Verwaltungsrecht

Offensichtlich unbegründeter Asylantrag eines nigerianischen Asylbewerbers

Aktenzeichen  M 28 K 17.37089

Datum:
20.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 158752
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 13 Abs. 2, § 30
AufenthG § 60 Abs. 5, § 60 Abs. 7
GG Art. 16a

 

Leitsatz

1. Nach § 30 Abs. 2 AsylG ist ein Asylantrag insbesondere dann offensichtlich unbegründet, wenn nach den Umständen des Einzelfalls offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält. Bei der Berufung auf eine Individualverfolgung kann das Offensichtlichkeitsurteil dann gerechtfertigt sein, wenn die im Einzelfall behauptete Gefährdung offensichtlich nicht asylrelevant ist, den erforderlichen Grad der Verfolgungsintensität zweifelsfrei nicht erreicht oder sich das Vorbringen des Asylbewerbers insgesamt als eindeutig unglaubhaft erweist. (Rn. 25) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Auch unter Berücksichtigung der zweifellos schwierigen wirtschaftlichen, sozialen und humanitären Bedingungen, die für den Großteil der Bevölkerung bestehen, ist die Befürchtung nicht gerechtfertigt, ein nigerianischer Asylbewerber, der über eine Ausbildung als Friseur verfügt, könne sich im Falle einer Rückkehr nach Nigeria keine zumindest auf niedrigem Niveau existenzsichernde Lebensgrundlage schaffen und wäre deshalb im Falle der Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt (vgl. VG Augsburg BeckRS 2017, 111437).Insoweit erweis es sich als ausreichend, dass es dem Asylbewerber gelingt, sich mit Gelegenheitsarbeiten “durchzuschlagen” (VG Minden BeckRS 2017, 108154). (Rn. 29) (red. LS Clemens Kurzidem)
3. Die Trennung einer Familie stellt ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis dar, das nicht durch das Bundesamt im Rahmen des Asylverfahrens, sondern allein durch die Ausländerbehörde vor der Abschiebung zu prüfen ist (VG München BeckRS 2017, 117918). (Rn. 31) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen, gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unbegründet.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entschieden werden (§ 102 Abs. 2 VwGO). Eine ordnungsgemäße Ladung der Beteiligten zum Termin hat stattgefunden.
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft oder den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen oder zu seinen Gunsten das Vorliegen der Voraussetzungen nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Auch hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung (Ziffer 5. des Bescheids) sowie der Befristungsentscheidung (Ziffer 6. des Bescheids) bestehen keine Zweifel.
1. Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die Ausführungen im Bescheid des Bundesamts vom 3. April 2017 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG) sowie auf die den Parteien bekannten Entscheidungsgründe des Eilverfahrens Az. M 28 S 17.37091.
Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen:
2. Die Klage war gemessen am Maßstab des § 30 AsylG in der Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzuweisen. Letzteres setzt voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage dem Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt. Da dem Asylgesetz ein einheitlicher Begriff der offensichtlichen Unbegründetheit zu Grunde liegt, ist die Bestimmung des § 30 AsylG grundsätzlich auch für das gerichtliche Verfahren als Maßstab heranzuziehen. Gemäß § 30 Abs. 2 AsylG ist ein Asylantrag insbesondere dann offensichtlich unbegründet, wenn nach den Umständen des Einzelfalls offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält. Bei der Berufung auf eine Individualverfolgung kann das Offensichtlichkeitsurteil unter anderem dann gerechtfertigt sein, wenn die im Einzelfall behauptete Gefährdung offensichtlich nicht asylrelevant ist, den erforderlichen Grad der Verfolgungsintensität zweifelsfrei nicht erreicht oder sich das Vorbringen des Asylbewerbers insgesamt als eindeutig unglaubhaft erweist (vgl. VG München Urt. V. 16.08.2017 – Az.: M 28 K 16.35808, n.v.).
Aus der Anhörung des Klägers vor dem Bundesamt ergibt sich, dass der Kläger sein Heimatland aus wirtschaftlichen Gründen verlassen hat (§ 30 Abs. 2 AsylG), die Klage wurde daher in Bezug auf den Asylantrag (§ 13 Abs. 2 AsylG) des Klägers als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
Eine Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter nach Art. 16 a Abs. 1 Grundgesetz (GG) scheitert zudem schon an der von ihm angegebenen Einreise durch Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG), hier Österreich und Italien.
3. Es bestehen auch keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote (§ 60 Abs. 5 und Absatz 7 Satz 1 AufenthG). Dies gilt auch unter dem Gesichtspunkt der Existenzsicherung:
Der Kläger ist ausgebildeter Friseur und hat in seinem Heimatland bereits in diesem Beruf gearbeitet. Es ist davon auszugehen, dass er auch in Zukunft sein, wenn auch geringes Auskommen, mit dieser Tätigkeit bestreiten kann. Auch unter Berücksichtigung der zweifellos schwierigen wirtschaftlichen, sozialen und humanitären Bedingungen, die für den Großteil der Bevölkerung bestehen, ist vorliegend die Befürchtung nicht gerechtfertigt, der Kläger könne sich im Fall der Rückkehr nach Nigeria keine zumindest auf niedrigem Niveau existenzsichernde Lebensgrundlage schaffen und wäre deshalb, wie es für die Annahme eines Abschiebungsverbotes erforderlich wäre, im Falle der Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt (VG Augsburg, U.v. 23.3.2017 – Au 7 K 16.30983 – juris Rn. 48;). Ausreichend ist in Bezug auf die wirtschaftliche Situation des Klägers, dass es ihm voraussichtlich gelingen wird, sich mit Gelegenheitsarbeiten „durchzuschlagen“ (vgl. hierzu VG Minden, U.v. 14.3.2017 – 10 K 2413/16.A -juris sowie VG Würzburg, U.v. 12.8.2016 – W 1 K 16.30842 – juris). Nur als ergänzende Erwägung kommt hinzu, dass der Kläger im Falle einer freiwilligen Rückkehr nach Nigeria finanzielle Unterstützung aus den Programmen REAG bzw. GARP erhalten kann, die es ihm erleichtern würden, eine Übergangszeit bis zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu überbrücken (vgl. hierzu VG Minden, U.v. 14.3.2017 – 10 K 2413/16.A – juris).
Der Kläger hat auch keine Krankheiten oder sonstige individuelle, gefahrerhöhende Umstände vorgetragen, welche im Rahmen des § 60 Abs. 7 AufenthG zu berücksichtigen wären.
4. Die nunmehr vorliegende Vaterschaftsanerkennung in Bezug auf ein Kind, für das das Bundesamt ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG festgestellt hat, spielt bezüglich einer möglichen Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter, Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigter keine Rolle. Das gleiche gilt für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach §§ 60 Abs. 5 und 7 AufenthG; diese Normen statuieren einen sogenannten zielstaatsbezogenen Abschiebungsschutz. Die Trennung der Familie stellt ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis dar, das nicht durch das Bundesamt im Rahmen des Asylverfahrens, sondern allein durch die Ausländerbehörde vor der Abschiebung zu prüfen ist (VG München B.v. 12.7.2017 – M 21 S 17.32934 – juris). Ausweislich der Bundesamtsakten wurden die Abschiebungsverbote bzgl. Mutter und Kind ausdrücklich auf deren besondere persönliche Lage als (alleinerziehende) Frau und Mutter sowie als Kleinkind gestützt und sind nicht auf den Kläger übertragbar. Darüber hinaus wäre das Gericht auch nicht an die Feststellungen des Bundesamtes gebunden.
Nach alldem war die gemäß § 83 b AsylG gerichtskostenfreie Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieses Urteil ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 1 Satz 2 AsylG).


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