Verwaltungsrecht

Rechtmäßigkeit einer Gewerbeuntersagung gegen GmbH – Pflichtverletzungen des (früheren) Geschäftsführers

Aktenzeichen  22 CS 21.2230

Datum:
9.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 36723
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 35 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 5
LFGB § 11 Abs. 2 Nr. 1, § 59 Abs. 1 Nr. 8

 

Leitsatz

1. Im Rahmen einer Gewerbeuntersagung, die sich gegen eine GmbH als rechtsfähige juristische Person richtet, muss sich diese die persönliche Unzuverlässigkeit ihres (früheren) Geschäftsführers, die aus von ihm begangenen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten resultiert, dann zurechnen lassen, wenn es um Pflichtverletzungen als Geschäftsführer geht (Bestätigung von VGH München BeckRS 2018, 14541 Rn. 11; BeckRS 2012, 47300 Rn. 10). (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine derartige Untersagungsverfügung erweist sich jedenfalls dann nicht als unverhältnismäßig, weil als milderes Mittel ein Ausschluss des Geschäftsführers von seiner Vertretungsbefugnis in Betracht kommt, wenn die Unzuverlässigkeitsgründe nicht ausschließlich in der Person des Geschäftsführers liegen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 16 S 20.6845 2021-08-19 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin, eine GmbH, wendet sich gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Gewerbeuntersagung.
Mit Bescheid vom 8. Dezember 2020 untersagte die Antragsgegnerin der Antragstellerin ihre bis dahin ausgeübte gewerbliche Tätigkeit, u.a. die Abgabe von Speisen und/oder alkoholfreien Getränken, den Einzelhandel mit Lebensmitteln und Naturkostartikeln sowie Non-Food-Produkten (Ziffer 1. des Bescheids). Die Untersagung wurde auf die Ausübung jeglicher gewerblichen Tätigkeit im stehenden Gewerbe ausgedehnt (Ziffer 2. des Bescheids). In Bezug auf beide Anordnungen wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Ziffer 5. des Bescheids).
Der Bescheid wurde damit begründet, dass die Antragstellerin am 16. September 2020 Umsatzsteuerrückstände beim Finanzamt in Höhe von 37.593,20 € gehabt habe, die bis zum 30. November 2020 gestundet gewesen seien. Die Rückstände beruhten auf Steuerfestsetzungen, weil die Umsatzsteuererklärungen nicht abgegeben worden seien. Die Antragstellerin sei nach Auszug des Vollstreckungsportals vom 30. November 2020 mit drei Einträgen mit dem Vermerk „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“ eingetragen. Sie bediene sich zudem mit Herrn H. eines unzuverlässigen Geschäftsführers. Herr H. sei wegen des vorsätzlichen Inverkehrbringens von nicht sicheren, für den menschlichen Verzehr ungeeigneten Lebensmitteln gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 8, § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB mit Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 12. Mai 2020 zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt worden (Az. 1122 CS 403 Js 119400/20). Außerdem enthalte das Gewerbezentralregister diverse Einträge für Herrn H. aus den Jahren 2013 bis 2019 wegen der Begehung von Ordnungswidrigkeiten (Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Hygienevorschriften und gegen die statistische Auskunftspflicht), die jeweils mit Geldbußen geahndet worden seien, davon eine in Höhe von 2500 €. Auch sei Herr H. nach Auszug des Vollstreckungsportals vom 30. November 2020 dort einmal mit dem Vermerk „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“ eingetragen gewesen und habe am 1. Dezember 2020 Steuerrückstände beim Finanzamt München in Höhe von 2590,56 € gehabt. Die Gewerbetreibende sowie der mit der Leitung des Betriebs beauftragte Geschäftsführer besäßen die erforderliche gewerberechtliche Zuverlässigkeit daher nicht. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1. und 2. des Bescheids sei erforderlich, da aufgrund des bisherigen Verhaltens der Gewerbetreibenden damit zu rechnen sei, dass auch in Zukunft Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften begangen würden. Die Allgemeinheit sei vor Gesundheitsgefährdungen durch das Inverkehrbringen verdorbener oder zum Verzehr nicht mehr geeigneter Lebensmittel zu schützen.
Mit E-Mail vom 15. Dezember 2020 teilte der Geschäftsführer der Antragstellerin, Herr H., der Antragsgegnerin mit, er habe sich entschieden, die Geschäftstätigkeit einzustellen; seine Abberufung als Geschäftsführer und die Bestellung einer neuen Geschäftsführerin seien in Arbeit.
Am 23. Dezember 2020 erhob die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht München Klage gegen den Bescheid und beantragte zudem, deren aufschiebende Wirkung wiederherzustellen. In der Antragsbegründung wurde u.a. mitgeteilt, dass Herr H. mit sofortiger Wirkung nicht mehr Geschäftsführer der Klägerin sei. Zwischenzeitlich sei Frau T. zur Geschäftsführerin bestellt und ihre Eintragung ins Handelsregister am 23. Dezember 2020 beantragt worden.
Am 26. Juli 2021 führte die Antragsgegnerin bei der Antragstellerin eine erneute Hygienekontrolle durch, bei der verschiedene Mängel festgestellt wurden (s. Behördenakte Bl. 168).
Bei einer allgemeinen Betriebskontrolle bei der Antragstellerin am 29. Juli 2021, bei der die Geschäftsführerin Frau T. nicht angetroffen werden konnte, teilten zwei Mitarbeiter der Antragstellerin den Mitarbeitern der Antragsgegnerin mit, Herr H. sei der Chef des Betriebs. Die Antragsgegnerin verlangte daraufhin die Vorlage eines Arbeitsvertrags von Herrn H., seine Gehaltsnachweise und Sozialversicherungsnachweise. Ob diese nachfolgend von der Antragstellerin vorgelegt wurden, lässt sich den vorgelegten Behördenakten nicht entnehmen.
Mit Beschluss vom 19. August 2021 stellte das Verwaltungsgericht München die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Dezember 2020 insoweit wieder her, als der Antragstellerin in Nr. 1 des Bescheids die gewerbliche Tätigkeit „Einzelhandel mit Non-Food-Produkten“ untersagt wurde und in Nr. 2 des Bescheids die Untersagung auch auf gewerbliche Betätigungen ausgedehnt wurde, die nicht den Handel mit oder anderweitiges Inverkehrbringen von Lebensmitteln (inkl. Getränken) sowie die Verarbeitung, Zubereitung oder Herstellung von Lebensmitteln (inkl. Getränken) beinhalten. Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt.
Der Beschluss wurde dem Bevollmächtigten der Antragstellerin am 23. August 2021 zugestellt.
Am 25. August 2021 legte die Antragstellerin Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München beim Verwaltungsgerichtshof ein, soweit sie erstinstanzlich unterlegen war, und begründete diese am 23. September 2021.
Die Antragsgegnerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Die Beschwerde, die sich gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 19. August 2021 richtet, soweit der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin abgelehnt wurde, bleibt ohne Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung im Beschwerdeverfahren beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.
1. Die Antragstellerin rügt, der personelle Wechsel in der Geschäftsführung sei vom Verwaltungsgericht nicht hinreichend berücksichtigt worden. Die in der Beschlussbegründung aufgeführten Sachverhalte einschließlich der Straftaten resultierten ausschließlich aus dem Handeln des aus der Geschäftsführung ausgeschiedenen Geschäftsführers H. Die neu eingetragene Geschäftsführerin T. sei nicht in Erscheinung getreten. Bei der neuerlichen Hygieneüberprüfung seien nur minimale Mängel festgestellt worden, die umgehend beseitigt worden seien. Hierzu wurde ein Schreiben der Frau T. an die Antragsgegnerin vom 9. August 2021 vorgelegt, in dem u.a. ausgeführt wird, im Februar 2021 sei eine Reinigungsfirma damit beauftragt worden, zweimal pro Woche sämtliche Kühlregale, Kühltheken und Kühlhäuser zu reinigen. Weiter trägt die Antragstellerin vor, aufgrund der geänderten Unternehmensführung könne aus der Vergangenheit nicht auf ihr zukünftiges Verhalten geschlossen werden. Deswegen liege ein Ausnahmefall vor, der den Bescheid unverhältnismäßig mache; es fehle an einer zukünftigen Gefährdung der Allgemeinheit. Der Geschäftsführerwechsel sei durch E-Mail vom 15. Dezember 2020 angekündigt worden.
1.1 Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, die Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO begegne keinen Bedenken, weil die Antragstellerin im maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens des angefochtenen Bescheids gewerberechtlich unzuverlässig und die Prognose gerechtfertigt gewesen sei, dass sie ihr Gewerbe auch künftig nicht ordnungsgemäß ausüben werde. Sie habe eine Vielzahl von Umsatzsteuervoranmeldungen und -erklärungen nicht bzw. nicht fristgerecht eingereicht und sei dreimal wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft im Schuldnerverzeichnis eingetragen gewesen. Sie müsse sich auch die persönliche Eintragung ihres Geschäftsführers vom 19. März 2020 zurechnen lassen. Die Unzuverlässigkeit der Antragstellerin ergebe sich zudem aus der persönlichen Unzuverlässigkeit ihres Geschäftsführers vor dem Hintergrund der begangenen Straftat und der Ordnungswidrigkeiten im Bereich der Lebensmittelhygiene (BA Rn. 25 ff.). Der strafrechtlichen Verurteilung liege zugrunde, dass bei einer Kontrolle der Betriebsstätte in der T Str. 102 in München am 7. August 2019 festgestellt worden sei, dass Lebensmittel zur Abgabe an Kunden aufbewahrt und zubereitet worden seien, die aufgrund der im Betrieb herrschenden unhygienischen und ekelerregenden Zustände zum menschlichen Verzehr nicht mehr geeignet gewesen seien. Es seien diverse Mängel u.a. im Hof mit Abfalllager, in der Kühlzelle, im Eingangsbereich/Vorraum der Personaltoilette, in der Personaltoilette, im Lagerbereich, in der Küche und im Zusammenhang mit der Kühlung von Produkten festgestellt worden. Die Tiefkühlzellen seien zum Teil schimmelähnlich verunreinigt gewesen; die Küche sei stellenweise mit schwarzschimmelähnlichen Belägen, alten Fettablagerungen und Mäusekot verunreinigt sowie massiv mit Schaben und anderen Insekten befallen gewesen. Weitere Verstöße gegen die Lebensmittelhygiene seien mit Bußgeldbescheiden vom 7. April 2016, vom 23. Mai 2013, vom 28. Mai 2019 und vom 7. Januar 2020 geahndet worden. Teilweise seien die festgestellten Mängel bei Nachkontrollen durch die Antragsgegnerin noch nicht beseitigt gewesen (BA Rn. 32 ff.). Es könne offenbleiben, ob die Antragsgegnerin den Bescheid zu Recht auch auf die Umsatzsteuerrückstände der Antragstellerin beim Finanzamt gestützt habe. Die Ausführungen zu den Steuerrückständen des Geschäftsführers der Antragstellerin trügen die Gewerbeuntersagungsverfügung dagegen nicht (BA Rn. 36). Der zwischenzeitlich erfolgte personelle Wechsel in der Geschäftsführung ändere nichts an der Rechtmäßigkeit der Gewerbeuntersagung, da es sich hierbei um Entwicklungen nach dem maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Untersagungsverfügung handele und vor Erlass des Bescheids ein solcher nicht angekündigt gewesen sei (BA Rn. 37). Die Gewerbeuntersagung sei auch nicht unverhältnismäßig, zumal die Unzuverlässigkeitsgründe nicht ausschließlich in der Person des Geschäftsführers der Antragstellerin lägen.
Die Anordnung des Sofortvollzugs, die zusätzlich zu der voraussichtlichen Rechtmäßigkeit der Grundverfügung voraussetze, dass die Fortsetzung des Gewerbebetriebs während der Dauer des Rechtsstreits konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lasse, sei rechtmäßig, soweit der Antragstellerin jeder gewerbliche Umgang mit Lebensmitteln und Getränken untersagt worden sei (BA Rn. 22, 46 f.). Das öffentliche Interesse an der sofortigen Abwehr von Gefahren zum Schutz der Gesundheit der Kunden/Verbraucher überwiege das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Interesse der Antragstellerin an der Fortführung ihres Betriebes. Zwar seien für die Beurteilung des Vorliegens konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter auch Umstände relevant, die erst nach Erlass des angefochtenen Bescheids eingetreten seien (BA Rn. 22). Für eine der Antragstellerin günstige prognostische Bewertung schon in der Zeit bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens sei aber nichts dargelegt oder ersichtlich; insbesondere genüge der – von der Antragsgegnerin zu Recht kritisch hinterfragte – Wechsel in der Person des Geschäftsführers nicht. Wie die von der Antragsgegnerin am 26. Juli 2021 durchgeführte Kontrolle zeige, bewirke weder der Wechsel in der Geschäftsführung noch das laufende Gerichtsverfahren bzw. der drohende Sofortvollzug der Gewerbeuntersagung die Einhaltung sämtlicher lebensmittelrechtlicher Hygienevorschriften. Vielmehr seien erneut Verunreinigungen in der Küche und weitere Mängel in verschiedenen Bereichen des Betriebs festgestellt worden (BA Rn. 48).
1.2 Der Vortrag der Antragstellerin verhilft ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg. Es bleibt bereits unklar, ob sich ihre Ausführungen zum Wechsel in der Geschäftsführung auf die voraussichtliche Rechtmäßigkeit der Grundverfügung oder die Anordnung des Sofortvollzugs oder beides beziehen. Unabhängig davon, dass es insoweit an einer konkreten Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts fehlt, greift der Vortrag auch in der Sache nicht durch.
1.2.1 Anders als die Antragstellerin meint, hat das Verwaltungsgericht die voraussichtliche Rechtmäßigkeit der Gewerbeuntersagung nicht nur an Tatbeständen festgemacht, die das Handeln des ausgeschiedenen Geschäftsführers, Herrn H., betreffen. Es hat die Unzuverlässigkeit der Antragstellerin zunächst auf ihre Einträge im Vollstreckungsportal gestützt. Jedenfalls die in den Eintragungen zum Ausdruck kommende mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit der Antragstellerin stellt einen Unzuverlässigkeitsgrund dar, der gerade in der Antragstellerin als juristischer Person liegt (vgl. BayVGH, B.v. 7.6.2018 – 22 ZB 18.807 – juris Rn. 11; B.v. 17.1.2012 – 22 CS 11.1972 – juris Rn. 10). Ob dies auch für die weiter vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte mangelnde bzw. verspätete Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen und -erklärungen gilt, kann dahinstehen. Soweit das Verwaltungsgericht darauf und auf die persönliche Unzuverlässigkeit des früheren Geschäftsführers abgestellt hat, die aus der von ihm begangenen Straftat und den Ordnungswidrigkeiten resultiert, muss sich die Antragstellerin als juristische Person diese jedenfalls zurechnen lassen, weil es insoweit um Pflichtverletzungen als Geschäftsführer der Antragstellerin geht (vgl. BayVGH, B.v. 7.6.2018 – 22 ZB 18.807 – juris Rn. 11; B.v. 17.1.2012 – 22 CS 11.1972 – juris Rn. 10; Ennuschat in Ennuschat/Wank/Winkler, GewO, 9. Aufl. 2020, § 35 Rn. 95). In Bezug auf die Unzuverlässigkeitsgründe in der Person des Geschäftsführers hat das Verwaltungsgericht zu Recht auf den nach ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 17.79 – juris Rn. 25; U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 15) maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Bescheides am 11. Dezember 2020 abgestellt, zu dem der Wechsel in der Geschäftsführung weder angekündigt noch vollzogen war. Dass der Wechsel in der Geschäftsführung wenig später, nämlich am 15. Dezember 2020, angekündigt wurde, spielt insoweit keine Rolle.
Die Untersagungsverfügung ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil als milderes Mittel ein Ausschluss des Geschäftsführers von seiner Vertretungsbefugnis in Betracht gekommen wäre (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 7.6.2018 – 22 ZB 18.807 – juris Rn. 11; BVerwG, B.v. 21.9.1992 – 1 B 127.92 – juris Rn. 4; Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand Februar 2021, § 35 Rn. 65; Ennuschat in Ennuschat/Wank/Winkler, GewO, 9. Aufl. 2020, § 35 Rn. 97). Dies folgt schon daraus, dass – wie das Verwaltungsgericht zu Recht hervorgehoben hat – die Unzuverlässigkeitsgründe nicht ausschließlich in der Person des Geschäftsführers liegen.
1.2.2 Mit Blick auf die Anordnung des Sofortvollzugs ist das Verwaltungsgericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung zu Recht davon ausgegangen, dass die Gesundheitsgefahren für die Allgemeinheit das Interesse der Antragstellerin an der Fortführung des Betriebs überwiegen, und zwar auch unter Berücksichtigung eines Wechsels in der Person des Geschäftsführers. Diese Gefahren erscheinen auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs nicht hinreichend gemindert, um eine positive Prognose für die Dauer des Klageverfahrens stellen zu können (vgl. zu dieser Anforderung auch BayVGH, B.v. 2.7.2014 – 22 CS 14.1186 – juris Rn. 8, 12). Soweit die Antragstellerin unter Vorlage eines Schreibens an die Antragsgegnerin vorträgt, die bei der Kontrolle am 26. Juli 2021 festgestellten Mängel seien umgehend beseitigt worden, würde dies auch bei Wahrunterstellung für eine günstige Zukunftsprognose nicht genügen. Denn der Geschäftsführerwechsel wurde nach dem Vortrag der Antragstellerin Ende des Jahres 2020/Anfang des Jahres 2021 vollzogen. Ungeachtet dessen wurden bei der Kontrolle am 26. Juli 2021 diverse Hygienemängel festgestellt, auch wenn diese nicht so schwerwiegend gewesen sein mögen wie die früher festgestellten Mängel, die zur strafrechtlichen Verurteilung des Herrn H. und den Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen ihn geführt haben. Die Mängel waren aber entgegen dem Vortrag der Antragstellerin nicht so geringfügig, dass sie zu vernachlässigen wären. So wurde festgestellt, dass direkt neben dem Waschbecken ohne Schutz vor Spritzwasser nicht verpackte Lebensmittel zum Verkauf bereitgehalten wurden, die Laufschienen der Tiefkühltruhendeckel verunreinigt waren, der Wandputz über der Gefriertruhe mit der Gefahr einer Kontamination darunter gelagerter Lebensmittel beschädigt war und der Deckenventilator in der Kühlung mit Staubflusen behaftet war, so dass durch die Luftumwälzung eine nachteilige Beeinflussung der gelagerten Lebensmittel nicht auszuschließen war. Weiterhin waren Einlegeböden der Kühltheke im Verkaufsraum beschädigt und dort teilweise Rostrückstände vorhanden. Die Antragstellerin hat vor diesem Hintergrund nicht dargelegt, dass Gesundheitsgefahren für die Allgemeinheit künftig so weitgehend gemindert wären, dass ihr Interesse an der Fortsetzung des Betriebs die Gesundheitsgefahren überwiegen würde. Bei einer solchen Prognose ist auch zu berücksichtigen, dass bis zum Bescheiderlass vielfach schwerwiegende Hygieneverstöße festgestellt worden waren, für die nach der strafrechtlichen Verurteilung und den Bußgeldbescheiden der frühere Geschäftsführer der Antragstellerin verantwortlich war, und nach den Feststellungen der Antragsgegnerin bei ihrer allgemeinen Betriebskontrolle am 29. Juli 2021 zweifelhaft ist, ob der Wechsel in der Person des Geschäftsführers faktisch wirklich vollzogen worden ist.
2. In Bezug auf die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung bestreitet die Antragstellerin zudem ihre mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit im Zeitpunkt des Bescheiderlasses. Sie sei Anfang Dezember 2020 in der Lage gewesen, Verbindlichkeiten zurückzuführen, und habe dies auch getan.
Soweit das Verwaltungsgericht seinen Beschluss auf die Eintragungen der Antragstellerin im Vollstreckungsportal und damit deren mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit im Zeitpunkt des Bescheiderlasses gestützt hat (s.o. 1.1), kann die Antragstellerin dem mit ihrem pauschalen Vortrag nicht entgegentreten, der sich mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht auseinandersetzt.
3. Die Antragstellerin möchte die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung weiter mit dem Argument in Zweifel ziehen, sie könne nicht auf die Möglichkeit eines Antrages auf Wiedergestattung nach § 35 Abs. 6 GewO verwiesen werden, da dies eine erhebliche Unterbrechung der Geschäftstätigkeit zur Folge habe und unverhältnismäßig sei, zumal die Mitarbeiter und die Nahversorgung im Bereich des Geschäftssitzes betroffen seien.
Das Verwaltungsgericht ist demgegenüber zu Recht davon ausgegangen, dass die Gewerbeuntersagung – auch unabhängig von den bereits oben unter Ziffer 1.2.1 erörterten Fragen des Geschäftsführerwechsels – nicht unverhältnismäßig ist. Nach der Rechtsprechung könne eine den gesetzlichen Anforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO entsprechende Gewerbeuntersagung allenfalls in extremen Ausnahmefällen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Anhaltspunkte dafür seien nicht ersichtlich (BA Rn. 38).
Dem nunmehrigen Vortrag der Antragstellerin ist nichts Entgegenstehendes zu entnehmen, zumal die Betroffenheit von Mitarbeitern eine regelhafte Folge einer Gewerbeuntersagung sein kann und hier keine Gesichtspunkte erkennbar sind, die diese deshalb ausnahmsweise unverhältnismäßig erscheinen lassen würden.
4. Soweit die Antragstellerin schließlich zur Begründung ihrer Beschwerde pauschal auf die erstinstanzliche Antragsbegründung verweist, genügt dies nicht den Anforderungen an die Darlegung der Beschwerdegründe nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO, da es an einer Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung fehlt (vgl. hierzu Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 22a f.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit der Empfehlung in Nr. 54.2.2, Nr. 1.5 Satz 1, Nr. 1.7.2 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Eine Absenkung des Streitwerts im Vergleich zum erstinstanzlichen Verfahren kam trotz des teilweisen Obsiegens der Antragstellerin in der ersten Instanz und der Beschränkung der Beschwerde auf den übrigen Teil des Verfahrens nicht in Betracht, weil die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin durch das Verwaltungsgericht einen Teil der Sofortvollzugsanordnung der Antragsgegnerin umfasst, der nach den Maßgaben der Nrn. 54.2.1 und 54.2.2 des Streitwertkatalogs keine eigene Bedeutung hat.
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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