Verwaltungsrecht

Nach Selbstabhilfe unzulässige Folgenbeseitigungsklage in Bezug auf die kommunale Abwasserbeseitigung

Aktenzeichen  AN 19 K 19.01125

Datum:
17.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41164
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 20 Abs. 3

 

Leitsatz

1. Ist der als rechtswidrig monierte Zustand durch eigene Maßnahmen beseitigt, fehlt es für eine Klage auf Folgenbeseitigung an einem Rechtsschutzbedürfnis. (Rn. 30 – 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Kosten für die Selbsthilfemaßnahme können nur im Rahmen eines Amtshaftungsprozesses vor den Zivilgerichten erfolgen.  Eine Klärung der „Vorfrage“, ob diese überogligationsmäßig war, ist verwaltungsprozessual aus Gründen fehlender Prozessökonomie nicht möglich. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die vorliegende Klage, welche dem Klageantrag nach auf einen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch in Form des Unterlassens gerichtet ist, ist bereits unzulässig und daher abzuweisen.
Grundsätzlich kann zwar ein öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch in der Form des Unterlassens Gegenstand einer verwaltungsrechtlichen Leistungsklage (Unterlassungsklage) sein. Ein solcher wird von der Rechtsprechung einerseits aus dem Wesen der Grundrechte als Abwehrrechte, andererseits aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitet (vgl. Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Auflage 2013, 7. Teil, III.1.c), beck-online).
Inmitten steht vorliegend das Unterlassen schlichten Verwaltungshandelns, nämlich das plangemäße Aufstauen von Abwasser in der Kanalisation vor dem Grundstück des Klägers.
Für die Folgenbeseitigung rechtswidriger Zustände aufgrund eines Verwaltungsaktes ergibt sich die Existenz eines Folgenbeseitigungsanspruches aus § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, welcher jedoch nur eine prozessrechtliche Bedeutung hat und ebenfalls das Bestehen eines materiellen Folgenbeseitigungsanspruchs voraussetzt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO Kommentar, 22. Aufl., München 2016, § 113, Rn. 81). Auch wenn für Folgenbeseitigungsansprüche aus schlichtem Verwaltungshandeln eine Parallelvorschrift fehlt, gebietet jedoch die Garantie effektiven Rechtsschutzes das Vorhandensein eines solchen.
Der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 VwGO ist insoweit eröffnet, als das zu unterlassende Verwaltungshandeln aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Über-/Unterordnungsverhältnisses, hier als Folge des Anschluss- und Benutzungszwanges, den Streitgegenstand bildet. Ein geltend gemachter Entschädigungsanspruch aus Amtshaftung, der vor den Zivilgerichten einzuklagen wäre, ist dem Klageantrag hingegen nicht zu entnehmen, § 88 VwGO.
Dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, „ggf. nach einer zu bestimmenden Umsetzungsfrist es zukünftig zu unterlassen, in der Kanalisation vor dem Grundstück des Klägers plangemäß Abwasser aufzustauen und dadurch mehr als eine Stunde die Entwässerung des Hausgrundstücks des Klägers zu unterbinden“, fehlt jedoch das Rechtschutzbedürfnis.
Ein Rechtsschutzbedürfnis (oder Rechtsschutzinteresse) ist Sachentscheidungsvoraussetzung für sämtliche Verfahrensarten und vom Gericht von Amts wegen zu prüfen. „Unter dem Rechtsschutzbedürfnis ist das Interesse eines Rechtsschutzsuchenden zu verstehen, zur Erreichung des begehrten Rechtsschutzes ein Gericht in Anspruch nehmen zu dürfen. (…) Ein Rechtsbedürfnis ist gegeben, wenn der Rechtsschutzsuchende schutzwürdige Interessen verfolgt.“ (Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung Kommentar, Band 1, Loseblatt, 38. EL, Jan. 2020, Vorbem. § 40, Rn. 74 f.)
In diesem Sinne ist das Rechtsschutzbedürfnis beispielsweise zu verneinen, wenn eine Klage vollkommen nutzlos, d.h. nicht geeignet ist, die tatsächliche oder rechtliche Position des Rechtsschutzsuchenden zu verbessern (Wysk, VwGO, vor § 40, Rn. 43, mit Hinweis auf BVerwG NVwZ-RR 2009, 980; BVerwGE 78, 85 (91) – beck-online).
So liegt der Fall hier: Denn selbst bei Erfolg der erhobenen Klage, wenn also das Gericht die Beklagte entsprechend dem Klageantrag verpflichten würde, Abwasser nicht mehr einzustauen, würde sich die Position des Klägers nicht verbessern.
Der Kläger hat nämlich nach der Erklärung seines Prozessvertreters durch Schriftsatz vom 10. September 2020 (Bl. 169 ff. der Gerichtsakte) in der Zwischenzeit eine Pumpe, nämlich die Rückstaupumpe „Kessel Pumpfix F“, eingebaut, mit deren Hilfe die Entwässerung des Hausgrundstücks nunmehr – trotz Einstau des Kanals – gewährleistet ist. So führte der Klägervertreter aus: „Im Fall eines Rückstaus vom Kanal wird die Pumpe automatisch zugeschaltet, um auch gegen den Rückstaudruck sicher zu entwässern.“ Die durch das Gericht ausgesprochene Verpflichtung, den Kanal vor dem Hausgrundstück nicht mehr einzustauen, würde für den Kläger daher insofern keinen Vorteil bedeuten, als der etwa rechtswidrige Zustand, nämlich die blockierte Abflussmöglichkeit, aufgrund der Druckpumpe ohnehin nicht mehr eintreten kann.
Damit entfällt das Rechtsschutzbedürfnis auch unter dem Aspekt der im Falle einer Unterlassungsklage erforderlichen Wiederholungsgefahr.
Auch der vom Klägervertreter im gerichtlichen Erörterungstermin genannte Gesichtspunkt, dass der Einbau der Pumpe für den Kläger überobligatorisch gewesen sei, kann ein Rechtsschutzbedürfnis für den vorliegenden Fall nicht begründen. Es mag zwar sein, dass es für den Kläger aus wirtschaftlicher Sicht vorteilhafter wäre, die Pumpe nicht zu betreiben, weil die Beklagte den Kanal nicht mehr über einen längeren Zeitraum einstaut und die Entwässerung allein dadurch wieder einwandfrei funktioniert.
Letztlich liefe jedoch ein solcher Prozess, welcher im Rahmen der Begründetheit unter anderem zu prüfen hätte, ob der Einbau einer Rückstaupumpe für den Kläger „obligatorisch“ oder nicht gewesen ist, auf eine Art nachträgliche Feststellungsklage hinaus. Ob eine solche in Ermangelung eines Verwaltungsaktes überhaupt zulässig wäre, bedarf hier keiner Entscheidung. In jedem Fall fehlte es ihr am besonderen Feststellungsinteresse, weil die Geltendmachung der Kosten für die Pumpe im Rahmen eines Amtshaftungsprozesses vor den Zivilgerichten zu erfolgen hätte und eine Klärung dieser „Vorfrage“ verwaltungsprozessual aus Gründen fehlender Prozessökonomie nicht möglich wäre.


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