Verwaltungsrecht

Pakistanischer Staatsangehöriger, Ausreisepflicht nach erfolglosem Asylverfahren mit seiner Ehefrau, Beschlagnahme und Auswertung seines Mobiltelefons, Erledigung der Herausgabeverpflichtung durch Rückgabe des Mobiltelefons, Fortsetzungsfeststellungsklage

Aktenzeichen  Au 6 K 21.2174

Datum:
2.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 6131
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 48 Abs. 3 und Abs. 3a

 

Leitsatz

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass der Bescheid vom 20. Oktober 2021 rechtswidrig war.
II. Der Beklagte hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Gründe

Die Klage, über welche auf Grund des allseitigen Verzichts der Beteiligten ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig und begründet.
1. Die Klage ist wegen der Erledigung des angefochtenen Verwaltungsakts unter Umstellung des Klageantrags analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig.
a) Die Herausgabeverpflichtung in Nr. 1 und die Androhung unmittelbaren Zwangs in Nr. 3 des Bescheids sind belastende Verwaltungsakte nach Art. 35 Satz 1 BayVwVfG, für die in der Hauptsache die Anfechtungsklage statthaft war (§ 42 Abs. 1 VwGO), aber die sich durch zwanglose Übergabe des Mobiltelefons durch den Kläger und Rückgabe des Mobiltelefons durch den Beklagten erledigt haben.
Ein Verwaltungsakt erledigt sich, wenn er nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 11/15 – InfAuslR 2017, 137/139 Rn. 29). Eine Erledigung ist hier spätestens durch die Rückgabe eingetreten, denn die Herausgabeanordnung befugte den Beklagten zur Inbesitznahme des Gegenstands, auf deren Fortdauer er zwischenzeitlich verzichtet hat (vgl. zur Wirkung einer polizeilichen Sicherstellung für die Dauer der amtlichen Ingewahrsamnahme eines Gegenstands und zum Wegfall der Beschwer mit seiner Rückgabe BayVGH, U.v. 20.5.1996 – 24 B 94.12 – juris Rn. 19).
Der Kläger hat hier die Aufhebung des nur eine Herausgabeverpflichtung enthaltenden Bescheids beantragt. Der Vollzug ist durch die Rückgabe des Mobiltelefons rückgängig gemacht und die Herausgabeverpflichtung durch den Kläger erfüllt.
Auf die Auswertung der Daten und ihre Berechtigung kommt es nach dem ursprünglich auf Aufhebung und nun auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids des Beklagten gerichteten Klageantrag nicht an, der hierzu keine Regelung traf.
b) Das Feststellungsinteresse des Klägers liegt im erheblichen Grundrechtseingriff in die auch für Ausländer nach Art. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete informationelle Selbstbestimmung im Hinblick auf die im Mobiltelefon gespeicherten Daten. Auf eine Wiederholungsgefahr kommt es daher nicht an.
2. Die Klage ist begründet, da der angefochtene Bescheid rechtswidrig war und den Kläger in seinen Rechten verletzte (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
Der Kläger konnte nicht zur Herausgabe des in seinem Besitz befindlichen Mobiltelefons verpflichtet werden, da die Herausgabe und Auswertung nicht seiner Identifizierung und Passbeschaffung diente, sondern der seiner Ehefrau als einer im Verhältnis zum Beklagten dritten Person. Hierfür bietet § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG jedoch keine Grundlage.
a) Rechtsgrundlage für eine Anordnung der Herausgabe des Mobiltelefons als Datenträger ist § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG.
Besitzt ein Ausländer keinen gültigen Pass oder Passersatz, ist er nach § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG verpflichtet, an der Beschaffung des Identitätspapiers mitzuwirken sowie alle Urkunden, sonstigen Unterlagen und Datenträger, die für die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit und für die Feststellung und Geltendmachung einer Rückführungsmöglichkeit in einen anderen Staat von Bedeutung sein können und in deren Besitz er ist, den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden auf Verlangen vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen. Kommt der Ausländer seiner Verpflichtung nicht nach und bestehen tatsächliche Anhaltspunkte, dass er im Besitz solcher Unterlagen oder Datenträger ist, können er und die von ihm mitgeführten Sachen nach § 48 Abs. 3 Satz 2 AufenthG durchsucht werden. Der Ausländer hat die Maßnahme nach § 48 Abs. 3 Satz 3 AufenthG zu dulden.
Da § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG die Verpflichtung zur Herausgabe des Mobiltelefons auf jene Datenträger beschränkt, „die für die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit“ […] von Bedeutung sein können und in deren Besitz er ist, konnte hierauf keine Herausgabe und Auswertung zum Zweck der Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit seiner Ehefrau gestützt werden. Sie ist im Verhältnis zum Beklagten eine dritte Person.
In Fallkonstellationen wie der vorliegenden, in welcher zwei Personen dasselbe Mobilfunkgerät nutzen, muss die Herausgabeverpflichtung an die zu identifizierende Person ergehen, die sich mindestens im Mitbesitz des Geräts befindet. Gleichzeitig muss eine entsprechende Duldungsverpflichtung an den weiteren Mitbesitzer, hier also den Kläger, ergehen. Daran fehlte es hier.
b) Auf die Rechtmäßigkeit der Auswertung der auf dem Mobiltelefon gespeicherten Daten nach § 48 Abs. 3a Satz 1 AufenthG kommt es mangels Regelung durch den streitgegenständlichen Verwaltungsakt nicht an.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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