Verwaltungsrecht

Rechtmäßigkeit einer periodischen dienstlichen Beurteilung – Anforderungen an einen Antrag auf Zulassung der Berufung

Aktenzeichen  3 ZB 15.1239

Datum:
27.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 17229
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3
GG Art. 33 Abs. 2
LlbG Art. 58, Art. 59

 

Leitsatz

1. Gegen eine beurteilungsrechtliche Organisationsverfügung, mit der mehrere Dienststellen zu einem Sprengel zusammengefasst werden, um für die Erstellung einer Leistungsrangfolge auf eine hinreichend große Vergleichsgruppe zurückgreifen zu können, ist rechtlich nichts einzuwenden. (Rn. 5 – 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Rüge der Beweiswürdigung muss substantiiert darlegen, dass die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Allein die bloße Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisaufnahme rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
3. Soll nach einer Verwaltungsvorschrift die Behördenleitung den unmittelbaren Vorgesetzten mit der Erstellung eines Beurteilungsentwurfs beauftragen, so wird dieser Vorschrift Genüge getan, wenn der nächsthöhere Vorgesetzte beauftragt wird und dieser dann den von ihm erstellten Beurteilungsentwurf mit dem unmittelbaren Vorgesetzten abspricht. (Rn. 11 – 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 2 K 14.1574 2015-04-16 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000,- €
festgesetzt.

Gründe

Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) sowie des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Solche sind nur zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit dieser Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Aufhebung der periodischen dienstlichen Beurteilung 2014 und Neubeurteilung abgewiesen, weil diese formell und materiell rechtmäßig sei. Der Kläger, der als PHM (BesGr A9) bei der APS M. im Dienst des Beklagten steht, sei vom zuständigen Beurteiler, dem Leiter der VPI N.-U., EPHK H., im Rahmen der von ihm vorgenommenen Reihung der Beamten der BesGr A9 mit 10 Punkten im Gesamturteil beurteilt worden. Er habe die unmittelbaren Vorgesetzten des Klägers beteiligt, indem er den Leiter der APS M., EPHK F., mit der Erstellung eines Beurteilungsentwurfs beauftragt habe, der sich mit dem Dienstgruppenleiter des Klägers, PHK R. abgesprochen habe; dieser habe auch sein Einverständnis mit der Beurteilung erklärt. Der Beurteiler habe die Beurteilung auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage in eigener Verantwortung erstellt. Diese sei inhaltlich plausibel und nachvollziehbar. Das gefundene Gesamturteil stehe nicht im Widerspruch zur Bewertung der Einzelmerkmale. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Die hiergegen innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgebrachten Einwände begründen keine ernstlichen Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
(1) Soweit der Kläger meint, es sei zweifelhaft, ob eine Sprengelbildung im Rahmen der Reihung der Beamten der BesGr A9 im Bereich der VPI N.-U. überhaupt zulässig gewesen sei, weil es keine entsprechende Organisationsverfügung hierzu gebe, legt er schon nicht substantiiert dar, inwiefern sich das Fehlen einer solchen Verfügung (negativ) auf seine Beurteilung ausgewirkt haben sollte. Im Übrigen hat der Beklagte unwidersprochen erklärt, dass die Bildung von Sprengeln im Bereich der VPI N.-U. im Rahmen der Beurteilungsrunde 2014 auf der Organisationsverfügung des PP Sch. S/W vom 10. März 2010 (Nr. PV2 -6323) beruht habe. Darin sei die Bildung von Sprengeln angeordnet worden, um für die Erstellung einer Leistungsrangfolge auf eine ausreichend große Vergleichsgruppe mit mindestens 25 Beamten der gleichen Besoldungsgruppe zurückgreifen zu können. Hierfür sei es notwendig gewesen, mehrere Dienststellen zu einem Sprengel zusammenzufassen.
Gegen die Bildung solcher, mehrere nachgeordnete Dienststellen umfassenden Sprengel, um eine hinreichend große Vergleichsgruppe (vgl. dazu BayVGH, U.v. 17.12.2015 – 3 BV 13.773 – juris Rn. 9) zu erhalten, ist rechtlich nichts zu erinnern. Beurteilungen bei der Polizei werden „von unten nach oben“ erstellt. Hierfür werden zunächst die dem Polizeipräsidium unmittelbar nachgeordneten Dienststellen (d.h. Inspektionen und Kriminalfachdezernate, Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 POG) gebeten, eine interne Reihung der zu beurteilenden Beamten, getrennt nach dem jeweiligen Statusamt nach Besoldungsgruppen, vorzulegen. Bei der internen Reihung auf Dienststellenebene werden sämtliche unmittelbaren Vorgesetzten des Beamten eingebunden. Nach dieser Reihung auf Dienststellenebene werden zur besseren Vergleichbarkeit die internen Dienststellenreihungen auf Sprengelebene miteinander „verzahnt“, indem die zu beurteilenden Beamten auf der Ebene der zu diesem Zweck gebildeten Reihungssprengel gereiht werden. Die so erstellten Sprengelreihungen, die die Dienststellenreihungen widerspiegeln, werden dann zu einer endgültigen Reihung auf der Inspektionsebene zusammengeführt (vgl. BayVGH, U.v. 7.5.2014 – 3 BV 12.2594 – juris Rn. 55). Der Beurteiler hat bestätigt, dass auch im Fall des Klägers so verfahren worden ist (S. 3 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 16.4.2015).
(2) Soweit der Kläger behauptet, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe die durchgeführte Beweisaufnahme, bei der EPHK H. und EPHK F. als Zeugen zum Zustandekommen und zum Inhalt der Beurteilung angehört wurden, ergeben, dass der Beurteiler die dienstliche Beurteilung des Klägers nicht in eigener Verantwortung aufgrund eigenen Ermessens erstellt habe, sondern sich an die auf der Sprengelebene getroffene Absprache, dem Kläger 10 Punkte im Gesamturteil zu geben, gebunden gefühlt habe, wendet er sich gegen die Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ohne substantiiert darzulegen, dass die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Allein die bloße Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisaufnahme rechtfertigt die Zulassung der Berufung jedoch nicht.
Das Verwaltungsgericht ist aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass die Beurteilung des Klägers auf eigenen Erkenntnissen des Beurteilers beruhe. Zwar habe dieser erklärt, den Kläger ursprünglich selbst nicht persönlich gekannt zu haben. Bei der Einschätzung habe er sich daher auf den Beurteilungsvorschlag des Leiters der APS M. verlassen, der den Kläger seit langem persönlich kenne und mit ihm zusammenarbeite. Zudem seien die zu beurteilenden Beamten mehrfach besprochen worden. An der Reihung des Klägers habe er selbst mitgewirkt. Anhaltspunkte dafür, dass er sich an die auf Sprengelebene vereinbarte Reihung des Klägers gebunden gefühlt haben könnte, würden nicht vorliegen.
Diese Einschätzung ist nicht zu beanstanden. Die Beurteilung muss nicht aufgrund (unmittelbar) eigener Erkenntnisse des Beurteilers vorgenommen werden. Dieser kann für seine Beurteilung vielmehr auch die Erkenntnisse Dritter wie insbesondere der unmittelbaren Vorgesetzten teilweise oder ganz übernehmen, um sich diese für seine Bewertung zu eigen zu machen. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, wenn zunächst eine Reihung der zu beurteilenden Beamten auf Sprengelebene erstellt und sodann die Gesamtprädikate für die einzelnen Beamten in Übereinstimmung mit der erfolgten Reihung festgelegt werden. Danach vergibt der unmittelbare Vorgesetzte die Punkte für die Einzelmerkmale. Der Beurteiler hat den Beurteilungsvorschlag anschließend nochmals auf Nachvollziehbarkeit und Schlüssigkeit durchzusehen und auf dieser Grundlage die endgültige Beurteilung vorzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 18.12.2013 – 3 ZB 11.47 – juris Rn. 10).
Dass dies vorliegend nicht der Fall gewesen wäre, hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt. Wenn er diesbezüglich moniert, der Beurteiler habe nicht deutlich machen können, wie er zu einem Gesamturteil von 10 Punkten gekommen sei, hat dieser erklärt, dass er sich bei der Vergabe von 10 Punkten – zulässigerweise – auf den Vorschlag des Dienststellenleiters, EPHK F., verlassen habe; der der Beurteilung zugrunde liegende Maßstab ergibt sich insoweit aus dem Gesetz (vgl. Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 58, 59 LlbG). Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn der Beurteiler anhand der von ihm übernommenen Einschätzung, die Arbeitsleistung des Klägers sei v.a. hinsichtlich der Arbeitsmenge nicht ausreichend, die Fachkenntnisse des Klägers seien allenfalls mittelmäßig und es hätten Defizite bei der Einsatzbereitschaft bestanden, für diese Einzelmerkmale nur 8, 10 bzw. 9 Punkte vergeben hat. Auch das Gesamturteil von 10 Punkten folgt aus der Bewertung der Einzelmerkmale. Dagegen kann der Kläger nicht einwenden, es erschließe sich nicht, weshalb 10 und nicht etwa 11 oder auch nur 9 Punkte vergeben worden seien. Diese Einschätzung obliegt allein dem Beurteiler im Rahmen seines Beurteilungsspielraums. Aus der Antwort des Beurteilers auf Frage des Klägerbevollmächtigten, ob eine Änderung der Reihung infolge eines besonderen Ereignisses möglich wäre, was dieser nachvollziehbar für den Fall, dass ein sachlicher Grund hierfür gegeben sei, bejaht hat, kann nicht der Schluss gezogen werden, dass er sich im Übrigen an die Reihung gebunden gefühlt habe.
(3) Soweit der Kläger schließlich rügt, dass der unmittelbare Vorgesetzte des Klägers als Dienstgruppenleiter, PHK R., entgegen Nr. 10.1 Satz 3 Abschnitt 3 VV-BeamtR nicht mit der Erstellung des Beurteilungsentwurfs beauftragt worden sei, legt er schon nicht substantiiert dar, inwiefern die Erstellung eines Beurteilungsvorschlags durch diesen zu einer besseren Beurteilung geführt hätte. Im Übrigen ist es nicht zu beanstanden, wenn der Dienststellenleiter sich bei Erstellung des Entwurfs mit dem Dienstgruppenleiter abgesprochen hat, der laut Beurteilungsformular auch keine Einwände gegen die Beurteilung erhoben hat. Unabhängig davon, dass es sich bei der Vorschrift um eine Soll-Bestimmung handelt, die nur im Regelfall einzuhalten ist, und auch EPHK F. als Dienststellenleiter als unmittelbarer Vorgesetzter des Klägers i.S.d. genannten Norm anzusehen ist (vgl. BayVGH, U.v. 17.12.2015 – 3 BV 13.773 – juris Rn. 16), ist der erforderlichen Beteiligung des Dienstgruppenleiters jedenfalls mit seiner Anhörung durch den Dienststellenleiter bei der Erstellung des Vorschlags Genüge getan worden (vgl. BayVGH, U.v. 7.5.2014 – 3 BV 12.2594 – juris Rn. 44).
2. Die vom Kläger als grundsätzlich bezeichnete Frage, ob Nr. 10.1 Satz 3 Abschnitt 3 VV-BeamtR Genüge getan wird, wenn nicht der unmittelbare Vorgesetzte des zu beurteilenden Beamten mit der Erstellung eines Beurteilungsentwurfs beauftragt wird, sondern der nächsthöhere Vorgesetzte, und dieser dann den von ihm erstellten Beurteilungsentwurf mit dem unmittelbaren Vorgesetzten abspricht, lässt sich aufgrund der unter 1.(3) gemachten Ausführungen bejahen, ohne dass es hierfür der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
3. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG (wie Vorinstanz).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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