Verwaltungsrecht

Rückforderung von landwirtschaftlichen Subventionen

Aktenzeichen  AN 14 K 16.01851

Datum:
2.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 34326
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
BayVwVfG Art. 48 Abs. 1, Art. 49, Art. 49a Abs. 1 S. 1
VO (EG) Nr. 1975/2006 Art. 16 Abs. 2
VO (EG) Nr. 65/2011. Aret. 16 Abs. 5

 

Leitsatz

1. Das für die Ermittlung der Flächengröße verwendete Messgerät „Trimble GEOXH 6000, GPS+GLONASS“ ist geeignet.  (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Nutzung mit Nutzungscode Nr. 958 Streuwiesen (Naturschutz) sowie eine Nutzung mit Nutzungscode Nr. 451 Wiesen (einschließlich Streuobstwiesen) bedingen keine unterschiedliche Flächenabgrenzung, weil es sich bei beiden Nutzungsarten um Grünlandflächen handelt. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten … vom 14. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Führungsakademie vom 17. August 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Rückforderung des Betrages in Höhe von 1.999,70 EUR sind Art. 48 Abs. 1, 49a Abs. 1 BayVwVfG in Verbindung mit Art. 16 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1975/2006 bzw. Art. 16 Abs. 5 der VO (EG) Nr. 65/2011 (ab 2011). Nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nach dem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Gemäß Art. 49a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG sind bereits erbrachte Leistungen insoweit zu erstatten, als ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen wurde. Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen (Art. 49a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG). Das ist vorliegend mit Bescheid vom 14. März 2016 in Form des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2016 zu Recht geschehen.
1. Dem Kläger waren für den Zeitraum von 2008 bis 2014 VNP/EA-Maßnahmen in Höhe von 1.999,70 EUR zu Unrecht zugesprochen und ausbezahlt worden. Die beantragten Flächen waren über diesen Zeitraum nach den glaubhaften Feststellungen des Beklagten tatsächlich 0,07 ha (Flurstück …) und 0,11 ha (Flurstück …) kleiner. Die vom Kläger vorgebrachten Einwände vermögen diese Feststellungen nicht zu erschüttern.
1.1 Dass die Messungen mit technisch ungeeignetem Gerät durchgeführt wurden, kann die Kammer nicht nachvollziehen. Das vom Prüfdienst verwendete Messgerät „Trimble GEOXH 6000, GPS+GLONASS“ ist von der Europäischen Kommission anerkannt, wie aus einem Schreiben des zuständigen Projekt-Managers der EU-Kommission vom 21. Juli 2015 hervorgeht (Blatt 275 f. der Akten des Amtes für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten …). Während in diesem Schreiben eine Toleranz von 0,50 m empfohlen wird, ist die in Bayern angewendete Toleranz sogar wesentlich günstiger. In der mündlichen Verhandlung haben die Vertreter des Beklagten die Funktionsweise des Gerätes auch ausführlich beschrieben. Hierzu gab insbesondere Frau …, die bei der ersten Vor-Ort-Kontrolle am 22. Oktober 2015 anwesend war, umfassend Auskunft. Ausweislich des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Datenblattes „Geoexplorer Geoxh Fieldcompunter Serie 6000“ der Marke „Trimble“ können Bäume – wie der Kläger vorträgt – Satellitenschatten bilden, das Gerät ist jedoch im Stande, sogar bei sehr schwachen Satellitensignalen Positionen zu berechnen. Angesichts dieser ausführlichen Darlegungen verbleiben für die Kammer keine Zweifel an der Geeignetheit des verwendeten Messgeräts.
1.2 Auch ist die Kammer davon überzeugt, dass die Messungen ordnungsgemäß durchgeführt, insbesondere ausreichend Messpunkte gesetzt wurden. Der Kläger ist den Ausführungen von Frau … in der mündlichen Verhandlung zur Messung am 22. Oktober 2015 sowie der schriftlichen Stellungnahme des Prüfteams … (…) zwar pauschal, aber nicht substantiiert entgegengetreten. Ausweislich der mit Klageerwiderung und in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Luftbilder lassen die gesetzten Messpunkte eine nachvollziehbare Darstellung der nutzbaren Fläche zu. Eine nachträgliche Bearbeitung der Messpunkte ist nach dem Vortrag des Beklagten in dem eingesetzten GIS-Programm ausgeschlossen. Fehler kann das Gericht hier nicht erkennen.
1.3 Die bei den Messungen festgestellten Abweichungen gelten nach Überzeugung der Kammer für den gesamten Zeitraum von 2008 bis 2014. Die vom Kläger vorgebrachte Veränderung der Flächenstruktur bzw. -grenzen kann nicht nachvollzogen werden. Nach der schriftlichen Stellungnahme des Prüfteams … (…) kann auf die Nutzungsgrenze zurück bis zum Jahr 2008 aufgrund der klaren Abgrenzung zum Wald bzw. Bach geschlossen werden. Demnach liegen praktisch keine Veränderungen seit dem Jahr 2008 vor. Feste Bezugsgrößen wie 40- bis 100-jähriger Baumbestand und der Bachlauf bilden die Nutzungsgrenze zuverlässig ab. Das steht auch im Einklang mit den vorgelegten Lichtbildern, die am Waldrand einen Baumbestand zeigen, der nicht innerhalb der letzten 10 Jahre gewachsen sein kann. In der mündlichen Verhandlung haben die Beklagtenvertreter hierzu überdies Luftbilder der streitgegenständlichen Flächen aus den Jahren 2008 und 2014 vorgelegt. In beiden Luftbildern ist mit blauer Linie die beantragte Fläche und mit weißer Linie die tatsächlich durch die Nachmessung ermittelte Fläche umrandet. Eine erhebliche Veränderung der Fläche lässt sich auch nach Auffassung der Kammer hierauf nicht erkennen.
2. Die aufgrund dieser Abweichungen ermittelten Kürzungen und Sanktionierungen begegnen keinen Bedenken. Ein Absehen von der Sanktionierung gemäß Art. 2 VO (EG) Nr. 1975/2006 in Verbindung mit Art. 68 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 bzw. Art. 2 VO (EG) Nr. 1975/2006 in Verbindung mit Art. 73 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1122/2009 (Jahr 2010) bzw. Art. 7 VO (EU) Nr. 65/2011 in Verbindung mit Art. 73 VO (EG) Nr. 1122/2009 (ab 2011) scheidet aus. Der Kläger hat weder sachlich richtige Angaben gemacht, noch sich selbst angezeigt. Auch kann er nicht auf sonstige Weise belegen, dass ihn keine Schuld trifft. Zwar liegt das dem Kläger vorwerfbare Verhalten, dass zur Sanktionierung führt, nicht in der ursprünglichen Vermessung der streitgegenständlichen Flächen. Der Kläger hat nachvollziehbar dargelegt, dass die erste digitale Erfassung dieser Flächen von der Unteren Naturschutzbehörde der Stadt … (UNB) vorgenommen wurde (vgl. E-Mail der UNB an den Kläger vom 30. Januar 2008). Es ist nachvollziehbar, dass er zunächst auf diese Messung vertraute, zumal ihm nach eigenen, unwidersprochen gebliebenen Angaben damals die technischen Möglichkeiten fehlten, die Messung selbst vorzunehmen. Dem Kläger liegt allerdings zur Last, dass er im Jahr 2015, als er die Flächen selbst neu vermaß, die Daten im iBALIS zwar für das Jahr 2015, nicht jedoch für die Vergangenheit verkleinert hat und als Änderungsgrund „Pachtrückgabe“ hierfür angegeben hat. Jedenfalls hätte er sich diesbezüglich mit der Behörde in Verbindung setzen müssen. Nach den Feststellungen in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger die streitgegenständlichen Flächen zum einen von einem Privatmann, zum anderen von der Stadt … gepachtet. Die Pachtfläche hat sich im Jahr 2015 nicht verändert. Die Behörde ging daher zu Recht von einer Berichtigung der Feldstücksgrenzen aus. Der Kläger versuchte diese mit einer Umnutzung der streitgegenständlichen Flächen zu erklären. Von 2008 bis 2014 seien die Flächen ausschließlich unter naturschutzfachlichen Grundsätzen beurteilt und gepflegt worden. Ab 2015 sei eine landwirtschaftliche Nutzung möglich und angestrebt worden. Eine Nutzung mit Nutzungscode Nr. 958 Streuwiesen (Naturschutz) sowie eine Nutzung mit Nutzungscode Nr. 451 Wiesen (einschließlich Streuobstwiesen) bedingten eine unterschiedliche Flächenabgrenzung. Das ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Bei beiden Nutzungsarten handelt es sich um Grünlandflächen. Bei beiden Nutzungsarten hat eine Abgrenzung zum Wald bzw. Bachlauf zu erfolgen. Wald und Bach können weder für Streuwiesen noch für Wiesen genutzt werden. Die Kammer ist daher der Überzeugung, dass vorliegend die Annahme eines Verschuldens beim Kläger gerechtfertigt ist. Damit begegnet die behördlicherseits vorgenommene Sanktionierung keinen Bedenken.
3. Auch das vom Kläger in der mündlichen Verhandlung bemängelte Austauschen der Rechtsgrundlage Art. 49 BayVwVfG (im Bescheid vom 14. März 2016) in Art. 48 BayVwVfG (im Widerspruchsbescheid vom 17. August 2016) begegnet keinen Bedenken. Der Regelungsgegenstand des angefochtenen Verwaltungsaktes blieb dadurch identisch. Es handelt sich vielmehr um eine Richtigstellung. Im Übrigen ließe sich die vorliegend vorgenommene behördliche Teilaufhebung auch auf Art. 49 BayVwVfG stützen. Art. 48 BayVwVfG regelt die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes. Art. 49 BayVwVfG regelt den Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes. Kann aber ein rechtmäßiger Verwaltungsakt widerrufen werden, so muss erst recht der Widerruf eines rechtswidrigen Verwaltungsakts möglich sein (ausführlich dazu Abel, in: Bader/Ronellenfitsch VwVfG 45 Edition 1.1.2019, § 49 Rn. 2).
4. Ebenso ist die Jahresfrist nach Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG nicht abgelaufen. Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts rechtfertigen, so ist die Rücknahme demnach nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dabei handelt es sich um eine Entscheidungsfrist, die erst ab Entscheidungsreife läuft (vgl. Müller, in: Bader/Ronellenfitsch VwVfG 45 Edition 1.1.2019, § 48 Rn. 113). Entgegen der Annahme des Klägers kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Behörde seit 17. Februar 2015, dem Zeitpunkt, an dem der Kläger die Flächenverkleinerung in iBALIS vornahm, Kenntnis von den die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen hatte. Die Ermittlung des Sachverhalts durch Vor-Ort-Kontrollen am 22. Oktober 2015 und 18. Februar 2016 spricht dagegen. Erst mit der Nachkontrolle am 18. Februar 2016 lagen der Behörde alle für die Entscheidung über die Rücknahme erforderlichen Tatsachen vor. Der Rücknahme steht damit nicht Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG entgegen.
5. Auch begegnet die im Widerspruchsbescheid vorgenommene Verschlechterung für den Kläger (zusätzliche Rückforderung von 262,80 EUR) keinen Bedenken. Die gemäß § 71 VwGO erforderliche Anhörung zur Verschlechterung ist mit Schreiben der Führungsakademie an den Kläger vom 12. Juli 2016 erfolgt. An der Entscheidungskompetenz der Führungsakademie bestehen keine Zweifel. Gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 lit. b der Verordnung über die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten unterstehen diese Ämter in Förderangelegenheiten der Führungsakademie.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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