Verwaltungsrecht

Pfändungs- und Überweisungsverfügung

Aktenzeichen  M 15 S 16.2591

Datum:
28.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
BayVwZVG BayVwZVG Art. 26 Abs. 5
ZPO ZPO § 802c, § 829, § 850c Abs. 1

 

Leitsatz

Zu den Voraussetzungen der Vollstreckung einer Geldforderung einer Gemeinde durch Pfändungs- und Überweisungsverfügung. (redaktioneller Leitsatz)
Die Pfändungsverfügung muss den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens nicht betragsmäßig ausweisen, dies ist Sache des Drittschuldners. Die Abgabe einer Vermögensauskunft nach § 802c ZPO hindert die Vollstreckung nicht.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung, mit der die Antragsgegnerin wegen der Überzahlung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) Arbeitseinkommen des Antragstellers aus seinem Arbeitsverhältnis mit der … gepfändet und die Einziehung der gepfändeten Forderung angeordnet hat.
Mit Schreiben vom 21. März 2012 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller gem. § 24 SGB X dazu an, dass dieser Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 30. April 2010 zu Unrecht bezogen habe. Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 27. März 2012 Widerspruch ein, den die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2012 als unzulässig verworfen hat.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 28. März 2012, dem Antragsteller am 30. März 2012 zugestellt, hob die Antragsgegnerin die Entscheidungen über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ganz bzw. teilweise auf und verlangte die Erstattung der überzahlten Beträge nach § 50 SGB X in Höhe von 2.480,58 €. Der Antragsteller legte hiergegen keinen Rechtsbehelf ein. Mit Schreiben vom 19. Juni 2013 mahnte die Antragsgegnerin die rückständige Forderung an. Auch hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein. Die Antragsgegnerin wies darauf hin, dass dieser unzulässig sei. Am 6. August 2013 erstellte die Antragsgegnerin ein Ausstandsverzeichnis mit einem Gesamtbetrag der offenen Forderung gegen den Antragsteller in Höhe von 2.492,58 €, das für vollstreckbar erklärt worden ist.
Die Antragsgegnerin erließ am 25. April 2016 für öffentlich-rechtliche Forderungen in Höhe von mittlerweile insgesamt 2.553,71 € eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung an die derzeitige Arbeitgeberin des Antragstellers, … (Drittschuldnerin) betreffend die Forderung des Antragstellers gegen seine Arbeitgeberin auf Zahlung von Arbeitseinkommen. Diese Verfügung wurde der Drittschuldnerin am 27. April 2016 zugestellt und dem Antragsteller mit Schreiben vom 17. Mai 2016 zur Kenntnis übersandt. Die Pfändung erstreckt sich ausweislich der Verfügung nur auf die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, soweit diese der Pfändung unterworfen sind, §§ 850 ff. ZPO.
Mit am 8. Juni 2016 bei Gericht eingegangenem Schreiben erhob der Antragsteller Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München. Gleichzeitig stellte er den Antrag auf
Gleichzeitig beantragte er die
„einstweilige Anordnung der Einstellung der Pfändungen und Forderungen per sofort“.
Zur Begründung führte er aus, dass die der Pfändungsmaßnahme zugrunde liegenden behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen völlig wertlos und damit nicht vollstreckbar seien, da sie allesamt nicht unterschrieben seien. Er habe eine „eidesstattliche Versicherung“ abgegeben. Solange diese gelte, nämlich drei Jahre, dürfe auch nicht gepfändet werden. Das Jobcenter … habe ihn um 2.145,- €, das Jobcenter … um 2.809,- € betrogen. Er schulde dem Jobcenter nichts.
Die Antragsgegnerin beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führte sie aus, dass sie als Stadt grundsätzlich berechtigt sei, bei ihm eine Geldforderung zu pfänden und einzuziehen, Art. 26 Abs. 5 BayVwVZG. Die Vollstreckungsvoraussetzungen lägen vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Rechtsstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO entsprechend).
II.
Der Verwaltungsrechtsweg ist nach Art. 26 Abs. 7 Satz 3 BayVwZVG eröffnet.
Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig. Das Begehren des Antragstellers in der Hauptsache ist nach seinem erkennbaren Rechtschutzziel gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass dieser die Aufhebung der Pfändungs- und Überweisungsverfügung der Antragsgegnerin vom 25. April 2016 erreichen will. Bei der Pfändungs- und Überweisungsverfügung handelt es sich um eine Maßnahme der Vollstreckung mit Verwaltungsaktsqualität, die dem Drittschuldner und dem Vollstreckungsschuldner gegenüber – unterschiedliche – Rechtswirkungen entfaltet und deshalb auch von letzterem mit der Anfechtungsklage angegriffen werden kann. Da diese gemäß Art. 21a Satz 1 BayVwZVG keine aufschiebende Wirkung hat, beurteilt sich der einstweilige Rechtsschutz grundsätzlich nach § 80 Abs. 5 VwGO und nicht nach § 123 VwGO (BayVGH, B. . 4.4.2013 – 6 CS 13.136 – juris).
Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hat in der Sache keinen Erfolg. Streitgegenstand ist die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 25. April 2016. Grundsätzlich hat eine Anfechtungsklage gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung. Diese entfällt hier nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. Art. 21a Satz 1 BayVwZVG. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO anordnen. Hierbei nimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache eine eigenständige Abwägung darüber vor, welche Interessen höher zu bewerten sind: Die, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts, oder die, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache ein wesentliches, aber nicht das alleinige Indiz für oder gegen den gestellten Antrag (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 80 Rn. 68 ff.
Nach der im Verfahren der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist davon auszugehen, dass die Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 25. April 2016 rechtmäßig ist und der Antragsteller dadurch nicht in seinen Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die in der Hauptsache erhobene Klage wird daher aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben. Bei Abwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Pfändungsverfügung anzuordnen, und dem öffentlichen Interesse an deren sofortiger Vollziehung überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse.
Die Antragsgegnerin als Stadt ist grundsätzlich berechtigt, eine Geldforderung bei dem Antragsteller zu pfänden und einzuziehen, Art. 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 BayVwZVG. Die Pfändung einer Geldforderung ist nach Art. 26 Abs. 7 Satz 1 BayVwZVG i. V. m. §§ 829, 835 ZPO mittels eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zulässig. Es liegen hier auch die allgemeinen und besonderen Voraussetzungen der Vollstreckung nach Art. 19 ff. und Art. 23 ff. BayVwZVG vor. Der der Vollstreckung zugrundeliegende Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 28. März 2012 ist bestandskräftig (Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 BayVwZVG). Der Antragsteller hat nur Widerspruch gegen die dem Bescheid vorhergehende Anhörung und gegen die darauf folgende Mahnung eingelegt, nicht jedoch gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 28. März 2012 selbst. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, mit dem eine öffentlich-rechtliche Geldleistung gefordert wird, ist dem Antragsteller am 30. März 2012 zugestellt worden (Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 BayVwZVG), die Forderung ist fällig (Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 BayVwZVG) und der Antragsteller ist von der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 19. Juni 2013 aufgefordert worden, innerhalb von 14 Tagen die rückständigen Forderungen zu überweisen (Mahnung gem. Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 BayVwZVG). Die Antragsgegnerin hat zudem nach Art. 24 BayVwZVG ein Ausstandsverzeichnis erstellt, das für sofort vollstreckbar erklärt worden ist.
Mit seiner Annahme, dass innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802 c ZPO eine Vollstreckung nicht rechtmäßigerweise durchgeführt werden dürfe, geht der Kläger fehl. Zweck der Regelung des § 802 c ZPO ist die Statuierung einer Auskunftspflicht des Schuldners über seine Vermögensverhältnisse zur Information des Gläubigers bereits zu Beginn des Vollstreckungsverfahrens. Der Gläubiger soll Kenntnis davon erlangen, welche Vermögensstücke möglicherweise seinem Zugriff im Wege der Zwangsvollstreckung unterliegen (Stöber/Zöller, 30. Aufl., 2014, ZPO § 802 c Rn. 1), um entsprechende Maßnahmen ergreifen zu können. § 802 c ZPO dient also der Information des Gläubigers und ist keine Schutzvorschrift zugunsten des Schuldners. Eine Fristenregelung, wie der Kläger meint, enthält diese Norm nicht. Zugunsten des Schuldners regelt § 802 d ZPO, dass innerhalb von zwei Jahren nach Abgabe einer Vermögensauskunft, der Schuldner zu einer erneuten Vermögensauskunft nur dann verpflichtet ist, wenn der Gläubiger neue Tatsachen glaubhaft macht, die auf eine Veränderung der Vermögensverhältnisse des Schuldners schließen lassen.
Auf die strafrechtliche Entscheidung vom 31. Januar 2013 und die Frage, ob diese wirksam ergangen ist bzw. ob sie rechtskräftig ist, kommt es für die Rechtmäßigkeit der hier zu prüfenden Pfändungsverfügung nicht an. Der Vollständigkeit halber weist das Gericht darauf hin, dass nach §§ 315, 317 ZPO bzw. § 117 Abs. 1 Satz 2 VwGO übersieht nur das Original des Urteils von den Richtern zu unterzeichnen ist. Der Unterzeichnung der den Verfahrensbeteiligten zugestellten Urteilsausfertigungen bzw. -abschriften bedarf es nicht (BVerwG B. .7.08.1998 – 6 B 69/98 – juris, Vollkommer/Zöller, a. a. O., ZPO § 317 Rn. 9).
Schließlich stehen der Rechtmäßigkeit der Pfändungs- und Überweisungsverfügung auch keine Pfändungsschutzvorschriften entgegen. Arbeitseinkommen ist grundsätzlich gemäß § 829 ZPO als Geldforderung pfändbar. Zum Schutz des Schuldners regeln §§ 850 ff. ZPO die Modalitäten einer Pfändung von Arbeitseinkommen. Danach ist ein bestimmter Grundbetrag unpfändbar und steht damit dem Antragsteller zur freien Verfügung. Die Pfändungsverfügung selbst muss die pfändbaren Einkommensteile nicht betragsmäßig bezeichnen. Die betragsmäßige Feststellung des gepfändeten Arbeitseinkommens hat der Drittschuldner vorzunehmen (Stöber/Zöller, a. a. O., ZPO § 850 c Rn. 9).
Die Antragsgegnerin hat auf die Pfändungsschutzvorschriften bereits in ihrer Verfügung Bezug genommen. Denn die Pfändung erstreckt sich nach deren Wortlaut nur insoweit auf die Forderung des Antragstellers gegen seine Arbeitgeberin, als sie gemäß §§ 850, 850 a – l ZPO der Pfändung unterworfen ist.
Damit ist die Pfändungs- und Überweisungsverfügung der Antragsgegnerin vom 25. April 2016 aller Voraussicht nach rechtmäßig. Wird aber die Klage des Antragstellers in der Hauptsache voraussichtlich erfolglos bleiben, so ist dies ein ganz wesentliches Indiz für die Aufrechterhaltung des kraft Gesetzes angeordneten Sofortvollzugs, Art. 21a BayVwZVG. Der Antragsteller hat regelmäßig kein schutzwürdiges Interesse daran, von der Vollziehung eines voraussichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakts verschont zu bleiben.
Aus alledem ergibt sich, dass der Antrag abzulehnen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten fallen gem. § 188 Satz 2 VwGO in diesem Verfahren nicht an, da die Vollstreckung einer Forderung nach dem SGB II als Annex zur gerichtskostenfreien Hauptforderung anzusehen ist.


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