondere ist eine landesinterne Umverteilung innerhalb Bayerns von ihrer Grundrechtsrelevanz her nicht ansatzweise vergleichbar mit einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet heraus, was bei der Prüfung der Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs von Bedeutung ist.
Der Grundrechtseingriff ist gerechtfertigt.
Die vorliegende landesinterne Umverteilung verfolgt einen legitimen Zweck. Es geht darum, eine Beschleunigung des Asylverfahrens dadurch zu erreichen, dass einerseits freie Kapazitäten in der GU … und andererseits die dort vorhandene Bündelung behördlicher Kapazitäten genutzt werden, wobei die Kläger der Gruppe der ukrainischen Asylbewerber angehören, bei der – wie gezeigt – die Anerkennungsquote gering ist (s.o.). Dabei sind die Kriterien der Anerkennungsquote beziehungsweise der geringen Bleibewahrscheinlichkeit dem deutschen Ausländerrecht nicht fremd. So stellt etwa § 44 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) darauf ab, ob bei einem Ausländer „ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist“, wobei in der amtlichen Begründung explizit der Aspekt der „guten Bleibeperspektive“ mit dem Aspekt der Herkunft aus einem „Land mit einer hohen Anerkennungsquote“ in Beziehung gesetzt wird (Bundestags-Drucksache 18/6185, S. 48, unten). Vor diesem Hintergrund ist die im Bescheid hinsichtlich seines Adressaten formulierte „geringe Bleibewahrscheinlichkeit“ als Kehrseite einer geringen Anerkennungsquote im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Die Maßnahme ist schon deshalb geeignet, um das (legitime) Beschleunigungsziel zu erreichen, weil die Kläger zur Gruppe der Ukrainer gehört und in der GU … freie Kapazitäten zur Verfügung stehen. Ohne eine Umverteilung könnten die freien Kapazitäten nicht genutzt werden, um den Beschleunigungseffekt zu erzielen, so dass insoweit kein milderes Mittel ersichtlich ist. Auch erscheint der Bescheid bei einem Vergleich des legitimen Beschleunigungsinteresses mit der geringen Schwere des mit ihm verbundenen Grundrechtseingriffs angemessen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die für den Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) erforderlichen medizinischen Behandlungen nicht auch in … verfügbar wären und dass eine Betreuung des Klägers zu 3) nicht auch in einer Kindertagesstätte in … angemessen möglich wäre. Das Gericht bezweifelt nicht, dass der Kläger zu 3) von seiner bisherigen Erzieherin wertschätzend behandelt wird und dass er zu dieser Erzieherin Vertrauen gefasst hat. Der Beklagte hat aber zutreffend vorgetragen, dass die Unterbringung der Kläger an ihrem bisherigen Wohnort von vornherein nur maximal für die Dauer des Asylverfahrens erfolgte. Unabhängig davon ist weder durch Vorlage entsprechender medizinischer Unterlagen belegt noch ersichtlich, dass durch einen Abbruch des Kindergartenbesuchs in … eine gesundheitliche Gefahr für den Kläger zu 3) erzeugt würde. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des Beklagten, das öffentliche Interesse an der Umverteilung höher zu gewichten als den Aspekt der Erhaltung des vertrauten Kindergartenumfeldes des Kindes, jedenfalls in dem dem Gericht von § 114 VwGO gesteckten Rahmen nicht zu beanstanden.
Der Ermessensgebrauch erfolgte entsprechend dem Zweck der Ermessensermächtigung (§ 114 Satz 1 Alt. 2 VwGO).
Vorliegend wurde (wie gezeigt) in legitimer Weise im Interesse der Beschleunigung des Asylverfahrens auf den Aspekt der freien Kapazitäten und der möglichen Bündelung von Verwaltungseinrichtungen unter Berücksichtigung der geringen Anerkennungsquote ukrainischer Asylbewerber zurückgegriffen.
Die offene Formulierung des § 9 Abs. 1 DVAsyl gestattet zwar die Berücksichtigung einer Vielzahl öffentlicher Zwecke und Aspekte, so dass auch divergierende öffentliche Zwecke, die gegen eine Umverteilung sprechen, im Kontext dieser Vorschrift relevant werden können.
Vorliegend sind derartige divergierende öffentliche Zwecke, die das vom Bescheid verfolgte Ziel, die in Ingolstadt vorhandenen Kapazitäten zu nutzen, relativieren könnten, allerdings nicht ersichtlich.
2.2. Nr. 3 und 4 des Bescheid erweisen sich als rechtmäßig und die Anfechtungsklage deshalb auch insoweit als unbegründet (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. Art. 38 Abs. 1 VwZVG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).


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