Verwaltungsrecht

Notwendigkeit gesonderter vorheriger Antragstellung für einen Anspruch auf Kostenerstattung für Erstausstattung

Aktenzeichen  S 18 AS 29/16

Datum:
10.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB II SGB II § 24 Abs. 3 S. 1, § 37 Abs. 1, Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Die Geltendmachung einer Erstausstattung erfordert eine gesonderte Antragstellung. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Beklagte trägt 1/10 der außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid vom 19.11.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 12.01.2016 und der Bescheid vom 31.08.2016 verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, weil ihm kein weitergehender Anspruch auf Kostenübernahme für Erstausstattung zusteht.
Gemäß § 24 Abs. 3 S. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) haben Leistungsberechtigte Anspruch auf Übernahme von Erstausstattungsleistungen neben den anderen Bedarfen, wenn ihnen ein solcher Bedarf entsteht.
Diese Leistungen sind jedoch einmalige Sonderbedarfe, die gemäß § 37 Abs. 1 S. 2
SGB II nur auf gesonderten Antrag erbracht werden. Gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 SGB II werden keine Leistungen für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Der Antrag ist konstitutiv, vgl. Link in Eicher § 37 SGB II, Rn. 38. Es können allenfalls rückwirkend bis zum Monatsersten Leistungen beantragt werden.
Hat die leistungsberechtigte Person den besonderen Bedarf bereits vor dem Monat der gesonderten Antragstellung durch eigene Mittel oder Leistungen Dritter gedeckt, schließt § 37 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 SGB II mithin eine Kostenerstattung aus, vgl. hierzu auch LSG Sachsen Anhalt Urteil vom 08.0.2015- L 5 As 38/14, vgl. auch Aubel in: Schlegel/ Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 37, Rn. 48.
Der Kläger hat im vorliegenden Fall erstmals mit Schriftsatz vom 05.11.2015 Erstausstattungsgegenstände konkret in Höhe von 882,65 € bei dem Beklagten geltend gemacht.
Die dabei begehrten Gegenstände hat der Kläger ausweislich der dazu vorgelegten Einkaufsbelege in der Zeit von Ende August 2015 bis 21.09.2015 eingekauft und bereits bezahlt.
Damit hat er seinen Bedarf bereits vollständig vor Antragstellung auf Erstausstattung selbst befriedigt. Ein Anspruch auf Kostenerstattung scheidet damit aus.
Ein Antrag vor dem 05.11.2015 auf Erstausstattung war nicht ersichtlich.
Eine solche Antragstellung auf Erstausstattung lag weder im Schriftsatz vom 27.07.2015 noch im Schriftsatz vom 01.09.2015 und ist auch nicht konkludent aus diesen Schreiben zu entnehmen:
Mit Schriftsatz vom 27.07.2015 wurde ausdrücklich nur die Zusicherung zu einem Umzug und zu Umzugskosten nach §§ 22 Abs. 4 und 22 Abs. 6 SGB II unter Nennung der vorgenannten Vorschriften beantragt und in der Sache hierzu vorgetragen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger auch eine Erstausstattung begehrt, lassen sich dem Schreiben nicht entnehmen. Ebenso wenig lassen sich solche Anhaltspunkte dem Schreiben des Klägers vom 01.09.2015 entnehmen, in dem die Übernahme der „Aufwendungen für die Unterkunft“ begehrt wurde und allein die Wohnkosten als angemessen begehrt wurden und hierzu vorgetragen wurde, Umzugskosten und Wohnungsbeschaffungskosten wurden in diesen Schreiben als nicht anfallend dargestellt. Anhaltspunkte für ein weitergehendes Begehren auf Erstausstattung lassen sich auch diesem Schreiben nicht entnehmen.
Die Kammer geht auch nicht davon aus, dass mit einem Antrag auf Umzug automatisch oder konkludent gleichsam Antrag auf Erstausstattung gestellt worden ist, weil letzte etwa darin mitenthalten wären oder als Folgekosten anfielen. Es handelt sich vielmehr bei Umzugskosten und Erstausstattungskosten um voneinander unabhängige Kosten, die beide einem gesonderten Antragerfordernis unterliegen.
Es ergibt sich auch nichts anderes aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, Urteil vom 19.08.2010, B 14 AS 10/09 R, die aus einer Zeit vor Einführung der gesonderten Antragserfordernis gemäß § 37 Abs. 1 S. 2 SGB II für Erstausstattungsgegenstände stammt. Es lässt sich hier nicht entnehmen, dass ein Antrag auf Erstausstattung etwa nicht erforderlich wäre.
Denn auch in dieser Entscheidung verlangt das Bundessozialgericht als Voraussetzung für einen Kostenersatzanspruch für „Selbstbeschaffung in einer Not- und Eillage“, „dass der Träger der Grundsicherung vor Inanspruchnahme einer vom Hilfebedürftigen selbst beschafften Leistung bei Entstehen eines konkreten Bedarfs mit dem Leistungsbegehren in der Sache befasst wurde.“ vgl. BSG a.a.O., Rn. 29 zitiert nach Juris.
Eine Kostenerstattung kommt damit auch bei Selbstbeschaffung einer Leistung nur bei voriger Antragstellung und dann sich ergebender Not- und Eillage oder rechtswidriger Ablehnung in Frage.
Eine solche Situation einer Not- und Eillage bestand nach Überzeugung der Kammer hier jedoch nicht, da ein Leistungsantrag auf Erstausstattung weder rechtswidrig abgelehnt worden ist oder etwa nicht zeitgerecht entschieden worden ist. Zum einen war gar kein konkreter Antrag auf Erstausstattung gestellt worden, zum andern bestand nach Auffassung der Kammer auch keine Eil- und Notlage. Es mag dem Kläger zuzugestehen sein, dass bei der Anmietung der neuen Wohnung und dem Einzug eine gewisse Eilsituation vorlag, in der eine Anmietung rasch erfolgen musste und die neue Wohnung schnell bewohnbar gemacht werden musste. Die vorgetragenen Renovierungskosten des Umzugs wurden mit den Pauschalbeträgen des Beklagten jedoch gedeckt, so dass diesbezüglich keine Beschwer des Klägers vorliegt. Warum damals im Zeitraum Ende August 2015/ Anfang September 2015 eine Antragstellung auf Erstausstattung beim Beklagten zeitlich wegen einer Notlage unmöglich gewesen sein sollte, bleibt jedoch nicht nachvollziehbar, zumal der Kläger in dieser Zeit, z .B. am 01.09.2015, Schriftsätze an den Beklagten gesandt hat, in welchen ein Antrag auf Erstausstattung unproblematisch mitaufgenommen hätte werden können. Auch ein mündlicher Antrag wäre jedenfalls möglich gewesen.
Es bleibt der Kammer daher nicht nachvollziehbar, dass für die Anschaffung von Erstausstattungsgegenständen eine Eil- oder Notsituation überhaupt bestanden haben soll. Der Kläger zog aus einer kleineren Wohnung von 17 qm im selben Haus in eine größere von 30 qm. Die Kammer ist davon überzeugt, dass in der neu bezogenen Wohnung genügend Zeit gewesen wäre, vor einer Anschaffung von über die bisherige Möblierung hinausgehenden Gegenständen, bezüglich dieser Preisvergleiche in Geschäften vor Ort in A-Stadt – auch ohne Nutzung des Internets, sofern dies zu Hause nicht verfügbar war – anzustellen. Dass verfallende Umzugskartons eine so dringliche Eillage begründen könnten, dass Selbstbeschaffung vor Antragstellung erforderlich wird, kann die Kammer nicht nachvollziehen. Warum eine besondere Eilsituation, die unverzügliches Handeln erforderlich gemacht haben könnte für die Anschaffung von Tisch, Stuhl, Sessel, Sofa, Regalen und Vorhängen, Lampen, Bodenwischer und Besen bestanden haben könnte, bleibt für die Kammer auch nicht nachvollziehbar.
Doch selbst wenn eine Notsituation vorgelegen hätte, hätte dies im Übrigen auch nur eine Anschaffung vor der Entscheidung des Beklagten über den Antrag erlaubt, ersetzt aber nicht den fehlenden Antrag selbst, so auch LSG Sachsen Anhalt, Urteil vom 08.10.2015, Az: B L 5 AS 638/14, BSG, Az.: B 14 AS 10/09, a.a.O.
Denn selbst wenn wegen eines Eil- oder Notfalls die Entscheidung des Beklagten nicht abgewartet werden kann und zur Selbstbeschaffung geschritten wird, kann ein nachträglicher Kostenerstattungsanspruch nur entstehen, wenn zuvor der Beklagte mit der Sache befasst war. Das Antragserfordernis kann nicht ersetzt werden. Zur Selbstbeschaffung darf erst nach Antrag oder im Falle rechtswidriger Ablehnung des Antrags geschritten werden. Besondere Umstände des Einzelfalls können sich nicht rechtsbegründend auswirken, die Antragstellung nach § 37 SGB II statuiert ein konstitutives Antragserfordernis mit der Folge dass Leistungen erst ab Antragsstellung zustehen, vgl. BSG, Az: B 14 As 10/09 R, Rn. 23. Ausnahmen hiervon sind gesetzlich nicht vorgesehen.
Das Antragserfordernis wird auch nicht deshalb obsolet, weil der Beklagte mit Bescheid vom 14.08.2015 den Umzug abgelehnt hat, weil eine Erstausstattung als ein aliud dazu von einer solchen Ablehnung nicht umfasst gewesen ist.
Auf die Rechtsfrage, ob die vom Beklagten mit den Pauschalen vorgenommene Erstausstattung den gesetzlichen Anfordernissen genügt, kommt es daher nicht mehr, da bereits dem Grunde nach kein Anspruch auf Erstausstattung besteht.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG und folgt daraus, dass der Beklagte während des Gerichtsverfahrens einen weiteren Bewilligungsbescheid über 62,89 € erlassen hat, der etwa 1/10 der Beschwer der der ursprünglichen erhobenen Klage umfasst.
Den Streitwert, der aus dem Gegenstandswert mithin der Beschwer in der Sache entsteht (vgl. zum Wert des Beschwerdegegenstands Leitherer in: Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2013, § 197, Rn. 7d ff, § 144 Rn. 14 m.w.N.) nimmt das Gericht zu Klagebeginn mit 428,65 € an, denn von dem ursprünglichen Antragsbegehren des Klägers auf 882,65 € an Kosten für Erstausstattung aus dem Schriftsatz vom 05.11.2015 im Verwaltungsverfahren hatte der Beklagte vor Klageerhebung bereits 454,00 € durch Bescheid gewährt. Im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts betrug die Beschwer noch 365,76 €, weil von der Beschwer bei Klageerhebung während des Klageverfahrens mit Bescheid vom 31.08.2016 noch weitere 62,89 € durch den Beklagten bewilligt worden waren. Auch die Antragsstellung des Klägers ändert nichts an der tatsächlichen Beschwer, die für das Klageverfahren nicht mehr in Höhe von 882,65 € bestand.
Aus dem Beschwerdegegenstand der Klage bei Entscheidung derselben im Urteil errechnet sich die Berufungssumme, die im vorliegenden Fall 365,76 € (428,65 € – 62,89 € = 365,76 €) beträgt.
Damit ist die Berufung nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG, da die Berufungssumme von 750,00 € nicht erreicht wird, nicht zulässig. Gründe für Zulassung der Berufung waren nicht ersichtlich.


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