Verwaltungsrecht

Repressionen des syrischen Staates gegenüber rückkehrenden Oppositionellen begründen keine Flüchtlingseigenschaft iSd § 3 AsylG

Aktenzeichen  M 22 K 16.31901

Datum:
25.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3 Abs. 1, § 4, § 28 Abs. 1a

 

Leitsatz

Die Asylantragstellung im Ausland und der Aufenthalt dort (mit längerfristigem Aufenthaltszweck) allein begründen für unverfolgt illegal ausgereiste Rückkehrer nach Syrien nach derzeitiger Erkenntnislage nicht die Furcht vor politischer Verfolgung nach § 3 Abs. 1 AsylG durch den syrischen Staat. (Rn. 15 und 16)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg.
Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.
1. Das schon deswegen nicht, weil die Flüchtlingseigenschaft nicht zusätzlich zu dem bestehenden subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG zuerkannt werden kann. Der subsidiäre Schutzstatus setzt, wie bereits sein Name besagt, voraus, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht vorliegen (siehe die Definition in Art. 2 Buchstabe f der im AsylG umgesetzten EU-Qualifikationsrichtlinie). Der Bevollmächtigte hat den in Ziffer 1 des Bescheides zuerkannten subsidiären Schutzstatus nicht angegriffen.
2. Im Übrigen wären die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG wegen fehlender politischer Verfolgung nicht gegeben.
a. Der Vortrag des Klägers zu seinen Vorfluchtgründen hat nichts mit politischer Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG zu tun, sondern begründen allenfalls den – hier gewährten – subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG.
b. Auch ein beachtlicher Nachfluchtgrund nach § 28 Abs. 1a AsylG ist nicht hinreichend dargetan.
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen geht in ständiger Rechtsprechung, der sich das erkennende Gericht anschließt, davon aus, dass unverfolgt illegal ausgereiste Rückkehrer nach Syrien, die sich im Ausland aufgehalten und einen Asylantrag gestellt haben, selbst in Ansehung der Repressionen des syrischen Staates in Bezug auf Oppositionelle nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politisch verfolgt werden. Rückkehrer nach Syrien unterliegen zwar allgemein der Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung. Dies begründet aber alleine einen Anspruch auf den – hier gewährten – subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, ebenso wie die ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts den subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG begründet. Wegen des gewährten subsidiären Schutzstatus` – und im Übrigen schon wegen des generellen Abschiebestopps nach Syrien seit April 2011 – braucht der Kläger nicht nach Syrien zurückzukehren und ist damit keinen Rückkehrgefahren ausgesetzt.
Die Rückkehrgefahren geben dem Kläger aber nicht den Anspruch, weitergehend als politisch Verfolgter anerkannt zu werden, da die Rückkehrgefahren nicht an asylerhebliche Merkmale anknüpfen (siehe hierzu OVG NRW, B. v. 13.2.2014, 14 A 215/14.A, juris; B. v. 9.12.2013, 14 A 2663/13.A, juris; B. v. 21.8.2013, 14 A 1863/13.A, juris; B. v. 27.6.2013, 14 A 1517/13.A, juris; B. v. 7.5.2013, 14 A 1008/13.A, juris; siehe auch VG Düsseldorf, Urteil vom 14.2.2014, 17 K 7717/13.A, juris). Belastbare Erkenntnisse für die Annahme, der syrische Staat erkenne in unpolitischen erfolglosen Asylbewerbern grundsätzlich eine erhöhte Gefahr und habe anders als vor Ausbruch des innersyrischen Konflikts im Frühjahr 2011 eine entsprechende Handlungsmotivation dieser Personengruppe gegenüber entwickelt, so dass nunmehr die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung bestehe, lassen sich derzeit nicht hinreichend ausmachen. Nichts anderes folgt aus der davon abweichenden Beurteilung anderer Gerichte, auf die der Bevollmächtigte verweist. Diese Auffassung beruht mangels Referenzfällen, die es wegen des generellen Abschiebestopps ab April 2011 oder der Gewährung des subsidiären Schutzstatus nicht gibt, notwendigerweise auf einer wertenden Gesamtschau aller Umstände, die das erkennende Gericht nicht teilt. Denn es ist fernliegend anzunehmen, der syrische Staat, dessen Machthaber gegen Aufständische um das politische und physische Überleben kämpfen und dabei bereits die Kontrolle über Teile des Landes verloren haben, hätte Veranlassung und Ressourcen, alle zurückgeführten unpolitischen Asylbewerber ohne erkennbaren individuellen Grund aus den in § 3 AsylG genannten Gründen politisch zu verfolgen; das bloße Vorliegen eines mit aller Härte geführten bewaffneten Konflikts in Syrien reicht dafür nicht aus (siehe hierzu OVG NRW aaO.). Nicht zuletzt wird es gerade aufgrund der derzeitigen heftigen militärischen Auseinandersetzungen zwischen den unterschiedlichsten Akteuren in Syrien dem syrischen Staat vor Augen stehen, dass Flüchtlinge ihr Heimatland in aller Regel nicht wegen einer regimefeindlichen Gesinnung, sondern schlicht und einfach wegen der kriegerischen Situation in Syrien verlassen und Sicherheit im Ausland suchen. Es war seit langen Jahren ständige Erkenntnis des Auswärtigen Amtes in seinen Lageberichten, dass Rückkehrern allein wegen eines Asylantrags in Deutschland und einem Verbleib dort für längere Zeit nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr der Verfolgung aus politischen Gründen durch die syrischen Stellen drohte (siehe z.B. Lagebericht vom 18.8.1995, Ziff. IV. Seite 7; Lagebericht vom 13.3.1996, Ziff. V. Seite 4; Lagebericht vom 9.7.2009, Ziff. IV. S. 24; Lagebericht vom 27.9.2010, Ziff. IV Seite 21). Für die Annahme, dass diese ständige Einschätzung wegen der nunmehrigen Konfliktsituation nicht mehr gültig sein soll, fehlen belastbare Fakten. So gibt es seit dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes zu Syrien vom 27.9.2010, also vor dem im Frühjahr 2011 entfachten Konflikt, keinen weiteren Lagebericht mehr. Das ist bedauerlich, weil die Lageberichte des Auswärtigen Amts von der Rechtsprechung seit jeher als eine qualifizierte, unabhängige und zuverlässige Erkenntnisquelle gesehen und ihnen ein erhöhter Beweiswert zuerkannt wurde. Das Schweigen dieser wichtigen Erkenntnisquelle mag mit Schwierigkeiten wegen der derzeitigen Einstellung des operativen Dienstbetriebs der Deutschen Botschaft in Damaskus auf unbestimmte Zeit zusammenhängen. Es ist aber nicht recht verständlich, warum die Auslandsaufklärung und die Gewinnung fundierter Erkenntnisse schlechthin nicht mehr möglich sein sollen. Ohne eine aktuelle offizielle Einschätzung des Auswärtigen Amtes zur Situation in Syrien in Form eines Lageberichts bewegt sich jegliche Behauptung, der syrische Staat würde in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale Rückkehrer allein wegen ihrer illegalen Ausreise aus Syrien, der Asylantragstellung und ihrem Aufenthalt im Ausland (mit längerfristigem Aufenthaltszweck) verfolgen, auf unsicherem Boden. Darauf lässt sich eine Flüchtlingsanerkennung nicht bauen.
Als unterlegene Partei hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO.


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