Verwaltungsrecht

Offensichtlich unbegründetes Asylbegehren eines Senegalesen

Aktenzeichen  M 4 S 17.36156

Datum:
24.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 3e, § 4, § 29a
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
GG GG Art. 16a

 

Leitsatz

1 Der Senegal ist ein sicherer Herkunftsstaat. Tatsachen oder Beweismittel, die eine von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat abweichende Bewertung rechtfertigen, wurden nicht vorgetragen. Es besteht eine inländische Fluchtalternative. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die allgemein harten Lebensbedingungen im Senegal begründen kein Abschiebungsverbot. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), mit dem sein Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgewiesen wurde.
Der Antragsteller, der von sich behauptet, ein am … August 1993 geborener senegalesischer Staatsangehöriger zu sein, ohne dies allerdings durch Vorlage von Legitimationspapieren nachzuweisen, stellte am 20. März 2014 in Deutschland Asylantrag. Bei Sprachkenntnissen wird Wolof und Französisch angegeben. Bereits am … März 2014 gab er an, er sei im Oktober 2012 über die Sahara-Route, Spanien, Frankreich und die Schweiz nach Deutschland eingereist. Als Schulbildung gibt er die Koranschule an, als Beruf Straßenhändler. In der Schweiz habe er einen Asylantrag gestellt. Im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), die erst am … Oktober 2016 stattfand, führte er aus, er sei etwa ein Jahr in der Schweiz geblieben und habe dort anfänglich 400 Schweizer Franken, später 300 Schweizer Franken erhalten. Er sei 6 Jahre in die Koranschule gegangen und habe keinen Beruf erlernt, sondern als Schreiner und Koch gearbeitet.
Als Grund für seinen Asylantrag gab er an, er habe als Mitglied einer Fußballmannschaft mit der anderen Mannschaft eine Schlägerei gehabt, bei der einer der gegnerischen Spieler sehr schwer verletzt und später gestorben sei. Die gegnerische Mannschaft habe ihn daraufhin beschuldigt, diesen Mann mit einem scharfen Gegenstand erstochen zu haben. Die Polizei habe nach ihm gesucht. Die Schweiz habe er deshalb verlassen, weil sein Asylantrag negativ ausgegangen sei. Er sei zwar wegen einer alten Verletzung operiert worden, aber das sei nicht gut verlaufen, und sie hätten ihn nicht noch mal operieren wollen. Außerdem sei sein Taschengeld gestrichen worden. Gemäß Vermerk des Bundesamtes vom *. November 2016 wurde kein Dublin-Verfahren eingeleitet, da die entsprechende Frist bereits abgelaufen gewesen sei.
Ausweislich eines Attestes des … vom … Oktober 2016 wurde beim Antragsteller ein Distorsionstrauma des linken Kniegelenkes zuerst in der Schweiz und dann in München nochmals operativ versorgt. Es handle sich um ein schwer beschädigtes Knie. Im Juli 2016 sei beim Antragsteller eine Umstellungsosteotomie und ein Ersatz des vorderen Kreuzbandes durchgeführt worden. Er befinde sich in einer ausgiebigen Rehabilitationsmaßnahme, es sei ein dringlich weiterführender Muskelaufbau erforderlich, um das Knie zu stabilisieren. Zudem sei im Verlauf des nächsten Jahres eine weitere Operation zur Entfernung des Osteosynthesematerials vorgesehen. Aus Sicht des behandelnden Arztes handelt es sich bei dem Antragsteller um einen sehr motivierten Patienten, der sowohl motiviert ist die Belastbarkeit des linken Beines herzustellen als auch der Integration zuzuführen wäre und eine berufliche Ausbildung wünscht.
Mit Bescheid vom 24. März 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab (1. und 2.). Auch der Antrag auf subsidiären Schutz wurde als offensichtlich unbegründet abgelehnt (3.). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz -AufenthG- lägen nicht vor (4.). Der Antragsteller werde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er in den Senegal abgeschoben. Er könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe und der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (5.). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (6.).
Der Bescheid wurde laut Aktenvermerk als Einschreiben am 27. März 2017 zur Post gegeben.
Mit Schriftsatz vom 30. März 2017, am nächsten Tag beim Verwaltungsgericht München eingegangen, erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid (Az.: M 4 K 17.36155) und beantragte nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtssowie die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung ist zulässig (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylG; § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 3 AsylG), jedoch unbegründet.
Die Ablehnung des Asylbegehrens sowie der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als jeweils offensichtlich unbegründet und die Ablehnung des subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet unterliegen keinen durchgreifenden Bedenken. Auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten ist nicht erkennbar, so dass eine Aussetzung der Abschiebung im Ergebnis nicht geboten ist.
1. Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG i.V.m. § 30 Abs. 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen, in denen der Asylantrag und der Antrag auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Diese ernstlichen Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (grundlegend zur Ablehnung des Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ und zum Umfang der gerichtlichen Prüfung: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/189 ff. – juris Rn. 86 ff.). Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Ein-schätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufenthG entsprechenden § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, mit einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung. Das Gericht folgt zunächst den Ausführungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung von Entscheidungsgründen ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt:
a) Im Antragsvorbringen ist zur Frage der Ablehnung des Asylbegehrens des Antragstellers nichts vorgetragen, was eine Abweichung von der gesetzlichen Wertung in Art. 16a Abs. 3 GG, § 29a Abs. 1 AsylG begründen könnte. Der Senegal ist in der Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG als sogenannter sicherer Herkunftsstaat gelistet. Vom Antragsteller sind keine Tatsachen oder Beweismittel angegeben, die eine von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat abweichende Bewertung rechtfertigen (vgl. § 29a Abs. 1 AsylG). Der Asylantrag war somit nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Die gleiche Beurteilung gilt für die Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet. Der Vortrag des Antragstellers enthält keinerlei Anknüpfungspunkt für das Vorliegen eines im Sinne der §§ 3 ff. AsylG relevanten Verfolgungsschicksals. Dies gilt auch für das Vorliegen der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes im Sinne der §§ 4 ff. AsylG. Jedenfalls ist der Antragsteller auf einen Umzug innerhalb des Senegals zu verweisen (vgl. §§ 3e, 4 Abs. 3 AsylG).
b) Die Ablehnung mit der Folge des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung erfasst auch die Verneinung des Vorliegens von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch zum Vorliegen von Abschiebungsverboten hat der Antragsteller bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nichts vorgetragen, was ein Abweichen von der Bewertung im angegriffenen Bescheid rechtfertigt.
Die allgemein harten Lebensbedingungen im Senegal eröffnen keine Berufung auf den Schutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zwar ist nach der Auskunftslage (Bericht des Auswärtigen Amtes vom 14.10.2016, dort zu Ziffer IV.1 – S. 15) davon auszugehen, dass die Versorgungslage im Senegal schlecht ist. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen kann der zurückkehrende Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aber nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei seiner Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, d.h. gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 – 1 C 5/01 – BVerwGE 115, 1 m.w.N.; BVerwG, U. v. 29.9.2011 – 10 C 24/10 – NVwZ 2012, 451 Rn. 20). Auch ist in § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG zudem mittlerweile ausdrücklich geregelt, dass nicht erforderlich ist, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik gleichwertig sein muss.
Das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage bei Rückkehr kann beim Antragsteller nicht angenommen werden. Auch die vorgetragene Vorschädigung seines linken Knies führt nicht zu der Annahme, er sei in seinem Heimatland ernsthaft an Leib und Leben gefährdet. Der Antragsteller hat in der Schweiz als auch in Deutschland eine medizinische Versorgung erhalten. Im Übrigen weist das Gericht darauf hin, dass das vorgelegte ärztliche Attest den Eindruck erweckt, von sachfremden Erwägungen motiviert zu sein. Es ist nicht Aufgabe der behandelnden Ärzte, bei einem Patienten Integrations- und Ausbildungswünsche und -bedarf festzustellen. An der medizinischen Einschätzung ändert dies freilich nichts. Der Antragsteller ist darauf zu verweisen, ärztliche Behandlung, falls nötig, in seinem Heimatland in Anspruch zu nehmen.
c) Damit ist die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59
AufenthG erlassenen Abschiebungsandrohung insgesamt nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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