Verwaltungsrecht

Nutzungsuntersagung bei Nichtvorlage der Bescheinigung Brandschutz II

Aktenzeichen  9 CS 21.133

Datum:
2.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 22589
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 77 Abs. 2 S. 3, Art. 78 Abs. 2 S. 1 und S. 3

 

Leitsatz

Folge einer Nichtvorlage der Bescheinigung Brandschutz II  ist ein gesetzliches Nutzungsverbot. Verstöße können zur Nutzungsuntersagung führen und sind bußgeldbewehrt (vgl. VGH München BeckRS 2019, 30459 Rn. 12). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 3 S 20.2532 2020-12-10 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 12.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin, die einen Betrieb zur Fertigung von Spritzgußteilen aus Kunststoff betreibt, wendet sich gegen eine sofort vollziehbare und zwangsgeldbewehrte Nutzungsuntersagung des Landratsamts E … betreffend einen Teil ihrer Betriebsgebäude.
Mit Bescheid vom 23. Oktober 2018 genehmigte das Landratsamt E … den Bauantrag der Antragstellerin für den Neubau einer Lagerhalle (Halle 1.1), bauliche Änderungen und eine Nutzungsänderung in Halle 3 sowie bauliche Änderungen in Halle 4 auf deren Betriebsgrundstück FlNr. … Gemarkung H … … … In der Auflage Nr. 2 dieses Bescheids war verfügt, dass falls für einzelne Gebäudeteile die Nutzung aufgenommen werden soll, eine entsprechende Bescheinigung Brandschutz II (ordnungsgemäße Bauausführung nach Art. 77 Abs. 2 BayBO i.V.m. § 19 PrüfVBau) vorzulegen ist.
Nach Nutzungsaufnahme der Antragsgegnerin forderte das Landratsamt diese mehrmals unter Androhung von Zwangsgeldern dazu auf, die Bescheinigung zum Brandschutz II entsprechend dem Baugenehmigungsbescheid vom 23. Oktober 2018 vorzulegen. Mit Bescheid vom 20. Oktober 2020 untersagte das Landratsamt der Antragstellerin für die in dem diesem Bescheid beigefügten Lageplan rot gekennzeichneten Gebäude auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung H … die Nutzung (I.), ordnete die sofortige Vollziehung an (II.) und drohte ein Zwangsgeld in Höhe von 50.000 Euro an (III.). Hiergegen hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 23. November 2020 Klage erhoben (Az. AN 3 K 20.02533), über die noch nicht entschieden ist. Gleichzeitig hat sie Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, der vom Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 10. Dezember 2020 abgelehnt wurde. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass die Nutzungsuntersagung fehlerfrei erfolgt sei, weil die Antragsgegnerin der Auflage im Bescheid vom 23. Oktober 2018 nicht nachgekommen sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie ist der Ansicht, die Bescheinigung Brandschutz II habe nur deshalb nicht vorgelegt werden können, weil der Bauantrag vom 23. Oktober 2018 auch den Neubau einer Gewerbehalle beinhaltet habe, die nicht verwirklicht wurde und auch nicht mehr verwirklicht werden soll. Die für die brandschutzmäßige Ertüchtigung der betroffenen Gebäude erforderlichen Maßnahmen seien dagegen alle umgesetzt worden; Brandschutzmängel bestünden nicht. Im Übrigen habe der Prüfsachverständige mit seinem Bericht vom 24. August 2020 bestätigt, dass aus brandschutztechnischer Sicht keine Einwände bestünden, dass das Landratsamt vor Ausstellung der Bescheinigung Brandschutz II die Zustimmung zur Nutzung der im Prüfumfang enthaltenen Gebäudeteile erteile.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 10. Dezember 2020 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. Oktober 2020 wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, der Prüfbericht vom 24. August 2020 genüge nicht den gesetzlichen Voraussetzungen und es liege keine mangelfreie Bescheinigung Brandschutz II vor. Nur bei Vorlage eines ordnungsgemäßen Prüfberichts könne das Nutzungsverbot entfallen.
Im Verfahren wurde zudem ein Prüfbericht vom 22. Februar 2021 sowie eine Bescheinigung Brandschutz II mit gleichem Datum vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf die die Prüfung des Senats im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.
Die Pflicht zur Vorlage einer Bescheinigung des Prüfsachverständigen über die ordnungsgemäße Bauausführung (Bescheinigung Brandschutz II; Art. 77 Abs. 2 Satz 3 BayBO) ergibt sich hier aus der Auflage Nr. 2 zum bestandskräftigen Baugenehmigungsbescheid vom 23. Oktober 2018. Die Bescheinigung wäre bereits mit Nutzungsaufnahme i.S.d. Art. 78 Abs. 2 Satz 1 BayBO von der Antragstellerin vorzulegen gewesen, was – bislang – nicht erfolgt ist. Folge hiervon ist ein gesetzliches Nutzungsverbot; Verstöße können zur Nutzungsuntersagung führen und sind bußgeldbewehrt (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2019 – 9 CS 19.1273 – juris Rn. 12).
Die von der Antragstellerin mit dem Beschwerdevorbringen erhobenen Einwendungen führen nicht zum Erfolg der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass die Nutzung in materiell baurechtswidriger Weise aufgenommen wurde, da die Antragstellerin entgegen der Baugenehmigung vom 23. Oktober 2018 die Brandschutzbescheinigung II für die (einzelnen) Gebäudeteile, für die die Nutzung aufgenommen wurde, nicht vorgelegt hat. Dem tritt das Beschwerdevorbringen schon nicht substantiiert entgegen. Weshalb für die Gebäudeteile, für die die Nutzung – nach Aktenlage teilweise wohl auch schon vor Bauantragstellung und der Baugenehmigung vom 23. Oktober 2018 – auf Grundlage der Baugenehmigung vom 23. Oktober 2018 bereits aufgenommen wurde, keine Bescheinigung Brandschutz II entsprechend der Auflage Nr. 2 dieses Bescheids erstellt und vorgelegt werden kann, weil diese Baugenehmigung auch den – nicht ausgeführten und nicht mehr beabsichtigten – Neubau einer Gewerbehalle beinhaltet, erschließt sich schon nicht. Die Auflage Nr. 2 des Baugenehmigungsbescheids vom 23. Oktober 2018 geht insoweit auch von einer Teilbarkeit der Baugenehmigung und der Bescheinigung Brandschutz II aus; dass dies nicht möglich sei, zeigt das Beschwerdevorbringen nicht auf.
Der von der Antragstellerin vorgelegte Prüfbericht vom 24. August 2020 stellt keine ausreichende Bescheinigung Brandschutz II i.S.d. Art. 78 Abs. 2 Satz 3, Satz 2 Nr. 2, Art. 77 Abs. 2 BayBO i.V.m. § 19 PrüfVBau dar. Dies ergibt sich auch unmittelbar aus dem Bericht selbst (Nr. 6.3 des Berichts vom 24.8.2020). Auch der von der Antragstellerin vorgelegte Prüfbericht vom 22. Februar 2021 und die Bescheinigung Brandschutz II vom 22. Februar 2021 genügen den Anforderungen der Auflage Nr. 2 des Bescheids vom 23. Oktober 2018 nicht. Denn diese beziehen sich ausweislich der Aktenlage und dem Schreiben des Architekten der Antragstellerin vom 2. März 2021 auf ein gänzlich anderes Baugenehmigungsverfahren, das zudem zwischenzeitlich gem. Art. 65 Abs. 2 BayBO als zurückgenommen gilt.
Durchgreifende Anhaltspunkte für Ermessensfehler sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Nach der Regelung in Art. 77 Abs. 2 Satz 3 BayBO gelten die jeweiligen bauaufsichtlichen Anforderungen als eingehalten, wenn die entsprechende Bescheinigung des Prüfsachverständigen vorliegt. Bis dahin kann von Seiten der Bauaufsichtsbehörde nicht von einer ordnungsgemäßen Bauausführung hinsichtlich des Brandschutzes ausgegangen werden (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2019 – 9 CS 19.1273 – juris Rn. 13). Soweit die Antragstellerin einwendet, die formelle Illegalität (vgl. BayVGH, B.v. 29.6.2016 – 15 CS 15.44 – juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 9.11.2020 – 9 CS 20.2005 – juris Rn. 18) genüge hier nicht für eine Nutzungsuntersagung, weil keine brandschutztechnischen Mängel festgestellt worden seien, führt dies nicht zum Erfolg. Unabhängig von der Regelung des Art. 78 Abs. 2 Satz 3 BayBO kann beim Fehlen notwendiger prüffähiger Unterlagen auch regelmäßig nicht von offensichtlicher Genehmigungsfähigkeit ausgegangen werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.5.2014 – 9 CS 14.451 – juris Rn. 15; B.v. 28.7.2021 – 9 CS 21.1408 – (noch) unveröffentlicht, Rn. 13).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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