Verwaltungsrecht

Nutzungsuntersagung bordellartiger Betrieb, Divergenzrüge

Aktenzeichen  15 ZB 22.252

Datum:
6.4.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 8527
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauNVO § 6 Abs. 2 Nr. 4

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RO 7 K 19.2705 2021-10-28 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen eine von der Beklagten mit Bescheid vom 29. November 2019 verfügte Nutzungsuntersagung einer Wohnung im ersten Obergeschoss des zum Wohnen genehmigten Gebäudes auf seinem Grundstück FlNr. … Gemarkung G. Das Verwaltungsgericht Regensburg wies seine Klage mit Urteil vom 28. Oktober 2021 ab. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass es sich bei der untersagten Nutzung nicht um Wohnungsprostituion, sondern um einen bordellartigen Betrieb handle und bordellartige Betriebe im vorliegenden Mischgebiet wegen ihrer negativen Auswirkungen generell unzulässig seien. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der auf Divergenz zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. November 2021, Az. 4 C 5.20 gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zuzulassen. Hierbei ist unerheblich, dass das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erst nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ergangen ist, da der Kläger jedenfalls innerhalb der Zulassungsbegründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO die Divergenz geltend gemacht hat (vgl. Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018).
Zur Darlegung einer Divergenz gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist es erforderlich, aufzuzeigen, welchem abstrakten Rechtssatz oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz der Entscheidung des Divergenzgerichts ein bei der Anwendung derselben Rechtsvorschrift in der angefochtenen Entscheidung aufgestellter Rechts- oder Tatsachensatz widerspricht. Dabei muss zwischen den Gerichten ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen. Die divergierenden Sätze müssen einander so gegenübergestellt werden, dass die Abweichung erkennbar wird (vgl. BVerwG, B.v. 6.3.2018 – 4 BN 13.17 – juris Rn. 37; BayVGH, B.v. 21.10.2021 – 15 ZB 21.2044 – juris Rn. 16). Das Zulassungsvorbringen zitiert zwar ausführlich Tatbestand und Entscheidungsgründe der beiden Entscheidungen (Urteil des VG Regensburg v. 28.10.2021 – RO 7 K 19.2705 einerseits und Urteil des BVerwG v. 9.11.2021 – 4 C 5.20 andererseits), eine diesen Anforderungen ausreichende Gegenüberstellung divergierender Rechtssätze ist hieraus jedoch kaum abzuleiten.
Selbst wenn die Ausführungen des Verwaltungsgerichts in den Urteilsgründen auf Seite 15 unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens als divergierender Rechtssatz angesehen werden könnten, betreffen die Entscheidungen allerdings unterschiedliche Sachverhalte und sind diese – pauschal anmutenden – Ausführungen des Verwaltungsgerichts jedenfalls unter Bewertung des Betriebskonzepts und damit unter Berücksichtigung des Einzelfalls erfolgt. Mit der abweichenden Beurteilung eines Einzelfalls lässt sich eine Divergenzrüge aber nicht begründen (vgl. BVerwG, B.v. 6.4.2016 – 1 B 22.16 – juris Rn. 7).
Während das Bundesverwaltungsgericht seiner Entscheidung ein sogenanntes „Wohnungsbordell“ zugrunde legt, geht das Verwaltungsgericht Regensburg unter Bewertung des vom Betreiber eingereichten Betriebskonzepts vom 24. Mai 2019 von einem bordellartigen Betrieb aus. Zudem stellt das Bundesverwaltungsgericht darauf ab, dass beim Begriff der „milieubedingten“ Unruhe nur Betriebe zugrunde gelegt werden können, die „nach außen in Erscheinung“ treten „und/oder in den Nachtstunden (ab 22:00 Uhr) betrieben“ werden (BVerwG, U.v. 9.11.2021 – 4 C 5.20 – juris Rn. 15). Unter diese Voraussetzungen verbleibt es daher nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bei der eingeschränkt typisierten Betrachtungsweise. Dementsprechend hat das Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung des Betriebskonzepts des Betreibers vom 24. Mai 2019 (vgl. Bl. 15 – 19 der Behördenakte), wonach der Betrieb zwar nicht nach außen in Erscheinung tritt, im Betrieb aber bis zu zwei Dienstleisterinnen gleichzeitig tätig sein können und die Öffnungszeiten, Anwesenheitszeiten sowie die Aufenthaltsdauer im Ermessen der Dienstleisterinnen stehen, seiner Entscheidung einen bordellartigen Betrieb zugrunde gelegt. Nach dem Betriebskonzept organisieren die Dienstleisterinnen hier „ihre Zeit selbst“, woraus sich gerade keine Einschränkung oder Beschränkung der Betriebszeiten auf die Tagzeit ergibt. Vielmehr liegt dem Betriebskonzept eine durchgehende Öffnung zur Tag- und Nachtzeit zugrunde. Der Entscheidung des Verwaltungsgerichts lässt sich damit nicht entnehmen, dass es die „milieubedingte“ Unruhe auf einen städtebaulich nicht relevanten Maßstab ausgedehnt hätte, so dass sich hieraus auch nicht die angeführte Divergenz zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt. Anders als in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist das Betriebskonzept hier gerade nicht in dem Sinne eingeschränkt, dass der Begriff der „milieubedingten“ Unruhe keine typisierende Betrachtungsweise mehr zulassen würde. Die möglicherweise pauschale Formulierung des Verwaltungsgerichts in den Urteilsgründen auf Seite 15 kann jedenfalls nach den Bewertungen des Verwaltungsgerichts nicht zusammenhanglos ohne die zugrundeliegende Bewertung des Betriebskonzepts gesehen werden.
Unabhängig davon beruht das Urteil auch nicht auf der behaupteten Divergenz (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Denn Grundlage der vom Bundesverwaltungsgericht zu entscheidenden Rechtssache war eine Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung, während sich der Kläger hier mittels Anfechtungsklage gegen eine Nutzungsuntersagung wendet, bei der im Rahmen der Verhältnismäßigkeit die fehlende offensichtliche Genehmigungsfähigkeit der untersagten Nutzung zu prüfen ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.3.2021 – 15 ZB 20.2906 – juris Rn. 7 m.w.N.). Eine solche offensichtliche Genehmigungsfähigkeit ist im Hinblick auf das vorliegende Betriebskonzept vom 24. Mai 2019, nach dem die Öffnungszeiten und Anwesenheitsdauer im Ermessen der Dienstleisterinnen stehen und dem Konzept damit uneingeschränkte Betriebs- und Öffnungszeiten zugrunde liegen, sowie der vom Kläger selbst für notwendig erachteten Einzelfallprüfung gerade nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Entscheidung wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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