Verwaltungsrecht

Plausibilisierung der dienstlichen Beurteilung

Aktenzeichen  M 5 K 16.2124

Datum:
29.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LIbG Art. 54

 

Leitsatz

1 Enthält eine dienstliche Beurteilung eine Begründung zur Bildung der Gesamtnote und geht auf die Art der Gewichtung ein, genügt sie der in der Rechtsprechung (BVerwG BeckRS 2016, 112150) geforderten Plausibilisierung. Eine weitergehende Plausibilisierung hinsichtlich der Einzelmerkmale kann durch Erläuterung und Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung erfolgen. (Rn. 20 und 21) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Voreingenommenheit des Beurteilers kann sich auch durch ein Verhalten nach Ende des Beurteilungsverfahrens zeigen, wenn dies Rückschlüsse den Beurteilungszeitraum zulässt (BVerwG BeckRS 1998, 30012472). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Aufhebung seiner periodischen Beurteilung vom 12. Mai 2015 für den Beurteilungszeitraum 1. November 2011 bis 31. Oktober 2014 und Erstellung einer neuen periodischen Beurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Die angefochtene Beurteilung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO analog, da eine dienstliche Beurteilung keinen Verwaltungsakt darstellt).
1. Dienstliche Beurteilungen sind ihrem Wesen nach persönlichkeitsbedingte Werturteile, die verwaltungsgerichtlich nur beschränkt überprüfbar sind (BVerwG, U.v. 13.5.1965 – IIC146.62 – BVerwGE 21, 127/129; U.v. 26.6.1980 – IIC8/78 – BVerwGE 60, 245 st. Rspr.). Nach dem erkennbaren Sinn der Regelung über die dienstliche Beurteilung soll nur der Dienstherr oder der für ihn handelnde Beurteiler ein persönliches Werturteil darüber abgeben, ob und inwiefern der Beamte den vom Dienstherrn zu bestimmenden, zahlreichen fachlichen und persönlichen Anforderungen des konkreten Amtes entspricht. Bei einem derartigen, dem Dienstherrn vorbehaltenen Akt wertender Erkenntnis steht diesem eine der gesetzlichen Regelung immanente Beurteilungsermächtigung zu. Demgegenüber hat sich die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle darauf zu beschränken, ob der Beurteiler den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, oder ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, ist vom Gericht auch zu prüfen, ob die Richtlinien eingehalten sind und ob sie den gesetzlichen Regelungen über die dienstliche Beurteilung und auch sonst mit gesetzlichen Vorschriften in Einklang stehen (BVerwG, U.v. 11.1.1999 – 2 A 6/98 – ZBR 2000, 269). Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle kann dagegen nicht dazu führen, dass das Gericht die fachliche oder persönliche Beurteilung des Beamten durch den Dienstherrn im vollen Umfang nachvollzieht oder diese gar durch eine eigene Beurteilung ersetzt (BVerwG, U.v. 26.6.1980, a.a.O.).
Zugrunde zu legen sind hierbei die Art. 54 ff. des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz – LlbG) und die Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 18.11.2010 – VV-BeamtR, FMBl. S. 264, Abschnitt 3: Dienstliche Beurteilung – allgemeine Beurteilungsrichtlinien).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die angefochtene dienstliche Beurteilung vom 12. Mai 2015 rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Die Zeugen – an deren Glaubwürdigkeit das Gericht keinen Anlass zu Zweifeln sieht – haben in der mündlichen Verhandlung das formale Vorgehen wie auch die maßgeblichen Erwägungen für die Bewertung des Klägers im Vergleich mit den Beamten derselben Besoldungsgruppe (A 12) dargestellt. Danach ist gegen die Beurteilung rechtlich nichts einzuwenden.
Es wurde geschildert, dass zunächst durch den Zeugen N. ein Entwurf für die Beurteilung des Klägers erstellt worden sei. Dieser war zwar zum Beurteilungsstichtag nicht der unmittelbare Vorgesetzte des Klägers, gleichwohl jedoch zuständig. Denn der unmittelbare Vorgesetzte befand sich in derselben Besoldungsgruppe des Klägers, sodass nach Nr. 11.5 des Abschnitts 3 der allgemeinen Beurteilungsrichtlinien die an sich vorgesehene Beteiligung der oder des unmittelbaren Vorgesetzten entfiel und stattdessen die oder der nächsthöhere Vorgesetzte zu beteiligen war, also der Zeuge N.
Anschließend habe eine Beurteilungskommission stattgefunden, in der die Entwürfe besprochen worden seien. Zwar hat der Beurteiler, der Zeuge W., hieran nicht teilgenommen, sondern sein Stellvertreter; mit diesem habe der Zeuge W. jedoch sowohl vor als auch nach dem Termin der Beurteilungskommission Gespräche über die Beurteilungen geführt und seine eigenen Vorstellungen kommuniziert sowie sich die Erkenntnisse der Beurteilungskommission in schriftlicher Form vorlegen lassen.
Dabei haben sowohl des Zeuge N. als auch der Zeuge W. mehrfach berichtet, dass auch der Beurteilungsbeitrag des Sachgebiets „Veterinärwesen“ berücksichtigt worden sei. Ein Beurteilungsbeitrag für die Tätigkeit im Sachgebiet „Wasserrecht und Bodenschutz“ war indes nicht zu erstellen. Ein solcher ist nach den Beurteilungsrichtlinien nur einzuholen, wenn der zu beurteilende Beamte während des Beurteilungszeitraums länger als sechs Monate abgeordnet war.
b) Die Angaben der Zeugen plausibilisieren das für die Beurteilung des Klägers ermittelte Gesamtprädikat von 11 Punkten.
Entgegen der Auffassung der Klagepartei fehlt es nicht schon im Hinblick auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Dezember 2016 (Az. 2 VR 1/16 – juris) an der notwendigen Plausibilisierung. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass in der dienstlichen Beurteilung selbst eine Plausibilisierung des Gesamturteils erfolgen muss und es nicht genügt, dieses nachträglich zu plausibilisieren (BVerwG, a.a.O., Rn. 41 f.). Die streitbefangene Beurteilung enthält jedoch in den Ergänzenden Bemerkungen eine Begründung zur Bildung des Gesamturteils und geht insbesondere auf die Art der Gewichtung ein (so BVerwG, a.a.O., Rn. 42). Ein darüber hinaus gehendes Plausibilisierungserfordernis kann aus der Rechtsprechung nicht abgeleitet werden. Ein solches besteht nicht generell, sondern allenfalls bei besonderen Umständen, etwa wenn sich der beurteilte Beamte im Vergleich zur Vorbeurteilung deutlich verschlechtert hat. Dies ist hier nicht zutreffend.
Eine weitergehende Plausibilisierung, auch hinsichtlich der Einzelmerkmale, hat der Kläger spätestens in der mündlichen Verhandlung erhalten. Die Zeugen haben verschiedene Beispiele genannt, die zu dem Gesamturteil und den Einzelbewertungen geführt haben. So sei der Beamte im Vergleich mit den anderen, besser bewerteten Beamten der Vergleichsgruppe nicht ebenso stark gewesen und hinter seinen Möglichkeiten zurückgeblieben.
c) Auch besteht kein Anlass, an der Unvoreingenommenheit des Beurteilers zu zweifeln.
aa) Tatsächliche Voreingenommenheit liegt vor, wenn der Beurteiler nicht willens oder nicht in der Lage ist, den Beamten sachlich und gerecht zu beurteilen. Die Feststellung einer tatsächlichen Voreingenommenheit des Beurteilers kann sich aus der Beurteilung, aber auch aus seinem Verhalten in Angelegenheiten des zu beurteilenden Beamten oder diesem gegenüber während des Beurteilungszeitraums und des Beurteilungsverfahrens ergeben. Eine Voreingenommenheit des Beurteilers kann sich im Einzelfall auch durch ein Verhalten nach Ende des Beurteilungsverfahrens und nach der förmlichen Eröffnung der dienstlichen Beurteilung zeigen, wenn sich hierdurch Rückschlüsse auf den streitgegenständlichen Zeitraum ziehen lassen (BVerwG, U.v. 23.4.1998 – 2 C-16/97 – BVerwGE 106, 318-323, juris Rn. 14). Es muss dabei jedoch offenkundig werden, dass die Voreingenommenheit bereits im Beurteilungsverfahren bestand und sich auf die Beurteilung ausgewirkt hat. Andernfalls kann naturgemäß keine Kausalität vorliegen, welche für eine Aufhebung der Beurteilung notwendig ist.
bb) Der Beurteiler hat in den mündlichen Verhandlung geäußert: „Das ist typisch, deswegen würde er von mir heute nie wieder 11 Punkte kriegen.“ Hierin ist keine Voreingenommenheit zu sehen, die sich auf die Rechtmäßigkeit der dienstlichen Beurteilung auswirken kann.
Fraglich ist bereits, ob die vorstehende Äußerung des Zeugen darauf schließen lässt, dass dieser (aktuell) tatsächlich gegenüber dem Kläger voreingenommen ist. Denn er hat seine Äußerung anschließend relativiert und dahingehend eingeschränkt, dass sie nur auf die Bewertung des Verhaltens gegenüber Vorgesetzten bezogen war. Auslöser für die Äußerung war offenbar ein Gespräch mit dem Kläger, bei dem die streitgegenständliche Beurteilung besprochen wurde und der Kläger nicht in einer Weise reagierte, wie es der Zeuge W. erwartet hätte. Diesbezüglich sprach der Zeuge W. zum einen an, dass der Kläger aus seiner Sicht während des Gesprächs nicht hinreichend nach sachlichen Begründungen, sondern vielmehr nach formalen Fehlern gesucht habe, zum anderen, dass er Teile des Gesprächs – was streitig ist – falsch wiedergegeben habe. Die Aussage des Zeugen W. in der mündlichen Verhandlung ist vor dem Hintergrund der damaligen Umstände zu sehen. Der Zeuge hat nachvollziehbar und glaubhaft geschildert, dass er zum Stichtag der Beurteilung erst kurze Zeit im Amt gewesen ist und sich für den Kläger eingesetzt habe. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, mehr als zweieinhalb Jahre nach Ende des Zeitraums der streitgegenständlichen Beurteilung, besaß der Zeuge W. nun offenbar in größerem Umfang Kenntnisse aus dem dienstlichen Umgang mit dem Kläger. Hierin scheint die getätigte Äußerung begründet zu sein und keine generelle Einstellung des Zeugen zu zeigen, den Kläger künftig aus Prinzip mit weniger als 11 Punkten beurteilen zu wollen. Dass sich der Zeuge W. für den Kläger eingesetzt habe, steht auch nicht in Widerspruch zu den Aussagen des Zeugen N. Dieser hat bekundet, dass die im Vergleich zu seinem ersten Beurteilungsentwurf bessere Beurteilung durch die Beurteilungskommission zustande gekommen sei. Denn der Zeuge W. hat dargestellt, dass er vor und nach der Sitzung der Beurteilungskommission in ständigem Austausch mit den betreffenden Personen stand und, trotz eigener Abwesenheit in dieser Sitzung, seine Auffassung auf diese Weise mit einfließen lassen konnte.
Jedenfalls zeigt die in die Gegenwart gerichtete Formulierung („würde […] heute nie wieder […]“), dass sich eine etwaige negative Einstellung allenfalls später entwickelte und gerade nicht zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Beurteilung bestand. Das betreffende Gespräch zwischen Kläger und Beurteiler fand erst nach der Beurteilungseröffnung statt. Die Äußerung legt nahe, dass der Beurteiler die damalige Bewertung künftig ggf. anders vornehmen würde, was gerade dafür spricht, dass er gegenüber dem Kläger bei der streitgegenständlichen Beurteilung neutral bzw. positiv eingestellt war und sich seine Auffassung zur Bewertung der klägerischen Leistung bis zum heutigen Tag schlicht geändert hat.
d) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Personalratstätigkeit des Klägers in unzutreffender Weise in die Beurteilung eingeflossen sein könnte. Der Beurteiler hat bekräftigt, dass er die Personalratstätigkeit inhaltlich ausgeblendet habe und von ihm zwischen Personalratstätigkeit und dienstlicher Tätigkeit strikt getrennt worden sei. Dies habe er dem Kläger auch in einem Gespräch nach der Eröffnung der Beurteilung so mitgeteilt. Soweit der Kläger behauptet, der Zeuge W. habe in diesem Gespräch etwas anderes erklärt, so ist hierfür kein Nachweis erbracht und auch nichts vorgetragen, was die Glaubhaftigkeit der Aussage zu erschüttern vermag.
Dies gilt ebenso für das Beurteilungsmerkmal „Quantität“, welches aus Sicht des Klägers mit 11 Punkten zu schlecht bewertet und bei welchem nicht berücksichtigt worden sei, dass der Kläger als Personalrat mit 14 Wochenstunden (bis 31.7.2013) bzw. 16 Wochenstunden (ab 1.8.2013) freigestellt war. Der Zeuge W. hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich klargestellt, dass die Personalratstätigkeit in quantitativer Hinsicht Berücksichtigung gefunden habe. Es ist daher davon auszugehen, dass der Beurteiler vom Kläger in zutreffender Weise die Bewältigung eines geringeren Arbeitspensums erwartet hat als von einem in Vollzeit tätigen Beamten. Die Aussage des Zeugen W. wird dadurch unterstrichen, dass in der streitgegenständlichen Beurteilung im Feld „Tätigkeitsgebiet und Aufgaben im Beurteilungszeitraum“ ein Vermerk enthalten ist, in welchen Zeiträumen und in welchem Umfang der Beamte als Bezirkspersonalrat anteilig freigestellt war. Dies stützt den Vortrag des Zeugen W., dass die Quantität fehlerfrei eingeschätzt und bewertet wurde. Denn wenn dieser Vermerk in der Beurteilung schriftlich festgehalten ist, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass der Umstand dem Beurteiler bei der Bewertung des Merkmals „Quantität“ auch tatsächlich bewusst gewesen ist und entsprechend eingewertet wurde. Von der Klägerseite wurde demgegenüber nicht überzeugend dargelegt, weshalb die Bewertung in dieser Hinsicht fehlerhaft sein soll. Allein aus der Tatsache, dass die Quantität einen Kritikpunkt des Beurteilers am Kläger dargestellt hat und dieser bemängelte, die Quantität sei etwas zu gering und daher mit 11 Punkten zu bewerten gewesen, kann nicht auf ein fehlerhaftes Vorgehen geschlossen werden. Denn die Quantität kann durchaus auch bei reduzierter Arbeitszeit hinter den Erwartungen zurückbleiben. Das rechtfertigt jedoch nicht den Schluss, dass der Beurteiler falsche Erwartungen zugrunde gelegt haben muss. Wenn der Kläger der Auffassung ist, dass sein geleistetes Arbeitspensum ausreichend hoch gewesen sei, stellt dies eine unmaßgebliche Selbsteinschätzung dar. Ausschlaggebend ist letztlich allein die Bewertung des Beurteilers, der den Beamten im Vergleich sehen und beurteilen kann. Dabei ist allerdings noch einmal darauf hinzuweisen, dass sowohl der Zeuge W. als Beurteiler als auch der Zeuge N. als Abteilungsleiter, der den Beurteilungsentwurf erstellt hat, ein Ergebnis von 11 Punkten ausdrücklich als nicht schlecht angesehen haben.
3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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