Verwaltungsrecht

Offensichtlich unbegründeter Asylantrag einer nigerianischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  M 21 K 16.35184

Datum:
11.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 14a Abs. 2, § 30, § 77 Abs. 2
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1 Abschiebungsschutz kann ein Ausländer in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat aufgrund der dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und der damit zusammenhängenden Versorgungslage mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Die allgemein harten Lebensbedingungen in Nigeria stellen indes für sich genommen keine lebensbedrohliche Situation und Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG dar. (Rn. 14) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Ist eine Asylbewerberin mit dem Vater ihres in Deutschland geborenen Kindes nur traditionell verheiratet, gelten die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Rahmen der asylrechtlichen Verfolgungsprognose entwickelten Grundsätze entsprechend, wonach regelmäßig von einer gemeinschaftlichen Rückkehr des Asylsuchenden mit seinen Familienangehörigen in seinen Heimatstaat auszugehen ist, wenn er auch im Bundesgebiet mit seiner Familie zusammenlebt. Dieser Annahme steht eine etwaige fehlende Rückkehrbereitschaft der bzw. des Familienangehörigen nicht entgegen, solange die Schutzgemeinschaft der Familie im Bundesgebiet besteht (vgl. BVerwG BeckRS 1999, 30073834). (Rn. 16) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Die Klage, über die das Gericht trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 11. September 2017 verhandeln und entscheiden konnte, weil die Beklagte rechtzeitig und unter Hinweis auf § 102 Abs. 2 VwGO geladen worden ist, ist zulässig, aber unbegründet.
Das Gericht folgt dabei der Begründung des angefochtenen Bescheides und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
Auch im Rahmen der informatorischen Anhörung der Klägerin zu 1) ist es dieser nicht gelungen, einen asylrechtlich erheblichen Sachverhalt vorzubringen, zumal sich das Gericht selbst davon überzeugen konnte, dass die im Klageverfahren vorgebrachte Behauptung, die Klägerin zu 1) spreche nur ein paar Brocken Englisch und daher ihre Äußerungen im Rahmen der Anhörung auf sprachlichen Missverständnissen beruht habe, offensichtlich der Unwahrheit entspricht.
Dass die Klägerin zu 1) ihr Heimatland aus wirtschaftlichen Gründen und wegen familiärer Unstimmigkeiten verlassen ist, ist auch nach Durchführung der mündlichen Verhandlung offensichtlich. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss der erkennenden Kammer vom 23. März 2017 sowie auf den Gerichtsbescheid vom 10. Juli 2017 verwiesen.
Es besteht entgegen der Auffassung der Kläger auch kein greifbarer Anhaltspunkt für die Annahme eines Abschiebungsverbots. Die Tatsache, dass die Lebensbedingungen in Nigeria allgemein hart sind, stellt für sich gesehen keine lebensbedrohliche Situation und Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dar. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann ein Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Die Abschiebung wäre nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung allenfalls auszusetzen, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – NVwZ 2002, 101), also im Falle einer schlechten Lebensmittelversorgung, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (BVerwG, a.a.O.).
Das ist im Falle der Klägerin zu 1) nicht anzunehmen, denn diese hat zum einen in ihrem Heimatland eine Ausbildung zur Friseurin absolviert und bis zu ihrer Ausreise in diesem Beruf gearbeitet. Zum anderen hat sie noch zahlreiche Familienangehörige in Nigeria, mit deren Unterstützung sie bei einer Rückkehr rechnen kann. Dabei schenkt das Gericht der Aussage der Klägerin zu 1), ihr Vater werde sie bei einer Rückkehr töten, da sie ihm nicht von der geplanten Ausreise berichtet habe, keinen Glauben, da die Klägerin noch bei ihrer Anhörung durch das Bundesamt erklärt hat, sie wolle ihre Eltern finanziell unterstützen, diese würden sich bei ihrer Rückkehr nach Nigeria aber freuen.
Zudem lebt die Klägerin zu 1) mit dem Kindsvater des Klägers zu 2), mit dem sie traditionell verheiratet ist, zusammen. Der Vater des Klägers zu 2) ist ebenfalls nigerianischer Staatsangehöriger und im Asylverfahren. Es ist davon auszugehen, dass er seine Familie bei der Sicherstellung des Lebensunterhaltes unterstützt. Auch wenn Klägerin zu 1) nicht mit dem Kindesvater verheiratet ist, gelten insoweit die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Rahmen der asylrechtlichen Verfolgungsprognose entwickelten Grundsätze entsprechend, wonach regelmäßig von einer gemeinschaftlichen Rückkehr des Asylsuchenden mit seinen Familienangehörigen auszugehen ist, falls er auch im Bundesgebiet mit ihnen als Familie zusammenlebt. Auch eine etwaige fehlende Rückkehrbereitschaft der bzw. des Familienangehörigen steht grundsätzlich nicht entgegen, solange die Schutzgemeinschaft der Familie im Bundesgebiet besteht (vgl. BVerwG, U. v. 21.9.1999 – 9 C 12/99 -, InfAuslR 2000 S. 93). Dies vorliegend der Fall.
Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieses Urteil ist unanfechtbar.


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