Verwaltungsrecht

Nicht hinreichende Darlegung von Berufungszulassungsgründen im Asylstreitverfahren

Aktenzeichen  10 ZB 18.33190

Datum:
19.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 6083
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3e Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1, § 78 Abs. 3 Nr. 1-3, Abs. 4 S. 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
EMRK Art. 3
VwGO § 86 Abs. 1, § 138 Nr. 3

 

Leitsatz

1. Bei einer auf tatsächliche Verhältnisse gestützten Grundsatzrüge muss der Rechtsmittelführer Erkenntnisquellen zum Beleg dafür angeben, dass die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts unzutreffend oder zumindest zweifelhaft sind. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Beurteilung, ob von einer Person vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie sich in einem für sie fremden, jedoch sicheren Landesteil niederlässt, ist eine nicht nur nach den dortigen allgemeinen Gegebenheiten, sondern insbesondere nach den persönlichen Umständen der jeweiligen Person einzelfallbezogen zu beantwortende Frage und daher einer Grundsatzrüge nicht zugänglich. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
3. Angebliche Fehler bei der Sachverhaltsermittlung und Beweiswürdigung des Tatsachengerichts sind nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen und können daher nicht zur Zulassung der Berufung wegen eines Verfahrensmangels führen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 27 K 17.35305 2018-09-13 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG), der Abweichung von obergerichtlicher Rechtsprechung (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) und des Vorliegens eines Verfahrensfehlers (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 VwGO) nicht hinreichend dargelegt sind (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) bzw. nicht vorliegen.
1. Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. Seeger in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand 1.11.2018, § 78 AsylG Rn. 18 ff; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, § 78 AsylG Rn. 11 ff.). Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und klärungsfähig, insbesondere entscheidungserheblich, ist; ferner, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Sept. 2018, § 124a Rn. 102 ff.; Berlit in GK-AsylG, Stand Nov. 2018, § 78 Rn. 88 m.w.N.). Bei einer auf tatsächliche Verhältnisse gestützten Grundsatzrüge muss der Rechtsmittelführer Erkenntnisquellen zum Beleg dafür angeben, dass die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts unzutreffend oder zumindest zweifelhaft sind (vgl. BayVGH, B.v. 10.1.2018 – 10 ZB 16.30735 – juris Rn. 2 ff.; OVG NW, B.v. 9.10.2017 – 13 A 1807/17.A – juris Rn. 5; B.v. 12.12.2016 – 4 A 2939/15.A – juris Rn. 7 m.w.N.; Berlit, a.a.O., § 78 Rn. 609 ff.)
a) Die Klägerinnen möchten zum einen grundsätzlich geklärt haben, „ob ihnen als nigerianischen Staatsangehörigen mit christlicher Glaubenszugehörigkeit im gesamten Staatsgebiet von Nigeria Verfolgungsmaßnahmen von Seiten radikaler Muslime drohen, die von Seiten des nigerianischen Staates nicht unterbunden werden“.
Soweit die Klägerinnen damit, wie in der Begründung des Zulassungsantrags weiter angesprochen, auf die Frage einer Gruppenverfolgung für nigerianische Staatsangehörige christlicher Religionszugehörigkeit im gesamten Staatsgebiet abstellen, ist die Grundsatzfrage nicht in erforderlichem Umfang dargelegt. Dass Christen – die etwa die Hälfte der knapp 200 Millionen Menschen zählenden Bevölkerung Nigerias ausmachen – im ganzen Land einer Gruppenverfolgung (zum Begriff vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2006 – 1 C 15.05 – juris Rn. 20) durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt sein sollten, ohne dass staatliche oder andere Akteure im Sinn der § 3c Nr. 3, § 3d AsylG Schutz bieten, ist keinen Erkenntnisquellen zu entnehmen (vgl. z.B. Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 10.12.2018, S. 12 f.). Auch dem Vortrag der Klägerinnen fehlt insoweit jeder Tatsachenvortrag.
Der Vortrag der Klägerinnen kann auch dahin verstanden werden, dass sie sich gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts wenden wollen, dass sie sich auch in einem anderen Landesteil Nigerias niederlassen könnten als in dem Bundesstaat Kaduna, aus dem die Klägerin zu 1 stammt, um den dortigen Konflikten zu entgehen. Jedoch ist die Beurteilung, ob von einer Person vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie sich in einem für sie fremden, jedoch sicheren Landesteil niederlässt (§ 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG), eine nicht nur nach den dortigen allgemeinen Gegebenheiten, sondern insbesondere nach den persönlichen Umständen der jeweiligen Person einzelfallbezogen zu beantwortende Frage (§ 3e Abs. 2 Satz 1 AsylG, Art. 4 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU; stRspr, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 10.1.2019 – 10 ZB 18.32478 – Rn. 5 m.w.N.) und daher einer Grundsatzrüge nicht zugänglich. Es ist vielmehr eine individualbezogene Betrachtungsweise geboten, bei der die individuelle Lage und die persönlichen Umstände einschließlich solcher Faktoren wie familiärer und sozialer Hintergrund, Geschlecht und Alter zu berücksichtigen sind (Art. 8 Abs. 2 Satz 1, Art. 4 Abs. 3 RL 2011/95/EU; vgl. dazu Kluth in Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Stand 1.11.2018, § 3e AsylG Rn. 6 f.).
b) Die Klägerinnen formulieren als weitere rechtsgrundsätzlich zu klärende Frage, „ob die Abschiebung eines Kindes, welches an frühkindlichem Autismus starker Ausprägung F84.0 und ADHS leidet und mit hoher Wahrscheinlichkeit geistig behindert ist, trotz bestehender medizinischer Versorgung in Nigeria ein Abschiebungsverbot anzunehmen ist, weil in Nigeria es bei dieser Krankheit unmöglich sei, ein menschenwürdiges Leben zu führen und das Kind in Nigeria mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht das Erwachsenenalter erreichen wird und mithin bei einer Rückkehr nach Nigeria einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre in Form des sicheren Todes oder schwerster Verletzungen“.
Eine grundsätzlich zu klärende Rechts- oder Tatsachenfrage ist mit dieser Frage, die sich speziell auf die Situation der Klägerin zu 2 bezieht und außerdem Unterstellungen der Klägerinnen hinsichtlich zukünftiger Entwicklungen enthält, jedoch nicht dargelegt. Ob den Klägerinnen (bzw. der Klägerin zu 2) ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuzuerkennen ist, wie die Zulassungsbegründung weiter geltend macht, ist einer grundsätzlichen Klärung im Sinn des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht zugänglich.
In der Rechtsprechung des EGMR ist geklärt, dass unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten schwierige Lebensverhältnisse nur ausnahmsweise dann ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK begründen können, wenn die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren ein gewisses „Mindestmaß an Schwere“ erreichen. Die Bestimmung dieses Mindestmaßes an Schwere ist relativ und hängt von allen Umständen des Falls ab, insbesondere von der Dauer der unmenschlichen bzw. erniedrigenden Behandlung, den daraus erwachsenen körperlichen und mentalen Folgen für den Betroffenen und in bestimmten Fällen auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Betroffenen. Das für Art. 3 EMRK erforderliche Mindestmaß an Schwere kann erreicht sein, wenn ein Betroffener im Zielstaat der Abschiebung seinen existenziellen Lebensunterhalt nicht sichern kann, kein Obdach findet oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhält. Einer weitergehenden abstrakten Konkretisierung ist das Erfordernis, dass ein gewisses „Mindestmaß an Schwere“ erreicht sein muss, nicht zugänglich, vielmehr bedarf es insoweit der Würdigung aller Umstände des Einzelfalles (siehe BVerwG, B.v. 8.8.2018 – 1 B 25.18 – juris Rn. 9 ff. m.w.N.). Eine solche Einzelfallwürdigung ist einer Grundsatzentscheidung nicht zugänglich.
Gleiches gilt für eine sog. Extremgefahr im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Ein Ausländer kann im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren (vgl. zuletzt BVerwG, B.v. 8.8.2018 – 1 B 25.18 – juris Rn. 13 m.w.N.). Ob ein solcher Ausnahmefall aufgrund einer Extremgefahr gegeben ist, muss individuell auf die Person des Betroffen bezogen untersucht und ggf. festgestellt werden und kann nicht Gegenstand einer Grundsatzrüge sein.
Hinsichtlich der Erkrankung der Klägerin zu 2 sind die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots aus gesundheitlichen Gründen in der Rechtsprechung und durch die Neufassung des § 60 Abs. 7 Satz 1 bis 4 AufenthG durch das Gesetz vom 11. März 2016 geklärt. Die Gefahr, dass sich eine Erkrankung und die mit einer Erkrankung verbundenen Gesundheitsbeeinträchtigungen (als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten) im Abschiebezielstaat verschlimmern, ist in der Regel als am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfende individuelle Gefahr einzustufen (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18.05 – juris Rn. 15). Die Gesundheitsgefahr muss erheblich sein; die Verhältnisse im Abschiebezielstaat müssen eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität, etwa eine wesentliche oder gar lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes, erwarten lassen. Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl I S. 390) mit Wirkung vom 17. März 2016 geänderten Fassung nachgezeichnet (vgl. NdsOVG, B.v. 19.8.2016 – 8 ME 87.16 – juris Rn. 4). Nach dieser Bestimmung liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Außerdem sind in die Beurteilung der Gefahrenlage sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können, mit einzubeziehen. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich trotz grundsätzlich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann, wenn also die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, U. v. 29.10.2002 – 1 C 1.02 – juris Rn. 9), wobei allerdings die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland nicht gleichwertig oder überall gewährleistet sein muss (§ 60 Abs. 7 Satz 3 und 4 AufenthG). Die Prüfung dieser Fragen und der daraus zu ziehenden Folgerungen ist damit jedoch eine Frage des konkreten Einzelfalls, die einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich ist.
Im Grunde wenden sich die Klägerinnen mit den umfangreichen Ausführungen zur Erkrankung der Klägerin zu 2 und zu ihren persönlichen Lebensumständen gegen die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, das insoweit die Zuerkennung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG versagt hat. Damit können sie jedoch die Zulassung der Berufung nicht erreichen, denn den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils wie in § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gibt es im Rahmen des § 78 Abs. 3 AsylG nicht.
2. Eine Divergenz im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG ist gegeben, wenn das Verwaltungsgericht in Anwendung derselben Vorschrift (vgl. BVerwG, B.v. 28.1.2004 – 6 PB 15.03 – juris) mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz oder einem verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz von einem in der Rechtsprechung der genannten übergeordneten Gerichte aufgestellten Rechts- oder Tatsachensatz oder einer inhaltsgleichen Rechtsvorschrift ausdrücklich oder konkludent abweicht und die Entscheidung darauf beruht (vgl. Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Sept. 2018, § 124 Rn. 42; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 73 m.w.N.). Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen (vgl. BVerwG, B.v. 27.10.2014 – 2 B 52.14 – juris Rn. 5). Es genügt nicht, wenn in der angegriffenen Entscheidung ein in der Rechtsprechung der übergeordneten Gerichte aufgestellter Grundsatz lediglich übersehen, übergangen oder in sonstiger Weise nicht richtig angewandt worden ist (BVerwG, B.v. 20.7.2016 – 6 B 35.16 – juris Rn. 12 m.w.N.; Happ, a.a.O.; Rudisile, a.a.O.).
Die Klägerinnen verweisen hierzu – allerdings ohne nähere Darlegung – auf ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. August 2010 (11 B 08.30320 – juris), in dem dieser bei einem frühkindlichen Autismus ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bejaht habe.
In diesem Urteil hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof jedoch keinen abstrakten Rechtssatz oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz aufgestellt. Die Zuerkennung des Abschiebungsverbots (bezüglich der Türkei) ergab sich nach einer eingehenden Beweisaufnahme zu der Erkrankung des dortigen Klägers und den in der Türkei bestehenden Behandlungsmöglichkeiten; ein wesentlicher Aspekt war, dass der dortige Kläger kein Türkisch sprach und schon aus diesem Grund eine angemessene Behandlung nicht möglich war (BayVGH a.a.O., Rn. 32). Es handelte sich um die Anwendung der Rechtsgrundsätze des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG auf den konkreten Einzelfall, ohne dass damit „abstrakt“ festgestellt worden wäre, dass im Falle von frühkindlichem Autismus generell ein Abschiebungsverbot festzustellen ist.
3. Auch ein Verfahrensmangel im Sinn des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG liegt nicht vor.
Die Klägerinnen bringen hierzu vor, nach der Vorlage entsprechender fachärztlicher Atteste sei das Verwaltungsgericht im Rahmen der ihm gemäß § 86 Abs. 1 VwGO obliegenden Aufklärungspflicht verpflichtet gewesen, hierzu Beweis zu erheben; insoweit liege ein Verfahrensmangel vor.
Angebliche Fehler bei der Sachverhaltsermittlung und Beweiswürdigung des Tatsachengerichts sind jedoch nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen und können daher nicht zur Zulassung der Berufung führen. Die im einfachen Prozessrecht verankerten Aufklärungs- und Erörterungspflichten des Gerichts (§ 86 Abs. 1 VwGO) sind, soweit sie über die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen hinausgehen, auch nicht von der Schutzwirkung des Rechts auf Gehör (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) umfasst (BayVerfGH, E.v. 29.1.2014 – Vf. 18-VI-12 – juris Rn. 15; Berlit in GK AsylG, Stand Nov. 2018, § 78 Rn. 262).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
Mit dieser gemäß § 80 AsylG unanfechtbaren Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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