Verwaltungsrecht

Örtliche Zuständigkeit für Klagen aus einem gegenwärtigen oder früheren Beamtenverhältnis

Aktenzeichen  M 5 E 19.4328

Datum:
25.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 25568
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 52 Nr. 4, § 83, § 123
BayBesG Art. 17 Abs. 1
GVG § 17a Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Dienststelle ist die den Dienstposten des Beamten einschließende kleinste organisatorisch abgrenzbare Verwaltungseinheit, der ein örtlich und sachlich bestimmtes (Teil-)Aufgabengebiet zugewiesen ist. Das kann auch die Außenstelle einer Behörde sein. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Das Verwaltungsgericht … ist zur Entscheidung des Rechtsstreits örtlich unzuständig
II. Der Rechtsstreit wird an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht … verwiesen.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Besetzung der Stelle der Vizepräsidentin / des Vizepräsidenten des Sozialgerichts … durch den Beigeladenen.
Die Antragsgegnerin schrieb in der Ausgabe des Allgemeinen Ministerialblattes vom … … 2018 die Stelle der Vizepräsidentin / des Vizepräsidenten des Sozialgerichts … (Besoldungsgruppe R 2 mit Amtszulage) aus. Mit Schreiben vom … November 2018 bewarb sich die Antragstellerin auf die genannte Stelle.
Mit Schreiben vom … August 2019 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass ihrer Bewerbung um die Stelle als Vizepräsidentin / Vizepräsident des Sozialgerichts … nicht entsprochen werde und beabsichtigt sei, die Stelle mit dem Beigeladenen zu besetzen. Hiergegen legte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin mit Schreiben vom … August 2019 Widerspruch ein, über den nach Aktenlage noch nicht entschieden ist.
Mit Schriftsatz vom 26. August 2019, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat die Antragstellerin beantragt,
im Wege der einstweiligen Anordnung dem Antragsgegner zu untersagen, die Stelle der Vizepräsidentin / des Vizepräsidenten des Sozialgerichts … (Besoldungsgruppe R 2 mit Amtszulage) mit einem Mitbewerber, insbesondere mit dem Beigeladenen, zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung der Antragstellerin bestandskräftig entschieden ist.
Mit Schriftsatz vom 30. August 2019 hat das Bayerische Staatsministerium für … … … … die Behördenakten übermittelt und für den Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Das Gericht teilte mit Schreiben vom 30. August 2019 den Beteiligten mit, dass beabsichtigt sei, den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht … zu verweisen. Sowohl die Antragstellerin als auch der Antragsgegner haben sich hierzu geäußert.
Der ausgewählte Beamte wurde mit Beschluss vom 2. September 2019 zum Verfahren beigeladen.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 18. September 2019 wurde dem Beigeladenen mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht … zu verweisen. Der Beigeladene hat sich hierzu geäußert.
Mit Schriftsatz vom 19. September 2019, eingegangen bei Gericht am 23. September 2019, hat der Beigeladene beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Das Verwaltungsgericht München ist zur Entscheidung des Rechtsstreits örtlich nicht zuständig, da sich der nach § 52 Nr. 4 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) maßgebliche dienstliche Wohnsitz der Antragstellerin im maßgeblichen Zeitpunkt der Einlegung des Antrags (Kraft in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 52 Rn. 7) im Regierungsbezirk Unterfranken und damit im Zuständigkeitsbereich des Verwaltungsgerichts … (Art. 1 Abs. 2 Nr. 5 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung – AGVwGO) befindet.
Gemäß § 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO ist für alle Klagen aus einem gegenwärtigen oder früheren Beamtenverhältnis das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Kläger oder Beklagte seinen dienstliche Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Wohnsitz hat. Der von daher vorrangig in den Blick zu nehmende dienstliche Wohnsitz eines Beamten ist gemäß Art. 17 Abs. 1 des Bayerischen Besoldungsgesetzes (BayBesG) der Ort, an dem die ständige Dienststelle des Klägers ihren Sitz hat. Dienststelle im Sinne dieser Regelung ist die den Dienstposten des Beamten einschließende kleinste organisatorisch abgrenzbare Verwaltungseinheit, der ein örtlich und sachlich bestimmtes (Teil-)Aufgabengebiet zugewiesen ist (OVG Koblenz NVwZ-RR 1999, 592). Das kann auch die Außenstelle einer Behörde sein (Kraft in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 52 Rn. 32). Im vorliegenden Fall ist die Dienststelle der Antragstellerin somit die Zweigstelle des Bayerischen Landessozialgerichts in …, da die Antragstellerin dort ihren Dienst verrichtet. Soweit die Antragsgegnerpartei darauf hinweist, dass das Verwaltungsgericht … in seiner Entscheidung vom 10. April 2019 (Az.: W 1 E 19.345) die Ansicht vertrete, dass die Zweigstelle … keine Dienststelle im Sinne des § 52 Nr. 4 VwGO darstelle, wurde dies zur Kenntnis genommen. Das Verwaltungsgericht München ist jedoch der Auffassung, dass mit Blick auf den Gesetzeswortlaut eine weite Auslegung des Begriffs „dienstlicher Wohnsitz“ anzunehmen ist (Kathke in: Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Juni 2019, § 15 BBesG, Rn. 9).
Dafür spricht im Übrigen auch die mit § 52 Nr. 4 VwGO verfolgte Intention des Gesetzgebers, wonach der Kläger seine Klage bei einem Gericht anbringen können soll, das für ihn leicht erreichbar ist. Maßgebend war auch an dieser Stelle und in den anderen Fällen örtlicher Zuständigkeit der Grundsatz, dass Zusammenballungen vieler Klagen bei einzelnen Gerichten am Sitz der Bundes- und Landeszentralbehörden unerwünscht sind (BT-Drucks. 3/1094 S. 6, Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses zum damaligen § 53 VwGO). Leichter zu erreichen ist für die Antragstellerin das Verwaltungsgericht …, in dessen Bezirk sie ihren regulären dienstlichen Wohnsitz hat.
Der Rechtsstreit ist daher nach Anhörung der Parteien an das zuständige Verwaltungsgericht … zu verweisen, § 83 Satz 1 VwGO, § 17a Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 83 Satz 2 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben