Verwaltungsrecht

Prüfungsmaßstab bei Fortführung des Asylverfahrens nach Unzulässigkeitsentscheidung

Aktenzeichen  10 ZB 19.33987

Datum:
25.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 32423
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, § 37 Abs. 1

 

Leitsatz

Ist das Asylverfahren nach einer Unzulässigkeitsentscheidung gemäß § 37 Abs. 1 S. 1 AsylG fortzuführen, bleiben die Unzulässigkeitsgründe nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 AsylG zwingender Prüfungsmaßstab.  (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 4 K 17.35111 2019-10-02 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet, weil die von den Klägerinnen allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) nicht vorliegt.
Die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) verlangt, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und klärungsfähig, insbesondere entscheidungserheblich, ist; ferner, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht.
Die Klägerinnen formulieren als grundsätzliche Rechtsfrage, ob „das Verwaltungsgericht eine Klage auf Zuerkennung internationalen Schutzes in der Sache bezogen auf das Herkunftsland abweisen (darf), wenn Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dass ein Asylantrag bereits unzulässig ist und die Voraussetzungen des in Betracht kommenden Unzulässigkeitsgrundes vorliegen?“. Sie führen hierzu aus, dass sowohl das Bundesamt als auch das Verwaltungsgericht in der Sache negativ über das Asylbegehren entschieden hätten, obwohl es entsprechende Erkenntnisse über eine Zuerkennung internationalen Schutzes in Italien gegeben habe; diese seien vorliegend Gegenstand einer früheren, dann aber gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG unwirksam gewordenen Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewesen. Die Klärungsbedürftigkeit der Frage folge daraus, dass das Bundesverwaltungsgericht bislang nur in der umgekehrten Fallkonstellation, in der Verwaltungsgericht trotz Vorliegens von Anhaltspunkten für eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG einer Klage auf Zuerkennung internationalen Schutzes stattgegeben habe, entschieden habe, dass das Vorliegen von Unzulässigkeitsgründen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 AsylG als zwingendes Recht vor jeder „stattgebenden“ Entscheidung von Amts wegen zu prüfen sei (U.v. 25.4.2019 – 1 C 28.18).
Die von den Klägerinnen aufgeworfene Rechtsfrage rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung wegen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung. Die Frage würde sich in einem künftigen Berufungsverfahren nicht stellen und ist nicht klärungsbedürftig. Sie lässt sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedürfte (stRspr, BVerwG, B.v. 25.9.2019 – 4 BN 13.19 – BeckRS 2019, 28382 Rn. 4 m.w.N.).
Mit dem Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) hat der Gesetzgeber in § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG ausdrücklich geregelt, dass die Entscheidung des Bundesamtes über die Unzulässigkeit des Antrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 AsylG und die Abschiebungsandrohung unwirksam werden, wenn das Verwaltungsgericht – wie hier – dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO entspricht. Das Bundesamt hat das Asylverfahren fortzuführen (§ 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG).
Regelungsinhalt des § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist, dass die dort genannten Unzulässigkeitsentscheidungen bereits durch einen erfolgreichen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, nicht nur vorläufig, sondern endgültig unwirksam werden und es nicht erst der Aufhebung in einem nachgelagerten Klageverfahren bedarf. Das Hauptsacheverfahren ist somit aufgrund der gesetzlich vorgesehen Rechtsfolge des im vorläufigen Rechtsschutzverfahren erfolgreichen Antrags erledigt. Der Gesetzgeber ordnet die Unwirksamkeit der Unzulässigkeitsentscheidung und der Abschiebungsandrohung unabhängig davon an, aus welchen Gründen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stattgegeben wurde (BVerwG, U.v. 15.1.2019 – 1 C 15.18 – juris -Ls- 1 und 2; U.v. 25.4.2019 – 1 C 51.18 – juris -Ls- 1; BayVGH, B.v. 15.1.2018 – 10 ZB 17.30211 – juris Rn. 4 m.w.N.; B.v. 10.9.2018 – 1 ZB 17.30214 – juris Rn. 4).
Angesichts des eindeutigen Wortlauts der gesetzlichen Regelung und unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung bleiben aufgrund der in § 37 Abs. 1 AsylG vorgesehenen Folgen, wonach erneut über den Asylantrag zu entscheiden, die Unzulässigkeitsgründe nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 AsylG zwingender Prüfungsmaßstab. Denn das Asylverfahren ist nach § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG in dem Stadium fortzuführen, in dem es sich vor der Ablehnung befunden hat (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2019 – 1 C 15.18 – juris Rn. 31 ff.; U.v. 25.4.2019 – 1 C 51.18 – juris Rn. 13). Das Bundesverwaltungsgericht hat in der von den Klägerinnen in Bezug genommenen Entscheidung lediglich klargestellt, dass die Unzulässigkeitsgründe in § 29 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 AsylG selbst bei „hier teilweise sogar positiv(er)“ Bescheidung als zwingendes Recht stets zu beachten sind (U.v. 25.4.2019 – 1 C 28.18 – juris Rn. 13) und § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG keine Verpflichtung zur inhaltlichen Prüfung des Asylantrags enthält (so schon BVerwG, U.v. 15.1.2019 – 1 C 15.18 – juris Rn. 38 und 40). Etwas anderes wäre auch nicht mit der Grundkonzeption des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems vereinbar, wonach Asylanträge nur von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft und hierdurch Mehrfachanerkennungen oder einander widersprechende Sachentscheidungen über Asylanträge vermieden werden sollen (vgl. VGH BW, B.v. 20.2.2018 – A 4 S 169/18 – juris Rn. 8; Pietzsch in BeckOK Ausländerrecht, Stand 1.5.2019, § 37 AsylG Rn. 3a m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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