Verwaltungsrecht

Mitwirkung an der Beschaffung von Heimreisedokumenten bei gestelltem Asylfolgeantrag

Aktenzeichen  19 CS 21.486

Datum:
14.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 15855
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
AufenthG § 3 Abs. 1, § 48 Abs. 3
AsylG § 15 Abs. 2 Nr. 6, § 71

 

Leitsatz

Die Mitwirkungspflichten eines Ausländers an der Beschaffung von Heimreisedokumenten sind nicht durch einen von diesem gestellten Asylfolgeantrag suspendiert. Etwas anderes gilt dann, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bescheinigt hat, dass auf den Folgeantrag ein weiteres Asylverfahren durchgeführt werde. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 6 S 20.1383 2021-01-18 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,– EUR festgesetzt.
IV. Der Antrag des Antragstellers, ihm unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen, wird abgelehnt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde, mit der der Antragsteller, nach seinen Angaben ein am 6. März 1985 geborener äthiopischer Staatsangehöriger, der am 8. Mai 2011 in das Bundesgebiet einreiste und seit 26. Mai 2014 vollziehbar ausreisepflichtig ist (erfolglose Durchführung eines Asylerstverfahrens; Ablehnung seines Antrags auf Wiederaufgreifen des Asylverfahrens hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG durch Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge – im folgenden Bundesamt – vom 11.11.2020, hiergegen beim Verwaltungsgericht anhängiges Klageverfahren; Asylfolgeantragstellung beim Bundesamt am 18.01.2021, bislang keine Entscheidung), seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag weiterverfolgt, die aufschiebende Wirkung der von ihm erhobenen Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 4. November 2020 anzuordnen, ist nicht begründet. Mit diesem Bescheid verpflichtete der Antragsgegner den Antragsteller ein zur Einreise nach Äthiopien berechtigendes Dokument (z.B. Einreiseschein, Laissez-Passer, Reisepass) bei der Zentralen Ausländerbehörde B. vorzulegen (Ziff. 1). Für den Fall, dass der Antragsteller dieser Verpflichtung nicht bis 8. Februar 2021 nachkommt, wurde ihm die zwangsweise Vorführung bei der Auslandsvertretung Äthiopiens, bzw. sollten Vertreter oder ermächtigte Bedienstete des Staates Außentermine abhalten, am Ort des Außentermins, angedroht (Ziff. 2). Die sofortige Vollziehung in Ziffer 1 des Bescheids wurde angeordnet (Ziff. 3).
Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die der Bayerische Verwaltungsgerichtshof seine Prüfung nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen nicht die Abänderung oder Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
Der Antragsteller rügt, er habe einen Asylfolgeantrag wegen politischer Verfolgung gestellt. Da das Bundesamt über die Durchführung des Asylfolgeverfahrens noch nicht entschieden habe, sei seine Vorsprache bei der Auslandsvertretung des Herkunftslandes nicht zumutbar.
Die Rüge greift nicht durch.
In Anbetracht des dem Antragsteller gesetzlich auferlegten Pflichtenbündels bei der Mitwirkung an der Beschaffung eines Rückreisedokuments (§§ 48 Abs. 3, 49 Abs. 2, 82 Abs. 4 AufenthG; es kann dahinstehen, ob § 48 Abs. 3 AufenthG nach Abschluss eines asylrechtlichen Verfahrens anwendbar (geworden) ist oder ob bei (ehemaligen) Asylbewerbern insoweit nicht weiterhin die entsprechende Regelung des § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG als lex specialis gegenüber aufenthaltsgesetzlichen Bestimmungen anzusehen ist) sind ihm grundsätzlich sämtliche Handlungen zumutbar, die zur Beschaffung eines zur Ausreise oder Rückführung notwendigen Dokuments erforderlich sind und nur vom Ausländer persönlich vorgenommen werden können (z.B. OVG Münster, U.v. 18.6.2008 – 17 A 225/07 – juris Rn. 33). Es ist die ureigene Angelegenheit eines Ausländers, seine Identität aufzuklären und sich um die Ausstellung eines Ausweispapiers zu bemühen. Der Besitz eines gültigen Passes zählt gemäß § 3 Abs. 1 AufenthG zu den Obliegenheiten eines Ausländers (z.B. OVG Münster, B.v. 2.7.2010 – 18 A 2123/09 – juris Rn. 10). Bislang ist nicht erkennbar, dass sich der Antragsteller effektiv darum bemüht hat, Dokumente aus seinem Heimatland zu beschaffen, die bei seiner Identifizierung oder der Beschaffung von Heimreisedokumenten hilfreich sein könnten. Ebenso wenig hat er sich effektiv um die Beschaffung der nunmehr geforderten Dokumente bemüht.
Durchgreifende Gründe, warum dem Antragsteller hier (ausnahmsweise) unzumutbare Mitwirkungshandlungen auferlegt werden, sind nicht ersichtlich. Die Frage der Zumutbarkeit beurteilt sich grundsätzlich unter Berücksichtigung aller Umstände und Besonderheiten des Einzelfalles (z.B. OVG Münster, B.v. 18.6.2008 a.a.O. Rn. 32 m.w.N.). Konkrete Umstände, die für eine Unzumutbarkeit der auferlegten Pflichten (z.B. erkennbare Aussichtslosigkeit) sprechen könnten, hat der Antragsteller, der lediglich pauschal auf seine Asylfolgeantragstellung (ersichtlich wegen seiner behaupteten Volkszugehörigkeit zu den Tigray) hinweist, nicht dargetan.
Davon ausgehend weisen das Verwaltungsgericht (in seinem Beschluss vom 2.3.2021 – B 6 S 21.205 betreffend einen Antrag des Antragstellers gemäß § 80 Abs. 7 VwGO, den Beschluss vom 18.1.2021 gemäß § 80 Abs. 7 VwGO abzuändern) sowie der Antragsgegner zu Recht darauf hin, dass die Mitwirkungspflichten des Antragstellers nicht durch seinen Asylfolgeantrag suspendiert sind. Zu Recht führen sie unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Juni 2006 (24 C 06.975 – juris Rn. 11) aus, dass die vom Antragsteller geforderte Mitwirkung allenfalls dann unzumutbar wäre, wenn das Bundesamt auf den Asylfolgeantrag des Antragstellers hin bescheinigen würde, dass ein weiteres Asylverfahren durchgeführt werde. Dies ist nicht der Fall. Soweit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 6. Oktober 1998 (A 9 S 856/98 – juris Rn. 33) verweist, ist diesem zu entnehmen, dass die Ausländerbehörde im Falle eines Asylfolgeantrags von den Möglichkeiten der anzuwendenden Rechtsgrundlagen erst dann keinen Gebrauch mehr machen kann, wenn das Bundesamt (ausnahmsweise) einen Zwischenbescheid erlässt, dass ein weiteres Asylverfahren durchgeführt werde, oder wenn es aufgrund des Folgeantrags über das Asylbegehren erneut sachlich entscheidet, sofern es den Asylantrag nicht als offensichtlich unbegründet ablehnt. Andernfalls hätte es der Ausländer auch schon allein durch fortwährendes Stellen erneuter Folgeanträge in der Hand, vorbereitende Maßnahmen der Ausländerbehörden, die eine Beendigung seines Aufenthalts im Bundesgebiet ermöglichen sollen, zu unterbinden. Davon ausgehend fehlt es im Hinblick auf den vom Antragsteller gestellten Folgeantrag an den genannten Voraussetzungen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG, wobei im vorläufigen Rechtsschutzverfahren der sogenannte Auffangstreitwert halbiert wird.
Abzulehnen war aus den genannten Gründen auch der Antrag des Antragstellers, ihm für die Beschwerdeinstanz Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten als Rechtsanwalt zu bewilligen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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