Verwaltungsrecht

Masernimpfung in Einrichtungen nach § 33 Nr. 1 IfSG, Aufforderung zu Vorlage eines (weiteren) Nachweises der Kontraindikation als unselbständige Verfahrenshandlung

Aktenzeichen  20 CE 21.2778

Datum:
29.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 43061
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs. 1
VwGO § 44a S. 1
IfSG § 20 Abs. 12 S. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RO 5 E 21.1912 2021-10-21 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 21. Oktober 2021 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird unter Abänderung von Ziffer III. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg für beide Rechtszüge auf jeweils 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde ist nur zum Teil zulässig. Soweit sie zulässig ist, ist sie unbegründet.
Die Beschwerdebegründung genügt hinsichtlich des als unzulässig abgelehnten Antrags zu 1) bereits nicht den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO, weil sie sich nicht mit den Ausführungen im angefochtenen Beschluss auseinandersetzt, wonach für einen Fortsetzungsfeststellungsantrag im Rahmen eines Verfahrens zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO kein Raum sei. Vielmehr erschöpft sich die Darlegung der Beschwerdegründe in der Behauptung, dass diese Rechtsauffassung unzutreffend sei.
Hinsichtlich des Antrags zu 2) ist die Beschwerde unbegründet. Darauf hat der Senat die Beteiligten mit Schreiben vom 30. November 2020 hingewiesen. Ein auf Feststellung der Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen an ein Attest, mithin ein auf die Feststellung der Erfüllung der Nachweispflicht nach § 20 Abs. 12 Satz 1, Abs. 9 Satz 1 IfSG in der Fassung vom 10. Dezember 2021 (BGBl. I S. 5162) gerichteter Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist bereits unzulässig.
Zwar steht den Antragstellern grundsätzlich zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes gegen behördliche Maßnahmen nach Art. 19 Abs. 4 GG die Möglichkeit zu, gerichtlich im Wege einer Feststellungsklage bzw. in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO klären zu lassen, dass sie zur Vorlage eines Nachweises wegen der Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung aus § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG nicht (mehr) verpflichtet sind.
In der vorliegenden Fallkonstellation ist ein derartiger Feststellungsantrag jedoch unzulässig, weil die Inanspruchnahme des Gerichts zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht erforderlich ist. Die Antragsteller wollen Rechtsschutz gegen eine Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a Satz 1 VwGO erreichen, die sie nicht unmittelbar in materiellen Rechtspositionen beschwert und die auch nicht vollstreckbar ist, § 44a Satz 2 VwGO. Die Eröffnung eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung würde deshalb zu einer Umgehung des in § 44a Satz 1 VwGO normierten erforderlichen besonderen Rechtsschutzbedürfnisses (Hoppe in Eyermann, 15. Auflage 2019, § 44a Rn. 2) führen. Behördliche Verfahrenshandlungen nach § 44a VwGO sind – ungeachtet dessen, ob sie Verwaltungsaktscharakter haben oder nicht – behördliche Handlungen, die im Zusammenhang mit einem begonnenen und noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsverfahren stehen und der Vorbereitung einer regelnden Sachentscheidung dienen (Hoppe in Eyermann, a.a.O. Rn. 6; BVerwG, B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5.18 – juris). Der Ausschluss selbständiger Rechtsbehelfe beschränkt sich grundsätzlich auf solche Maßnahmen, die Teil eines konkreten Verwaltungsverfahrens sind, ohne selbst Sachentscheidung zu sein, ohne also ihrerseits in materielle Rechtspositionen einzugreifen (BVerwG, U.v. 1.9.2009 – 6 C 4.09 – BVerwGE 134, 368). Durch die Konzentration des Rechtsschutzes soll eine unnötige oder eventuell mehrfache Inanspruchnahme der Gerichte in derselben Sache vermieden werden, um Prozessverzögerungen entgegenzuwirken und eine effektive und zügige Erreichung des Prozessziels zu gewährleisten (BVerwG, U.v. 1.9.2009 – 6 C 4.09 – BVerwGE 134, 368; BayVGH, B.v. 18.12.2019 – 20 BV 18.2645 – juris). Dabei ist jeweils im Einzelfall zu klären, ob es sich bei einer zur gerichtlichen Überprüfung gestellten behördlichen Handlung um eine Verfahrenshandlung oder um eine verfahrensbeendende Sachentscheidung handelt.
Das Gesundheitsamt hat in der in der Form eines Verwaltungsaktes ergangenen Aufforderung lediglich auf die Möglichkeit der Verfügung eines Betretungsverbots der Einrichtung nach § 20 Abs. 12 Satz 4 IfSG hingewiesen für den Fall, dass bis zum Ablauf der gesetzten Frist kein Nachweis im Sinne des § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG beigebracht werde. Es hat weder die sofortige Vollziehbarkeit der Nachweispflicht angeordnet noch Mittel des Verwaltungszwangs angedroht (BayVGH, B.v. 7.7.2021 – 25 CS 21.1651 – juris; OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 21.10.2021 – 3 M 134/21 – juris). Auch nach Ablauf der gesetzten Frist am 20. Juli 2021 hat das Gesundheitsamt bislang keine weiteren Schritte gegen die Antragsteller, insbesondere auch kein Bußgeldverfahren nach § 73 Abs. 1a Nr. 7d IfSG, § 35 Abs. 2 OWiG eingeleitet (vgl. zum grundsätzlich zumutbaren nachträglichen Rechtsschutz OVG Lüneburg, B.v. 4.4.2012 – 8 ME 49/12 – NordÖR 2012, 426; BayVGH, B.v. 30.11.2010 – 9 CE 10.2468 – BeckRS 2010, 56426). Die Aufforderung zur Vorlage eines (weiteren) Nachweises führt deshalb zu keinem Eingriff in rechtlich geschützte Positionen der Antragsteller und stellt eine unselbständige Verfahrenshandlung dar, gegen die gerichtlicher (Eil-)Rechtsschutz nicht erlangt werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47, 53 Abs. 2, 52 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO


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