Verwaltungsrecht

Probezeitbeurteilung und Entlassung einer Lehrerin aus dem Beamtenverhältnis auf Probe wegen mangelnder Bewährung

Aktenzeichen  3 ZB 15.1567, 3 ZB 15.1568

Datum:
6.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 53238
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
VwGO § 93 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5

 

Leitsatz

1 Ernstlich Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts werden mit dem Vortrag nicht dargelegt, der zur Beurteilung berufene Schulleiter sei der unzutreffenden Klage von Kollegen über mangelnde Zusammenarbeit gefolgt, wenn die Wertung des Schulleiters in der Beurteilung nicht auf der Sicht der Kollegen beruht, sondern auf die fehlende Selbstreflexion der Klägerin abstellt.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruht nicht auf einem die Zulassung der Berufung rechtfertigenden Verfahrensfehler, wenn ein Einzelmerkmal einer Probezeitbeurteilung schlüssig infrage gestellt wird, der Beamtin aber in allen anderen Merkmalen und der Zusammenfassung der Beurteilung durchgehend schlechte Leistungen bescheinigt werden, so dass die Beurteilung insgesamt Bestand hat. (redaktioneller Leitsatz)
3 In der Ablehnung eines Beweisantrags auf Einvernahme von Kolleginnen der beurteilten Lehrerin liegt kein Verfahrensfehler, wenn es aus der maßgeblichen Sicht des Verwaltungsgerichts auf die Einschätzung des zur Beurteilung berufenen Schulleiters ankommt und der Beweisantrag damit unerheblich ist. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 K 14.1598 2015-06-09 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Die Verfahren 3 ZB 15.1567 und 3 ZB 15.1568 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II.
Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.
III.
Die Klägerin trägt die Kosten der Antragsverfahren.
IV.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren bis zur Verbindung wird auf 7.151,05 € (3 ZB 15.1567) bzw. 5.000 € (3 ZB 15.1568), danach auf insgesamt 12.151,05 € festgesetzt.

Gründe

Die Anträge auf Zulassung der Berufung, die gemäß § 93 Satz 1 VwGO zur gemeinsamen Entscheidung verbunden werden konnten, haben keinen Erfolg.
A. Verfahren 3 ZB 15.1568 (Probezeitbeurteilung)
Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Probezeitbeurteilung vom 8. August 2011, die mit dem Gesamturteil „Nicht geeignet“ schließt, zu Recht abgewiesen.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Ernstliche Zweifel, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass eine dienstliche Beurteilung wegen der Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist. Die Verwaltungsgerichte können nur prüfen, ob der Beurteiler einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, ob er den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob allgemeine Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind und ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten ist. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle kann nicht dazu führen, dass das Gericht die fachliche oder persönliche Beurteilung des Beamten durch den Dienstherrn in vollem Umfang nachvollzieht oder diese gar durch eine eigene Beurteilung ersetzt (vgl. BayVGH, B.v. 18.1.2016 – 3 ZB 13.1994 – juris Rn. 4).
Die Klägerin wendet ein, der Beurteiler habe sich bei seiner Beurteilung nicht nur auf seine eigenen unmittelbaren Feststellungen und Eindrücke gestützt, sondern auch auf die Werturteile anderer. In diesem Fall setze die Rechtmäßigkeit der Beurteilung voraus, dass die Werturteile von den Dritten so auch tatsächlich und zutreffend gefällt worden seien.
Damit legt die Klägerin keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils dar.
Entscheidend ist nach dem eingangs Ausgeführten, ob das Werturteil des Beurteilenden – hier des Schulleiters – auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage beruht. Auf die Werturteile bzw. die Einschätzung anderer kommt es dagegen gerade nicht entscheidend an. Der Schulleiter führt im Beiblatt zur Probezeitbeurteilung aus, dass sich die Lehrkraft K., mit der die Klägerin hauptsächlich in der Klasse 1c gearbeitet habe, sich trotz großem kollegialen Entgegenkommens beklagt habe, sie könne mit der Klägerin nicht mehr zusammen arbeiten. Sie komme sich vor, als müsse sie ein zusätzliches Kind betreuen. Daraus und aus weiteren im Beiblatt aufgeführten (unmittelbaren) Erkenntnissen hat der Schulleiter geschlossen, dass die Zusammenarbeit der Klägerin mit den Kolleginnen eine schwierige bzw. problematische ist, wobei sowohl aus der Beschreibung zum Einzelmerkmal als auch aus dem Beiblatt zur Probezeitbeurteilung deutlich wird, dass er das Manko der kollegialen Zusammenarbeit letztlich darin sieht, dass die Zusammenarbeit an der mangelnden Reflexion der Klägerin über ihr Unterrichtswirken scheiterte. Insoweit ist das Verwaltungsgericht von einem zutreffenden materiellrechtlichen Standpunkt ausgegangen, da es entscheidend auf die Wertung des Schulleiters, nicht aber auf die individuelle Einschätzung der Zusammenarbeit aus der Sicht der Kolleginnen eingegangen ist.
2. Die Berufung ist nicht wegen eines Verfahrensmangels im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen.
Die Klägerin rügt, das Verwaltungsgericht habe sich in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils nicht mit den Einwendungen auseinandergesetzt, die sie in ihrer Klagebegründung vom 9. Oktober 2010 erhoben habe. Insbesondere habe es nicht berücksichtigt, dass es entgegen der Feststellungen im Beiblatt zur Probezeitbeurteilung nicht zutreffe, dass Frau K. bekundet habe, sie habe mit der Klägerin nicht mehr zusammen arbeiten können. Weiter sei sie nicht darüber informiert worden, dass Eltern und Klassensprecher sich massiv bei der Schulleitung und beim Schulamt beschwert hätten und sie daher keine Gelegenheit gehabt habe, die Vorwürfe zu widerlegen.
Die Verfahrensrüge greift nicht durch.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt dem an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten ein Recht darauf, dass er Gelegenheit erhält, im Verfahren zu Wort zu kommen, namentlich sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen. Dem entspricht die grundsätzliche Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gerichte sind aber nicht verpflichtet, jedes Vorbringen eines Beteiligten in den Gründen einer Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Artikel 103 Abs. 1 GG gewährt auch keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen; die Vorschrift verpflichtet die Gerichte insbesondere nicht, der Rechtsansicht einer Partei zu folgen (vgl. BVerwG, B.v. 9.5.2011 – 4 B 47/10 – juris Rn. 5). Deshalb liegt ein Verfahrensfehler nur dann vor, wenn (erstens) das Gericht Vortrag der Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen hat und (zweitens) dieser übergangene Vortrag nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserheblich war. Für diese Entscheidungserheblichkeit reicht es aus, dass der übergangene Vortrag eine entscheidungserhebliche Frage in einer Weise betraf, die eine Auseinandersetzung mit ihm erforderlich machte. Das Urteil beruht auf diesem Verfahrensfehler, wenn das Gericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vortrags zu einem anderen, dem Kläger günstigeren Ergebnis gekommen wäre (vgl. Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2014, § 138 Rn. 116).
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das Parteivorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben (st. Rspr. des BVerfG; vgl. z. B. B.v. 14.8.2013 – 1 BvR 3157/11 – juris Rn. 14 m. w. N.). Das Verwaltungsgericht hat jedenfalls den Vortrag, die Klägerin habe sowohl mit der Klassenlehrerin als auch mit den anderen Kollegen gut zusammenarbeiten können, im Tatbestand berücksichtigt (vgl. Bl. 3 d. UA), so dass nach der vorzitierten ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts davon auszugehen ist, dass das Verwaltungsgericht das Vorbringen der Klägerin insoweit auch in Erwägung gezogen hat.
Die Klägerin hat im Übrigen nicht dargelegt, dass das Gericht bei Berücksichtigung ihres Einwands, es sei nicht zutreffend, dass die Kollegin K. mit ihr nicht mehr habe zusammen arbeiten wollen, zu einem günstigeren Ergebnis gekommen wäre, sondern pauschal behauptet, die Probezeitbeurteilung hätte bei entsprechender Berücksichtigung aufgehoben werden müssen. Das ist vorliegend unzureichend, weil die Probezeitbeurteilung, die mit der Stellungnahme „Nicht geeignet“ schließt, hinsichtlich sämtlicher Beurteilungsmerkmale negative Aussagen enthält, die insbesondere auch die Eignung und Befähigung der Klägerin als Grundschullehrerin betreffen. Im Vordergrund standen disziplinarische Probleme und erhebliche Mängel im methodischdidaktischen Bereich. In dem Beiblatt zur Probezeitbeurteilung hält der Schulleiter zusammenfassend fest: „Ich halte [die Klägerin] für ungeeignet als Lehrerin tätig zu sein. [Die Klägerin] ist mit dem Abhalten von 8 Unterrichtsstunden vollkommen überfordert, wie mag sich das erst auswirken, wenn sie einmal Vollzeit unterrichten soll.“ Diese Einschätzung lässt sich zwanglos mit den Aussagen zu den Einzelmerkmalen vereinbaren. Angesichts der durchgehend schlechten Leistungen der Klägerin, die von ihr im Berufungszulassungsverfahren nicht substantiiert bestritten worden sind, vermag selbst eine schlüssige Infragestellung des Einzelmerkmals „Zusammenarbeit“ das abschließende Urteil der Probezeitbeurteilung nicht in Frage zu stellen. Die angefochtene Entscheidung kann daher auf dem behaupteten Verfahrensfehler nicht beruhen.
Aus den vorgenannten Gründen beruht das Urteil des Verwaltungsgerichts auch nicht auf der behaupteten verfahrensfehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags (Einvernahme der Lehrerinnen K. und D.). Im Übrigen ist für die Beurteilung, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, der materiellrechtliche Standpunkt des Verwaltungsgerichts maßgebend (Beck’scher Online-Kommentar VwGO, Stand: 1.7.2016, § 124 Rn. 86). Die fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrags kann gegen § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen und außerdem das rechtliche Gehör verletzen, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfG, B.v. 30.1.1985 – 1 BvR 393/84 – BVerfGE 69, 141 – juris Rn. 10). Das Verwaltungsgericht hat den Beweisantrag zu Recht abgelehnt. Ausgehend von der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass es nicht auf die Einschätzung der beiden Lehrerinnen, sondern auf die Einschätzung des Schulleiters als Beurteilenden ankomme, durfte der Beweisantrag als unerheblich und damit als nicht entscheidungserheblich abgelehnt werden.
Soweit die Klägerin eingewandt hat, sie sei nicht darüber informiert worden, dass Eltern und Klassensprecher sich bei der Schulleitung und dem Schulamt beschwert hätten und sie daher keine Gelegenheit gehabt habe, die Vorwürfe zu widerlegen, hat das Verwaltungsgericht diesen Vortrag zwar nicht in den Entscheidungsgründen berücksichtigt, aber auch insoweit hat die Klägerin nicht dargelegt, dass das Urteil auf diesem Mangel beruhen könnte, zumal weder spezielle Rechtsvorschriften noch allgemeine Rechtsgrundsätze einen entsprechenden Hinweis gegenüber dem Beamten erfordern (vgl. BayVGH, B.v. 2.12.2015 – 3 CE 15.2122 – juris Rn. 30 zu Leistungsdefiziten).
Die Klägerin rügt eine Verletzung der Aufklärungspflicht, soweit das Verwaltungsgericht ihren Antrag abgelehnt hat, den Zeugen F. (Schulleiter) aufzufordern, die von ihm im Rahmen der Zeugenvernehmung erwähnte Unterrichtsmitschrift vom 14. Oktober 2010 vorzulegen. Auch hier fehlt es an der Darlegung des Beruhens im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Die Klägerin beschränkt sich darauf, zu vermuten, dass von einer hinreichenden Erinnerung des Zeugen an den Unterricht der Klägerin nicht mehr ausgegangen werden könne. Welche über die protokollierte Aussage hinausgehenden Erkenntnisse sich durch die Vorlage der Mitschrift ergeben sollten, wurde jedoch nicht dargelegt.
B. Verfahren 3 ZB 15.1567 (Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe)
Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Entlassung der Klägerin aus dem Beamtenverhältnis auf Probe als Lehrerin zu Recht abgewiesen, da sie sich ausweislich der Probezeitbeurteilung vom 8. August 2011 in der Probezeit bezüglich Befähigung und fachlicher Leistung nicht bewährt hat. Auch insoweit bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Klägerin bezieht sich insoweit auf ihre Ausführungen zur Richtigkeit des Urteils zur Probezeitbeurteilung. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Entscheidung liegen aber nach den Ausführungen unter A.1. nicht vor.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG (Probezeitbeurteilung) bzw. § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG (Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe). Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung werden die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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