Verwaltungsrecht

Neubewertung einer Abiturprüfung – Plagiat

Aktenzeichen  AN 2 K 20.01089

Datum:
17.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 34329
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayFOBOSO § 17, § 31 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 34 Abs. 2 S. 4

 

Leitsatz

1. Eine Prüfungsentscheidung ist nur wegen erheblicher Bewertungsfehler aufzuheben. Der Einfluss auf das Prüfungsergebnis kann bei offensichtlich nicht tragenden, sondern nur beiläufigen Anmerkungen ausgeschlossen werden.  (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Übernahme fremder Texte (Plagiat) kann nicht nur als Täuschungsversuch gewertet werden, sondern auch zu einer schlechten inhaltlichen Bewertung führen.  (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung aus dem Urteil durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die zulässige Verpflichtungsklage in Gestalt der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 27. Mai 2019 über den Ausschluss der Klägerin von der Teilnahme an ihrer Abschlussprüfung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO). Die Klägerin besitzt weder einen Anspruch auf Zulassung zur Abschlussprüfung noch auf Bewertung ihrer Seminararbeit mit (mindestens) einem Punkt oder auf Neubewertung ihrer Arbeit. Der angegriffene Ausschluss von der Abschlussprüfung beruht auf § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fachober- und Berufsoberschulordnung (Schulordnung für die Berufliche Oberschule – Fachoberschulen und Berufsoberschulen (FOBOSO) vom 28. August 2017, GVBl. S. 451, BayRS 2236-7-1-K, zuletzt geändert durch § 1 Abs. 241 der Verordnung vom 26. März 2019, GVBl. S. 98), da die Seminararbeit der Klägerin in rechtlich nicht zu beanstandender Weise mit null Punkten bewertet wurde.
a) § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FOBOSO sieht vor, dass eine Teilnahme an der schriftlichen und praktischen Abschlussprüfung ausgeschlossen ist, wenn das Seminar mit null Punkten bewertet wurde. Weiter sieht § 17 Abs. 2 Satz 1 FOBOSO vor, dass die individuellen Leistungen im Seminar, die Seminararbeit sowie deren Präsentation samt Diskussion jeweils gesondert bewertet werden. Nach § 17 Abs. 2 Satz 4 FOBOSO ist schließlich das gesamte Seminar nicht bestanden und mit null Punkten zu bewerten, wenn eine der zuvor genannten Leistungen mit null Punkten bewertet wird. Danach war hier aufgrund der Bewertung der klägerischen Seminararbeit mit null Punkten das gesamte Seminar mit null Punkten zu bewerten, so dass die Klägerin gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 FOBOSO nicht zu ihrer Abschlussprüfung zuzulassen war.
b) Die Benotung der Seminararbeit der Klägerin mit null Punkten ist rechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Die Kontrollmöglichkeiten der Verwaltungsgerichte sind in Prüfungsangelegenheiten allgemein eingeschränkt. Aufgabe der Verwaltungsgerichte ist es nicht, ggf. zu strenge oder ungerechte bzw. so empfundene Beurteilungen zu korrigieren, indem das Gericht seine eigenen Bewertungsmaßstäbe an die Stelle der Beurteilungen der Prüfer setzt. Im Wesentlichen betreffen die verwaltungsgerichtlichen Kontrollmöglichkeiten die Einhaltung der Regelungen des einschlägigen Prüfungsverfahrens sowie der Grenzen des prüfungsrechtlichen Beurteilungsspielraums (vgl. zum Ganzen Fischer in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 804).
Anerkannt ist, dass den Prüfern hinsichtlich prüfungsspezifischer Wertungen ein Beurteilungs- bzw. Bewertungsspielraum zusteht. Hierunter fällt die Zuordnung der festgestellten Leistungen zu einem standardisierten Leistungsbild etwa in Gestalt einer Punkte- oder Notenskala aufgrund Kriterien, die der Prüfer durch persönliche Erfahrungen gewonnen hat (vgl. Fischer in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 635, 875). Hierunter fällt etwa der Schwierigkeitsgrad einer Prüfungsaufgabe, die Geschwindigkeit und Genauigkeit des Erfassens der Prüfungsprobleme durch den Prüfling, die Geordnetheit seiner Darlegungen und die Qualität der Darstellung genauso wie die Bedeutung einzelner Teile für die Gesamtarbeit sowie der Gesamteindruck. Hier spielen die persönlichen Einschätzungen und Erfahrungen der jeweiligen Prüfer eine ausschlaggebende Rolle, deren Steuerung rechtlich weder möglich noch sinnvoll erscheint, da die Prüfung als Leistungskontrolle sonst ihr wesentliches Merkmal verlieren würde (so zum Ganzen Fischer a.a.O. Rn. 635). Begrenzt wird der Beurteilungsspielraum durch das Willkürverbot, durch das Verbot sachfremder Erwägungen, durch das Verbot, im Rahmen der Bewertung von falschen Tatsachen auszugehen sowie durch die Gebote, allgemein gültige Bewertungsgrundsätze zu beachten und Gleiches gleich zu bewerten (Fischer a.a.O. Rn. 636, 882). Genauso wenig erfasst der prüfungsrechtliche Beurteilungsspielraum fachliche Meinungsverschiedenheiten. Insbesondere darf eine fachlich vertretbare Lösung nicht als falsch bewertet werden. Der Antwortspielraum des Prüflings kann eine Bandbreite fachlich vertretbarer Antworten umfassen, die jeweils weder fachlich falsch sind noch so beurteilt werden dürfen (vgl. Fischer a.a.O. Rn. 875, 879).
Für die hier in Frage stehende, von § 17 Abs. 1 Satz 1 FOBOSO geforderte Seminararbeit ist weiter anerkannt, dass ein Plagiat unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall nicht in jedem Fall – wegen Unterschleifs – zu einer Bewertung der Seminararbeit mit null Punkten führt. Entscheidend sind grundsätzlich die Umstände des Einzelfalls. Denn hier besteht die Besonderheit, dass die Bewertung allein der Seminararbeit mit null Punkten zu der drastischen Konsequenz führt, dass das Abitur im betroffenen Schuljahr nicht mehr erfolgreich abgelegt werden kann. So ist bereits ausgeführt, dass die Bewertung der Seminararbeit mit null Punkten gemäß § 17 Abs. 2 Satz 4 FOBOSO zur der Bewertung des gesamten Seminars mit null Punkten führt. Dies wiederum hat gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FOBOSO den Ausschluss von der schriftlichen und praktischen Abschlussprüfung zur Folge. Vor dem Hintergrund dieser drastischen Konsequenz ist zudem die Regelung nach § 34 Abs. 2 Satz 4 FOBOSO zu berücksichtigen, wonach in schweren Fällen des Unterschleifs (in einem einzelnen Prüfungsteil) die Prüfung (insgesamt) als nicht bestanden zu erklären ist. Hieraus ergibt sich der Rechtsgedanke, dass die Sanktion des Nichtbestehens der Gesamtprüfung wegen Unterschleifs in einem einzelnen Prüfungsteil lediglich dann möglich, aber auch geboten ist, sofern ein schwerer Fall des Unterschleifs vorliegt (in diesem Sinne zur entsprechenden Regelung nach § 78 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 Gymnasialschulordnung a.F. BayVGH, B.v.19.8.2004 – 7 CE 04.2058 – NVwZ-RR 2005, 254; B.v. 30.8.2007 – 7 CE 07.1886 – BeckRS 2008, 30314).
bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war die Klägerin hier gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FOBOSO von ihrer Abschlussprüfung auszuschließen. Denn die Bewertung ihrer Seminararbeit mit null Punkten fällt in den Beurteilungsspielraum der Prüfer bzw. Prüfungsbehörde. Ausweislich des Gutachtens der Arbeit stützt sich die Bewertung mit null Punkten auf Inhalt und Qualität der Arbeit. Aus diesem Grund kann hier offen bleiben, ob ggf. ein schwerer Fall des Unterschleifs vorliegt, der für eine Bewertung der Arbeit mit null Punkten, gestützt auf den Tatbestand des Unterschleifs, erforderlich gewesen wäre.
(1) Dass hier eine inhaltliche bzw. qualitative Bewertung der Seminararbeit erfolgt ist, ergibt sich bereits aus der Bewertungsbegründung, also aus dem Gutachten der Arbeit. Dieses leitet ein, die vorgelegte Arbeit habe sowohl in struktureller als auch in methodischer Hinsicht viele Probleme. Kritisiert wird die „oftmals unklare Gliederung“, die zeige, dass die Tiefe des Themas nicht erfasst worden sei. Die Verfasserin beginne die Arbeit mit Hinweisen auf den Forschungsstand, statt – wie im Studienseminar dezidiert besprochen – zum Thema hinzuleiten. Die Formulierung einer klaren Fragestellung fehle vollständig, ebenso wie ein Überblick über den Aufbau der Arbeit. Somit könne anhand des Titels der Arbeit lediglich erahnt werden, was die nachfolgenden Seiten beinhalteten. Auch werde in keinem Unterkapitel näher auf die Methodik eingegangen, d.h. es bleibe über weite Strecken völlig unklar, wie überhaupt wissenschaftlich gearbeitet und ausgewertet worden sei. Dem Leser sei es damit nicht erkenntlich, wie die Klägerin zu ihren Ergebnissen gelangt sei. Darüber hinaus würden sich in dem bereits ungewöhnlich knapp gehaltenen ersten Kapitel zum Forschungsstand inhaltliche Fehler finden, zu denen in dem Gutachten näher ausgeführt wird. Insbesondere wird kritisiert, die Klägerin habe die einschlägige Literatur lediglich oberflächlich recherchiert, obwohl sie selbst von einer „Fülle von Monographien“ bzw. „zahlreichen Biografien“ betreffend das Thema ihrer Arbeit spreche. Generell sei das Literaturverzeichnis äußerst knapp und lückenhaft. Besonders ärgerlich sei das Fehlen einschlägiger Aufsätze aus in dem Seminar angesprochenen Sammelwerken. Eine gründliche Literaturrecherche sei nicht erkennbar. Außerdem würden nicht einmal alle im Literaturverzeichnis angeführten Werke in der Arbeit zitiert. Insgesamt enthalte die Arbeit kaum Fußnotenbelege, wobei der extrem schwache Fußnotenapparat noch deutliche Mängel aufweise. Das schwerwiegendste Manko bestehe aber darin, dass der im Seminarunterricht erarbeitete wissenschaftliche Standard nicht eingehalten worden sei. Die Verfasserin stütze sich zwar auf eine umfangreiche Quellenauswahl, belege aber in dem Analyseteil der Arbeit kein einziges Zitat mit einer Fußnote. Somit sei schlicht nicht ersichtlich, welchen zeitgenössischen Dokumenten die Aussagen entnommen seien. Diese Arbeitsweise genüge in keinerlei Hinsicht auch nur ansatzweise einem wissenschaftlichen Anspruch. In der Folge werden Formulierungen in der Seminararbeit kritisiert, die sehr nahe an Darstellungen nicht angegebener Literatur seien. Darüber hinaus wird hinsichtlich der unstreitigen Übernahme fremder Texte ohne entsprechende Kennzeichnung kritisiert, es liege eine systematische und absichtliche Täuschung vor. Diese Bewertungsbegründung belegt, dass die Benotung mit null Punkten nicht wegen Unterschleifs erfolgt ist, sondern auf den in dem Gutachten aufgeführten, inhaltlichen bzw. qualitativen Gesichtspunkten beruht. Denn wären Prüfer oder Prüfungsbehörde einem Gedankengang gefolgt, wonach die Arbeit wegen Unterschleifs mit null Punkten zu bewertet sei, wären die zahlreichen, soeben referierten inhaltlichen Kritikpunkte im Rahmen des besonders ausführlich ausgearbeiteten Gutachtens über zwei Seiten gänzlich überflüssig und sinnlos gewesen. Dass die Prüfer eine überflüssige oder sinnlose Begründung für ihre Bewertung abgeben wollten, kann bei verständiger Würdigung aber nicht angenommen werden. Vielmehr verfolgt danach die umfangreiche und mit erheblicher Mühe verbundene Würdigung der Seminararbeit den Zweck, die Bewertung der Arbeit inhaltlich bzw. qualitativ zu begründen.
(2) Eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums liegt auch nicht darin, dass die Prüfer im Rahmen ihrer inhaltlich-qualitativen Bewertung der Seminararbeit den Gesichtspunkt der Übernahme fremder Texte ohne entsprechende Kennzeichnung – soweit dies unstreitig geblieben ist – zum Nachteil der Klägerin berücksichtigt haben. Denn die Berücksichtigung solcher ungekennzeichneter Übernahmen ist nicht etwa allein dem Tatbestand des Unterschleifs vorbehalten. Vielmehr konnten die Prüfer beurteilungsfehlerfrei davon ausgehen, dass allgemein Plagiate auch ganz erheblich die inhaltliche Qualität einer Arbeit mindern. Dies folgt bereits daraus, dass im Fall der nicht gekennzeichneten Übernahme fremder Texte die darin enthaltenden Gedanken und/oder Formulierungen nicht von dem übernehmenden Verfasser stammen, obwohl ein Leser grundsätzlich diesen Eindruck gewinnen muss. Bereits aufgrund dieses Minus betreffend eigener Gedanken und/oder Formulierungen ist die Qualität einer solchen Arbeit gemindert. Darüber hinaus liegt in einem Plagiat ein Verstoß gegen die wissenschaftliche Redlichkeit, was zum einen eine Qualitätseinbuße der Arbeit selbst darstellt und zum anderen nachteilige Schlüsse auf die regelmäßig in schriftlichen Prüfungssituationen nachzuweisende fachliche Befähigung des Prüflings zulässt. Hier ist auch sachlich die Annahme des Gutachtens nicht zu beanstanden, jedenfalls hinsichtlich der ungekennzeichneten Übernahme des Texts der Bundeszentrale für politische Bildung einerseits sowie des Artikels der Zeitung Der Tagesspiegel vom 6. Juni 2019 andererseits lägen systematische Täuschungen der Klägerin bzw. Plagiate vor. Denn jedenfalls insoweit muss tatsächlich von einem Täuschungsversuch, also von Vorsatz der Klägerin ausgegangen werden. Hierfür spricht nicht nur der Umfang der Übernahmen, sondern auch der Umstand, dass hinsichtlich des Artikels der Zeitung Der Tagesspiegel vom 6. Juni 2019 sowohl Formulierungen als auch Inhalt in das Resümee der Klägerin mit nicht ganz unerheblichem Aufwand sprachlich eingearbeitet wurden und zudem der Zeitungsartikel nicht im Literaturverzeichnis aufgeführt ist. Dies ist jedenfalls im Rahmen einer Gesamtschau nicht mehr mit einem Versehen, also einem lediglich fahrlässigen Handeln der Klägerin vereinbar. Dies gilt umso mehr, als im Fall eines Versehens zu erwarten gewesen wäre, dass die Klägerin dieses substantiiert hätte darlegen und aufklären können. Solche Ausführungen fehlen jedoch im Vortrag der Klägerin. Als systematisch kann die Übernahme fremder Texte ohne entsprechende Kennzeichnung beurteilungsfehlerfrei bereits deswegen bezeichnet werden, weil sich gleich zwei Plagiate in nicht unerheblichem Umfang unter den Gliederungspunkten „4. Unterschiede und Gemeinsamkeiten der einzelnen Zeitungen“ sowie „5. Resümee“ finden, also in Abschnitten der Arbeit, in den in besonderem Maße eigene Gedanken bzw. Formulierungen gefordert gewesen wären. Hinzu kommt die bereits erwähnte, sprachliche Einarbeitung der nicht gekennzeichneten Texte aus dem Artikel der Zeitung Der Tagesspiegel vom 6. Juni 2019. Klarzustellen ist allerdings auch, dass die Textstellen der Arbeit, die in den beklagtenseits vorgelegten Tabellen gemäß Schriftsatz vom 29. Juli 2020 aufgeführt sind, entgegen der dort verwendeten Überschriften keine Plagiate darstellen. Denn insoweit fehlt es bereits an einer Täuschung der Klägerin. So sind die fraglichen Textstellen in der Arbeit allesamt in Anführungsstriche gesetzt, so dass für den Leser ohne jeden Zweifel und auf den ersten Blick ersichtlich ist, dass die so gekennzeichneten Passagen weder dem Inhalt noch der Formulierung nach von der Klägerin stammen. Auch die Prüfer der Arbeit haben ausweislich der Randbemerkungen diese Passagen jedenfalls im Zeitpunkt der Korrektur nicht anders verstanden. Denn dort werden allein fehlende Zitate kritisiert, von Plagiaten ist dort – im Unterschied zu anderen Passagen der Arbeit -nicht die Rede. Der Umstand, dass mangels Fußnoten nicht ersichtlich ist, woher die durch Anführungsstriche gekennzeichneten Texte stammen, stellt zwar einen qualitativen Mangel dar, führt aber ersichtlich nicht dazu, dass die Klägerin unzutreffend vorspiegeln würde, die Formulierung der Texte und/oder die darin enthaltenen Gedanken stammten von ihr.
(3) Auch in der Bemerkung des Gutachtens, es liege Unterschleif vor, der nur mit null Punkten bewertet werden könne, liegt zumindest kein durchgreifender Beurteilungsfehler. Zwar mag die Formulierung den Eindruck erwecken, die Prüfer bzw. Prüfungsbehörde könnten vorliegend – mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fehlerhaft – davon ausgegangen sein, jeder Fall des Unterschleifs führe unabhängig davon, ob ein schwerer Fall vorliegt, zur Bewertung der Seminararbeit mit null Punkten. Jedoch würde auch ein solcher Gedanke hier nicht zur Aufhebung der streitgegenständlichen Prüfungsentscheidung führen. Denn es läge jedenfalls kein erheblicher Bewertungsfehler vor, der sich auf das Gesamtergebnis ausgewirkt hätte.
(a) Anerkannt ist, dass inhaltliche Bewertungsfehler die Prüfungsentscheidung nur dann aufzuheben vermögen, wenn der Mangel erheblich ist. Insbesondere kann der Einfluss von Bewertungsfehlern auf das Prüfungsergebnis in solchen Fällen ausgeschlossen werden, in denen Ausführungen betroffen sind, die offensichtlich nicht tragend, sondern nur beiläufige Anmerkungen sind. Ein solcher Evidenzfall kann anzunehmen sein, wenn in der zusammenfassenden Bewertungsbegründung ausschließlich bestimmte (gewichtige) Fehler für maßgeblich erklärt und im Übrigen lediglich Hinweise auf weitere (weniger gewichtige) Fehler gegeben werden, auf die es aus der ausdrücklich mitgeteilten Sicht der Prüfer nicht mehr ankommt. Dasselbe ist in Betracht zu ziehen, wenn der Prüfer aufgrund einer Vielzahl nachgewiesener Mängel auf ein derart krasses Versagen geschlossen hat, dass es ihm auf einen Fehler mehr oder weniger für die Noten- oder Punktevergabe nicht angekommen ist. Dies muss der Prüfer in seiner Begründung ausdrücklich oder sinngemäß zum Ausdruck bringen, wobei Derartiges nur in Fällen des annähernd völligen Versagens, also bei einem schwachen mangelhaft oder einem ungenügend in Betracht kommen wird. Ein Einfluss auf das Prüfungsergebnis ist bei offensichtlich nicht tragenden, sondern nur beiläufigen Anmerkungen nicht ohne weiteres anzunehmen (so zum Ganzen Fischer in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 679, 682).
(b) Danach stellt sich hier die Bemerkung, es liege Unterschleif vor, der nur mit null Punkten bewertet werden könne, jedenfalls nicht als erheblicher Mangel dar. Denn es ist offensichtlich, dass der in Frage stehende Gedanke keine Auswirkung auf die Beurteilung der Leistungen der Klägerin hatte. So haben sich die Prüfer – wie bereits ausgeführt – gerade die Mühe gemacht, die Seminararbeit im Rahmen des angefertigten Gutachtens besonders ausführlich inhaltlich zu würdigen. Eine solche inhaltliche bzw. qualitative Auseinandersetzung mit der Arbeit der Klägerin wäre indes in keiner Weise zu erklären, wäre ein Gedanke, jeder Fall des Unterschleifs führe zu der Bewertung mit null Punkten, in irgendeiner Form für die Prüfungsbehörde maßgeblich oder gar tragend gewesen. Denn wären die Prüfer diesem Gedanken tatsächlich gefolgt hätte sich jedes Eingehen auf die Qualität der Arbeit erübrigt. Vielmehr wäre – nach dem in Frage stehenden Gedankengang – mit erheblich geringerem Begründungsaufwand auf die Bewertung mit null Punkten wegen Unterschleifs abzustellen gewesen. Schon gar nicht ist ersichtlich, warum inhaltliche Mängel – wie geschehen – besonders ausführlich im Rahmen eines zweiseitigen Gutachtens hätte gewürdigt werden sollen. Darüber hinaus belegt die am Ende des Gutachtens durch ein grau hinterlegtes Textfeld und Kursivdruck hervorgehobene Textpassage, dass Gedanken betreffend die Folgen eines Unterschleifs in keiner Weise für die Bewertung der klägerischen Arbeit tragend waren. So kann die bezeichnete Passage nur als Zusammenfassung der ausschlaggebenden Gründe für die Bewertung der Seminararbeit verstanden werden. Dies ergibt sich nicht nur aus der drucktechnischen Hervorhebung und der Stellung des Texts am Ende des Gutachtens, sondern auch aufgrund der Formulierung des Texts selbst. Dort werden – wenn auch nicht ausdrücklich ausgesprochen – die bereits zuvor erwähnten inhaltlichen Kritikpunkte der Arbeit dahingehend zusammengefasst, dass die Arbeit aufgrund massiver Verstöße gegen grundlegende wissenschaftliche Arbeitstechniken sowie vor allem der bewussten Täuschung bei der systematischen Übernahme fremden Gedankenguts mit „ungenügend“ bewertet werden müsse. Ein Hinweis auf Unterschleif findet sich in dieser Zusammenfassung nicht. Auch dies belegt, dass der hier in Frage stehende Gedankengang jedenfalls keine tragende Rolle für die Bewertung der klägerischen Arbeit gespielt hat. Vielmehr verweist die Zusammenfassung sprachlich unmissverständlich und beurteilungsfehlerfrei auf Verstöße gegen grundlegende wissenschaftliche Arbeitstechniken sowie auf eine bewusste Täuschung bei der systematischen Übernahme fremden Gedankenguts. Bestätigt wird all dies außerdem durch die Angaben des Prüfers … … im Termin zur mündlichen Verhandlung. Dort hat der Prüfer sinngemäß erklärt, er könne nicht sagen, wie die Arbeit ohne den Plagiatsvorwurf bewertet worden wäre. Für sie als Prüfer sei letztlich eine Gesamtschau aus allen Punkten ausschlaggebend gewesen. Diese Angaben können sinnvoll nur dahingehend verstanden werden, dass der Gedanke des Unterschleifs mit seinen möglichen Folgen keine tragende Rolle bei der Bewertung der klägerischen Arbeit gespielt hat. Denn sonst wäre – unter Zugrundelegung des hier in Frage stehenden Gedankengangs – eine Gesamtschau aller (inhaltlichen) Gesichtspunkte entbehrlich gewesen.
(4) Die Kammer vermag auch keinen Beurteilungsfehler dahingehend zu erkennen, dass die Seminararbeit der Klägerin mit null Punkten – also mit der Notenstufe „ungenügend“ bewertet wurde. Diese Notenstufe ist nach Art. 52 Abs. 2 Satz 1 BayEUG wie folgt definiert: Leistung entspricht nicht den Anforderungen und lässt selbst die notwendigen Grundkenntnisse nicht erkennen. Dagegen ist eine Leitung „mangelhaft“ im Sinne von Art. 52 Abs. 2 Satz 1 BayEUG, wenn sie nicht den Anforderungen entspricht, jedoch trotz deutlicher Verständnislücken erkennen lässt, dass die notwendigen Grundkenntnisse vorhanden sind. Angesichts der in dem Gutachten der Arbeit aufgeführten inhaltlichen Mängel durften die Prüfer bzw. die Prüfungsbehörde beurteilungsfehlerfrei davon ausgehen, dass die Seminararbeit der Klägerin unter die Notenstufe „ungenügend“ fällt, also auch die notwendigen Grundkenntnisse nicht erkennen lässt. Zunächst enthält die Begründung der Bewertung – das Gutachten – keine Ausführungen, die Grundkenntnisse belegen könnten. Vielmehr ist ausweislich der bereits erörterten Zusammenfassung des Gutachtens bei der Bewertung als „ungenügend“ besonders stark ins Gewicht gefallen, dass massiv gegen grundlegende wissenschaftliche Arbeitstechniken verstoßen und bewusst fremdes Gedankenguts ohne Kennzeichnung übernommen worden sei. Dass dies nach Beurteilung der Prüfer zu der Bewertung als eine nicht den Anforderungen entsprechenden Leistung geführt hat, die selbst die notwendigen Grundkenntnisse nicht erkennen lässt, ist mangels Überschreitens des Beurteilungsspielraums rechtlich nicht zu beanstanden. Dass die Prüfer dem kritisierten Verstoß gegen wissenschaftliche Arbeitstechniken besonderes Gewicht beigemessen haben, erscheint zudem nachvollziehbar. Angesichts des Themas der Seminararbeit – … – wird dort zunächst die Wiedergabe der zeitgenössischen Presse für den Leser zwingend erforderlich sein, um anschließend die so dargestellten Pressestimmen überhaupt erst untersuchen, diskutieren oder einordnen zu können. Danach lebt die Arbeit der Klägerin ganz besonders von Zitaten aus der zeitgenössischen Presse. Damit ist nachvollziehbar, dass aus Sicht der Prüfer bzw. der Prüfungsbehörde ausweislich des Gutachtens ganz besonders negativ ins Gewicht gefallen ist, dass im Rahmen der Wiedergabe der zeitgenössischen Presse für den Leser mangels Fußnoten nicht ersichtlich ist, um genau welche zeitgenössische Veröffentlichung es sich handelt. Bereits ausgeführt ist, dass auch Übernahmen fremden Gedankenguts ohne entsprechende Kennzeichnung als erheblicher Qualitätsmangel angesehen werden dürfen. Dies gilt umso mehr, wenn es zu solchen Übernahmen – wie hier – an solchen Stellen einer Arbeit kommt, an denen – wie ausgeführt – in besonderer Weise eigene Gedanken sind.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.


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