Verwaltungsrecht

Nutzungsuntersagung eines Unterstands zur Haltung von Schafen

Aktenzeichen  1 ZB 18.341

Datum:
30.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36083
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO § 6 Abs. 2 lit. b Nr. 1, Art. 57 Abs. 4, Art. 76 S. 2

 

Leitsatz

1. Zu der Frage, ob ein Unterstand, der tragend auf der Außenwand eines Hauptstalles aufliegt, ein selbständiges Bauwerk darstellt. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für eine Nutzungsuntersagung reicht grundsätzlich die formelle Baurechtswidrigkeit der Nutzung aus; etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn die nicht genehmigte Nutzung offensichtlich genehmigungsfähig ist. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
3. Allein eine über einen längeren Zeitraum erfolgte genehmigungspflichtige, aber nicht genehmigte Nutzung vermag einen Bestandsschutz nicht zu begründen. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 9 K 16.2159 2017-11-29 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Kläger wendet sich gegen die mit Bescheid vom 11. April 2016 ausgesprochene Untersagung der Nutzung eines Unterstands zur Haltung von Schafen auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung H* … Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 29. November 2017 abgewiesen. Die verfügte Nutzungsuntersagung sei rechtmäßig. Die Nutzung des Anbaus als Schafstall sei formell rechtswidrig, insbesondere sei der Anbau in den Baugenehmigungsunterlagen aus den Jahren 1935 und 1936 nicht dargestellt. Eine Verfahrensfreiheit des Anbaus nach § 6 Abs. 2 Buchst. b Nr. 1 BayBO 1901 scheide aus, weil der Anbau Teil des Hauptstalls gewesen sei, der als genehmigungspflichtiges Gesamtvorhaben genehmigt worden sei. Auch die bestandskräftige Teilungsgenehmigung aus dem Jahr 1989, auf der erstmals nachweisbar ein südlicher Anbau dargestellt sei, legalisiere die Nutzung des Schafunterstands nicht. Die Nutzung sei auch nicht offensichtlich genehmigungsfähig. Die Haltung von teils über hundert Lämmern in einem offenen Anbau direkt an der Grenze zu einem zu Wohnzwecken genutzten Grundstück verstoße gegen das Rücksichtnahmegebot.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besonderer rechtlicher und tatsächlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor oder werden bereits nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Bescheid des Beklagten vom 11. April 2016 rechtmäßig ist.
Das Zulassungsvorbringen vermag keine ernstlichen Zweifel an der Annahme des Verwaltungsgerichts zu begründen, dass die Nutzung des Unterstands als Schafstall formell rechtswidrig ist. Soweit der Kläger hierzu ausführt, dass der Schafunterstand in seiner heutigen Ausgestaltung bereits vor bzw. zum Zeitpunkt des Erlasses der baupolizeilichen Genehmigung des Schafstalls im Jahr 1936 vorhanden gewesen sei und er somit in seiner damals und heute noch immer bestehenden Form von der damaligen Genehmigung umfasst sei, lässt er unberücksichtigt, dass nach den in Kopie vorgelegten Plänen der Unterstand in seiner heutigen Form nicht dargestellt ist. Die Ansichten „SCHNITT E-F“ sowie „SCHNITT G-H“, auf die sich das Zulassungsvorbringen bezieht, lassen zwar auf ein (abgestütztes) Vordach und einen überdachten Vorplatz schließen. Allerdings sind diese Schnitte im Plan durchgekreuzt, so dass schon Zweifel bestehen, ob dieses Vordach von der Genehmigung überhaupt mitumfasst ist. Zudem sind die tatsächlich vorhandene Toröffnung (vgl. Lichtbilder Bl. 65 BA) zum Hauptstall ebenso wenig dargestellt wie die Pferchgatter. Aus der etwaigen baupolizeilichen Genehmigung des (abgestützten) Vordaches folgt daher nicht, dass hier ein eingeschalter Unterstand für Schafe genehmigt worden ist. Der Unterstand war auch nicht nach § 6 Abs. 2 Buchst. b Nr. 1 BayBO 1901 (weder in der ursprünglichen Fassung der BayBO 1901 vom 17. Februar 1901 (GVBl. S. 87) noch in der Fassung der BayBO 1901 vom 29.9.1937 (GVBl. S. 289)) genehmigungsfrei. Zwar unterlagen die in § 6 Abs. 2 Buchst. b Nr. 1 BayBO 1901 genannten Anlagen auch dann nicht der Genehmigungspflicht, wenn sie an andere Gebäude angebaut wurden, allerdings mussten sie sich als ein selbständiges Bauwerk darstellen und nicht als eine Vergrößerung des Hauptgebäudes (Englert-Mang, BayBO, 10. Auflage 1951, Nr. 26 zu § 6), da andernfalls nicht mehr eine Anlage im Sinn der in der Vorschrift aufgeführten genehmigungsfreien Vorhaben vorliegt. Der streitgegenständliche Unterstand stellt keinen selbständigen Anbau dar, sondern er ist über die Dachkonstruktion, die nach den Lichtbildern tragend auf der Außenwand des Hauptstalles aufliegt, zumindest aber in diese übergeht, unmittelbar mit dem Hauptstall konstruktiv verknüpft. Aufgrund des Tores zum Hauptstall bildet der Unterstand eine Erweiterung des Hauptstalles, so dass eine Genehmigungsfreiheit nicht angenommen werden kann.
Für die Nutzungsuntersagung reicht grundsätzlich die formelle Baurechtswidrigkeit der Nutzung aus; etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn die nicht genehmigte Nutzung offensichtlich genehmigungsfähig ist (vgl. BayVGH, B.v. 27.5.2020 – 1 ZB 19.2258 – juris Rn. 7). Das ist hier nicht der Fall, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat. Für das Vorhaben bedürfte es insbesondere einer fachlichen Bewertung des Immissionsschutzes; es kommt für die Genehmigungsfähigkeit nicht darauf an, ob die Nutzung schon jahrelang unbeanstandet ausgeführt wurde.
Schließlich ergeben sich auch keine ernstlichen Zweifel aus der Beanstandung, das Verwaltungsgericht habe den Gesichtspunkt des Bestandsschutzes der Nutzung des Unterstandes als Schafstall nicht ausreichend berücksichtigt. Das Verwaltungsgericht hat sich ausführlich mit der Frage eines Bestandsschutzes auseinandergesetzt (UA S. 14). Der Anbau ist weder genehmigt noch konnte er verfahrensfrei errichtet werden. Somit kommt ein Bestandsschutz für die Nutzung als Schafstall ohnehin nicht in Betracht. Im Übrigen fehlt es dem Zulassungsvorbringen für die Frage, ob die Schafhaltung in dem Unterstand zu einem bestimmten Zeitpunkt über einen namhaften Zeitraum rechtmäßig gewesen ist, an konkreten Angaben, wann die Nutzung des Unterstands als Schafstall erstmals aufgenommen wurde. Das Zulassungsvorbringen setzt sich auch nicht mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts auseinander, dass nach Art. 66 Abs. 4 BayBO 1983, Art. 63 Abs. 4 BayBO 1998 und Art. 57 Abs. 4 BayBO eine gegebenenfalls erfolgte Nutzungsänderung genehmigungspflichtig gewesen ist. Allein eine über einen längeren Zeitraum erfolgte genehmigungspflichtige, aber nicht genehmigte Nutzung vermag einen Bestandsschutz nicht zu begründen (Decker in Simon/Busse, BayBO, September 2020, Art. 76 Rn. 117).
Soweit der Kläger rügt, dass die ihm entstehenden finanziellen Nachteile durch einen Abriss des gegenständlichen Unterstandes nicht ausreichend gewürdigt worden seien, lässt er unberücksichtigt, dass ein Abriss des Unterstandes nicht angeordnet wurde. Auch die infolge der Nutzungsuntersagung eintretenden finanziellen Auswirkungen für den Kläger vermögen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu begründen. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass der Kläger über Jahre ohne Beachtung des vorgeschriebenen Baugenehmigungsverfahrens tatsächlich wirtschaftliche Vorteile gezogen hat und es daher sachgerecht ist, dass das Landratsamt die Erwägungen hinsichtlich der wirtschaftlichen Betroffenheit des Klägers nicht als ausschlaggebend angesehen hat.
2. Tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegen nicht vor. Die auftretenden Fragen, insbesondere auch zur Auslegung des § 6 Abs. 2 Buchst. b Nr. 1 BayBO 1901 können anhand der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und der hierzu erfolgten Kommentierung beantwortet werden. Auf die Rechtsausführungen im Beschluss wird Bezug genommen.
3. Die Zulassungsbegründung erfüllt ferner nicht die Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung im Sinn dieser Vorschrift kommt einer Rechtssache zu, wenn eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (vgl. BVerwG, B.v. 16.11.2010 – 6 B 58.10 – juris Rn. 3; B.v. 17.12.2010 – 8 B 38.10 – juris Rn. 7 f.). Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, erläutern, weshalb die Frage klärungsbedürftig ist und darlegen, weshalb der Frage eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt. Die Zulassungsbegründung formuliert jedoch keine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage, sondern verweist nur pauschal auf die Rechtsfragen, die im Rahmen der Begründung ernstlicher Zweifel gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufgeworfen wurden.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, da sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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