Verwaltungsrecht

Nichtzulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache in Asylstreitverfahren (Sierra Leone)

Aktenzeichen  9 ZB 20.30540

Datum:
10.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9680
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1

 

Leitsatz

Zur Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (Rn. 3). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 14 K 17.34106 2020-01-13 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2019 – 9 ZB 19.30489 – juris Rn. 3 m.w.N.). Dem genügt das Zulassungsvorbringen nicht.
1. Hinsichtlich der Frage, „ob ein Tattoo am Oberarm, welches auf die Mitgliedschaft bei der Street Gang B-F-Movement hindeutet, geeignet ist, die Gefahr eines ernsthaften Schadens zu begründen“, ist weder die Entscheidungserheblichkeit noch die grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit ausreichend dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat für den Kläger das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative in den Großstädten Sierra Leones – mit Ausnahme ggf. der Stadt des vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts – angenommen und ist dabei auf die fehlende Auffindbarkeit des Klägers sowie den Zeitablauf und das daraus resultierende Abflachen eines Verfolgungsinteresses eingegangen. Es hat in diesem Zusammenhang auch die Tätowierung des Klägers am Oberarm berücksichtigt. Es ging von Möglichkeiten aus, dieses Erkennungsmerkmal zu verdecken und verwies außerdem auf ein vom Kläger benanntes Video, wonach Aussteiger von Streetgangs sogar im gleichen Umfeld wie zuvor leben und arbeiten könnten und die Konterfeis von Aussteigern auch als positive Role Models präsentiert würden. Einige der gezeigten Personen seien im erheblichen Maße durch Tätowierungen und/oder Narben gekennzeichnet gewesen. Abgesehen davon, dass sich der Kläger mit dieser Einschätzung und den vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Erkenntnismitteln im Zulassungsvorbringen nicht ausreichend auseinandersetzt, legt er auch nicht anhand überprüfbarer Hinweise auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte Tatsachen- und Erkenntnisquellen (z.B. Gutachten, Auskünfte, Presseberichte, andere Gerichtsentscheidungen) dar, warum die aufgeworfene Frage im Berufungsverfahren zu einer vom angefochtenen Urteil abweichenden Entscheidung führen könnte (vgl. BayVGH, B.v. 20.1.2020 – 9 ZB 20.30142 – juris Rn. 3 m.w.N.).
2. In Bezug auf die Fragestellung, „ob Kennzeichnungen an Stirn, Nase und am Rücken, die auf eine ehemalige Zugehörigkeit zur P-Society hindeuten, landesweit in Sierra Leone geeignet sind, die Gefahr eines ernsthaften Schadens zu begründen“, fehlt es an einer ausreichenden Darlegung der Entscheidungserheblichkeit. Der Kläger hat gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Rahmen seiner Anhörung nicht behauptet, dass er nach der Initialisierung durch die P-Society bzw. S-Society im M. Distrikt in der Zeit nach dem Weggang von dort nach Freetown im Jahr 2011 bis zu seiner Ausreise im Jahr 2016 durch diese Gemeinschaft verfolgt worden wäre. Vielmehr gab er an, Sierra Leone wegen der Gewalt bzw. Bedrohung durch Mitglieder der B-F verlassen zu haben. Im Rahmen der Klagebegründung ließ der Kläger zwar unter Hinweis auf Narben an Nase, Stirn und Rücken vortragen, für den Fall seiner Rückkehr nach Sierra Leone Gewalt auch seitens der P-Society zu befürchten. Warum er überhaupt als Initialisierter bzw. (ehemaliges) Mitglied mit Angriffen rechnen müsste, wurde aber im gesamten Verfahren nicht begründet. Nachdem in der schriftlichen Klagebegründung unter Bezugnahme auf den bisherigen Vortrag des Klägers auch noch ausgeführt wird, dass Mitglieder der P-Society im Normalfall niemanden in den großen Städten attackieren, diese Gefahr jedoch auf dem Land und in kleineren Dörfern bestehe, wird außerdem die vom Verwaltungsgericht in Bezug auf die Zufügung eines ernsthaften Schadens durch nichtstaatliche Akteure angenommene Fluchtalternative für den Kläger in größeren Städten, wie Waterloo, Makeni, Bo, Kenema oder Port Loko (s. UA, S. 9), nicht in Frage gestellt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der gemäß § 80 AsylG unanfechtbaren Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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