Verwaltungsrecht

mündlicher Teil der Jägerprüfung, gerichtliche Überprüfungskompetenz von Prüfungsentscheidungen, Zulässigkeit sog. „K.O.“-Kriterien

Aktenzeichen  W 9 K 20.921

Datum:
19.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 20575
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BJagdG § 15 Abs. 5
BayJG Art. 28 Abs. 1
JFPO vom 22.1.2007 § 13

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die in Form der Bescheidungsklage erhobene Verpflichtungsklage hat keinen Erfolg.
Der zulässige Hauptantrag ist unbegründet. Die Hilfsanträge, über die aufgrund des Eintritts der zulässigen innerprozessualen Bedingung zu entscheiden war, sind jeweils unbegründet, der Hilfsantrag betreffend die Wiederholung der Prüfung im Sachgebiet 3 ist zudem bereits unzulässig.
Der Kläger hat weder Anspruch auf eine erneute Bewertung seiner im Rahmen der mündlichen Prüfung am 20. November 2019 erbrachten Prüfungsleistung im Sachgebiet 3, noch darauf, dass ihm eine Wiederholung der mündlichen Prüfung – insgesamt oder ausschließlich im Sachgebiet 3 – ohne Anrechnung auf die ihm offenstehenden Wiederholungsmöglichkeiten gestattet wird. Der Bescheid des AELF Landshut – Zentrale Jäger- und Falknerprüfungsbehörde – vom 27. November 2019 und der Widerspruchsbescheid dieser Behörde vom 1. Juli 2020 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
1.
Der mit dem Hauptantrag geltend gemachte Anspruch auf Neubewertung der mündlichen Jägerprüfung steht dem Kläger nicht zu.
1.1
Es kann offenbleiben, ob ein Anspruch auf Neubewertung bereits aufgrund des Zeitablaufs zwischen der mündlichen Jägerprüfung am 20. November 2019 und der mündlichen Verhandlung am 19. Februar 2021 ausscheidet.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass aus Gründen der in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Chancengleichheit es nicht gestattet ist, im Wege der Neubewertung über die Prüfungsleistung einzelner Kandidaten zu entscheiden, wenn eine verlässliche Entscheidungsgrundlage für die Beurteilung der Frage, ob die an eine erfolgreiche Prüfung zu stellenden Mindestanforderungen erfüllt sind, nicht mehr vorhanden ist (vgl. BVerwG, B.v. 11.4.1996 – 6 B 13/96 – juris Rn. 9ff.). Nach welchem Zeitablauf eine solche verlässliche Entscheidungsgrundlage für eine Neubewertung entfällt, ist abhängig von den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls, wie etwa, ob detaillierte Aufzeichnungen gefertigt und aufbewahrt wurden, die die Erinnerung des Prüfers stützen können (vgl. BVerwG, B.v. 11.4.1996 – 6 B 13/96 – juris Rn. 12; U.v. 6.9.1995 – 6 C 18/93 – juris Rn. 43). Im vorliegenden Fall lag zwar im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die mündliche Jägerprüfung fast ein Jahr und drei Monate zurück. Bereits bei Klageerhebung am 17. Juli 2020 war ein Zeitraum von fast acht Monaten seit der mündlichen Prüfung vergangen. Der als Zeuge in der mündlichen Verhandlung vernommene Prüfer im Sachgebiet 3, Herr W* …, verfügt jedoch offensichtlich noch über Aufzeichnungen. Der Zeuge äußerte selbst, dass er sich bei falschen Antworten in der Prüfung Notizen gemacht und diese, weil er wusste, dass der Kläger Widerspruch einlegen würde, im Nachhinein noch ergänzt habe. Auch in der mündlichen Verhandlung konnte der Zeuge W.daher noch angeben, was der Kläger geantwortet habe. Hinzu kommt die Besonderheit, dass im vorliegenden Fall im Streit steht, ob die fehlerhafte Beantwortung lediglich einer Fragestellung zum Nichtbestehen der mündlichen Prüfung führen darf, was womöglich leichter zu rekonstruieren ist, als der Verlauf einer ganzen mündlichen Prüfung. Im Ergebnis kommt es jedoch nicht darauf an, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Prüfungsneubewertung durch Zeitablauf erlöschen kann, da ein solcher im Falle des Klägers nie entstanden ist.
1.2
Das Gericht kann vorliegend keine Verpflichtung des Beklagten zur Neubewertung des mündlichen Teils der Jägerprüfung vom 20. November 2019 aussprechen, denn die von der Beklagten auf Grundlage von § 15 Abs. 5 BJagdG, Art. 28 Abs. 1 BayJG, § 13 der Verordnung über die Jäger- und Falknerprüfungsordnung (JFPO) vom 22.1.2007 durchgeführte Jägerprüfung weist keine Mängel im Rahmen des mündlichen Teils der Prüfung, insbesondere im Sachgebiet 3, auf.
Nach § 11 Abs. 1 JFPO besteht die Jägerprüfung aus dem schriftlichen Teil, dem mündlichen Teil und dem praktischen Teil. Der mündliche Teil der Prüfung ist in § 13 JFPO geregelt. Gemäß § 13 Abs. 2 JFPO sind die Leistungen der Bewerber in jedem einzelnen Sachgebiet wie folgt zu bewerten: ausreichend = eine Leistung, die mindestens durchschnittlichen Anforderungen entspricht oder besser ist, mangelhaft = eine an erheblichen Mängeln leidende, im Ganzen nicht mehr brauchbare Leistung, ungenügend = eine völlig unbrauchbare Leistung. Nach § 13 Abs. 3 JFPO hat der Bewerber den mündlichen Teil der Prüfung nicht bestanden, wenn die Leistungen des Bewerbers in einem oder mehreren Sachgebieten mit „ungenügend“ oder in zwei oder mehr Sachgebieten mit „mangelhaft“ bewertet worden sind. In Zweifelsfällen soll der Vorsitzende des Prüfungsausschusses dem Bewerber erneut Gelegenheit geben, seine Kenntnisse in den jeweiligen Sachgebieten vor dem Prüfungsausschuss unter Beweis zu stellen (§ 13 Abs. 3 Satz 1 und 2 JFPO).
1.2.1
Formelle Fehler liegen nicht vor. Das Gericht ist dabei zu einer uneingeschränkten Überprüfung hinsichtlich des Vorliegens von Verfahrensmängeln befugt (vgl. Tausch in Schuck, BJagdG, 2. Auflage 2015, § 15 Rn. 52).
Sofern der Kläger vorträgt, dass das Verfahren mangelhaft sei, weil es an einer Niederschrift über den Verlauf der mündlichen Prüfung fehle, ist darauf hinzuweisen, dass eine Protokollierung des Verlaufs der mündlichen Prüfung in der JFPO weder vorgesehen noch zwingend geboten ist (vgl. VG München, U. v. 17.9.1997 – M 7 K 96.3030 – juris Rn. 22, unter Verweis auf BVerwG, gemeint ist wohl BVerfG, U.v. 14.2.1996 – 1 BvR 961/94 – NVwZ 97, 263). Auch aus verfassungsrechtlichen Grundsätzen, insbesondere Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 20 GG, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Weder das Gebot wirksamen Rechtsschutzes noch das Rechtsstaatsprinzip geben vor, ob und in welcher Gestalt Niederschriften über die mündliche Jägerprüfung anzufertigen sind oder dass eine Protokollierung der Fragen und Antworten erforderlich ist (vgl. BVerwG, B.v. 29.3.1988 – 7 B 39/88 – juris Rn. 3, unter Verweis auf BVerwGE 38, 105 [116 f.] und 38, 322 [324 ff.]).
Für die ferner gerügte Schwerhörigkeit des Zeugen W.bestehen aufgrund des über ihn in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks zur Überzeugung des Gerichts keinerlei Anhaltspunkte.
1.2.2
Auch materiell-rechtlich ist die Bewertung der Leistung des Klägers im Sachgebiet 3 mit „ungenügend“ gerichtlich nicht zu beanstanden.
1.2.2.1
Die Entscheidung des Prüfungsausschusses über das Prüfungsergebnis der mündlichen Prüfung nach § 13 Abs. 3 JFPO ist ein Verwaltungsakt (vgl. zu § 9 Abs. 5 JFPO a.F. VG München, U.v. 17.9.1997 – M 7 K 96.3030 – juris Rn. 18), der nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung wegen des den Prüfern eingeräumten höchstpersönlichen Beurteilungs- und Bewertungsspielraums gerichtlich nur in engen Grenzen inhaltlich überprüft werden darf. Bei der Jägerprüfung handelt es sich nach einhelliger Auffassung nicht um eine berufsbezogene bzw. -eröffnende Prüfung, mit der Folge, dass die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus Art. 12 Abs. 1 GG entwickelten strengen Maßstäbe gerichtlicher Kontrolldichte keine Anwendung finden (vgl. BVerwG B.v. 83.1998 – 6 B 13/99 – juris Rn. 5f.; BayVGH, B.v. 2.8.1999 – 19 ZB 99.1080 – juris Rn. 4; OVG NRW, B.v. 21.11.2011 – 14 A 1899/10 – juris. Rn. 10; VG Würzburg, U.v. 16.6.1999 – W 6 K 99.19 – juris Rn. 24; VG Saarland, U.v. 19.1.2011 – 5 K 1527/09 – juris Rn. 24-28; VG Hamburg, U.v. 19.7.2001 – 14 VG 5199/99 – juris Rn. 19, das i.E. aber dennoch den Prüfungsmaßstab einer berufsgeprägten Prüfung anwenden will), weshalb die fachliche Beurteilung der Leistung durch den dazu berufenen Prüfer erfolgt und nicht durch ein Gericht aufgrund eigener Sachkunde oder mithilfe eines Sachverständigengutachtens ersetzt werden kann (vgl. VGH BW, B.v. 2.10 1998 – 5 S 1830/87 – juris Rn. 7; VG Magdeburg, U.v. 19.9.2013 – 3 A 107/13 – juris Rn. 17; VG Augsburg, U.v. 27.1.2004 – Au 9 K 03.198 – juris Rn. 21, 28).
Demnach ist die gerichtliche Kontrolle des Bewertungsvorgangs wegen des Grundsatzes der Chancengleichheit hinsichtlich prüfungsspezifischer Wertungen eingeschränkt, da seitens des Prüfers ein Bewertungsspielraum besteht, der erst überschritten ist, wenn den Prüfungsbehörden Verfahrensfehler unterlaufen, sie anzuwendendes Recht verkennen, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehen, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzen, sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen oder sonst willkürlich gehandelt wurde (vgl. BVerwG, B.v. 28.6.2018 – 2 B 57.17 – juris Rn. 7 mwN; VG Würzburg, U.v. 16.6.1999 – W 6 K 99.19 – juris Rn. 24). Gegenstände des prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraums sind etwa bei Stellung verschiedener Aufgaben deren Gewichtung untereinander, die Würdigung der Qualität der Darstellung, die Gewichtung der Stärken und Schwächen in der Bearbeitung sowie die Gewichtung der Bedeutung eines Mangels (BVerwG, B.v. 28.6.2018 – 2 B 57.17 – juris Rn. 8). Die Einmaligkeit der Prüfungssituation und der Grundsatz der Chancengleichheit verbieten es, dass sich ein Prüfling durch Anstrengung eines verwaltungsgerichtlichen Prozesses eine vergleichsrahmenunabhängige Bewertung erschließt, weshalb die verwaltungsgerichtliche Überprüfung einer Prüfungsentscheidung in den prüfungsspezifischen Bezugs- und Vergleichsrahmen nicht eingreifen darf (vgl. VG Würzburg, U.v. 16.6.1999 – W 6 K 99.19 – juris Rn. 24; VG Augsburg, U.v. 27.1.2004 – Au 9 K 03.198 – juris Rn. 21). Im Bereich prüfungsspezifischer Wertungen fungieren die Verwaltungsgerichte daher nicht als als „Superprüfungsinstanz“ (vgl. VG Würzburg, U.v. 16.6.1999 – W 6 K 99.19 – juris Rn. 24), sondern sind in ihrer Überprüfungskompetenz daher darauf beschränkt, zu kontrollieren, ob die Grenzen des dem Prüfer zugewiesenen Bewertungsspielraums verletzt sind, ob also eine offensichtliche Fehleinschätzung vorliegt (VG Augsburg, U.v. 27.1.2004 – Au 9 K 03.198 – juris Rn. 28).
1.2.2.2
Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich die vorliegend angegriffene Bewertung des Sachgebiets 3 als rechtmäßig.
Bei der in der mündlichen Verhandlung durchgeführten Vernehmung des Prüfers, der den vom Kläger beanstandeten Teil der mündlichen Jägerprüfung durchgeführt hat, sowie des Prüfungsvorsitzenden haben sich keine Bewertungsfehler ergeben, die die Bewertung des Sachgebiets 3 mit „ungenügend“ als unhaltbar oder willkürlich erscheinen lassen. Das Gericht konnte im Rahmen der mündlichen Verhandlung weder feststellen, dass der Zeuge W.als Prüfer bei seiner Bewertung von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen oder allgemeine Bewertungsmaßstäbe missachtet hätte, noch, dass sachfremde Erwägungen angestellt wurden oder sonst willkürlich gehandelt wurde. Auch das Verhalten des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses begegnet keinen Bedenken.
Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass entsprechend den oben aufgezeigten Grundsätzen eine Richtigkeitsprüfung durch das Gericht nicht stattfindet, da allein dem Prüfungsausschuss im Rahmen des Beurteilungsspielraums die Entscheidung zusteht, ob eine Prüfungsaufgabe geeignet ist oder nicht, fehlerfrei beantwortet wurde oder nicht (vgl. Tausch in Schuck, BJagdG, 2. Aufl. 2015, § 15 Rn. 72). Auf den ohnehin erst im Klageverfahren nachgeschobenen Einwand, die Antwort des Klägers auf die Frage, was er mit dem Wildbret mache, sei gar nicht falsch gewesen, kommt es insoweit gar nicht an, da sich diese Wertung der gerichtlichen Überprüfungskompetenz entzieht.
Sofern der Kläger weiter vortragen lässt, für eine Bewertung als „ungenügend“ reiche es nicht aus, dass er nur eine Frage falsch beantwortet habe, weil solche sog. „K.O.“-Fragen von der Prüfungsordnung nicht vorgesehen seien, kann er damit ebenfalls nicht durchdringen.
Den Prüfern ist es unbenommen, eine gewichtige Sicherheitsfrage besonders und ausschlaggebend zu gewichten, weil diesbezüglich die Folgen von Verstößen ganz gravierend sein können, sodass der Prüfer bei mündlichen Prüfungen eine ausschlaggebend negative Bewertung bereits dann geben kann, wenn auch nur eine Frage unzutreffend beantwortet ist, sofern er darlegt, dass Gründe dafürsprechen, dass diese Frage besonders gewichtig und geeignet ist, etwaig vorhandene brauchbare Ansätze zu entwerten, sodass es sich deshalb im Gesamtergebnis nach der Beurteilung des Prüfers nur um eine völlig unbrauchbare Leistung handelt (vgl. BayVGH, B.v. 14.7.1993 – 19 CE 93.1848 – beck; VG Augsburg, U.v. 27.1.2004 – Au 9 K 03.198 – juris Rn. 28, unter Verweis auf BayVGH, B.v.19.4.1999 – 7 ZB 99.440 und BayVGH, U.v. 10.7.1997 – 7 B 96.4211, bestätigt durch BVerwG, B.v. 2.6.1998 – 6 B 78.97). Eine analoge Anwendung der nach der Prüfungsordnung bestehenden Grenzen für das Bestehen des schriftlichen Teils (vgl. § 12 Abs. 2 JFPO) auf den mündlichen Teil der Jägerprüfung kommt nicht Betracht, da es insoweit schon an einer Regelungslücke fehlt, weil der Verordnungsgeber die Anwendung der Bewertungsmaßstäbe gerade nur für den schriftlichen Teil vorsieht, aber auch, weil sich die Fragen in mündlichen Prüfungen typischerweise nicht planen lassen und daher den Prüfern die Entscheidung zu überlassen ist, auf der Grundlage ihrer Einschätzungen und Erfahrungen zu dem Ergebnis zu kommen, dass die fehlerhafte Beantwortung einzelner Fragen in der mündlichen Prüfung ein derartiges Gewicht hat, dass auch vor dem Hintergrund richtiger Antworten des Prüflings die erforderlichen ausreichenden Kenntnisse im Sinne des § 15 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 BJagdG nicht vorhanden sind (vgl. zur jeweiligen landesrechtlichen Prüfungsordnung OVG NRW, B.v. 21.11.2011 – 14 A 1899/10 – juris Rn. 11ff.; VGH Mannheim, U.v. 7.1.1988 – 3 UE 2123/86 – juris Rn. 38).
Das Gericht hat daher die Einschätzung des Prüfers W.nicht zu beanstanden. In der mündlichen Verhandlung hat er als Zeuge für das Gericht nachvollziehbar dargelegt, dass er Fragen zum Thema „Waffen“ und „Lebensmittelsicherheit“ einen höheren Stellenwert als anderen Fragen beimisst und diese daher entsprechend anders gewichtet. Die Gesundheit sei ein hohes Gut, das auch der Gesetzgeber durch hohe Anforderungen schütze. Der Kläger habe durch sein Vorgehen die Gesundheit aller gefährdet, die er am Essen beteilige. Er müsse sicher mit Lebensmitteln umgehen können, wenn er den Jagdschein erlange. Die Antwort des Klägers gehe absolut nicht. Zur Überzeugung des Gerichts hat der Zeuge W.damit hinreichend begründet, warum er der vom Kläger trotz Nachfrage weiter falsch beantworteten Frage einen besonderen Stellenwert zugewiesen hat. Diese Wertung ist gerichtlich nicht in Zweifel zu ziehen. Bereits der Gesetzgeber betont in § 15 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 BJagdG, dass ein Prüfling in der Jägerprüfung ausreichende Kenntnisse über die Beurteilung der gesundheitlich unbedenklichen Beschaffenheit des Wildbrets, insbesondere auch hinsichtlich seiner Verwendung als Lebensmittel, nachweisen muss. Fragen zu diesem Themenkomplex haben daher schon von Gesetzes wegen einen herausgehobenen Stellenwert.
Auch die Tatsache, dass das AELF Landshut als Prüfungsbehörde vorgibt, dass bei Wissensmängeln in den Bereichen, die die Erfüllung eines Straftatbestands, die Gefährdung der Sicherheit von Personen, die Gefährdung der Gesundheit im Umgang mit Wildbret oder den Verlust der Zuverlässigkeit bedeuten können, die Prüfung nicht mehr bestanden werden dürfe, greift nach Auffassung des Gerichts nicht unzulässig in den Beurteilungsspielraum des Prüfers ein. Nach Auffassung des Gerichts ist weder gegen diese Vorgabe an sich noch gegen die Auswahl der genannten Kriterien, bei denen es sich durchweg um Sicherheitsbelange der Allgemeinheit von besonderem Gewicht handelt, etwas zu erinnern. Insbesondere die Aufnahme der Gefährdung der Gesundheit im Umgang mit Wildbret in den Kriterienkatalog der Prüfungsbehörde begegnet keinen Bedenken, nachdem – wie dargelegt – bereits die Regelung des § 15 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 BJagdG das besondere Gewicht von ausreichenden Kenntnissen der Lebensmittelhygiene-Vorschriften dokumentiert.
Der Leiter der Prüfungsbehörde, Forstrat S.vom AELF Landshut, hat in der mündlichen Verhandlung ausführlich dargelegt, dass dieser Katalog an Bewertungskriterien von besonderem Gewicht auf einen langen Abstimmungsprozess zurückzuführen sei, bei dem Ausbilder, Prüfungsvorsitzende und die Prüfenden miteinbezogen worden seien und hinsichtlich dessen bei den Prüfern eine hohe Akzeptanz bestehe. Im Übrigen ist weder den Darlegungen des Leiters der Prüfungsbehörde noch der Aussage des Prüfers zu entnehmen, dass aus der Vorgabe der Prüfungsbehörde ein Automatismus folgt, dass bei erstmaliger Falschbeantwortung einer Frage von besonderem Gewicht die Prüfung direkt als „ungenügend“, mithin als nichtbestanden bewertet werden muss. Es ist nicht so, wie der Klägerbevollmächtigte wiederholt ausgeführt hat, dass es genügen würde, eine einzige sog. „K.O.“-Frage zu stellen, um über das Bestehen oder Nichtbestehen der Prüfung zu urteilen. Somit verbleibt dem jeweiligen Prüfer durch die individuelle Ausgestaltung der mündlichen Prüfung, beispielsweise durch Hilfestellungen und Nachfragen, auch weiterhin genügend Beurteilungsspielraum. Der Zeuge W.hat selbst ausgesagt, dass er dem Kläger durch Nachfragen zu einer richtigen Antwort und somit zum Bestehen der Prüfung verhelfen wollte, weil er die übrigen Ausführungen des Klägers im Sachgebiet 3 bis zum streitgegenständlichen Themenkomplex trotz kleinerer Mängel als brauchbar einschätzte. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es nach den Vorgaben der Prüfungsbehörde auch möglich ist, dass zwar eine Sicherheitsfrage von besonderem Gewicht richtig beantwortet wird, im Übrigen jedoch so viele andere Fragen fehlerhaft beantwortet werden, dass der Prüfling trotzdem eine ungenügende Leistung erbringt und die Prüfung nicht besteht, wie der Zeuge W.bestätigt hat. Eine unzulässige Einschränkung des Bewertungsspielraums des Prüfers ist folglich nicht ersichtlich. Zudem werden auch die Belange der Prüflinge durch einen solchen Katalog an Bewertungskriterien mit besonderem Gewicht nicht beeinträchtigt. Es liegt vielmehr gerade in ihrem durch Art. 3 Abs. 1 GG geschützten Interesse, eine Vereinheitlichung der Maßstäbe auch im Rahmen der grundsätzlich schlechter vergleichbaren, da individuell verlaufenden mündlichen Prüfungen zu gewährleisten.
Eine andere Bewertung ergibt sich ebenso wenig im Hinblick auf den Einwand des Klägerbevollmächtigten, wenn der Verordnungsgeber die Prüfungsmaßstäbe verschärfen wolle, sei er gehalten, dies durch Anpassung der Verordnung zu tun. Es ist nicht zu beanstanden, dass die genannten Bewertungskriterien mit besonderem Gewicht nicht Eingang in ein materielles Gesetz gefunden haben. Die allgemeinen Prüfungsanforderungen sind in § 15 Abs. 5 BJagdG durch formelles Gesetz festgeschrieben. Eine weitere gesetzliche Konkretisierung war nicht geboten. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Jägerprüfung – wie bereits ausgeführt – nicht um eine Berufszulassungsschranke handelt. Im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG, der daher durch die Prüfung nicht tangiert wird, musste der Inhalt der Prüfung somit nicht noch konkreter durch Rechtsverordnung umschrieben werden. Aus Art. 2 Abs. 1 GG und sonstigen allgemeine Verfassungsgrundsätzen wie des Rechtsstaats-, des Demokratieprinzips, des Bestimmtheitsgrundsatzes oder der sog. Wesentlichkeitstheorie folgt ebenfalls kein solches Erfordernis. Wie der Leiter der Prüfungsbehörde in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, war der Katalog an Bewertungskriterien mit besonderem Gewicht auf dem Landesjägertag 2019 vorgestellt und am 10. April 2019 an alle Ausbildungsleiter und Ausbildungsträger versandt worden. Der Kläger, der eine Jagdschule besucht hat, konnte sich mithin zumutbar Kenntnis über diese Kriterien verschaffen. Im Übrigen hätte es sich dem Kläger auch ohne Weiteres von selbst erschließen müssen, dass Themengebieten und Fachbereichen, in denen durch den Jagdschein besondere Privilegien verliehen werden oder die Eignung besteht, Dritte zu gefährden, nicht nur in der Prüfung eine entsprechend gesteigerte Bedeutung zukommt.
1.2.2.3
Schließlich erweisen sich der Bescheid des AELF Landshut vom 27. November 2019 und der Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2020 auch nicht deshalb als rechtswidrig, weil dem Kläger keine Nachprüfung gem. § 13 Abs. 3 Satz 2 JFPO ermöglicht wurde.
Nach § 13 Abs. 3 Satz 2 JFPO soll der Vorsitzende des Prüfungsausschusses in Zweifelsfällen dem Bewerber erneut Gelegenheit geben, seine Kenntnisse in den jeweiligen Sachgebieten vor dem Prüfungsausschuss unter Beweis zu stellen. Auf tatbestandlicher Ebene ist die Frage, ob ein Zweifelsfall vorliegt, vom Entscheidungsspielraum der Prüfer umfasst (vgl. VG Augsburg, U.v. 17.2.2016 – AU 4 K 15.429 – Rn. 55). Auf Rechtsfolgeseite wird die gerichtliche Überprüfbarkeit zudem durch § 114 Satz 1 VwGO beschränkt, sodass erst bei einer „Ermessensreduzierung auf Null“ ein Nachprüfungsanspruch zu bejahen wäre (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 7. 3. 1997 – 3 L 2939/95 – juris Rn. 15 zur Frage der Wiederholungsmöglichkeit).
Es liegt jedoch bereits tatbestandlich kein Zweifelsfall vor. Wie bereits ausgeführt, war sich der Zeuge W.in seiner Bewertung des Sachgebiets 3 mit „ungenügend“ aufgrund der schwerwiegenden Falschbeantwortung einer Frage durch den Kläger sicher. Auch der als Zeuge vernommene Vorsitzende des Prüfungsausschusses, Herr K* …, gab für das Gericht nachvollziehbar an, dass die Prüfungsleistung des Klägers eindeutig als „ungenügend“ zu bewerten gewesen sei. Aussagen, die die Gesundheit eines Menschen gefährden könnten, seien mit „ungenügend“ zu bewerten.
2.
Der Kläger kann auch mit seinen beiden Hilfsanträgen nicht durchdringen.
2.1.
Hinsichtlich des ersten Hilfsantrags – dem Anspruch auf Wiederholung der mündlichen Prüfung lediglich im Sachgebiet 3 – fehlt es bereits an der Zulässigkeit des Antrags. Der Kläger hat insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis. § 15 Satz 3 JFPO sieht vor, dass die jeweiligen Prüfungsteile im gesamten Umfang zu wiederholen sind. Eine Wiederholung nur von Teilgebieten eines Prüfungsabschnitts scheidet somit aus, denn die Prüfungskommission muss das Recht haben, die gesamten Leistungen des Klägers in der mündlichen Prüfung zu sehen und mit zu bewerten (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 7. 3. 1997 – 3 L 2939/95 – juris Rn. 16).
Bezüglich des zweiten Hilfsantrags – dem Anspruch auf Wiederholung der mündlichen Prüfung insgesamt – besteht trotz der Möglichkeit, die Jägerprüfung an sich beliebig oft zu wiederholen, hingegen das für die Zulässigkeit dieses Antrags erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Aus § 15 Satz 1 JFPO ergibt sich, dass der Kläger zulässigerweise begehren darf, auch lediglich den mündlichen Prüfungsabschnitt unter Aufrechterhaltung der übrigen bereits bestandenen Abschnitte zu wiederholen (vgl. zur dortigen Prüfungsordnung VG Hamburg, U.v. 19.7.2001 – 14 VG 5199/99 – juris Rn. 15).
2.2
Im Übrigen sind beide Hilfsanträge unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Wiederholung (eines Teils) der mündlichen Jägerprüfung ohne Anrechnung auf die nach dem Gesetz ohnehin offenstehenden Wiederholungsmöglichkeiten. Hinsichtlich der vom Kläger auch insoweit geltend gemachten Fehler im mündlichen Teil der Jägerprüfung kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Dementsprechend besteht kein Anspruch auf Zulassung einer außerordentlichen Wiederholungsmöglichkeit.
Nach alledem war die Klage abzuweisen, ohne dass es auf das sonstige, etwa unerörterte Vorbringen des Klägers ankam.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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