Aktenzeichen M 5 E 17.501
Leitsatz
1 Bei der Anordnung gegenüber einem Beamten, sich zur Gesunderhaltung einer stationären Behandlung in einer psychotherapeutischen oder psychosomatischen Klinik zu unterziehen, handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es stellt keinen unzulässigen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG dar, wenn der Dienstherr den Beamten zur Durchführung einer längeren stationären Behandlung verpflichtet, falls eine ambulante Behandlung als nicht ausreichend angesehen wird. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3 Für die Klärung der Kostenübernahme ist es ausreichend, wenn der Dienstherr auf die geltende Rechtslage für die Kostentragung einer solchen Maßnahme hinweist. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
4 Bis zur Klärung des Umfangs der Versicherungsleistungen hat der Beamte angesichts des hohen Ranges der Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit hierfür zunächst sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der am … geborene Antragsteller steht als … in Diensten des Antragsgegners.
Der Beamte war seit 2014 mehrmals über längere Zeit dienstunfähig erkrankt und wurde wiederholt polizeiärztlich hinsichtlich seiner Polizeidienstfähigkeit wie auch seiner allgemeinen Dienstfähigkeit untersucht. Mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 27. Juli 2016 wurde durch das Polizeipräsidium die Polizeidienstunfähigkeit des Antragstellers festgestellt. Hiergegen wurde Widerspruch erhoben, über den noch nicht entschieden ist. Aktuell ist der Antragsteller soweit ersichtlich seit … März 2016 durchgehend dienstunfähig erkrankt.
Nach einer erneuten polizeiärztlichen Untersuchung am … September 2016 kam der Ärztliche Dienst der Polizei mit Gesundheitszeugnis vom … Oktober 2016 zu dem Er gebnis, dass sich die seit längerer Zeit bestehende psychische Gesundheitsstörung mit psychosomatisch anmutenden Beschwerden im Verlauf nicht gebessert habe. Da eine Chronifizierungstendenz bestehe, sei die Durchführung einer stationären psychosomatischen Behandlung in einer Fachklinik erforderlich.
Mit Schreiben vom 10. Oktober 2016 wurde dem Antragsteller unter Wiedergabe der wesentlichen Passagen des Gesundheitszeugnisses die Auflage erteilt, die polizei-ärztlicherseits für erforderlich gehaltene stationäre Behandlung durchzuführen und dem Präsidium spätestens innerhalb von zwei Wochen einen entsprechenden schriftlichen Nachweis der Klinik vorzulegen.
Im weiteren Verlauf erfolgte eine Korrespondenz zwischen dem Bevollmächtigten des Antragstellers und dem Polizeipräsidium. Der Antragsteller sei grundsätzlich bereit, sich einer stationären psychosomatischen Behandlung zu unterziehen. Jedoch sei die Kostentragung nicht geklärt. Das Präsidium verwies hierzu auf die einschlägigen Bestimmungen der Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht, nach denen der Dienstherr die Kosten der Maßnahme trage. Da diese jedoch um die von anderer Seite erstattungsfähigen Kosten zu mindern seien, sei zu klären, welche anderweitigen Leistungen dem Beamten zustünden. Während das Landesamt für Finanzen dem Antragsteller mit Schreiben vom 22. Dezember 2016 mitgeteilt hat, dass von dort 50% der beihilfefähigen Kosten für die stationäre Maßnahme übernommen würden, teilte die private Krankenversicherung dem versicherten Beamten am 14. Dezember 2016 mit, dass eine Kostenübernahmeerklärung nur aufgrund einer Anordnung des Dienstherrn nicht ausreichend sei. Der Antragsteller verwies darauf, dass bei ungeklärter Kostenübernahme nach den Geschäftsbedingungen der für eine Behandlung von ihm ausgewählten Klinik 100% der voraussichtlichen Unterkunftskosten als Anzahlung zu leisten sei. Das sei ihm nicht zumutbar. Nachdem der Beamte trotz mehrmaliger Aufforderung den geforderten Nachweis über die Durchführung der stationären Maßnahme nicht beigebracht hatte, wurden gegen ihn am 19. Januar 2017 disziplinarrechtliche Ermittlungen wegen der Weigerung der Befolgung der dienstlichen Anordnung vom 10. Oktober 2016 eingeleitet.
Mit Schriftsatz vom … Februar 2017, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit folgendem Inhalt beantragt,
Der Antragsteller wird vorläufig von der Verpflichtung der Durchführung einer stationären psychosomatischen Behandlung aufgrund der Anordnung des Polizeipräsidiums M. vom 10. Oktober 2016 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens über die Feststellung der Verpflichtung des Antragstellers, die Anordnung des Antragsgegners vom 10. Oktober 2016 zu befolgen, freigestellt.
Die Kostentragung sei nicht verbindlich geregelt. Insbesondere reiche der Verweis auf eine Verwaltungsvorschrift nicht aus. Dem Antragsteller sei nicht zumutbar, 100% der voraussichtlich anfallenden Unterkunftskosten als Anzahlung zu leisten. Der Dienstherr müsse eine verbindliche Kostenzusage geben.
Das Polizeipräsidium M. hat für den Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Anordnung sei rechtmäßig, Insbesondere sei dem Antragsteller zumutbar, die Maßnahme mit Blick auf die anfallenden Kosten mit der Klinik zu vereinbaren. Aus der Erklärung des Dienstherrn, die Kosten entsprechend den Verwaltungsvorschriften zum Bayerischen Beamtenrecht zu tragen, folge eine hinreichende Regelung der anfallenden Kosten.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, aber unbegründet.
1. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, das heißt ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen In-dividualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, das heißt, die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Der Antragsteller hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
2. Der Antrag nach § 123 VwGO ist zulässig, insbesondere statthaft. Bei der Anordnung gegenüber einem Beamten, sich zur Gesunderhaltung einer stationären Behandlung in einer psychotherapeutischen oder psychosomatischen Klinik zu unterziehen, handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt, da diese Anordnung keine unmittelbare Außenwirkung i.S.v. Art. 35 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) entfaltet (BayVGH, B.v. 8.1.2013 – 3 CE 11.2345 – juris Rn. 19 m.w.N.). Vielmehr entspricht es der Befugnis des Dienstherrn, gesetzlich allgemein ausgesprochene Pflichten des Beamten – wie hier die Pflicht zur Dienstleistung und die daraus folgende Pflicht zur Gesunderhaltung (§ 34 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern – Beam-tenstatusgesetz/BeamtStG) – durch dienstliche Weisung (§ 35 BeamtStG) zu konkretisieren.
3. Es fehlt an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts, dass die durch Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) verfassungsrechtlich verankerten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten des Beamten zum Inhalt haben, und dass hierzu insbesondere die grundlegende Pflicht des Beamten zählt, sich ganz für den Dienstherrn einzusetzen und diesem -grundsätzlich auf Lebenszeit – seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Nach § 34 Satz 1 BeamtStG haben sich Beamtinnen und Beamte mit vollem persönlichen Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Dies setzt gegebenenfalls auch voraus, sich zur Erhaltung oder Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit einer zumutbaren Heilbehandlung zu unterziehen (BayVGH, U.v. 14.10.2015 – 16a D 14.351 – juris Rn. 57 ff.; B.v. 8.1.2013 – 3 CE 11.2345 – juris Rn. 24 ff. m.w.N.; BVerwG, B.v. 9.5.1990 – 2 B 48/90 – ZBR 1990, 261). Wenn eine ambulante Behandlung durch den Polizeiarzt als nicht ausreichend angesehen wird, kann der Dienstherr den Beamten auch zur Durchführung einer längeren stationären Behandlung verpflichten. Das stellt keinen unzulässigen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG dar (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 8.1.2013 – 3 CE 11.2345 – juris Rn. 25 f. m.w.N.). Der Antragsteller stellt die Rechtmäßigkeit der Verpflichtung zur Durchführung einer stationären psychosomatischen Behandlung im Grundsatz nicht in Frage.
Es ist dem Antragsteller auch zumutbar, mit den vom Polizeipräsidium gegebenen Erklärungen hinsichtlich der Kosten der Maßnahme eine solche mit einer geeigneten Klinik zu vereinbaren. Insbesondere ist es ausreichend, wenn das Präsidium auf die geltende Rechtslage für die Kostentragung einer solchen Maßnahme hinweist. Die Behörde hat zutreffend auf die Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht (VV-BeamtR), Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 13. Juli 2009 (FMBl 2009, 190), zuletzt geändert am 22. Juli 2015 hingewiesen. Grundsätzlich hat nach Nr. 4.3.1 VV-BeamtR der Dienstherr die notwendigen und angemessenen Kosten einer angeordneten Rehabilitationsmaßnahme zu tragen. Die Beurteilung der Notwendigkeit und Angemessenheit erfolgt nach den beihilferechtlichen Regelungen über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen. Die erstattungsfähigen Aufwendungen sind um die dem Beamten anderweitig zustehenden Leistungen, insb. Beihilfeleistungen oder Leistungen der privaten Krankenversicherung zu mindern (Nr. 4.3.2 VV-BeamtR). Die Beihilfestelle hat die Beihilfefähigkeit der angeordneten Maßnahme mit Schreiben vom 22. Dezember 2016 mitgeteilt. Soweit die private Krankenkasse des Antragstellers bislang keine Kostenzusage abgegeben hat, muss sich der Beamte hierum bemühen. Denn das Versicherungsverhältnis zur privaten Krankenversicherung fällt in die Sphäre des Versicherten. Er hat bei der Krankenkasse die nach dortiger Ansicht noch fehlenden Unterlagen zu erfragen und dort vorzulegen. Insbesondere kann der Beamte den Dienstherrn ermächtigen, amtsärztliche Gutachten mit Diagnosen an die Krankenversicherung weiterzugeben.
Soweit die Klärung des Umfangs der Versicherungsleistungen einige Zeit benötigt, ist es dem Antragsteller auch zuzumuten, die voraussichtlichen Unterkunftskosten als Anzahlung vorab an die Klinik zu zahlen. Hierbei ist nur hinsichtlich des Teils, der auf die Krankenversicherung entfällt, in Vorleistung zu treten (vgl. Schreiben des Polizeipräsidiums München vom 3.1.2017). Es ist weder konkret vorgetragen noch ersichtlich, dass dem Antragsteller eine solche Vorleistung nicht zumutbar wäre. Angesichts des hohen Ranges der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit hat der Beamte hierfür zunächst sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen. Wie oben dargestellt, trägt der Dienstherr letztlich die Kosten der Maßnahme, sollten dem Antragsteller Ansprüche gegen seine Krankenkasse tatsächlich nicht zustehen. Es ist auch nicht vorgetragen, dass andere Maßnahmen wie Ratenzahlungen, Abtretungserklärung von Ansprüchen gegenüber der Versicherung oder dem Dienstherrn an die Klinik o.ä. vom Beamten auch nur in Betracht gezogen worden sind. Entsprechendes gilt für die Kosten, die nach den beihilferechtlichen Grundsätzen nicht erstattungsfähig sind (zur grundsätzlichen Zumutbarkeit von Selbstbehalten im Beihilferecht BVerwG, U.v. 3.7.2003 – 2 C-36/02 – BVerwGE 118, 277; BayVGH, U.v. 3.6.2008 -14 BV 06.2375 – juris Rn. 17 ff.). Zudem gilt eine Belastungsgrenze für die Eigenbeteiligung (Art. 96 Abs. 3 S. 7 des Bayerischen Beamtengesetzes/BayBeamtG).
4. Vor diesem Hintergrund kann die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes offen bleiben.
5. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) wobei im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur die Hälfte des Wertes eines Hauptsacheverfahrens festzusetzen ist.