Verwaltungsrecht

Rechtmäßigkeit einer Versetzung

Aktenzeichen  6 CS 21.198

Datum:
18.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6118
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1, § 146 Abs. 4 S. 1, S. 6
BBG § 28 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, § 44, § 61 Abs. 1, § 78, § 92 Abs. 1 Nr. 1b, § 126 Abs. 4
PostPersRG § 2 Abs. 2 S. 2, § 4 Abs. 1, § 28 Abs. 1, § 29
BetrVG § 3 Abs. 1
TVG § 1 Abs. 1, Abs. 2, § 3 Abs. 2, § 5
BPersVG § 71, Abs. 4, § 77 Abs. 2
GG Art 143 b Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

1. Bei der Verfügung, mit der eine bei einem Postnachfolgeunternehmen beschäftigte Beamtin nach dem Ende einer Beurlaubung für eine Beschäftigung bei einem Tochterunternehmen (erstmalig) zur Erfüllung ihres Anspruchs auf eine amtsangemessene Beschäftigung in eine andere Organisationseinheit versetzt werden soll, ist der Betriebsrat nach Maßgabe von § 28 Abs. 1, § 29 PostPersRG zu beteiligen. Gemeint ist der zum Zeitpunkt der Versetzungsverfügung für diejenige Organisationseinheit zuständige Betriebsrat, welcher der Beamte vor der beabsichtigten Versetzung zugeordnet ist, also der Betriebsrat des abgebenden Unternehmens, nicht etwa der Gesamt- oder Konzernbetriebsrat.Daneben ist der Betriebsrat des aufnehmenden Unternehmens zu beteiligen. (Rn. 14 und 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Verfolgt eine Versetzung das Ziel, einer seit geraumer Zeit beschäftigungslosen, aber voll alimentierten Beamtin eine (Dauer-)Beschäftigung zu vermitteln, liegt diese nicht nur im betriebswirtschaftlichen Interesse der Antragsgegnerin, eine Gegenleistung für die fortlaufend gezahlten Bezüge zu erhalten, sondern auch im öffentlichen Interesse an einer sachgerechten und reibungslosen Aufgabenwahrnehmung. Durch sie wird zudem der Beschäftigungsanspruch der Antragstellerin aus Art. 33 Abs. 5 GG erfüllt und damit ein rechtswidriger Zustand beseitigt. Die Versetzung ist auch dann rechtmäßig, wenn sie der privaten Entscheidung zur Pflege eines Angehörigen zuwiderläuft.(Rn. 24 und 31) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 1 S 19.2668 2020-12-30 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 30. Dezember 2020 – RN 1 S 19.2668 – wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die 1963 geborene Antragstellerin steht als Beamtin im statusrechtlichen Amt einer Postamtsrätin (BesGr A 12) im Dienst der Antragsgegnerin und ist der D2. T1. AG (Telekom) zugeordnet. Bis Ende 2018 war sie für eine Tätigkeit bei der S. GmbH in M. beurlaubt, wo sie aufgrund einer arbeitsvertraglichen Regelung einen Teleheimarbeitsplatz in Anspruch genommen hatte. Nachdem die Antragstellerin dieses Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2018 gekündigt hatte, befindet sie sich seit dem 1. Januar 2019 wieder im aktiven Beamtenverhältnis. Seit diesem Zeitpunkt geht die Antragstellerin keiner dienstlichen Beschäftigung mehr nach.
Sie wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen ihre mit Bescheid vom 25. September 2019 verfügte Versetzung zur Organisationseinheit TPS mit Übertragung eines mit A 12 bewerteten Personalpostens „Senior Referentin Projektmanagement“ im Bereich Business Projects am Dienstort D. (Hessen) mit Wirkung zum 1. Februar 2020.
Über den gegen diese Verfügung eingelegten Widerspruch wurde bislang noch nicht entschieden. Die Antragstellerin machte geltend, die Versetzung sei sowohl formell als auch materiell rechtswidrig. Insbesondere könne ihr eine Beschäftigung in dem 453 km vom Wohnort entfernten Dienstort D. aufgrund der gesundheitlichen Verfassung und Lebenssituation ihrer 1996 geborenen, schwerbehinderten (GdB 100) und pflegebedürftigen (Pflegegrad 3) Tochter nicht zugemutet werden. Die Tochter, deren Betreuerin sie sei, sei auf eine ständige Betreuung durch ihr vertraute Bezugspersonen angewiesen. Sie habe glücklicherweise in einem Altenheim in E. einen Arbeitsplatz (20 Wochenstunden) gefunden, den sie bei einem Umzug mit der Antragstellerin verlieren würde. Dies hätte, wie Erfahrungen in der Vergangenheit gezeigt hätten, erhebliche psychische Probleme bei der Tochter zur Folge.
Den Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Versetzungsverfügung anzuordnen, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 30. Dezember 2020 abgelehnt.
Mit der hiergegen eingelegten Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz weiter.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, aber unbegründet.
Die mit der Beschwerde innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgebrachten Gründe, auf deren Überprüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen es nicht, in Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Versetzungsverfügung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anzuordnen.
Vielmehr fällt die auf der Grundlage des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung auch in Ansehung des Beschwerdevorbringens zu Lasten der Antragstellerin aus. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse der Antragstellerin, ihrer Versetzung vorerst bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht Folge leisten zu müssen. Die streitige Versetzung ist – bei der im Eilverfahren angezeigten, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung – wohl rechtmäßig (1.). Das Interesse der Antragstellerin wiegt nicht so schwer, um gleichwohl abweichend von der gesetzlichen Grundregelung des § 126 Abs. 4 BBG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen und sie dadurch vorläufig von der Befolgungspflicht zu entbinden (2.).
1. Die Versetzung der Antragstellerin zur Organisationseinheit TPS auf einen Personalposten am Dienstort D. ist wohl rechtmäßig.
Rechtsgrundlage der streitigen Verfügung ist § 28 Abs. 2 Satz 1 BBG. Danach ist eine Versetzung aus dienstlichen Gründen ohne Zustimmung des Beamten zulässig, wenn das neue Amt mit mindestens demselben Endgrundgehalt verbunden ist wie das bisherige Amt und die Tätigkeit aufgrund der Vorbildung oder Berufsausbildung zumutbar ist. Diese für Bundesbeamte allgemein geltende Vorschrift findet gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 PostPersRG auch auf die Beamten Anwendung, die – wie die Antragstellerin – bei den Postnachfolgeunternehmen beschäftigt und als solche Bundesbeamte sind (vgl. Art. 143b Abs. 3 Satz 1 GG). Bei der in Rede stehenden Personalmaßnahme handelt es sich um eine Versetzung in diesem Sinn. Zwar spricht die gesetzliche Definition des § 28 Abs. 1 BBG von der „Übertragung eines anderen Amtes bei einer anderen Dienststelle“. Bei Beamten der Postnachfolgeunternehmen, deren berufliche Tätigkeit (lediglich) als Dienst gilt (§ 4 Abs. 1 PostPersRG), tritt indes an die Stelle des Amts der neue (abstrakt zu verstehende) Aufgabenbereich und an die Stelle des Dienststellenwechsels der Betriebswechsel (vgl. OVG Saarl, B.v. 19.1.2017 – 1 B 310/16 – juris Rn. 4 ff. m.w.N.). Demnach handelt es sich bei der streitigen Maßnahme um eine Versetzung, weil sie der seit dem 1. Januar 2019 beschäftigungslosen Antragstellerin den neuen (abstrakten) Aufgabenbereich einer „Senior Referentin Projektmanagement“ bei der Organisationseinheit TPS am Dienstort D. überträgt.
a) Die Zuweisungsverfügung ist entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht wegen unzureichender Beteiligung des Betriebsrates formell rechtswidrig.
aa) Die Antragstellerin hält den für den abgebenden Betrieb beteiligten Betriebsrat der CSS (Civil Servants Services) für unzuständig und führt zur Begründung aus: Seit Beginn ihrer Beurlaubung 1996 sei sie Angehörige der Niederlassung Personalbetreuung für zu Inlandstöchtern beurlaubte Mitarbeiter (PBM-NL). Diese Einheit gehöre, was sich aus zahlreichen verwaltungsgerichtlichen Beschlüssen ergebe, organisatorisch zum Betrieb „Civil Servant Matters/Health & Safety“ (CSH), so dass der Betriebsrat CSH und nicht der Betriebsrat CSS zu beteiligen gewesen wäre. Der von der Telekom und der Gewerkschaft Ver.di abgeschlossene Zuordnungstarifvertrag vom 19. Juni 2019, wonach der Betriebsrat CSS die Beteiligungsrechte bei Maßnahmen und Entscheidungen gegenüber den der Stamm-Organisation PBM-NL zugeordneten Mitarbeitern wahrnimmt, könne an der gesetzlichen Konzeption der dienstrechtlichen Zuordnung von Beamten*innen zu Betrieben nichts ändern.
Dieses Vorbringen greift nicht durch. Vielmehr ist mit dem Betriebsrat des Betriebs CSS nach summarischer Prüfung der mit Blick auf den abgebenden Betrieb zuständige Betriebsrat beteiligt worden. Das ergibt sich aus den einschlägigen betriebsverfassungsrechtlichen und tarifvertraglichen Regelungen.
Bei der Verfügung, mit der eine bei einem Postnachfolgeunternehmen beschäftigte Beamtin – wie die Antragstellerin – nach dem Ende einer Beurlaubung für eine Beschäftigung bei einem Tochterunternehmen (erstmalig) zur Erfüllung ihres Anspruchs auf eine amtsangemessene Beschäftigung in eine andere Organisationseinheit versetzt werden soll, ist – zum einen – der Betriebsrat nach Maßgabe von § 28 Abs. 1, § 29 PostPersRG zu beteiligen. Gemeint ist der zum Zeitpunkt der Versetzungsverfügung für diejenige Organisationseinheit zuständige Betriebsrat, welcher der Beamte vor der beabsichtigten Versetzung zugeordnet ist, also der Betriebsrat des abgebenden Unternehmens, nicht etwa der Gesamt- oder Konzernbetriebsrat (vgl. OVG NW, B.v. 7.11.2012 – 1 B 849/12 – juris Rn. 10; NdsOVG, B.v. 2.1.2013 – 5 ME 187/12 – juris Rn. 9 ff.).
Unstreitig war die Antragstellerin der Organisationseinheit PMB-NL zugeordnet. Diese war zwar in der Vergangenheit dem Betrieb CSH zugeordnet; nach dem Vortrag der Antragsgegnerin war dieser Betrieb zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Versetzungsverfügung (25.9.2019) aber nicht mehr existent. Er ist vielmehr mit Ablauf des 30. Juni 2019 aufgelöst und in zwei Betriebsteile (CSH-H& S und CSH-CSM) aufgespalten worden, die dann zum 1. Juli 2019 jeweils in unterschiedliche Betriebe der Telekom (GHQ/COM/GLS/HR PCI und CSS) eingegliedert wurden. Damit gab es ab diesem Zeitpunkt auch den Betriebsrat des Betriebes CSH nicht mehr.
Nach der Regelung in § 8a des Zuordnungstarifvertrages vom 19. Juni 2019 nimmt stattdessen nunmehr der Betriebsrat des Betriebes CSS die Beteiligungsrechte der der Organisationseinheit PMB-NL zugeordneten Mitarbeiter (auf „abgebender Seite“) wahr. Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser tarifvertraglichen Regelung bestehen nicht. Den Tarifparteien ist in dem durch § 3 BetrVG bestimmten Umfang die Ausgestaltung der Repräsentationsstrukturen der Arbeitnehmer in der Betriebsverfassung abweichend von den organisatorischen Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes eröffnet. Im Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 BetrVG bedürfen Tarifnormen, mit denen die betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstruktur ausgestaltet wird, keiner staatlichen Zustimmung oder etwa einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung nach § 5 TVG (vgl. BAG, B.v. 29.7.2009 – 7 ABR 27/08). Der Abschluss eines Tarifvertrags nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG unterliegt lediglich den allgemeinen tarifrechtlichen Voraussetzungen. Erforderlich sind danach die Tariffähigkeit und die Tarifzuständigkeit der abschließenden Arbeitnehmerkoalition für die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer und die Beachtung des Schriftformerfordernisses des § 1 Abs. 2 TVG. Diese Voraussetzungen liegen unstreitig vor.
Nach der Gesetzesbegründung sollten mit der seit 2001 geltenden Fassung des § 3 BetrVG den „Beteiligten vor Ort“ weitreichende und flexible Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt werden, damit sie mit Hilfe von Vereinbarungslösungen Arbeitnehmervertretungen im Bereich der betrieblichen Mitbestimmung schaffen können, die auf die besondere Struktur des jeweiligen Betriebs, Unternehmens oder Konzerns zugeschnitten sind. Die nach dieser Vorschrift vereinbarten betriebsverfassungsrechtlichen Tarifnormen gelten auch für die Arbeitnehmer, die nicht Mitglied der abschließenden Gewerkschaft sind. Nach § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 2 TVG ist für die unmittelbare und zwingende Wirkung von betrieblichen und betriebsverfassungsrechtlichen Tarifnormen die Tarifbindung des Arbeitgebers ausreichend (vgl. BAG, B.v. 29.7.2009 – 7 ABR 27/08).
In dem nach § 29 Abs. 3 PostPersRG durchgeführten Einigungsstellenverfahren haben die Telekom und der Betriebsrat CSS nach eingehender Erörterung einvernehmlich im Wege der Einigung beschlossen, dass die streitgegenständliche Versetzung der Antragstellerin erst zum 1. Februar 2020 erfolgt. Damit liegt die Zustimmung des Betriebsrats des abgebenden Betriebes vor.
bb) Auch der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebes TPS ist ordnungsgemäß beteiligt worden.
In dem nach Verweigerung der Zustimmung des Betriebsrates TPS eingeleiteten Einigungsstellenverfahren haben sich die Telekom und der Betriebsrat TPS darauf geeinigt, dass (auch) für das Mitbestimmungsverfahren hinsichtlich der Versetzung der Antragstellerin der rechtskräftige Ausgang der näher bezeichneten Musterverfahren in den tatsächlich und rechtlich gleichgelagerten sogenannten Strabag-Rückkehrer-Konstellationen maßgeblich sein soll. Feststellend wird zudem festgehalten, dass die streitgegenständliche Zustimmungsverweigerung nach gegenwärtigem Rechtsstand nicht auf einem gesetzlich zugelassenen Zustimmungsverweigerungsgrund beruht und daher einstweilen (vorbehaltlich einer gerichtlichen Aufhebung der in den Musterverfahren ergangenen Einigungsstellenbeschlüsse) der beabsichtigten Versetzung der Antragstellerin nicht entgegensteht. Vereinbart wurde ebenfalls, dass die Versetzung (auch) der Antragstellerin zu TPS am Standort D. ebenso wie der projektbezogene Einsatz bei ISS/Strabag zum nächstmöglichen Zeitpunkt erfolgt.
Die Beschwerde macht geltend, die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats TPS sei durch diese vergleichsweise erzielte Einigung im Einigungsstellenverfahren vom 28. Mai 2019 nicht ersetzt worden. Ein verbindlicher Beschluss der Einigungsstelle, dass kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung im Sinn des § 77 Abs. 2 BPersVG vorlag, fehle; es sei lediglich ein Vergleich abgeschlossen worden. Dieser führe aber nicht zu einer Bindung der Beteiligten. Nur in Konstellationen, in denen die Einigungsstelle durch Beschluss entschieden habe, seien die Beteiligten an den Beschluss gebunden. Das trifft jedoch nicht zu.
Das Einigungsstellenverfahren stellt ein gesondertes Instrument der betrieblichen Streitbeilegung dar. Ziel dieses Verfahrens ist die Schlichtung eines Mitbestimmungskonflikts. Entsprechend der Bezeichnung dieses betrieblichen Konfliktlösungsorgans ist die Einigung der Betriebsparteien das Ziel des Verfahrens. Eine gütliche einvernehmliche Regelung beendet daher ebenso wie der ansonsten erforderliche Beschluss der Einigungsstelle das Verfahren. Die einem Beschluss gemäß § 71 Abs. 4 BPersVG zukommende Bindungswirkung bedeutet (lediglich), dass die (streitige) Entscheidung der Einigungsstelle die gleiche Bedeutung hat als wenn sich die Betriebsparteien auf sie geeinigt hätten.
b) Die Versetzung ist auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Versetzung sind, wovon auch das Verwaltungsgericht ausgegangen ist, erfüllt.
aa) Es bestehen – gewichtige – dienstliche Gründe für die Versetzung. Diese verfolgt wesentlich auch das Ziel, der seit geraumer Zeit beschäftigungslosen, aber voll alimentierten Antragstellerin eine (Dauer-)Beschäftigung zu vermitteln (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2018 – 6 ZB 18.324 – juris Rn. 7; B.v. 23.3.2017 – 6 B 16.1627 – juris Rn. 32; B.v. 9.7.2014 – 6 ZB 13.1467 – juris Rn. 10 m.w.N.). Die Versetzung liegt in einem solchen Fall nicht nur im betriebswirtschaftlichen Interesse der Antragsgegnerin, eine Gegenleistung für die fortlaufend gezahlten Bezüge zu erhalten, sondern auch im öffentlichen Interesse an einer sachgerechten und reibungslosen Aufgabenwahrnehmung. Durch sie wird der Beschäftigungsanspruch der Antragstellerin aus Art. 33 Abs. 5 GG erfüllt und damit ein – seit 1. Januar 2019 andauernder – rechtswidriger Zustand beseitigt.
Der der Antragstellerin bei der TPS übertragene Personalposten einer „Senior Referentin Projektmanagement im Bereich Business Projects“ entspricht ihrem Statusamt der Besoldungsgruppe A 12.
bb) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin hat die Telekom ihr durch § 28 Abs. 2 BBG eröffnetes Versetzungsermessen auch unter Berücksichtigung der persönlichen Belange der Antragstellerin wohl ohne Rechtsfehler ausgeübt. Insbesondere erscheint die Versetzung der Antragstellerin nach allgemeinen beamtenrechtlichen Grundsätzen zumutbar, obwohl der neue Dienstort D. etwa 450 km von ihrem Wohnort entfernt liegt, mithin ein tägliches Pendeln ausscheidet und ein Umzug oder die Begründung einer Nebenwohnung erforderlich wird.
(1) Ein Bundesbeamter muss nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die mit der Möglichkeit der Versetzung generell unvermeidlich verbundenen persönlichen, familiären und auch finanziellen Belastungen mit seinem Dienstantritt in Kauf nehmen. Das gilt insbesondere auch für die Belastungen, die auf einem Ortswechsel durch das ganze Bundesgebiet beruhen, denn jeder Bundesbeamte muss grundsätzlich damit rechnen, an verschiedenen Dienstorten in der Bundesrepublik Deutschland eingesetzt zu werden (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2018 – 6 ZB 18.324 – juris Rn. 10; B.v. 23.3.2017 – 6 B 16.1627 – juris Rn. 31; 24.7.2014 – 6 ZB 12.2055 juris Rn. 9; OVG NW, B.v. 30.9.2014 – 1 B 1001/14 – juris Rn. 21). Der Dienstherr hat zwar bei beabsichtigten Personalmaßnahmen die sich aus der Lage der bisherigen Wohnung für den Betroffenen und gegebenenfalls auch seine Familie ergebenden Belastungen im Rahmen seiner Fürsorgepflicht (§ 78 BBG) zu berücksichtigen. Im Regelfall muss aber der durch eine seinen Dienstort verändernde Personalmaßnahme betroffene Beamte Nachteile, die sich aus dem Erfordernis des Ortswechsels ergeben, im Hinblick auf den Grundsatz der Versetzbarkeit eines Beamten als wesentlicher Bestandteil seiner Pflicht zur Dienstleistung (vgl. § 61 Abs. 1 BBG) grundsätzlich hinnehmen. Das gilt umso mehr, wenn die Personalmaßnahme – wie hier – wesentlich auch das Ziel verfolgt, einem zuletzt beschäftigungslosen, aber voll alimentierten Beamten eine dauerhafte Beschäftigung zu übertragen (BayVGH, B.v. 23.3.2017 – 6 B 16.1627 – juris Rn. 32).
Einen etwaigen schlechten Gesundheitszustand des Beamten oder eines Familienangehörigen, der die Belastung durch einen Ortswechsel verstärken würde, muss der Dienstherr in seine Abwägung einbeziehen. Die Wahrscheinlichkeit einer erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigung wird der Dienstherr im Allgemeinen nicht in Kauf nehmen dürfen. Dagegen muss ihn nicht jede Möglichkeit einer solchen Gesundheitsbeeinträchtigung von einer Versetzung aus dienstlichen Gründen abhalten. Dass ein – nicht gewünschter – Ortswechsel den Beamten und seine Familie belastet und auch gesundheitlich ungünstiger ist als der gewünschte Verbleib am bisherigen Ort, liegt im Rahmen der regelmäßigen Nachteile einer Versetzung, die grundsätzlich in Kauf genommen werden müssen (Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, BBG 2009 § 28 Rn. 80 m.w.N.).
(2) In Anwendung dieses – strengen – gesetzlichen Maßstabs durfte und darf die Telekom wohl davon ausgehen, dass der Antragstellerin die Versetzung und der damit zwangsläufig verbundene Ortswechsel zumutbar sind.
Dem steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin in ihrem Haushalt ihre 1996 geborene (volljährige) körperlich schwerbehinderte (GdB 100) und pflegebedürftige (Pflegegrad 3) Tochter betreut. Dabei steht außer Frage, dass ein mit der Versetzung zwangsläufig verbundener Ortswechsel erhebliche Auswirkungen auf die Lebenssituation der Antragstellerin und insbesondere ihrer Tochter haben dürfte. Denn am bisherigen Wohnort ist ein stabiles und eingespieltes Betreuungsnetzwerk vorhanden. Die bisherige Form der Betreuung und Pflege kann bei einer Versetzung an einen 450 km entfernten Arbeitsort nicht fortgeführt werden. Das Betreuungsnetz muss ganz oder teilweise neu geknüpft werden, und zwar unabhängig davon, ob die Antragstellerin mit ihrer Familie an den neuen Arbeitsort zieht oder dort nur eine Nebenwohnung für die Arbeitstage nimmt. Nach der von der Antragstellerin vorgelegten Bestätigung der Dipl.-Psychologin S. vom 11. Januar 2021 ist davon auszugehen, dass Veränderungen der Lebenssituation (jedenfalls vorübergehend) nachteilige Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Tochter haben werden („reagiert sehr stark auf jede psychosoziale, personelle, räumliche, zeitliche oder strukturelle Veränderung in ihrem Umfeld“; „kann mit neuen Situationen und jeglicher Abweichung von gewohnten Abläufen schlecht umgehen“).
Ob erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen auf Dauer drohen und ob die Antragstellerin ihnen entgegenwirken kann, bedarf keiner weiteren Klärung. Denn unabhängig davon ist die Versetzung nicht unzumutbar. Das private Interesse der Antragstellerin, zur Betreuung und Pflege ihrer Tochter am bisherigen Wohnort zu bleiben, muss hinter dem erheblichen öffentlichen Interesse zurücktreten, einer seit nunmehr über zwei Jahren beschäftigungslosen, aber voll alimentierten Beamtin durch die Versetzung eine amtsangemessene Beschäftigung zu geben. Das ergibt sich aus § 92 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BBG (i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 2 PostPersRG). Nach dieser Vorschrift wird Beamtinnen und Beamten, die Anspruch auf Besoldung haben, auf Antrag Teilzeitbeschäftigung oder Urlaub ohne Besoldung bewilligt, wenn sie (u.a.) – wie die Antragstellerin – ein volljähriges Kind tatsächlich betreuen oder pflegen, das pflegebedürftig nach einer Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ist, und wenn keine zwingenden dienstlichen Belange entgegenstehen. Diese Vorschrift ermöglicht einen hinreichenden Interessenausgleich zwischen dem privaten Belang des pflegewilligen Beamten und dem öffentlichen Belang des Dienstherrn, dass der alimentierte Beamte die geschuldete Dienstleistung erbringt. Auf Grund dieser gesetzlichen Wertung ist es grundsätzlich und so auch im Fall der Antragstellerin nicht zu beanstanden, einem beschäftigungslosen, aber voll alimentierten Beamten, der keinen Antrag nach § 92 BBG stellt, durch Versetzung einen Personalposten zu übertragen, der der privaten Entscheidung zur Pflege eines Angehörigen zuwiderläuft (vgl. BayVGH, B.v. 18.2.2020 – 6 CS 19.1724 – juris Rn. 19; OVG NW, B.v. 25.9.2013 – 1 B 571/13 – juris Rn. 20; B.v. 7.6.2018 – 1 B 346/18 – juris Rn. 19; VGH BW, B.v. 20.6.2017 – 4 S 869/17 – juris Rn. 27). Die Antragstellerin kann auch unter Berücksichtigung ihrer Lebenssituation nicht die ungeschmälerte Fortzahlung der Besoldung unter gleichzeitiger Verschonung von der Dienstleistungspflicht verlangen.
Den privaten Belangen der Antragstellerin hat die Telekom dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass die Versetzung nach Anhörung im Januar 2019 mit Verfügung vom 25. September 2019 erst mit Wirkung zum 1. Februar 2020 ausgesprochen wurde. Damit wurde angemessene Zeit zum Umzug und zur Neugestaltung der Pflegesituation eingeräumt.
Die Versetzung ist auch nicht deshalb unzumutbar, weil der neue Arbeitsort etwa 450 km vom bisherigen Wohnort entfernt ist. Ein wohnortnäherer Einsatz ist von der Telekom geprüft worden, aber nicht möglich gewesen. Das ergibt sich aus der Begründung der Versetzungsverfügung, an der zu zweifeln kein Anlass besteht. Im Übrigen besteht keine Suchpflicht des Dienstherrn nach anderweitigen Verwendungsmöglichkeiten, wie sie das Gesetz in § 44 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 bis 4 BBG zur Vermeidung einer Versetzung wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand vorsieht. Die Antragstellerin kann auch nicht beanspruchen, dass für sie eine wohnortnahe Stelle frei geräumt oder eingerichtet wird. Abgesehen davon wäre zweifelhaft, ob solche näher gelegenen Arbeitsposten mit der bisherigen Form der Betreuung besser vereinbar wären; denn die Antragstellerin hatte auch ihrem zunächst geplanten Einsatz am deutlich näher gelegenen Arbeitsort in M. (ca. 90 km Entfernung) widersprochen.
2. Das Interesse der Antragstellerin, der voraussichtlich rechtmäßigen Versetzung gleichwohl bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens (Widerspruch und gegebenenfalls anschließendes gerichtliches Klageverfahren) nicht Folge leisten zu müssen, rechtfertigt es nicht, entgegen der gesetzlichen Grundregelung des § 126 Abs. 4 BBG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen.
Nach dieser Vorschrift haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Versetzung keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht kann sie nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 2 VwGO im Einzelfall schon vor Klageerhebung anordnen. Das scheidet in aller Regel freilich aus, wenn die Versetzung – wie hier – bei summarischer Prüfung rechtmäßig ist. Denn das private Interesse des Beamten, von den Vollzugsfolgen einer offensichtlich rechtmäßigen Versetzung entgegen § 126 Abs. 4 BBG verschont zu bleiben, ist regelmäßig nicht schutzwürdig. Besondere außergewöhnliche Umstände, diese Regel zugunsten der Antragstellerin zu durchbrechen, liegen nicht vor. Zum einen kann den ärztlichen Attesten nicht entnommen werden, dass die Versetzung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigungen bei ihrer Tochter führt. Zum anderen aber muss sich die Antragstellerin auch insoweit auf die Wertung des § 92 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BBG verweisen lassen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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