Verwaltungsrecht

Missbräuchlichkeit der Vaterschaftsanerkennung

Aktenzeichen  B 6 S 20.989

Datum:
14.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 27760
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, Abs. 7
AufenthG § 82, § 85a Abs. 1
BGB § 1597a Abs. 2, Abs. 5

 

Leitsatz

1. Wird eine leibliche Vaterschaft durch eidesstattliche Versicherung der Mutter des Kindes behauptet, hat die Behörde die Pflicht, dieser Behauptung nachzugehen, kann die Vaterschaft aber nicht selbst nachprüfen, sondern ist auf die Mitwirkung der Beteiligten angewiesen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Verweigert der Anerkennende die entsprechende Mitwirkung und liegen keine rechtfertigenden Gründe für die Verweigerung des Vaterschaftstests vor, kann die Behörde die Missbrauchsprüfung vornehmen. (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Besteht keine leibliche Vaterschaft und liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Anerkennung rechtsmissbräuchlich erfolgte, so kann sich eine abweichende Bewertung dann ergeben, wenn der anerkennende Vater nachweisbar eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind begründet hat. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Ziffer 2 des Beschlusses vom 23.07.2020 (B 6 K 20.525) wird aufgehoben. Der Antrag vom 16.06.2020 auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 20.05.2020 (B 6 K 20.460) wird abgelehnt.
Im Übrigen bleibt der Beschluss vom 23.07.2020 (B 6 K 20.525) unberührt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten dieses Abänderungsverfahrens.
3. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe der Antragssteller unter Beiordnung von Rechtsanwalt …, …, für dieses Verfahren wird abgelehnt.
4. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Mit Bescheid vom 21.04.2020 wurde durch den Antragsgegner die missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft des am … von Frau W. in … geborenen Kindes (Antragsteller zu 2) durch den Antragsteller zu 1 festgestellt. Hiergegen wurde am 20.05.2020 Klage erhoben. Dem am 16.06.2020 gestellten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wurde mit Beschluss vom 23.07.2020 (B 6 S 20.525) entsprochen und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 21.04.2020 angeordnet. Auf die Gründe des Beschlusses wird verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 02.10.2020 beantragte der Antragsgegner beim Verwaltungsgericht Bayreuth gem. § 80 Abs. 7 VwGO, die Abänderung des Beschlusses vom 23.07.2020 dahingehend, dass der Antrag der Antragsteller nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt wird beziehungsweise die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (Az. B 6 K 20.460) zurückgenommen wird.
Zur Begründung wird angeführt, dass der Antragsteller zu 1 über dessen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 31.07.2020 unter Fristsetzung bis 20.08.2020 gebeten wurde, zu erklären, ob er bereit sei, einen Nachweis seiner leiblichen Vaterschaft beizubringen. Dies könne etwa durch einen Vaterschaftstest geschehen. Weiterhin sei um Erklärung gebeten worden, ob eine Kostentragung für den Antragsteller zu 1 möglich sei oder ob eine staatliche Kostenübernahme zu prüfen wäre. Hierzu sei auf die Ansicht des Verwaltungsgerichts im Beschluss vom 23. Juli 2020 (Az. B 6 S 20.525) explizit auch unter Nennung der Rechtsgrundlagen der ausländerrechtlichen Mitwirkungspflichten (§ 82 AufenthG i.V.m. § 17 Abs. 8 GenDG) bezüglich der Durchführung eines solchen Vaterschaftstests hingewiesen worden. Mit Schreiben vom 20.08.2020 habe der Bevollmächtigte des Antragstellers sich zum Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth dahingehend geäußert, dass er die Rechtsmeinung des Gerichts nicht teile. Sinngemäß sei dem Vortrag zu entnehmen gewesen, dass er die Beibringung eines Nachweises der leiblichen Vaterschaft seines Mandanten für rechtlich nicht geboten halte und dieser dazu auch nicht bereit sei. Zur Klarstellung habe der Antragsgegner mit Schreiben vom 09.09.2020 dem Bevollmächtigten unter Fristsetzung bis zum 24.09.2020 um ausdrückliche Erklärung gebeten, ob sein Mandant zu einem ggf. staatlich finanzierten Vaterschaftstest oder sonstigem Nachweis der leiblichen Vaterschaft bereit wäre oder nicht. Für den Fall, dass bis zum Fristende keine Antwort eingehe, wurde die Stellung eines Antrags nach § 80 Abs. 7 VwGO angekündigt. Eine Äußerung sei nicht erfolgt. Der Antragsteller sei außerdem seit 01.06.2020 amtlich unbekannten Aufenthalts, weshalb auch aus diesem rein tatsächlichen Grund nicht davon auszugehen sei, dass die Bereitschaft zum Nachweis der leiblichen Vaterschaft bestehe.
Mit Schriftsatz vom 14.10.2020 beantragte der Antragsteller, den Antrag der Antragsgegnerin i.R.v. § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO abzuweisen sowie dem Antragsteller i.R.v. § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Unterzeichners zu gewähren.
Zur Begründung wird ausgeführt, der Antrag sei bereits deshalb abzuweisen, da bei Stattgabe dem Antragsteller im Hauptsacheverfahren die Möglichkeit genommen würde, die sozial-familiäre Beziehung der Vaterschaft und damit das Nichtvorliegen einer missbräuchlichen Vaterschaft auch ohne Vaterschaftstest nachzuweisen. Eine aufenthaltsrechtliche Mitwirkungspflicht bestehe diesbezüglich nach aktueller Rechtslage gerade nicht. Nur durch Aufrechterhaltung der aufschiebenden Wirkung der Klage könne der Antragsteller im Rahmen des Hauptsacheverfahrens eine bestehende sozial-familiäre Vaterschaft nachweisen. Eine solche sei auch im Eilverfahren glaubhaft gemacht. Der Antragsteller sei nicht unbekannten Aufenthalts, sondern kümmere sich vielmehr um sein deutsches Kind.
Für den weiteren Sach- und Streitstand wird auf die vorgelegte Behördenakte sowie die Gerichtsakte (auch in den Verfahren B 6 S 20.525 und B 6 K 20.460) verwiesen.
II.
1. Der zulässige und begründete Antrag gem. § 80 Abs. 7 VwGO hat Erfolg.
Gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO können die Beteiligten die Aufhebung oder Änderung von Beschlüssen nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Dies umfasst neben der Veränderung der für die Entscheidung maßgeblichen Sach- oder Rechtslage auch die Veränderung der Prozesslage, insbesondere, wenn für die Entscheidung neue Beweismittel zur Verfügung stehen, die ergeben, dass die bisherige Entscheidung überholt ist oder jedenfalls neu überdacht werden muss (vgl. W.-R. Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage, § 80, Rn. 197). Abgesehen von den Voraussetzungen des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist der Streitgegenstand im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO derselbe wie im Ausgangsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO, d.h. auch der Prüfungsmaßstab ist insoweit der Gleiche (vgl. W.-R. Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, § 80, Rn.196; Hoppe in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 80, Rn. 129).
Ob im Sinn von § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO die Änderung der im Eilrechtsschutzverfahren getroffenen vorläufigen Entscheidung geboten ist, ist anhand desselben Entscheidungsrahmens zu beurteilen, der auch für den Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gilt. Gebildet wird dieser Rahmen von den Erfolgsaussichten des Anfechtungsrechtsbehelfs und von der Abwägung der Vor- und Nachteile für die betroffenen Rechtsgüter der Beteiligten für den Fall, dass sich die im Eilrechtsschutzverfahren getroffene tatsächliche und/oder rechtliche Bewertung später im Klageverfahren als unzutreffend erweisen sollte (Interessenabwägung); diese Abwägung trifft das Gericht eigenständig und originär nach der im Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Sach- und Rechtslage.
1.1 Der Antrag auf Abänderung der gerichtlichen Entscheidung vom 23.07.2020 ist zulässig.
Es liegen veränderte Umstände vor. Bereits im Beschluss vom 23.07.2020 wird ausgeführt: „Vorliegend sind ausreichend Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Antragsteller zu 1 möglicherweise tatsächlich der leibliche Vater des Antragstellers zu 2 ist. Dem Antragsteller zu 1 muss demnach von der Ausländerbehörde die Möglichkeit eingeräumt werden, seine leibliche Vaterschaft nachzuweisen (…). Sollte der Antragsteller zu 1 seiner Mitwirkungspflicht trotz der Möglichkeiten (ohne rechtfertigende Gründe) nicht nachkommen, so wird davon auszugehen sein, dass die Rechtsgrundlage für die Ausländerbehörde eröffnet und die Feststellung der Missbräuchlichkeit der Anerkennung der Vaterschaft grundsätzlich zulässig war“.
Mit Schreiben vom 31.07.2020 sowie mit Schreiben vom 09.09.2020 wurde der Antragsteller zu 1) seitens des Antragsgegners zur Erklärung über seine Bereitschaft zur Durchführung eines Vaterschaftstests aufgefordert, sowie die Prüfung einer Kostenübernahme durch das Sozialamt in Aussicht gestellt. Hierauf ließ der Antragsteller zu 1) am 28.08.2020 durch seinen Prozessbevollmächtigten erklären, dass keine Bereitschaft zur Durchführung eines Vaterschaftstests bestehe. Dies wurde am 14.10.2020 durch den Antragsteller zu 1) bei einer persönlichen Vorsprache bei der Ausländerbehörde bekräftigt. Da die Behörde nunmehr in ausreichendem Maße dem Antragsteller zu 1) die Gelegenheit eingeräumt hat, seine leibliche Vaterschaft nachzuweisen, liegen veränderte Umstände vor.
1.2 Der Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO ist begründet, weil die nach Erlass des Beschlusses im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO eingetretenen Veränderungen eine Abänderung des Beschlusses vom 23.07.2020 rechtfertigen. Die nunmehr unter Berücksichtigung der veränderten Umstände erneut durchzuführenden Abwägung zwischen dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners einerseits und dem Aussetzungsinteresse der Antragsteller andererseits fällt zu Lasten der Antragsteller aus. Damit ist der Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO insgesamt abzulehnen.
1.2.1 Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes lediglich gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage überwiegt das öffentliche Interesse an der Vollziehbarkeit des Bescheides das Interesse der Antragsteller an der Aussetzung, weil allen Anhaltspunkten nach ausgehend von der Sach- und Rechtslage im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag die gegen den Bescheid vom 21.04.2020 gerichtete Klage keine Aussicht auf Erfolg hat.
Die im Bescheid vom 21.04.2020 ausgesprochene Feststellung, dass die Vaterschaftsanerkennung für den Antragsteller zu 2) durch den Antragsteller zu 1) missbräuchlich erfolgte, dürfte materiell rechtmäßig sein.
Wird der Ausländerbehörde von der beurkundenden Behörde oder Urkundsperson mitgeteilt, dass konkrete Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft im Sinne von § 1597a Abs. 2 BGB bestehen, hat die Ausländerbehörde gemäß § 85a Abs. 1 AufenthG zu prüfen, ob tatsächlich eine Missbräuchlichkeit der Anerkennung der Vaterschaft vorliegt und stellt diese dann bei dem Vorliegen von Missbräuchlichkeitsanhaltspunkten durch einen Verwaltungsakt fest, wenn die Vaterschaft gezielt und gerade zum dem Zweck anerkannt wird, die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Anerkennenden zu schaffen (§ 85a Abs. 1 Satz 2 AufenthG), andernfalls stellt sie das Verfahren ein (§ 85a Abs. 1 Satz 3 AufenthG).
Eine missbräuchliche Anerkennung ist aber von vornherein (unabhängig vom Vorliegen von Missbrauchstatbeständen) aus Rechtsgründen ausgeschlossen, wenn der Anerkennende der leibliche Vater des anzuerkennenden Kindes ist (vgl. § 1597a Abs. 5 BGB).
Wird – wie hier – eine leibliche Vaterschaft durch eidesstattliche Versicherung der Mutter des Kindes behauptet, so hat die Behörde die Pflicht dieser Behauptung nachzugehen. Da die Behörde eine leibliche Vaterschaft nicht selbst überprüfen/nachprüfen kann, ist sie hierzu auf die Mitwirkung der Beteiligten angewiesen und kann diese auch gem. § 82 AufenthG i.V.m. § 17 Abs. 8 GenDG dazu auffordern (vgl. Palandt, 78. Auflage 2019, § 1597a BGB, Rn. 3 und 4). Die Kompetenz zur Anordnung eines Vaterschaftstests kommt der Behörde jedoch nicht zu.
Verweigert der Anerkennende die entsprechende Mitwirkung und liegen keine rechtfertigenden Gründe für eine Verweigerung (des Vaterschaftstests) vor, wird die Ausländerbehörde regelmäßig genug Anhaltspunkte haben, davon auszugehen, dass der Anerkennende nicht der leibliche Vater ist und eine entsprechende Behauptung damit entkräftet ist. In einem solchen Fall, kann die Ausländerbehörde dann die Missbrauchsprüfung nach § 85a Abs. 2 AufenthG fortsetzen, weil sie ihrer Amtsermittlungspflicht ausreichend nachgekommen ist und es dem Anerkennenden selbst obliegen würde, eine leibliche Vaterschaft nachzuweisen.
Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller zu 1) – entgegen der Ankündigung seines vorherigen Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16.06.2020 und trotz einer in Aussicht gestellten Kostenübernahme durch Dritte – keinen Vaterschaftstest vorgelegt, ohne Gründe vorzutragen, aus denen sich eine Unzumutbarkeit ergeben könnte, einen solchen durchzuführen. Damit hat sich die Behörde im Rahmen ihrer Möglichkeiten hinreichend mit der behaupteten leiblichen Vaterschaft auseinandergesetzt, der Tatbestand des § 85a AufenthG ist eröffnet und die Behörde hat eine Missbrauchsprüfung vorzunehmen.
Vorliegend liegen nach der gebotenen summarischen Prüfung hinreichende Anhaltspunkte für die Missbräuchlichkeit der Anerkennung der Vaterschaft durch den Antragsteller zu 1) vor. Nach § 1597a Abs. 1 BGB darf die Vaterschaft nicht gezielt gerade zu dem Zweck anerkannt werden, die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes, des Anerkennenden oder der Mutter zu schaffen, auch nicht, um die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes durch den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes nach § 4 Absatz 1 oder Absatz 3 Satz 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes zu schaffen (missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft).
Zwar ist keines der in § 85a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 – 4 AufenthG ausdrücklich genannten Regelbeispiele erfüllt, es liegt jedoch eine mit § 85a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AufenthG vergleichbare Fallgestaltung vor. Hiernach wird eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft regelmäßig vermutet, wenn der Anerkennende bereits mehrfach die Vaterschaft von Kindern ausländischer Mütter anerkannt hat und jeweils die Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder der Mutter durch die Anerkennung geschaffen hat. Nach den – insoweit unbestrittenen – Erkenntnissen des Antragsgegners haben bereits mehrere Ausländer eine Vaterschaft bzgl. der insgesamt acht Kinder der Mutter des Antragstellers zu 2) anerkannt und in der Folge eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Als Vater der ältesten beiden Kinder ist ein kamerunischer abgelehnter Asylbewerber eingetragen, welcher zunächst geduldet wurde und nunmehr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ist. Eingetragener Vater des dritten Kindes ist ein abgelehnter und nunmehr geduldeter Asylbewerber südafrikanischer Staatsangehörigkeit. Der ausländerrechtliche Sachverhalt des Vaters des vierten Kindes konnte nicht ermittelt werden. Der Vater des fünften Kindes ist nach Auskunft des Jugendamtes unbekannt. Für das sechste Kind ist als Vater ein beninischer Staatsangehöriger eingetragen, welcher über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG verfügt. Der Vater des siebten Kindes verfügt ebenfalls über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG und ist ghanaischer Staatsangehöriger.
Wie bereits durch die Formulierung („regelmäßig“) deutlich wird, handelt sich bei der Aufzählung in § 85a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 – 4 AufenthG nicht um eine abschließende. Vielmehr kann eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft auch in anderen Fällen vorliegen (vgl. BT-Drs 18/12415 S. 17).
Der vorliegende Sachverhalt stellt einen, von Schweregrad und Auswirkung vergleichbaren Fall dar, da es keinen Unterschied machen kann, ob der Vater durch die Anerkennung den Müttern der Kinder ein Aufenthaltsrecht verschafft oder der Vater selbst durch die Anerkennung erst zu einem Aufenthaltsrecht kommt.
Es kann letztlich dahinstehen, ob allein die vergleichbare Fallgestaltung zu § 85a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG bereits ohne Weiteres zu einem Eingreifen der gesetzlichen Vermutungswirkung führt, da jedenfalls in der Gesamtschau die Anerkennung der Vaterschaft für den Antragsteller zu 2) durch den Antragsteller zu 1) allem Anschein nach gezielt und gerade zu dem Zweck erfolgen soll, um die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Antragstellers zu 1) zu schaffen. Neben der bereits angeführten vergleichbaren Fallgestaltung spricht hierfür zusätzlich Folgendes:
Bei dem Antragsteller zu 1) handelt es sich um einen abgelehnten Asylbewerber, welcher nach Ablehnung seines Antrags auf Zulassung der Berufung seit 05.08.2019 vollziehbar ausreisepflichtig ist. Die Erlangung der rechtlichen Voraussetzungen für einen erlaubten Aufenthalt sind ohne die Anerkennung der Vaterschaft für den Antragsteller zu 2) nicht zu erwarten. Die vehemente Weigerung – trotz Behauptung der leiblichen Vaterschaft – ein Abstammungsgutachten einzuholen, lässt den Schluss zu, dass eine leibliche Vaterschaft tatsächlich nicht besteht. Auch die Angabe des Antragstellers zu 1) bei einer Vorsprache am 14.10.2020 bei der ZAB Oberfranken, er wolle nicht verraten, wo sich sein Reisepass befände – dieser sei mittlerweile nicht einmal mehr in Deutschland, weil er wisse, dass wenn die Behörde den Pass bekäme sie ihn sodann abschieben würde – zeigt, dass der Antragsteller zu 1) die Anerkennung der Vaterschaft für den Antragsteller zu 2) als realistische Möglichkeit sieht, sich eine Bleibeperspektive im Bundesgebiet zu verschaffen und im Übrigen seinen ausländerrechtlichen Mitwirkungsverpflichtungen offenbar nicht nachkommt, um eine ansonsten drohende Aufenthaltsbeendigung zu verhindern.
Besteht keine leibliche Vaterschaft – wofür im vorliegenden Fall alles spricht – und liegen weitere zureichende Anhaltspunkte dafür vor, dass die Anerkennung der Vaterschaft missbräuchlich erfolgte, so kann sich eine abweichende Bewertung dann ergeben, wenn der anerkennende Vater nachweisbar eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind begründet hat oder sich außerhalb einer sozial-familiären Beziehung in vergleichbarere Weise um das Kind kümmert (vgl. BT-Drs 18/12415 S. 17). Denn dann erfolgt die Anerkennung nicht ausschließlich aus aufenthaltsrechtlich motivierten Gründen Nach dem bisherigen Vortrag des Antragstellers zu 1) ist, zumindest nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung, nicht von einer wirklichen sozialen Bindung zwischen ihm und dem Antragsteller zu 2) auszugehen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Vortrag des Antragstellers zu 1) zunächst maßgeblich auf die behauptete leibliche Vaterschaft gestützt war, ist das Vorbringen zu pauschal und unsubstantiiert.
Zur Glaubhaftmachung einer sozialen Vaterschaft wurden eidesstattliche Versicherungen der Mutter des Antragstellers zu 2) vorgelegt. So gab diese in einer eidesstattlichen Versicherung vom 04.10.2019 an, dass der Antragsteller zu 1) der Vater ihres noch ungeborenen Kindes sei, der Kindsvater Verantwortung übernehmen wolle und eine Sorgeerklärung beim zuständigen Jugendamt abgegeben werden solle und der Antragsteller zu 1) ihr gegenüber erzählt habe, dass sein Nationalpass auf dem Weg zu ihm sei. In einer weiteren eidesstattliche Versicherung der Mutter des Antragstellers zu 2) vom 22.07.2020 gab diese an, dass sich der Antragsteller zu 1) und sie am 02.08.2018 kennengelernt hätten und seitdem eine stabile Beziehung führten, der Antragsteller zu 1) bei jedem Termin beim Gynäkologen sowie beim Geburtsplanungstermin im Krankenhaus anwesend gewesen sei, der Antragsteller zu 1) sich hingebungsvoll um seinen Sohn kümmere und auch alleine mit ihm spazieren gehe, er setze nahezu sein ganzes Geld ein um die Kindsmutter zu unterstützen, kaufe Babykleidung, einen Kinderwagen und sonstige Kleinkindbedarfsartikel.
Sonstige Nachweise, etwa der Nachbarn oder Freunde der Kindsmutter als neutralen Dritten, die eine gelebte Vater-Kind-Beziehung trotz der eigentlich bestehenden Wohnsitzauflage in … glaubhaft erscheinen ließen, wurden nicht vorgelegt. Auch etwaige Belege für die vom Antragsteller zu 1) gekauften Artikel oder Nachweise über gemeinsame Arztbesuche wurden nicht vorgelegt. Vielmehr wurde seitens des Antragsgegners ein Tätigkeitsbericht der Polizei … vom 17.07.2020, wonach Polizeibeamte auf Ersuchen der Zentralen Ausländerbehörde Oberfranken am 10.07.2020 die Wohnung der Mutter des Antragstellers zu 2) in … aufgesucht hatten, um den Reisepass des Antragstellers zu 1) sicherzustellen, vorgelegt. Hierbei wurde nur die Mutter des Antragstellers zu 2) angetroffen, welche angab, sie sehe den Antragsteller zu 1) unregelmäßig, er wohne bei einem Freund in …, eine Adresse oder Telefonnummer wolle sie nicht aushändigen. Bei einem erneuten Aufsuchen am 13.07.2020 wurden durch die Polizeibeamten auch Nachbarn der Mutter des Antragstellers zu 2) befragt, welche angaben, einen Mann welcher dem Mann auf dem vorgelegten Foto ähnele, gelegentlich in den späten Abendstunden wahrzunehmen.
Die Angaben gegenüber der Polizei am 10.07.2020 lassen sich nur schwer in Einklang mit dem Vorbringen in der eidesstattlichen Versicherung vom 22.07.2020 bringen. Während die Mutter des Antragstellers zu 2) gegenüber den Polizeibeamten noch angab, den Antragsteller zu 1) nur unregelmäßig zu sehen, wird in der eidesstattlichen Versicherung angegeben, der Antragsteller zu 1) kümmere sich hingebungsvoll um den Antragsteller zu 2), füttere und bade diesen und gehe mit ihm spazieren. Dieses Vorbringen erscheint auch vor dem Hintergrund bereits zweifelhaft, dass Nachbarn der Mutter des Antragstellers zu 2) gegenüber den Polizeibeamten am 13.07.2020 angaben (vermutlich) den Antragsteller zu 1) gelegentlich in den Abendstunden wahrzunehmen. Es erscheint fernliegend, dass im Falle der tatsächlichen Personensorge im genannten Umfang der Antragsteller zu 1) nicht zu anderen Zeiten und nicht mit dem Antragsteller zu 2) von Nachbarn wahrgenommen wird, insbesondere wenn er – wie vorgetragen – mit dem Antragsteller zu 2) alleine spazieren geht.
Die bereits am 14.04.2020 im Verwaltungsverfahren vorgelegten Fotos auf denen die Antragsteller, die Mutter des Antragstellers zu 2) sowie ein weiteres Kind der Mutter des Antragstellers zu 2) zu sehen sind, können zwar einen stattgefundenen Kontakt belegen, nicht aber eine soziale Vaterschaft glaubhaft erscheinen lassen.
Auch im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO wurde seitens des Antragstellers zu 1) keine neuen Mittel zur Glaubhaftmachung vorgelegt, sondern lediglich darauf verwiesen, dass nach dem Vortrag im Eilverfahren keine Zweifel an einer bestehenden sozialen Vaterschaft bestehen könnten.
Soweit der Antragstellerbevollmächtigte vorträgt, die Verfestigung einer sozialen Vaterschaft werde nicht zuletzt durch die Wohnsitzauflage und die nicht erfolgte „Umverteilung“ nach … verhindert, so hat der Antragsteller zu 1) die Beseitigung dieser Umstände selbst in der Hand. Es erschließt sich dem Gericht nicht, warum der Antragsteller zu 1) sich – trotz Behauptung des Bestehens einer leiblichen Vaterschaft sowie der in Aussicht gestellten staatlichen Kostenübernahme – vehement weigert, ein Abstammungsgutachten vorzulegen und der Missbräuchlichkeit der Vaterschaftsanerkennung bereits vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren die Grundlage zu entziehen, das Verfahren damit zu beschleunigen und zu beenden, was seinem eigenen Interesse am ehesten entsprechen dürfte. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass mit Schriftsatz vom 16.06.2020 durch den vormaligen Prozessbevollmächtigten noch eine zeitnahe beabsichtigte Durchführung eines Vaterschaftsgutachtens in Aussicht gestellt wurde, welche lediglich aufgrund finanzieller Schwierigkeiten stocke.
Auch die abschließend durchzuführende Interessensabwägung führt nicht zu einem Überwiegen des Aussetzungsinteresses des Antragstellers zu 1). Zum einen hat es der Antragsteller zu 1) – wie bereits mehrfach betont – in der Hand, durch Vorlage eines genetischen Vaterschaftsgutachtes der Feststellung der Missbräuchlichkeit der Vaterschaftsanerkennung ein für allemal die Grundlage zu entziehen. Zum anderen ist der Antragsteller zu 1) seit 01.06.2020 unbekannten Aufenthalts. Zwar wird durch seinen Prozessbevollmächtigten vorgetragen, er befinde sich in … um sich dort um sein Kind zu kümmern. Die Nennung einer ladungsfähigen Anschrift erfolgte jedoch bislang nicht. Auch das kurzzeitige Auftauchen bei Behörden hatte zumindest nicht zur Folge, dass sich der Antragsteller zu 1) wieder dauerhaft in der ihm zugewiesenen Unterkunft befindet und sich wieder der ausländerbehördlichen Kontrolle unterstellt hat.
Der Vortrag des Antragstellerbevollmächtigten, durch eine Stattgabe des § 80 Abs. 7 VwGO würde dem Antragsteller zu 1) die Möglichkeit genommen, im Hauptsacheverfahren die gelebte Vater-Kind-Beziehung nachzuweisen, stellt insoweit einen Zirkelschluss dar. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird hier damit begründet, dass die Klage grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung hat. Dieser Argumentation folgend würde allein die Behauptung einer sozial-familiären Beziehung ohne Weiteres zu einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung führen und die gesetzgeberische Grundentscheidung in § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 AufenthG damit faktisch neutralisiert.
2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren von § 80 Abs. 7 VwGO wird mangels Rechtsschutzbedürfnis abgelehnt. Dem Antragsteller wurde mit Beschluss vom 23.07.2020 im Verfahren B 6 E 20.525 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt … beigeordnet. Diese Bewilligung gilt auch im vorliegenden Verfahren fort. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolgt zwar für jeden Rechtszug gesondert, § 166 VwGO iVm § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wobei unter einem Rechtszug iSv § 119 Absatz 1 S. 1 ZPO grundsätzlich jeder Verfahrensabschnitt zu verstehen ist, der besondere Kosten verursacht. Stehen mehrere Verfahrensabschnitte jedoch in notwendigem innerem Zusammenhang, so bilden sie auch dann einen einheitlichen Rechtszug, wenn sie jeweils mit Kosten verbunden sind (Zimmermann-Kreher in: BeckOK VwGO, Posser/Wolff, 57. Ed. Stand1.4.2021, § 166 VwGO Rn. 44).
Es kann dahinstehen, ob bereits unter dem Gesichtspunkt, dass für ein Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO keine gesonderten Gerichtsgebühren erhoben werden (vgl. Vorbemerkung 5.2, Teil 5, Hauptabschnitt 2 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz) von einem Rechtszug iSv § 119 Absatz 1 S. 1 ZPO auszugehen ist. Da ein Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO ein abgeschlossenes Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO voraussetzt, liegt jedenfalls ein notwendiger innerer Zusammenhang vor.
3. Als unterlegene Partei haben die Antragsteller nach § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO die Kosten dieses Verfahrens zu tragen.
4. Da der Streitwert im Abänderungsverfahren derselbe wie im Ausgangsverfahren ist, richtet sich die Festsetzung ebenfalls nach §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Ziff. 1.1.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben