Verwaltungsrecht

Mit Clubs Diskotheken und Bordellbetrieben vergleichbare Freizeiteinrichtung, Besonders infektionsgefährdende (Freizeit-) Einrichtung, Sauna- Schwimmbad- und Wellnessbetrieb, Tantra-Location, Swingerclub, Herrenüberschussparty, Gesamterscheinungsbild der Einrichtung

Aktenzeichen  B 7 S 22.37

Datum:
18.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 868
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
15. BayIfSMV § 14 Abs. 3
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die behördliche Einstellung des Betriebs eines angeblichen Swingerclubs in der Einrichtung „…“.
Die Antragstellerin betreibt in … (Landkreis …*) die Einrichtung „…“. Nach Angaben der Antragstellerin handelt es sich hierbei um einen „Saunaclub mit Schwimmbad und Wellnesseinrichtungen“.
Aufgrund einer Betriebskontrolle durch die Polizeiinspektion …-Land am 29.12.2021 verpflichtete der Antragsgegner die Antragstellerin mit Bescheid vom 30.12.2021, den Betrieb des Swingerclubs in der Einrichtung „…“ in … ab sofort einzustellen (Ziff. 1). Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 7.500,00 EUR zur Zahlung angedroht (Ziff. 2).
Zur Begründung führte der Antragsgegner im Wesentlichen aus, bei der Kontrolle durch die Polizeiinspektion …-Land sei festgestellt worden, dass in der Einrichtung ein Swingerclub betrieben werde. Im Eingangsbereich befinde sich ein Schild mit der Aufschrift „zertifiziert bei JoyClub 2020“, einer Community für Swingerclubs. Auf der Internetseite sei der Betrieb „…“ als Swingerclub gelistet. Die Eintrittspreise deuteten ebenfalls auf einen Swingerclub hin. Für Frauen würden niedrigere Eintrittspreise als für Männer (34,00 EUR Frauen/49,00 EUR Männer) gelten. Im Internet biete man diverse Events des Saunaclubs an. Hierbei sei auffällig, dass bei den Beschreibungen Wortlaute wie „feucht-fröhlich“, „oben ohne – unten nix“, „FKK-Nacht“, „spritzig“ u.a. Verwendung fänden. Außerdem befänden sich diverse Flyer für Fetische, Sadomaso u.a. im kompletten Eingangsbereich. An den Wänden seien Fotos von nackten weiblichen Brüsten.
Der Betrieb eines Swingerclubs sei nach § 14 Abs. 3 der 15. BayIfSMV verboten. Die Polizeiinspektion …-Land habe festgestellt, dass der Saunaclub „…“ nicht wie angemeldet als Schwimmbad und Sauna, sondern als Swingerclub betrieben werde. Die Schließung sei angesichts der ausgehenden Gefahr der weiteren Verbreitung des Coronavirus erforderlich. Die Antragstellerin sei als Verhaltensstörerin die richtige Adressatin der Maßnahme (wird weiter ausgeführt). Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 BayVwZVG. Die Frist zur Erfüllung der Verpflichtung sei den Umständen des Einzelfalles nach angemessen. Es sei der Betroffenen möglich, umgehend der Verpflichtung nachzukommen, da insbesondere keine weiteren Vorkehrungen getroffen werden müssten. Die Höhe des Zwangsgeldes sei erforderlich, um die Antragstellerin im Hinblick auf die Gefahr für das Rechtsgut Gesundheit zur Beachtung dieses Bescheids anzuhalten.
Mit Änderungsbescheid vom 07.01.2022 ergänzte der Antragsgegner den Bescheid vom 30.12.2021 nach der Ziff. 1 um folgende Ziff. 1a: „Der Betrieb des Swingerclubs in der Einrichtung „…“, …, …, darf erst dann wieder aufgenommen werden, wenn die zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses geltende Regelung, wonach Clubs, Diskotheken, Bordellbetriebe und vergleichbare Freizeiteinrichtungen geschlossen zu halten sind, nicht mehr besteht“. Ziff. 2 des Bescheids vom 30.12.2021 erhielt mit Änderungsbescheid vom 07.01.2022 folgenden Wortlaut: „Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Nr. 1 wird ein Zwangsgeld in Höhe von 7.500,00 EUR zur Zahlung fällig. Wird entgegen Nr. 1a der Betrieb wieder aufgenommen, wird ebenfalls ein Zwangsgeld in Höhe von 7.500,00 EUR zur Zahlung fällig.“
Zur Begründung des Änderungsbescheids wird im Wesentlichen ausgeführt, im Bescheid vom 30.12.2021 sei die Wiederaufnahme des Betriebs nicht ausdrücklich untersagt. Da diese nach § 14 Abs. 3 der 15. BayIfSMV verboten sei, werde der Bescheid durch seine Ziff. 1a entsprechend ergänzt. Die derzeit geltende 15. BayIfSMV trete mit Ablauf des 12.01.2022 außer Kraft. Von einer Verlängerung der Verordnung oder einer Übernahme des Verbots in eine neue Infektionsschutzmaßnahmenverordnung sei auszugehen. Die festgesetzte Geltungsdauer unter Ziff. 1a werde daher gem. § 36 Abs. 2 Nr. (Angabe einer konkreten Nr./Ziff. fehlt) BayVwVfG an den Wegfall eines kraft Gesetzes oder Verordnung bestehenden Gebots, Clubs, Diskotheken, Bordellbetriebe und vergleichbare Freizeiteinrichtungen geschlossen zu halten, geknüpft. Die Androhung des Zwangsgelds für den Fall der Wiedereröffnung gegen Nr. 1a stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 BayVwZVG (wird weiter ausgeführt). Die im Ausgangsbescheid vom 30.12.2021 angegebenen Rechtsgrundlagen hinsichtlich der sofortigen Vollziehbarkeit der Anordnung seien auch für den Änderungsbescheid gültig. Sie würden korrigierend mit § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 28 Abs. 3 IfSG und § 16. Abs. 8 IfSG angegeben. Es werde darauf hingewiesen, dass Verbote und Verpflichtungen nach anderen spezialgesetzlichen Regelungen durch den Bescheid nicht berührt würden, da der Betrieb eines Swingerclubs eventuell nach anderen Vorschriften ohnehin unzulässig sei.
Mit Schriftsatz vom 11.01.2022, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am 13.01.2022, erhoben die Bevollmächtigten der Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30.12.2021 und beantragen zugleich:
Die aufschiebende Wirkung des Klageverfahrens der Antragstellerin gegen den Bescheid des Beklagten vom 30.12.2021 wird angeordnet.
Zur Begründung des Eilantrags wird im Wesentlichen ausgeführt, der Antragstellerin sei mit Bescheid vom 30.12.2021 die Ausübung des Betriebs eines Schwimmbads mit Sauna untersagt worden. Die Untersagung sei rechtswidrig. Die sofortige Vollziehbarkeit der Untersagung sei für die Antragstellerin existenzbedrohend. Diese könne daher auch nicht den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abwarten, da ihr bei Unterlassung der Ausübung ihres Betriebs für die voraussichtliche Dauer des Hauptsacheverfahrens sowohl die Insolvenz der …, als auch – aufgrund persönlich übernommener Haftung – die Privatinsolvenz drohe.
Die Betriebsuntersagung sei rechtswidrig, da diese auf der falschen Annahme fuße, dass es sich beim Betrieb um einen sog. Swingerclub handele. Dies sei jedoch nicht der Fall. Insbesondere gehe der Bescheid auf Grundlage von Indizien und Mutmaßungen davon aus, dass es sich um einen Swingerclub handele. Bei der Plattform „JoyClub 2020“ handele es sich nicht wie im Bescheid behauptet um eine reine Swingercommunity bzw. um eine Community-Plattform für Swingerclubs, sondern um eine Plattform einer Community mit sog. „erotischem Grundsatz“. Bei dieser Community seien auch ausdrücklich andere Betriebe als Swingerclubs Mitglied. Insbesondere seien dort auch Diskotheken, Schwimmbäder, Saunen, Nachtclubs, etc. aufgelistet. Im Gegensatz zu den Ausführungen aus der Begründung des Bescheids werde auch der Betrieb der Klägerin dort nicht als Swingerclub, sondern als „Wellness- und Tantra-Location“ geführt. Eine Zertifizierung durch den JoyClub bedeute lediglich, dass die angebotenen Leistungen der dort gelisteten Betriebe den dortigen hohen Hygienestandards entsprächen.
Auch die Ausführungen in den Werbungen der Klägerin („feucht-fröhlich“ sowie „FKK-Nacht“ oder „spritzig“) begründeten für den Club der Antragstellerin nicht die Eigenschaft als Swingerclub. Es handele sich lediglich um Werbetexte, die im Kontext von verschiedenen Wellnessbetrieben stünden, so z.B. regelmäßig auch von der … zur Bewerbung von Events verwendet würden.
Die im Betrieb vorgefundenen Visitenkarten könnten die Eigenschaft als Swingerclub ebenfalls nicht begründen. Hierbei handele es sich lediglich um Werbemaßnahmen Dritter. Durch die Auslage solchen Werbematerials werde die Antragstellerin nicht selbst zum Anbieter der dort angebotenen Dienste. Oft lasse die Antragstellerin die Auslage dieser Karten lediglich aus Gefälligkeit gegenüber Kunden und Bekannten in ihrem Betrieb zu. Daneben lasse der Antragsgegner unberücksichtigt, dass neben den genannten Visitenkarten auch weitere Visitenkarten im Betrieb auslägen, die keinen erotischen oder sexuellen Kontext hätten. So seien auch zahlreiche Visitenkarten von Fotografen, Nagelstudios, Webshops ausgelegt. Vereinzelt und wohl gezielt herausgesuchte Flyer und Visitenkarten sollten offensichtlich die Antragstellerin und ihren Betrieb in ein falsches Licht rücken. Es fehle an einer hinreichenden Betrachtung der Gesamtumstände, die für die Einordnung des Betriebs als Swingerclub maßgeblich seien.
Der Antragstellerin erschließe sich auch nicht, inwiefern Aktfotos an den Wänden im Betrieb als Indiz für den Betrieb eines Swingerclubs anzusehen seien. Solche Aktfotos in Wellnessbetrieben seien grundsätzlich nicht unüblich. Nach Auffassung der Antragstellerin handele es sich um künstlerische Aufnahmen, die weder pornografischen, noch sonstigen ausdrücklichen sexuellen Kontext zum Inhalt hätten. Den Betrieb eines Swingerclubs könnten diese Bilder daher ebenfalls nicht begründen.
Die unterschiedliche Preisgestaltung nach Geschlechtern sei nicht im Kontext zu einem Swingerclub zu sehen. Die Antragstellerin habe diese Preise lediglich dahingehend gestaltet, da in der Regel Männer einen höheren Konsumverbrauch während des Aufenthalts im Betrieb hätten, insbesondere bezüglich Speisen und Getränken, als Frauen. Diese Erwägungen hätten nichts mit dem Betrieb eines Swingerclubs zu tun.
Auch aus einer Gesamtbetrachtung ergebe sich nicht das Bild eines Swingerclubs, da die Antragstellerin schließlich einen solchen auch nicht betreibe. Eine Untersagung des Betriebs ließe sich nur dann begründen, wenn im streitgegenständlichen Betrieb Einrichtungen, Begegnungsstätten und Angebote vorlägen, die typischerweise durch enge und vom Betreiber der Einrichtung nur schwer oder letztlich überhaupt nicht zu kontrollierende körperliche Kontakte der Gäste/Nutzer geprägt seien. Gerade diese Situation sei beim Betrieb der Antragstellerin gerade nicht gegeben.
Durch die Untersagung der Ausübung des Gewerbes seien bereits erhebliche Umsatzausfälle über den Jahreswechsel entstanden. Soweit es bei der Untersagung bleibe, drohe der Antragstellerin die Insolvenz. Gemessen an dieser besonderen Tiefe und der endgültigen Auswirkungen des Eingriffs sei der Bescheid nicht angemessen, da er mit sehr oberflächlichen Ermittlungen und daraus gezogenen falschen Mutmaßungen der handelnden Behörde begründet worden sei.
Gegen den Änderungsbescheid vom 07.01.2022 wurde weder Klage erhoben, noch Eilrechtsschutz angestrengt.
Mit Schriftsatz vom 17.01.2022 legte der Antragsgegner die Behördenakten vor und beantragt,
den Antrag „abzuweisen“.
Zur Begründung führt der Antragsgegner im Wesentlichen aus, das von der Antragstellerin betriebene Unternehmen sei eindeutig als Swingerclub zu bewerten. Diese müssten nach der aktuell gültigen 15. BayIfSMV geschlossen bleiben. Ein Swingerclub sei eine vergleichbare Freizeiteinrichtung wie Clubs, Diskotheken und Bordellbetriebe (§ 14 Abs. 3 der 15. BayIfSMV). Bereits bei einer Begehung am 05.03.2020 seien Auffälligkeiten festgestellt worden, die für den Betrieb eines Swingerclubs sprächen: Diverse Cremes und entsprechende Abbildungen in den Ruhebereichen sowie Gleitgel und Verhütungsmittel in einem Vorratsschrank.
Im Übrigen wird auf die Behördenakte und die Gerichtsakte – auch die des Hauptsacheverfahrens (B 7 K 22.38) – verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 11.01.2022 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 30.12.2021 ist unbegründet.
1. Der Zulässigkeit des Antrags steht vor allem nicht entgegen, dass am 07.01.2022 ein Änderungsbescheid ergangen ist, der weder Gegenstand der Klage noch Gegenstand des Eilverfahrens ist. Mit Änderungsbescheid vom 07.01.2022 wurde insbesondere die Ziff. 1 des Bescheides vom 30.12.2021 nicht überholt. Dahinstehen kann, ob die zusätzliche Ziff. 1a – jedenfalls nach dem (teilweisen) Verständnis des Antragsgegners – überhaupt insoweit einen weitergehenden Regelungsgehalt hat, da die Betriebseinstellung des Swingerclubs in der Einrichtung „…“ einen Dauerverwaltungsakt darstellen dürfte, so dass jedenfalls die Begründung hierfür auf Seite 2 des Bescheides vom 07.01.2022 („Wiederaufnahme des Betriebs ist mit Bescheid vom 30.12.2021 nicht ausdrücklich untersagt“) eher fernliegend sein dürfte. Soweit jedoch die zeitliche Befristung der 15. BayIfSMV als Begründung für die nachgeschobene Ziff. 1a angeführt wird, ist es jedenfalls sachgerecht, behördlicherseits zumindest klarzustellen, dass die verfügte Betriebseinstellung wegen der Nutzung der Räumlichkeiten als derzeit nach § 14 Abs. 3 der 15. BayIfSMV „verbotener Betrieb“ erfolgt ist und (nur) bis zu einer entsprechenden Änderung der Rechtslage fort gilt sowie, dass Verbote und Verpflichtungen nach anderen gesetzlichen Regelungen unberührt bleiben. Auch die Ziff. 2 des streitgegenständlichen Bescheides wurde durch die Neufassung im Änderungsbescheid nicht überholt. Hinsichtlich der angefochtenen Grundverfügung (Ziff. 1 des Bescheides vom 30.12.2021) wird lediglich (wortgleich) in der (neuen) Ziff. 2 Satz 1 die Zwangsgeldandrohung vom 30.12.2021 wiederholt, so dass insoweit keine Erledigung i.S.d. Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG eingetreten ist.
2. Der Antrag bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Die vom Gericht vorzunehmende Interessensabwägung ergibt, dass das öffentliche Vollzugsinteresse dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene, originäre Ermessensentscheidung. Es hat zwischen dem in der gesetzlichen Regelung – hier § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG – zum Ausdruck kommenden Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes und dem Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs abzuwägen. Im Rahmen dieser Abwägung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Eilverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, tritt das Interesse der Antragstellerin regelmäßig zurück. Erweist sich der zugrundeliegende Bescheid bei dieser Prüfung hingegen als rechtswidrig und das Hauptsacheverfahren damit voraussichtlich als erfolgreich, ist das Interesse an der sofortigen Vollziehung regelmäßig zu verneinen. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens hingegen offen, kommt es zu einer allgemeinen Abwägung der widerstreitenden Interessen.
Bei summarischer Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass die erhobene Anfechtungsklage im Hauptsacheverfahren erfolglos bleiben wird, da die Antragstellerin in den Räumen des „…“ jedenfalls eine derzeit unzulässige – mit Clubs, Diskotheken und Bordellbetrieben vergleichbare – Freizeiteinrichtung i.S.d. § 14 Abs. 3 der 15. BayIfSMV betreibt.
a) Nach § 14 Abs. 3 der 15. BayIfSMV in der zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses gültigen Fassung vom 23.12.2021 sind Clubs, Diskotheken, Bordellbetriebe und vergleichbare Freizeiteinrichtungen geschlossen, Tanzveranstaltungen sind, soweit es sich nicht um Sportausübungen handelt, untersagt. Auch nach der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (ab dem 14.01.2022) gültigen Fassung des § 14 Abs. 3 der 15. BayIfSMV sind Clubs, Diskotheken, Bordellbetriebe und vergleichbare Freizeiteinrichtungen geschlossen, Tanzveranstaltungen sind, soweit es sich nicht um Sportausübungen handelt, untersagt. Dementsprechend hat der hier maßgebliche § 14 Abs. 3 der 15. BayIfSMV zwischen dem Bescheidserlass und der gerichtlichen Entscheidung keine Änderung durch den Verordnungsgeber erfahren.
Nach der Rechtsprechung ist ein Swingerclub dadurch gekennzeichnet, dass es dort darum geht, den Kunden untereinander die Gelegenheit zu bieten, ihre Sexualität mit verschiedenen Partnern auszuleben. In Swingerclubs steht dabei die Unterhaltung bzw. das gesellige Beisammensein unter Ansprache des Sexualtriebs in einer entsprechenden, auf Gewinnerzielung gerichteten, Freizeiteinrichtung im Vordergrund (vgl. VGH Mannheim, U.v. 3.7.2014 – 2 S 3.14 – juris; VGH Mannheim, B.v. 28.11.2006 – 3 S 2377.06 – juris; VG Karlsruhe, U.v. 28.5.2014 – 6 K 701.13 – juris; VG Düsseldorf, B.v. 20.8.2020 – 26 L 1516.20 – juris). Vorliegend kann dahinstehen, ob der vom Antragsgegner beanstandende Betrieb in der Einrichtung „…“ einen „Swingerclub“ darstellt, zumal der Verordnungsgeber den Begriff des „Swingerclubs“ nicht explizit in die BayIfSMV, insbesondere nicht in § 14 Abs. 3 der 15. BayIfSMV, aufgenommen hat. Auch in der Verordnungsbegründung findet sich dieser Begriff nicht wieder. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat jedoch bereits mit Beschluss vom 26.08.2020 (20 CE 20.1806) im Hinblick auf § 11 Abs. 5 der (damals gültigen) 6. BayIfSMV entschieden, dass vergleichbare Freizeiteinrichtungen – im Hinblick auf die Bezugnahme zu „Clubs“ und „Diskotheken“ – nur solche sind, in denen ebenfalls ein Aufeinandertreffen einer Vielzahl von Personen auf beschränkten Raum stattfindet, wobei der Zweck und das Gepräge des Aufeinandertreffens einer Wahrung von Abstands- und Hygienevorgaben entgegensteht, mit anderen Worten, eine besonders infektionsgefährdende (Freizeit-)Einrichtung gegeben ist (vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2021 – 20 NE 21.2909 – juris, zu Diskotheken im Rahmen des § 14 Abs. 3 der 15. BayIfSMV).
Dies ist beim Betrieb der Antragstellerin – unabhängig davon, ob es sich tatsächlich um einen „klassischen“ Swingerclub (s.o.) handelt – der Fall. Nach den Erkenntnissen des Antragsgegners und der vom Gericht im Rahmen des Eilverfahrens vorgenommenen Recherchen, spricht Überwiegendes dafür, dass im Betrieb der Antragstellerin Betätigungen stattfinden, die typischerweise durch enge und vom Betreiber der Einrichtung nur schwer oder letztlich überhaupt nicht zu kontrollierende körperliche Kontakte der Gäste geprägt sind, so dass im Falle der Anwesenheit auch nur eines Virusträgers eine nicht unerhebliche Infektionsgefahr für alle anderen Anwesenden besteht. Diese Einschätzung des Gerichts erfolgt aufgrund folgender Erwägungen: Bei der polizeilichen Kontrolle am 29.12.2021 wurden eindeutige Hinweise dahingehend gefunden, dass es in den Räumlichkeiten der Antragstellerin zu sexuellen Kontakten unter/zwischen den Gästen kommt (vgl. Bl. 2/3 der Behördenakte). Zwar mag es zutreffen, dass die ausgelegte – einschlägige – „Werbung“ für sexuelle Inhalte von Dritten stammt, gleichwohl wird eine solche Werbung erfahrungsgemäß nur dort ausgelegt, wo es potentielle Kunden für solche Angebote gibt. In anderen „Gesundheitseinrichtungen“ dürfte eine derartige Werbung eher „abschreckend“ wirken. Auch die von der Antragstellerin angebotenen und mit eindeutigen Anspielungen beworbenen „Events“ sprechen dafür, dass es vor Ort zu sexuellen Betätigungen der Gäste mit mehreren bzw. wechselnden Partnern kommt. Insoweit verfängt auch der Verweis der Bevollmächtigten der Antragstellerin auf entsprechende Werbeaktionen seriöser Thermen bzw. Wellnesscenter nicht. Zwar werben solche Einrichtungen mitunter auch mit einer „FKK-Nacht“ oder mit einem „Nacktbadetag“, die Bewerbung von Events mit „oben ohne – unten nix“ bzw. „spritzig“ lässt jedoch nach allgemeiner Lebenserfahrung darauf schließen, dass es bei derartigen Veranstaltungen zu sexuellen Handlungen kommt, was nach Auffassung der Kammer auch mit solchen Veranstaltungen beabsichtigt ist und das einschlägige Publikum durch derartige Werbeaufrufe zum Besuch animiert werden soll. Daneben wurden durch den Antragsgegner bei einer Kontrolle im Jahr 2020 eindeutige Hinweise auf sexuelle Handlungen in den Räumlichkeiten der Antragstellerin vorgefunden, beispielsweise die Existenz von Gleitgel und Verhütungsmitteln (vgl. Bl. 9 der Behördenakte), für welche in einem klassischen Sauna-, Schwimmbad- und Wellnessbetrieb in der Regel keinerlei Notwendigkeit besteht. Ferner ist gerichtlich nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner auch in der Preisgestaltung und den Zutrittsbedingungen eindeutige Indizien für das Vorliegen einer Einrichtung, in der auch sexuelle Handlungen vorgenommen werden, sieht. Entsprechende Erkenntnisse hat das Gericht auch im Rahmen eigener Recherchen gewonnen. Zwar verkennt das Gericht nicht, dass der Club früher unter anderem Namen bzw. unter anderer Betreiberschaft geführt wurde. Jedenfalls seit Herbst 2019 ist die Antragstellerin für den Betrieb, der im Handelsregister des Amtsgerichts … (HRB …*) als „Saunabetrieb mit Wellness und Schwimmbadbetrieb“ geführt wird (vgl. Bl. 33 der Gerichtsakte), für das Betriebskonzept verantwortlich. Unter der Verantwortung der Antragstellerin findet sich beispielsweise auf der „Facebook-Seite“ des Betriebs der Hinweis auf eine Massage- und Wellnessnacht (Eintrag vom 15.01.2020), bei der zwar darauf hingewiesen wird, dass nur Wohlfühl-, Entspannungs- und Wellnessmassagen und keinerlei medizinische, therapeutische oder erotische Massagen angeboten werden, sowie dass Genitalbereiche von der Massage ausgenommen sind. Gleichzeitig wurde die Aktion aber auch auf der Seite „JoyClub.de“ beworben, die nach eigener Darstellung eine „sexpositive community für ein lustvolles Leben“ ist und sich nach eigenen Angaben die „Mission“ gesetzt hat, die „Sexualität positiv und bewusst zu gestalten“ und „Grenzen zu verschieben“. Auch das zur Bewerbung der Massage- und Wellnessnacht eingesetzte Bildmaterial auf der „Facebook-Seite“ der Antragstellerin deutet auf sexuelle Inhalte im Rahmen der Veranstaltung hin. Zu sehen ist insoweit eine nackte, eingeölte Frau auf einer Massageliege, die von zwei Herren, von denen jedenfalls einer völlig unbekleidet ist, mit den Händen am Körper bzw. zumindest am Rücken „bearbeitet“ wird (vgl. Bl. 31/32 der Gerichtsakte). Weiterhin fand in den Räumlichkeiten der Antragstellerin beispielsweise am … ein sog. „Pool-Nymphen-Angeln“ statt (vgl. Bl. 19 ff. der Gerichtsakte). Dabei verkennt das Gericht nicht, dass als Veranstalter offensichtlich ein Dritter, nämlich „…“ aufgetreten ist. Gleichwohl fand die Veranstaltung, die unmissverständlich sexuellen bzw. sogar gruppensexuellen Bezug hat, in den Räumlichkeiten der Antragstellerin statt. Beim „Pool-Nymphen-Angeln“, einer sogenannten „Herrenüberschuss-Party“, konnten sich Männer „Nymphen“ aus dem Pool „angeln“. In der Eventbeschreibung heißt es insoweit u.a. wörtlich: „Ist das Nymphchen an Land gezogen, so will es im Regelfall nicht den Knüppel auf den Kopf sondern zwischen die Beine, und das bitte Ordentlich!“. Weiterhin findet sich in der „Event-Beschreibung“ folgender Passus: „Liebe Herren, beachtet, ist die Frau einfach so im Club unterwegs, so ist sie eine stolze Frau, zum Nymphchen wird sie erst, wenn sie in das besondere Nass abgleitet.“ sowie, die Party ist für „Frauen, die auf gepflegten Herrenüberschuss stehen, bei denen sie sich die Herren frei wählen können“ und für „Herren, die sich zu benehmen wissen sowie in der Lage sind, sich gut zu verkaufen, bzw. auch gerne mit ein bis zwei anderen Herren zurechtkommen“. Weiterhin ist die Rede von einer „Spielwiese“ sowie dass die Herren nicht vergessen sollten, „dass es für manche Nymphen reizvoller sein kann, wenn sich Herren zu zweier oder dreier Angelgruppen zusammen schließen. Denn manch eine möchte sich einfach nicht mit einem Würmchen begnügen.“
Zwar konnten derartig eindeutige „Werbeaufrufe“ in der jüngeren Vergangenheit vom Gericht nicht (mehr) ausgemacht werden. Auch die „Google-Rezessionen“ sowie die Erfahrungsberichte zu „…“ auf der Seite „JoyClub.de“, die die Einrichtung u.a. als „frivole Sauna“ bezeichnen oder in Szenekreisen vom einzigen Ort in der Umgebung berichten, an dem „Geschlechtsverkehr im Pool erlaubt“ sei, lassen sich nicht zeitlich genau verifizieren, sind aber (wohl) jedenfalls teilweise im Zusammenhang mit dem derzeitigen Unternehmensnamen und der Betreiberschaft der Antragstellerin entstanden. Ein weiter „Google-Eintrag“ vor erst rund drei Wochen schreibt vom „Geheimtipp für Wellness +“ (Bl. 23 der Gerichtsakte). Auf „swinger* …“ (letzte Aktualisierung 04.01.2022) ist die Einrichtung als Swingerclub geführt. Da die Telefonnummer der Antragstellerin angeben ist und eine Verlinkung zur Internetseite des streitgegenständlichen Betriebs vorhanden ist, spricht insoweit auch einiges dafür, dass die Antragstellerin den Eintrag veranlasst haben dürfte, jedenfalls hat sie sich ersichtlich nicht darum bemüht, den Eintrag „modifizieren“ zu lassen.
Unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände – bei der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung – hat das Gericht jedenfalls keine durchgreifenden Bedenken, dass die Einrichtung nach ihrem Gesamtbild eine vergleichbare Freizeiteinrichtung im Sinne des § 14 Abs. 3 der 15. BayIfSMV darstellt, die gegenwärtig verboten ist, so dass Überwiegendes dafürspricht, dass die Hauptsacheklage gegen Ziff. 1 des Bescheids vom 30.12.2021 erfolglos bleiben wird. Anhaltspunkte für eine etwaige Rechtswidrigkeit der Zwangsgeldandrohung unter Ziff. 2 des Bescheids vom 30.12.2021 sind weder vorgetragen, noch anderweitig ersichtlich.
b) Letztlich ergibt sich auch kein anderes Ergebnis aus einer ergänzenden Interessensabwägung. Die Antragstellerin beruft sich zwar auf eine Existenzgefährdung. Eine solche ist aber schon ansatzweise nicht glaubhaft gemacht, sondern wird lediglich behauptet.
c) Ergänzend weist das Gericht noch darauf hin, dass der Bescheid – auch in der Fassung des Änderungsbescheids – so zu verstehen sein dürfte, dass gegenwärtig (nur) der illegale „Betrieb“ im Sinne des § 14 Abs. 3 Satz 3 der 15. BayIfSMV in den Räumen der Antragstellerin untersagt ist, jedoch nicht ein ordnungsgemäßer – den infektionsschutzrechtlichen Vorschriften nicht widersprechender – „Sauna-, Schwimmbad- und Wellnessbetrieb“.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 54.2.1 analog des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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