Verwaltungsrecht

Nationale Abschiebungsverbote für jordanische Mutter (verneint), In Jordanien verbliebener sechsjähriger Sohn, Bestehender Kontakt zu Schwester in Jordanien

Aktenzeichen  M 27 K 19.33048

Datum:
18.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 45986
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht konnte über die Klage verhandeln und entscheiden,
obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung anwesend oder vertreten waren, da in den Ladungsschreiben auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Soweit die Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen wurde, war das Verfahren nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
Soweit die Beklagte bezüglich der Klägerin das Vorliegen von nationalen Abschie15 bungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG in Ziffer 4 des angegriffenen Bescheids verneint hat, ist die Klage unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts ist hinsichtlich Nr. 4 rechtmäßig, da die Klägerin weder einen Anspruch auf Aufhebung des angegriffenen Bescheids insoweit noch auf Feststellung des Vorliegens eines solchen Abschiebungsverbots hat und deshalb insoweit in ihren Rechten nicht verletzt wird (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO). Die von der Klägerin zur Begründung ihres Anspruchs auf Feststellung des Vorliegens eines Abschiebungsverbots aus humanitären Gründen gem. 60 Abs. 5 AufenthG vorgetragenen Belange sind ohne flüchtlings- bzw. asylrechtliche Relevanz. Wegen der näheren Begründung wird insoweit unter Absehen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die Begründung des angegriffenen Bescheids des Bundesamts, der das Gericht folgt, Bezug genommen. Ergänzend ist auszuführen, dass nach § 60 Abs. 5 AufenthG ein Ausländer nicht abgeschoben werden darf, wenn sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685 – EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK setzt voraus, dass dem Betroffenen im Fall der Abschiebung im Zielgebiet eine erhebliche individuelle Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Schlechte humanitäre Verhältnisse können dann eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK darstellen, wenn diese ganz oder überwiegend auf staatlichem Handeln, auf Handlungen von Parteien eines innerstaatlichen Konflikts oder auf Handlungen sonstiger, nichtstaatlicher Akteure beruhen, die dem Staat zurechenbar sind, weil er der Zivilbevölkerung keinen ausreichenden Schutz bieten kann oder will. Ganz außerordentliche individuelle Umstände müssen dagegen hinzutreten, um schlechte humanitäre Bedingungen im Zielgebiet, wenn diese nicht überwiegend auf Handlungen der genannten Akteure zurückzuführen sind, als „Behandlung“ im Sinne von Art. 3 EMRK anzusehen (vgl. VGH BW, U.v. 24.7.2013 – A 11 S 697/13 – DÖV 2013, 950 – juris Rn. 80).
Von den allgemein schlechten Lebensbedingungen in einem Herkunfts sind insbesondere alleinstehende Frauen betroffen, doch ist grundsätzlich davon auszugehen, dass für Rückkehrer in Jordanien die Möglichkeit besteht, ökonomisch eigenständig allein zu leben und auch ohne Hilfe Dritter zu überleben. Nur in besonders gelagerten Einzelfällen kommt deshalb wegen der allgemeinen schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Lage für ehemals syrische Flüchtlinge mit jordanischer Staatsangehörigkeit in Jordanien ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK in Betracht. Ein solcher besonders gelagerte Einzelfall liegt bei der Klägerin jedoch nicht vor, insbesondere deshalb nicht, weil in Jordanien sowohl noch eine Schwester der Klägerin als auch ihr Sohn leben und sie daher bei einer Rückkehr dorthin auf familiäre Unterstützung zurückgreifen kann. Nach ihrem eigenen Vortrag in der mündlichen Verhandlung hat sie zu dieser Schwester auch Kontakt, nach dem Vortrag gegenüber dem Bundesamt hatte sie sich zudem vor ihrer Ausreise 2018 einige Monate bei dieser Schwester auch aufgehalten. Deshalb sind ihre Einwände, ihr könnte in Jordanien wieder Zwangsverheiratung drohen, vor der sie der jordanische Staat nicht schützen wolle oder könne, nicht durchgreifend. Eine konkrete Gefahr für die Klägerin, bei einer Rückkehr nach Jordanien von ihrem früheren Mann, der sie nach ihrem eigenen Vortrag eigentlich habe loswerden wollen und zudem sie seit September 2018 nach eigenem Vortrag keinen Kontakt mehr gehabt haben will, getötet zu werden, ist für das Gericht nicht erkennbar. Der Vortrag der Klägerin in dieser Hinsicht ist weder plausibel noch nachvollziehbar.
Auch die vom Bundesamt nach Maßgabe der § 34, § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind rechtlich nicht zu beanstanden. Schließlich begegnet auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG keinen rechtlichen Bedenken. Auch insoweit wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die Begründung im Bescheid des Bundesamts Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten 19 werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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