Verwaltungsrecht

Rechtmäßigkeit der Rücknahme einer befristeten ehebezogenen Aufenthaltserlaubnis bei fehlender ehelicher Lebensgemeinschaft

Aktenzeichen  10 B 14.2060

Datum:
29.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 42 Abs. 1, § 108 Abs. 1, § 113 Abs. 1 S. 1
BayVwVfG BayVwVfG Art. 40, Art. 48 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1
AufenthG AufenthG § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Nr. 3
EMRK EMRK Art. 8
GG GG Art. 6

 

Leitsatz

1 Wendet sich ein Ausländer mit einer Anfechtungsklage gegen die Rücknahme einer befristeten ehebezogenen Aufenthaltserlaubnis, besteht sein Rechtsschutzbedürfnis nach Ablauf des Befristungszeitraums dann fort, wenn er zuvor einen Verlängerungsantrag gestellt hat, sodass im Falle des Obsiegens an einen zuvor rechtmäßigen Aufenthalt angeknüpft werden könnte. (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Bei der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Rücknahme eines befristeten Aufenthaltstitels ist maßgeblich auf den Zeitpunkt des Fristablaufs abzustellen, da nach dem Ablaufzeitpunkt des zurückgenommenen Aufenthaltstitels eingetretene Tatsachen sich auf den angegriffenen Verwaltungsakt nicht mehr auswirken können, sondern Bedeutung lediglich für die Neuerteilung eines Titels oder die Verlängerung des abgelaufenen Titels haben (vgl. VGH München BeckRS 2011, 53689; zum maßgeblichen Zeitpunkt bei der nachträglichen Verkürzung der Geltungsdauer einer Aufenthaltserlaubnis vgl. BVerwG BeckRS 2013, 52673). (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Allein das formale Band einer Ehe reicht für sich genommen nicht aus, um aufenthaltsrechtliche Wirkungen gemäß § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG zu entfalten. Erst der bei den Eheleuten bestehende Wille, eine eheliche Lebensgemeinschaft (im Bundesgebiet) tatsächlich herzustellen oder aufrechtzuerhalten, löst den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG aus (stRspr, BVerwG BeckRS 2013, 52673). (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG zur Ausübung der Personensorge für ein minderjähriges eheliches Kind eines Ausländers kommt es entscheidend auf die tatsächliche Ausübung dieses Sorgerechts an. (red. LS Clemens Kurzidem)
5 Ein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand eines befristeten Aufenthaltstitels, das im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Rücknahme berücksichtigt werden müsste, liegt dann nicht vor, wenn der betroffene Ausländer diesen Aufenthaltstitel durch arglistige Täuschung der Ausländerbehörde über das Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft mit der Ehefrau erlangt hat. (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

6 K 14.92 2014-03-12 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I.
In Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 12. März 2014 wird die Klage abgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache Erfolg. Die auf Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 17. Dezember 2013 gerichtete Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO) des Klägers ist zwar zulässig (1.), aber unbegründet (2.), weil die darin erfolgte Rücknahme der befristeten ehebezogenen Aufenthaltserlaubnis des Klägers nach der für die Beurteilung dieser Verfügung maßgeblichen Sach- und Rechtslage rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Demgemäß war die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.
1. Die fristgerecht (§ 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO) erhobene Anfechtungsklage ist trotz Ablaufs der ursprünglichen Geltungsdauer der befristeten Aufenthaltserlaubnis des Klägers (am 14. April 2014) zulässig. Sein fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich schon daraus, dass er zuvor am 1. April 2014 beim Beklagten einen Verlängerungsantrag gestellt hat und damit im Erfolgsfall seiner Klage an einen rechtmäßigen Aufenthalt anknüpfen könnte (s. § 84 Abs. 2 Satz 3 AufenthG; vgl. auch Funke-Kaiser in Gemeinschaftskommentar zum AufenthG, Stand: August 2016, II – § 84 Rn. 84).
2. Die Klage ist jedoch unbegründet, weil die angefochtene Rücknahme der befristeten ehebezogenen Aufenthaltserlaubnis des Klägers nach der für die Beurteilung dieser Verfügung maßgeblichen Sach- und Rechtslage (2.1.) rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; 2.2.).
2.1. Die Rechtmäßigkeit des Bescheids, mit dem der Beklagte die befristete Aufenthaltserlaubnis des Klägers zurückgenommen hat, ist nicht wie bei der Rücknahme einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage zu überprüfen, wie sie sich im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts darstellt (vgl. BVerwG, U. v. 13.4.2010 – 1 C 10.09 – juris Rn. 11 ff.; B. v. 22.5.2013 – 1 B 25.12 – juris Rn. 6). Denn diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Aufenthaltsrecht auch bei Entscheidungen über die Rücknahme oder den Widerruf eines unbefristeten Aufenthaltstitels beruht auf der Annahme, dass im Streit um das Fortbestehen eines Aufenthaltsrechts aus materiell-rechtlichen Gründen auf einen möglichst späten Beurteilungszeitpunkt abzustellen ist, um die Berücksichtigung aktueller tatsächlicher Entwicklungen etwa im Lichte des Art. 8 EMRK oder des Art. 6 GG zu ermöglichen (BVerwG, B. v. 22.5.2013 – 1 B 25.12 – juris Rn. 6 m. w. N.). Liegt wie hier der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts allerdings nach dem Ablaufzeitpunkt des zurückgenommenen (befristeten) Aufenthaltstitels und können sich demgemäß nachträglich eingetretene Tatsachen auf den angegriffenen Verwaltungsakt nicht mehr auswirken, sondern Bedeutung lediglich für die Neuerteilung eines Titels oder die Verlängerung des abgelaufenen Titels haben, ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt des Ablaufs der ursprünglichen Geltungsdauer des (befristeten) Aufenthaltstitels abzustellen (zum maßgeblichen Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung des Widerrufs einer befristeten Aufenthaltserlaubnis vgl. bereits BayVGH, B. v. 16.8.2011 – 10 CS 11.432 – juris Rn. 30; zum maßgeblichen Zeitpunkt bei der nachträglichen Verkürzung der Geltungsdauer einer Aufenthaltserlaubnis vgl. BVerwG, B. v. 22.5.2013 – 1 B 25.12 – juris Rn. 6; in diesem Sinne wohl auch VGH BW, U. v. 15.7.2009 – 13 S 2372/08 – juris Rn. 42; für den noch früheren Zeitpunkt des Erlasses der Rücknahmeentscheidung [allerdings bei einer besonderen Konstellation]: VG Aachen, U. v. 12.5.2016 – 4 K 600/14 – juris Rn. 41 ff.).
2.2. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ablaufs der (ursprünglichen) Geltungsdauer des befristeten Aufenthaltstitels des Klägers am 14. April 2014 lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG, auf den der Beklagte den angefochtenen Bescheid zu Recht gestützt hat, vor (2.2.1.). Auch die vom Beklagten getroffene Ermessensentscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden (Art. 48 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, Art. 40 BayVwVfG, § 114 Satz 1 VwGO; 2.2.2.).
2.2.1. Gemäß Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die dem Kläger am 15. April 2013 erteilte und bis 14. April 2014 gültige ehebezogene Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG war von Anfang an rechtswidrig.
Unabhängig von der nicht mehr entscheidungserheblichen Frage, ob angesichts der nachfolgend dargelegten Gesamtumstände und erheblichen Ungereimtheiten auch bezüglich der Hochzeit im Kosovo davon auszugehen ist, dass die Ehe des Klägers mit der deutschen Staatsangehörigen D. Z. (im Folgenden: Ehefrau) tatsächlich wirksam geschlossen worden ist (zu dieser Voraussetzung vgl. Tewocht in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, Kommentar, AufenthG § 28 Rn. 10 ff.), reicht jedenfalls allein das formale Band der Ehe für sich genommen nicht aus, um aufenthaltsrechtliche Wirkungen gemäß § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu entfalten. Erst der bei den Eheleuten bestehende Wille, eine eheliche Lebensgemeinschaft (im Bundesgebiet) tatsächlich herzustellen oder aufrechtzuerhalten, löst den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG aus (st. Rspr., vgl. z. B. BVerwG, B. v. 22.5.2013 – 1 B 25.12 – juris Rn. 3 m.w. Rspr-nachweisen). Erforderlich aber auch ausreichend ist insoweit der nachweisbar betätigte Wille, mit der Partnerin bzw. dem Partner als wesentlicher Bezugsperson ein gemeinsames Leben zu führen. Ob dieser Wille vorliegt und praktiziert wird, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls (vgl. BVerwG a. a. O. Rn. 4).
Davon ausgehend ist der Senat abweichend vom Erstgericht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und insbesondere auch aufgrund der im Rahmen seiner eigenen Beweiserhebung gewonnenen Erkenntnisse zu der Überzeugung (§ 108 Abs. 1 VwGO) gelangt, dass bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ablaufs der Geltungsdauer des befristeten Aufenthaltstitels eine eheliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau nie bestanden hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist deshalb auch von der Richtigkeit der diesbezüglichen Feststellungen in den gegen den Kläger und seine Ehefrau ergangenen Strafurteilen des Amtsgerichts N. vom 8. Januar 2015 (1 Cs 309 Js 136646/13) und des Landgerichts A. vom 23. Juli 2015 (14 Ns 309 Js 136646/13, rechtskräftig seit 31.7.2015) wegen Erschleichens eines Aufenthaltstitels (§ 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG) überzeugt. Der klägerische Einwand, dem Strafverfahren und den inzwischen gegen ihn ergangenen Strafurteilen liege ein anderer rechtlicher Ausgangspunkt als im Verwaltungsstreitverfahren zugrunde, greift nicht durch. Demzufolge hält die vom Verwaltungsgericht nach Beweislastgrundsätzen vorgenommene Bewertung bezüglich des Vorliegens bzw. Fehlens einer ehelichen Lebensgemeinschaft einer Überprüfung im Berufungsverfahren nicht stand.
Entgegen den Einlassungen des Klägers und seiner in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof erneut als Zeugin vernommenen Ehefrau ist der Senat davon überzeugt, dass der geltend gemachte „Wechsel in der Beziehung“ vom Bruder des Klägers B. (im Folgenden: B.) zum Kläger nie stattgefunden hat, sondern die Ehefrau weiterhin mit B. eine Lebensgemeinschaft geführt hat und – ohne dass es darauf entscheidungserheblich ankommt – auch derzeit noch führt. Der Vortrag des Klägers und der Ehefrau zu den näheren Umständen am Beginn ihrer „Beziehung“ bei einem Urlaub in Jesolo, zum Heiratsentschluss und zur Hochzeit selbst sowie zu ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft nach der Einreise des Klägers Anfang 2013 nach Deutschland wirkt nicht nur, wie schon das Erstgericht feststellt, „mitunter abgesprochen“ und „wenig wirklichkeitsnah“, sondern ist nicht zuletzt aufgrund der glaubhaften Aussagen der vom Senat als Zeuginnen vernommenen ehemaligen Arbeitskolleginnen der Ehefrau widerlegt. Die Behauptung der Ehefrau in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof, zunächst habe sie mit B. eine Affäre gehabt, was für sie aber immer so eine Art „Zwischending“ gewesen sei, das sie auf Dauer nicht mehr gewollt habe, sie habe aber auch noch nach Beginn der Beziehung mit dem Kläger „eine Art Verhältnis mit B.“, „zwar keine richtige Beziehung mehr, aber auch nicht nur ein freundschaftliches Verhältnis“ gehabt, ist daher nach Auffassung des Senats der – allerdings untaugliche – Versuch, die nachgewiesen fortdauernde enge (Liebes-)Beziehung zu B. möglichst plausibel zu erklären. Dass es sich dabei, wie das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung meint, möglicherweise um ein „außereheliches Verhältnis der Ehefrau mit dem Bruder des Ehemannes“ neben der ehelichen Lebensgemeinschaft mit dem Kläger gehandelt habe, ist aus den nachfolgenden Gründen zur Überzeugung des Senats auszuschließen.
So hat die langjährige Arbeitskollegin der Ehefrau, die Zeugin A. W., bei ihrer Vernehmung glaubhaft angegeben, die Ehefrau sei nach Beendigung einer früheren Beziehung mit B. befreundet gewesen, der häufig mit Arbeitskollegen der Gerüstbaufirma Sch., darunter auch der Kläger, zum Brotzeitholen in die Metzgerei gekommen sei. Von der Ehefrau sei immer mal wieder über ihren Freund B. und später die Hochzeit, die Schwangerschaft und die Geburt der Tochter (L.) berichtet worden. Weiter hat die Zeugin ausgesagt, dass ihr die Ehefrau bei einem Besuch in deren Wohnung nach der Geburt der Tochter L. Bilder von ihrem (Ehe-)Mann B. (und nicht dem Kläger) gezeigt habe. Erst bei der polizeilichen Vernehmung im Strafverfahren gegen den Kläger und die Ehefrau habe man ihr erstmals gesagt, dass letztere den Kläger (und nicht B.) geheiratet habe. Im Wesentlichen gleichlautende, wenn auch zum Teil noch detailliertere diesbezügliche Angaben hat die Zeugin bei früheren Vernehmungen durch die Polizei im Dezember 2013 und in der Folge durch die Strafgerichte am 8. Januar 2015 und 19. Juni 2015 gemacht. Auch bei diesen Vernehmungen hat sie immer schlüssig, konsequent und überzeugend bestätigt, dass die Ehefrau jedenfalls ab 2012 ein Verhältnis mit B. gehabt habe, mit diesem zusammen zunächst in der Wohnung in O. gewohnt habe und später in das Haus der Mutter nach M. umgezogen sei und ihr mehrfach von der Hochzeit mit B., ihrer Schwangerschaft und ihrer Tochter (mit B. als Vater) erzählt habe. Vom Kläger, der schon vor der von ihm behaupteten Einreise 2013 bei dem Bautrupp der Firma Sch. dabei gewesen sei, sei, wenn überhaupt, immer nur als dem Bruder des Lebensgefährten B. die Rede gewesen.
Diese glaubhaften Schilderungen werden im Kern bestätigt durch die Angaben der weiteren Zeuginnen I. K. und S. S., die ebenfalls über längere Zeit mit der Ehefrau in der Metzgerei O. in M. zusammengearbeitet haben. Auch sie haben übereinstimmend und glaubhaft die enge (Liebes-)Beziehung der Ehefrau zu B. geschildert und angegeben, dass demgegenüber von einer engeren Beziehung zum Kläger, der ebenfalls mit dem Bautrupp der Gerüstbaufirma öfter in die Metzgerei zum Einkauf der Brotzeit gekommen sei, nie die Rede gewesen sei.
Die in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof wiederholte Behauptung des Klägers, er sei nach der Hochzeit mit seiner Ehefrau im Kosovo erstmals im März 2013 nach Deutschland gekommen, sieht der Senat im Übrigen auch dadurch als widerlegt an, dass nach einer entsprechenden Mitteilung des Hauptzollamtes A. bei einer Kontrolle der Firma Sch. in M. unter anderem festgestellt wurde, dass der Kläger bereits im April 2012 auf einer Teilnehmerliste bei dieser Firma geführt worden ist.
Die Zeugin S. S. konnte sich glaubhaft noch sicher an eine Begebenheit im September 2013 erinnern, wo B. am Tag der Geburt der Tochter L. beim Brotzeiteinkauf in der Metzgerei auf ihre Frage hin geantwortet habe, er komme gerade aus dem Krankenhaus und sei Papa geworden. Dass B. sich auch sonst bei Besuchen in der Metzgerei als stolzer Vater seiner Tochter präsentiert habe, hat im Übrigen auch die Zeugin A. W. bei ihrer polizeilichen Vernehmung im Dezember 2013 bestätigt. Dies wird nicht dadurch infrage gestellt, dass die bei der Geburt der Tochter L. am 24. September 2013 anwesende Hebamme, die Zeugin K. G., bei ihrer Vernehmung durch den Senat im Gegensatz zu früheren Vernehmungen durch die Polizei und die Strafgerichte erstmals angegeben hat, sie sei sich zwar nicht ganz sicher, gehe aber davon aus, dass der Kläger bei der Geburt von L. anwesend gewesen sei. Bei ihrer polizeilichen Vernehmung am 26. März 2014 hatte sie auf der ihr vorgelegten Wahllichtbildvorlage den Mann auf Bild 4 (B.) als den bei der Geburt der Tochter L. anwesenden Mann identifiziert. Auch bei ihrer Zeugenvernehmung vor dem Amtsgericht N. hat die Zeugin ausgesagt, sie könne nicht sagen, dass der (dort als Angeklagter) anwesende Kläger der bei der Geburt von L. anwesende Mann gewesen sei. Vielmehr hat die Zeugin auch dort auf der Wahllichtbildvorlage (Bl. 153 der Strafakten) den B. (Mann mit einem volleren Gesicht als der Kläger) als den bei der Geburt anwesenden Mann erkannt. Auf entsprechenden Vorhalt dieser früheren Angaben hat die Zeugin bei der Vernehmung durch den Senat eingeräumt, sie könne heute nicht mehr mit Sicherheit sagen, ob nun der Kläger oder der auf Bild 4 der Wahllichtbildvorlage abgebildete B. beim Geburtstermin anwesend gewesen sei.
Aus den Angaben der Zeugin S. D., einer Mitbewohnerin des Hauses der (früheren) Wohnung der Ehefrau in der K.-Straße in O., die bei ihrer Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof ebenfalls einen sehr zuverlässigen und glaubwürdigen Eindruck hinterlassen hat, ergibt sich ohne jeden Zweifel, dass dort nicht etwa der Kläger, sondern B. mit der Ehefrau bis zum Auszug aus dieser Wohnung Ende Juni 2013 zusammengewohnt und eine eheähnliche Lebensgemeinschaft geführt hat. So hat die Zeugin glaubhaft berichtet, der Freund bzw. Lebensgefährte, der mit D. Z. (Ehefrau) dauerhaft in der Wohnung gelebt habe, sei von dort mehrmals in der Woche mit einem großen, häufig – auch über das Wochenende – vor diesem Anwesen geparkten Lkw der Gerüstbaufirma Sch. am Morgen weggefahren. Die Zeugin war sich im Übrigen auch noch bei der Vernehmung durch den Senat sicher, dass jedenfalls nicht der im Sitzungssaal anwesende Kläger dieser Freund bzw. Lebensgefährte gewesen sei, und hat – wenn auch nicht ganz so sicher – auf der ihr gezeigten, bei den Strafakten befindlichen Lichtbildtafel den Mann auf Bild 4 (B.) als den damaligen Lebensgefährten bzw. Freund identifiziert. Der Lkw der Gerüstbaufirma Sch. wurde im Übrigen unstreitig immer (nur) von B. geführt; der Kläger selbst hatte bzw. hat offensichtlich keinen deutschen Führerschein.
Weiter hat die Zeugin S. D. berichtet, dass einige Male in der Wohnung auch ein kleiner Junge im Alter von etwa fünf Jahren anwesend gewesen sei, der Papa gerufen habe. B. ist Vater eines Sohnes F. (aus einer früheren Ehe) in diesem Alter.
Die glaubhaften Angaben dieser Zeugin werden wiederum bestätigt durch den Vermieter der Wohnung der Ehefrau in der K.-Straße in O., Herrn P. W., der ebenfalls sowohl bei der polizeilichen Vernehmung im September 2013 als auch den späteren Zeugenvernehmungen vor dem Amtsgericht N. und dem Landgericht A. ausgesagt hat, dass seine Mieterin (die Ehefrau) mit B. zusammengewohnt habe. Auch er berichtete, dass es immer wieder Probleme mit dem vor dem Anwesen geparkten Lkw der Firma Sch. gegeben habe.
Unabhängig davon hat auch die frühere Ehefrau des B., Frau S. Z., gegenüber der Ausländerbehörde des Beklagten am 19. März 2014 angegeben, B. sei wohl bereits seit März 2011 mit D. Z. liiert gewesen und habe laut Aussage ihres Sohnes F., der gelegentlich bei seinem Vater in der Wohnung in der K.-Straße in O. gewesen sei, dort mit D. Z. zusammengelebt.
Wenn die Schwiegermutter des Klägers, die Zeugin E. W., demgegenüber bei ihrer Vernehmung durch den Verwaltungsgerichtshof angegeben hat, sie habe ihre Tochter während der Zeit, in der diese in der Wohnung in O. gewohnt habe, vielleicht zwei- oder dreimal besucht, wenn der Kläger dann nicht in der Arbeit gewesen sei, sei er dort gewesen, und man habe ihr im Übrigen erzählt, dass auch der Bruder des Klägers dort gelegentlich zu Besuch gewesen sei, wertet das der Senat wie die übrigen äußerst vagen, sehr allgemein gehaltenen und abgesprochen wirkenden Angaben dieser einen sehr unsicheren Eindruck hinterlassenden Zeugin als reine Gefälligkeitsangaben zugunsten ihrer Tochter und des Klägers. Auch das Amtsgericht N. und das Landgericht A. sind im Rahmen ihrer eingehenden und überzeugenden Beweiswürdigung aus diesen Gründen jeweils davon ausgegangen, dass diese Zeugin unglaubwürdig ist.
Nicht glaubhaft sind schließlich die Angaben des Klägers, seiner Ehefrau und – allerdings nur vom Hörensagen – der Zeugin E. W. zur Hochzeitsfeier im Kosovo, bei der nicht dem (auch nicht festlich gekleideten) Kläger, sondern in Vertretung des nicht anwesenden Vaters des Klägers dem B. die entscheidende Funktion zugekommen sein soll. Abgesehen von dem vorhandenen Bildmaterial dieser Feierlichkeiten und den bereits zuvor erwähnten Berichten der Ehefrau gegenüber ihren Arbeitskolleginnen spricht gegen diese klägerische Version, dass die geschilderten, angeblichen Hochzeitsgebräuche im Kosovo nach einer durch den Beklagten im Verfahren eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes so gar nicht zutreffen.
Auch nach dem Umzug der Ehefrau in das Haus ihrer Mutter in der F.-Straße 1 in M. haben sich entgegen den Angaben des Klägers und seiner Ehefrau sowie der Zeugin E. W. die dargelegten Verhältnisse zur Überzeugung des Senats nicht geändert. Im Gegensatz zum Erstgericht bewertet der Senat die diesbezüglichen Angaben der Zeugin E. W., ihre Tochter und der Kläger hätten bei ihr im Haus ganz sicher immer zusammengewohnt, was sie beispielsweise dadurch habe feststellen können, dass der Schwiegersohn immer nach der Arbeit gekommen sei und sich in der Wohnung aufgehalten und übernachtet habe, nicht für glaubhaft, sondern wie ihre übrigen Angaben als Gefälligkeitsaussage.
Denn auch gegen diese Einlassung sprechen gewichtige und letztlich entscheidende Umstände. Bei der aufgrund des Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts A. vom 12. November 2013 am 27. November 2013 ab 6:05 Uhr durchgeführten Durchsuchung der Wohnung in der F.-Straße 1 in M. wurde in der Wohnung neben der Ehefrau nur B. im Schlafzimmer angetroffen, wobei nach den Feststellungen der die Maßnahme durchführenden Polizeibeamten im Ehebett offensichtlich zwei Personen genächtigt hatten. Auf Nachfrage hat D. Z. gegenüber diesen Polizeibeamten angegeben, nicht zu wissen, wo sich der Kläger aufhalte. Dazu hat die Zeugin D. Z. (Ehefrau) in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof erneut behauptet, am Abend vor der polizeilichen Durchsuchung der Wohnung habe sie ihrem Ehemann gebeichtet, dass sie eine Zeitlang auch ein Verhältnis mit seinem Bruder gehabt habe, worauf der Ehemann gleich aus der Wohnung gestürmt sei, sie habe daraufhin B. angerufen und gebeten, auch zur Schlichtung des Konflikts zu ihr in die Wohnung zu kommen, und dieser habe dann dort – weil es schon so spät gewesen sei – übernachtet. Diese Schilderung ist jedoch schon vom behaupteten Ablauf her nicht glaubhaft und zur Überzeugung des Senats der bloße Versuch, die tatsächliche Lebensgemeinschaft mit B. zu verschleiern. Allein der im Wohnzimmer der Wohnung aufgehängte große Bilderrahmen „Family“ mit Fotos vor allem der Tochter L., der Ehefrau und B. (jeweils als Paar) sowie Hochzeitsbildern zeigt mehr als deutlich, dass eine (eheähnliche) Lebensgemeinschaft auch zum fraglichen Zeitpunkt nur mit B. bestand. Die spätere Einlassung der Ehefrau, sie habe damals noch keine geeigneten Fotos ihres Ehemanns (des Klägers) gehabt, erscheint bei dem ansonsten vorhandenen vielfältigen Bildermaterial geradezu absurd.
Dass nicht der Kläger, sondern B. in der Wohnung in der F.-straße 1 in M. zusammen mit der Ehefrau lebte, ergibt sich nicht zuletzt aufgrund der polizeilichen Feststellungen anlässlich zweier Kontrollen im September 2013 wegen einer Parkbehinderung und einer Halterüberprüfung eines Pkw. Dabei wurde jeweils B., aber nicht der Kläger, im Haus bzw. im Bereich dieses Anwesens angetroffen. B. gab dabei unter anderem an, der Fahrzeugführer des im Bereich der Wohnung geparkten Lkw zu sein und in der Wohnung zu nächtigen, da er in M. arbeite.
Damit sind aber zur Überzeugung des Senats die im Übrigen in dieser Hinsicht nicht widerspruchsfreien Einlassungen der Zeuginnen D. Z. (Ehefrau) und E. W. widerlegt, B. habe den Kläger fast täglich zur Arbeit abgeholt und am Abend wieder nach Hause gebracht, sei gelegentlich auch zum Essen geblieben und, wenn es besonders spät geworden sei, (als Gast) über Nacht in der Wohnung geblieben.
Entgegen der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Bewertung bestätigen schließlich auch die Ergebnisse der Auswertung des bei der polizeilichen Wohnungsdurchsuchung sichergestellten Notebooks (der Ehefrau) und des Handys (des B.) sowie des Facebook-Profils der Ehefrau, dass diese und B. ein fest liiertes Paar waren und sind. Demgegenüber finden sich für die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass „daneben“ auch eine eheliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau bestanden habe bzw. haben könnte, bis auf die aus den oben genannten Gründen nicht glaubhaften Einlassungen des Klägers, der Ehefrau und der Mutter bzw. Schwiegermutter keinerlei belastbare Anhaltspunkte.
2.2.2. Der Beklagte ist weiter zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger auch aus anderen Rechtsgründen – unabhängig von der tatsächlich nicht bestehenden ehelichen Lebensgemeinschaft – keinen Anspruch auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis erworben hat, der einer Rücknahme des ehebezogenen Aufenthaltstitels entgegenstehen könnte (vgl. dazu BVerwG, U. v. 13.4.2010 – 1 C 10.09 – juris Rn. 18, wonach in einem solchen Fall ein Widerruf oder eine Rücknahme eines [unbefristeten] Aufenthaltstitels [mit Wirkung für die Zukunft] nicht erfolgen darf). Insbesondere kommt eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zur Ausübung der Personensorge für die minderjährige eheliche Tochter L. nicht in Betracht. Denn insoweit kommt es, worauf der Beklagte zutreffend abgestellt hat, entscheidend auf die tatsächliche Ausübung dieses Sorgerechts an (vgl. z. B. Tewocht in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, Kommentar, AufenthG § 28 Rn. 24). Eine gelebte Vater-Kind-Beziehung zwischen dem Kläger und der Tochter L. besteht aber aus den oben eingehend dargelegten Gründen zur Überzeugung des Senats ebenso wenig wie die behauptete eheliche Lebensgemeinschaft mit der Ehefrau. Vielmehr ist der Beklagte im angefochtenen Bescheid in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass eine Vater-Kind-Beziehung (allenfalls) zwischen B. und dem Kind L. besteht.
Die vom Beklagten getroffene Ermessensentscheidung ist rechtlich auch sonst nicht zu beanstanden (Art. 48 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, Art. 40 BayVwVfG, § 114 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat das ihm zustehende Rücknahmeermessen erkannt und ordnungsgemäß ausgeübt. Dabei durfte er insbesondere davon ausgehen, dass ein schützenswertes Vertrauen des Klägers auf den Bestand seines befristeten Aufenthaltstitels schon deshalb nicht gegeben ist, weil er diesen Aufenthaltstitel durch arglistige Täuschung der Ausländerbehörde über das Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft mit der Ehefrau erlangt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Rechtsmittelbelehrung
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,- Eurofestgesetzt (§ 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 2 GKG).


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