Verwaltungsrecht

Palästinenser sind im Libanon nicht allein aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit asylrelevanten Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt

Aktenzeichen  AN 9 K 16.31974

Datum:
10.8.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3 Abs. 1, Abs. 3 S. 1, § 4 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Das durch Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen Nr. 302/IV vom 8. Dezember 1949 errichtete Flüchtlingshilfswerk für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) zählt zu den in § 3 Abs. 3 S. 1 AsylG genannten Schutz und Beistand leistenden Organisationen und Einrichtungen (vgl. BVerwG BeckRS 2011, 53773) und dient speziell dem Schutz palästinensischer Flüchtlinge. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Palästinenser sind im Libanon nicht allein aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit asylrelevanten Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden, da die Beklagte mit gerichtlichem Schreiben vom 19. Juli 2017 ordnungsgemäß geladen und auf die Folgen des Ausbleibens hingewiesen worden war (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Bescheid der Beklagten vom 7. November 2016, Az.: …, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. In dem gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung steht ihm ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG nicht zu. Auch die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche auf die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG und auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG stehen ihm nicht zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1.1 Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Diese scheitert bereits an der Ausschlussklausel des § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylG, da der Kläger als palästinensischer Flüchtling bei der UNRWA registriert ist. Dieses durch Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen Nr. 302/IV vom 8. Dezember 1949 errichtete Flüchtlingshilfswerk für Palästina-Flüchtlinge zählt zu den in § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylG genannten Schutz und Beistand leistenden Organisationen und Einrichtungen (vgl. BVerwG, U.v. 21. 1. 1992 – 1 C 21.87 – juris, Rn. 22) und dient speziell dem Schutz palästinensischer Flüchtlinge.
Auch ungeachtet dessen kann der Kläger die Flüchtlingsanerkennung nach § 3 Abs. 1, 4 AsylG nicht verlangen. Die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling ergeben sich aus § 3 bis § 3d AsylG. Sie liegen für die Person des Klägers nicht vor, da nicht davon auszugehen ist, dass ihm bei seiner unterstellten Rückkehr in den Libanon durch einen der in § 3c AsylG genannte Verfolgungsakteure mit der von der Rechtsprechung geforderten beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 1.3.2012 – 10 C 7.11 – juris, Rn. 12) Verfolgungshandlungen drohen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen.
Das Gericht geht auf Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel nicht davon aus, dass Palästinenser im Libanon allein aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit asylrelevanten Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt sind. Eine Gruppenverfolgung wird nicht angenommen (vgl. VG Ansbach, U.v. 22.5.2017 – AN 9 K 16.31190, AN 9 K 16.31191, AN 9 K 16.31192; U.v. 26.7.2017 – AN 9 K 16.31851; U.v. 31.7.2017 – AN 9 K 16.31636 – juris).
Auch der Vortrag des Klägers bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung kann die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht rechtfertigen. Dieser erschöpfte sich in der Darstellung der allgemeinen Lage im Libanon und von Ereignissen, die nicht ihn persönlich, sondern Dritte betroffen haben. Dass er selbst Ziel von Verfolgungshandlungen sein könnte, trug er nicht vor, und dieses ist auch nicht ersichtlich.
1.2 Dem Kläger steht auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nicht zu. Für das Vorliegen der in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylG genannten Umstände hat das Gericht auf Grundlage der ihm vorliegenden Erkenntnismittel keine Anhaltspunkte. Allein die Tatsache, dass der Kläger als palästinensischer Flüchtling im Libanon einer schwierigen Situation gegenübersteht, die unter anderem durch Armut und mangelnde Aufstiegschancen geprägt ist, genügt bei weitem nicht für die Annahme einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG.
1.3 Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG verlangen. Im Hinblick auf eine hier zu prüfende Verletzung der EMRK kann im Wesentlichen keine andere Beurteilung erfolgen als bei der Beurteilung des „ernsthaften Schadens“ im Rahmen des subsidiären Schutzes (vgl. BVerwG, U.v. 13.1.2013 – 10 C 15.12). Der Kläger ist jung, gesund und arbeitsfähig. Er war im Libanon auch bereits elf Jahre lang als Maler tätig. Es ist nicht einzusehen, warum es ihm nach seiner Rückkehr nicht gelingen sollte, durch Arbeit für seinen notwendigen Lebensunterhalt zu sorgen.
1.4 Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 des angegriffenen Bescheids ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung rechtmäßig. Sie durfte vom Bundesamt nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG ausgesprochen werden, weil der Kläger nicht als Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigte anzuerkennen war, und auch keine Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen (siehe Ziffern 1.1 bis 1.3). In der mündlichen Verhandlung gab er an, er sei mittlerweile mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet. Es wurde indes nicht vorgetragen, dass ihm infolge dieses Umstandes bereits ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei, der die Abschiebungsandrohung rechtswidrig machen würde.
Im Übrigen wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Bescheids des Bundesamts Bezug genommen.
Nach alledem war die Klage vollumfänglich abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Gerichtsverfahren ist gemäß § 83 b AsylG gerichtskostenfrei.


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