Verwaltungsrecht

Rücknahme eines Aufenthaltstitels wegen Doppelehe

Aktenzeichen  19 ZB 20.1976

Datum:
27.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 15765
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1, Art. 48 Abs. 1
AufenthG § 27 Abs. 1, § 51 Abs. 1 Nr. 3, § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 2 Nr. 8a
GG Art. 6 Abs. 1
EMRK Art. 8

 

Leitsatz

Eine Privatscheidung nach pakistanischem Recht durch Verstoßung der Ehefrau kann nicht anerkannt werden, wenn der konstitutive Scheidungsakt in Deutschland stattgefunden hat und die Scheidung vom Boden der Bundesrepublik Deutschland aus nach Pakistan übersendet wurde. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 5 K 18.1024 2020-08-12 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
Der Kläger, ein am … Januar 1972 geborener pakistanischer Staatsangehöriger, dem nach Einreise in das Bundesgebiet im Juli 2001 und erfolgloser Durchführung von Asylverfahren aufgrund einer am 2. Juni 2004 in Pakistan geschlossenen Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen (nachdem das deutsche Standesamt die Anmeldung zur Eheschließung wegen des Verdachts der Zweckehe abgelehnt hatte, vgl. ablehnender Beschluss des Amtsgerichts R. vom 29.6.2004), dem nach einem Klageverfahren auf Erteilung eines Visums zum Familiennachzug erstmals am 11. August 2008 eine zuletzt bis zum 9. Juni 2011 befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde (im Rahmen einer zeitgleichen, getrennten Befragung der Eheleute am 8.3.2007 verneinten beide Ehepartner frühere Ehen und Kinder), dem am 14. Juli 2011 eine Niederlassungserlaubnis erteilt wurde, der nach anonymen Anzeigen wegen Scheinehe 2007 und 2010 (Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO am 2.9.2010) im Rahmen des folgenden Einbürgerungsverfahrens erstmals am 9. Juli 2012 zugab, in Pakistan seit 1997 mit einer pakistanischen Frau verheiratet gewesen zu sein und zwei 1998 und 2005 geborene Kinder zu haben, und gegenüber der Ausländerbehörde am 14. August 2015 eine pakistanische Heiratsurkunde vom 15. April 1997 und ein „Divorce Certificate“ vom 22. November 2011 vorlegte (Scheidung von der deutschen Ehefrau am 30.9.2014, erneute Heirat der pakistanischen Ehefrau am 5.12.2017), wendet sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 12. August 2020, durch das seine Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 15. Mai 2018 abgewiesen worden ist. Mit diesem Bescheid wurden die dem Kläger erteilten Aufenthaltstitel rückwirkend ab dem Erteilungsdatum zurückgenommen (Nr. 1 des Bescheids), wurde der Kläger aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Nr. 2 des Bescheids), das Einreise- und Aufenthaltsverbot der Ausweisung auf drei Jahre ab Ausreise befristet (Nr. 3 des Bescheids), der Kläger zur Ausreise aufgefordert und für den Fall der nicht freiwilligen Ausreise die Abschiebung insbesondere nach Pakistan angedroht (Nrn. 4 und 5 des Bescheids).
Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen in der Begründung des Zulassungsantrags (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung. Die geltend gemachten Zulassungsgründe, deren Beurteilung sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts richtet (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 12), sodass eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen zu berücksichtigen ist (BayVGH, B.v. 20.2.2017 – 10 ZB 15.1804 – juris Rn. 7), liegen nicht vor.
1. Die Berufung des Klägers ist nicht aufgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden nur dann, wenn die Klägerseite im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Solche schlüssigen Gegenargumente liegen bereits dann vor, wenn im Zulassungsverfahren substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufgezeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – juris Rn. 19). Es reicht nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen. Das wird zwar regelmäßig der Fall sein. Jedoch schlagen Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente nicht auf das Ergebnis durch, wenn das angefochtene Urteil sich aus anderen Gründen als richtig darstellt (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – juris Rn. 9).
Der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe das Recht falsch angewendet und sei darüber hinaus von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Die Beklagte sei weder zuständig noch materiell-rechtlich befugt, Verwaltungsakte zurückzunehmen, die sie gar nicht erlassen habe. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts handle es sich bei der Rücknahme nicht um eine ausländerrechtliche Maßnahme im Sinne des § 71 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Die Beklagte könne auch nicht das Rücknahmeermessen der deutschen Auslandsvertretung ausüben. Weiterhin könne sie nicht rückwirkend das Erteilungsermessen der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Vorliegen von Regelerteilungsvoraussetzungen bzw. Ausweisungsgründen ausüben. Weiterhin sei der Bescheid nicht ausreichend bestimmt, wenn ausgeführt werde, dass „erteilte Aufenthaltstitel“ „zum Zeitpunkt der Erteilung bzw. Verlängerung“ zurückgenommen würden. Der Bescheid vom 15. Mai 2018 sei rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; die Voraussetzungen für die Rücknahme der Verwaltungsakte lägen nicht vor. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts seien die zurückgenommenen Verwaltungsakte nicht rechtswidrig gewesen, da eine schutzwürdige Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen vorgelegen habe. Das Verwaltungsgericht stelle darauf ab, dass eine nicht schutzwürdige Ehe vorgelegen habe, da in der Bundesrepublik Deutschland eine Doppelehe geführt worden sei. Der Kläger habe jedoch nicht in der Bundesrepublik Deutschland eine Doppelehe geführt. Soweit Zeiten einer Doppelehe vorgelegen hätten, habe es sich um eine Auslandsdoppelehe und nicht um eine im Inland geführte Doppelehe gehandelt. Soweit das Verwaltungsgericht ausführe, dass in der Geburtsurkunde der 2005 geborenen Tochter des Klägers der Vater „ohne weiteren Zusatz“ eingetragen worden sei, sei der Urkunde jedoch nichts über den Bestand oder Nichtbestand der Ehe der Eltern zu entnehmen. Die Ausführungen auf Seite 11 des Urteils stellten insoweit auch eine Überraschungsentscheidung dar, da weder seitens des Verwaltungsgerichts die Geburtsurkunde in der mündlichen Verhandlung erörtert noch auf eine Unlesbarkeit der notariellen Urkunde vom 11. September 2003 hingewiesen worden sei. Am 11. September 2003 sei die Scheidungserklärung der pakistanischen Eheleute vor zwei Zeugen abgegeben worden. Dabei handle es sich nach pakistanischen Recht um eine grundsätzlich wirksame Scheidungserklärung, jedenfalls sei der Kläger zum damaligen Zeitpunkt davon ausgegangen. Das Verwaltungsgericht wäre verpflichtet gewesen, die Erörterung einzelner Urkunden und insbesondere Defizite an der Lesbarkeit zum Gegenstand der Verhandlung zu machen, wenn hierauf die Entscheidungserheblichkeit gestützt werde. Es könne vom Kläger nicht erwartet werden, zu jeder Urkunde eine Erklärung abzugeben, die sich mitnichten aufgedrängt habe. Das Verwaltungsgericht habe zu keinem Zeitpunkt darauf hingewiesen, dass eine Urkunde nicht lesbar sei. Weshalb aus der Geburtsurkunde von 2005 folgen solle, dass der Kläger „heiratet“ gewesen sei, sei nicht nachvollziehbar. Unbeschadet dessen habe unstreitig auch nach der zweiten Ehescheidung vom 22. November 2011 (Datum der „Divorce Certificate“) keine formelle Doppelehe bestanden. Es sei daher unzutreffend anzunehmen, dass zu keinem Zeitpunkt ein Anspruch auf Ehegattennachzug bestanden habe und die Rücknahme aller Aufenthaltstitel in Betracht käme. Das Verwaltungsgericht sei hierauf jedoch überhaupt nicht eingegangen, sondern gehe von einem Dauerbestand einer formellen Doppelehe aus. Die Beweislast für die Rücknahmevoraussetzungen liege bei der Beklagten. Dies umfasse auch die Frage, ob aus anderen Gründen ein Aufenthaltstitel zu erteilen gewesen wäre, da sich erteilte Aufenthaltstitel dann nicht als rechtswidrig erweisen würden. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts komme es für die Frage der Führung einer formellen Doppelehe somit nicht auf die Frage des Zeitpunkts der Titelerteilung, sondern auf den Zeitpunkt der Rücknahme bzw. der letzten mündlichen Verhandlung an. Ab dem 22. November 2011 wäre daher ein eigenständiger verfestigungsoffener Aufenthaltstitel aufgrund der Eheführung im Inland zu erteilen gewesen. Im Hinblick auf die Beschäftigung des Klägers wäre zudem ebenfalls ein Aufenthaltstitel zu erteilen gewesen. Im Hinblick darauf, dass sich die Beklagte selbst nicht darauf gestützt habe, dass durchgängig eine formelle Doppelehe bestanden habe, sei die Ausführung des Verwaltungsgerichts unzutreffend, die Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen falle (überhaupt) nicht unter den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG und alle Aufenthaltstitel dürften daher zurückgenommen werden. Aufgrund der Scheidungserklärung vom 11. September 2003 sei eine Schutzwürdigkeit der Ehe schon vor dem 22. November 2011 gegeben gewesen, unbeschadet dessen jedoch allerspätestens ab dem 22. November 2011 eingetreten. Entgegen der Auffassung des Beklagten und des Verwaltungsgerichts sei die Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen nicht nach § 1314 Abs. 1 BGB aufhebbar gewesen. Zum Zeitpunkt der Eheschließung am 2. Juni 2004 sei der Kläger aufgrund der Scheidungserklärung nach islamischen Recht vom 11. September 2003 nicht mehr mit der pakistanischen Ehefrau verheiratet gewesen. Es bestehe kein generelles Verbot des Führens einer Mehrehe, wie § 30 Abs. 4 AufenthG entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts zeige. Eine im Ausland geschlossene Mehrehe sei in ihrem Bestand grundsätzlich ebenfalls aus Art. 6 Abs. 1 geschützt und auch im Inland nicht unwirksam. Im Falle des Klägers habe keine strafbare Mehrehe vorgelegen, vielmehr seien die Ehen wirksam geschlossen worden, sodass es sich verbiete, den Kläger so zu behandeln, als habe er eine strafbare Mehrehe geführt. Das Verwaltungsgericht verkenne, dass neben der Schutzwürdigkeit aus Art. 6 Abs. 1 GG auch Art. 2 Abs. 1 GG betroffen sei und die Aufenthaltstitel jedenfalls aufgrund des Daueraufenthalts aus § 7 Abs. 1 Satz 2 AufenthG in Verbindung mit Art. 8 EMRK heraus nicht rechtswidrig gewesen seien. Soweit das Verwaltungsgericht der Auffassung der Beklagten folge, wonach die Rechtswidrigkeit der Bescheide sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ergebe, sei dies unzutreffend. Es handle sich insoweit um eine Regelerteilungsvoraussetzung, sodass die Beklagte schon gar nicht feststellen könne, dass die deutsche Botschaft das Visum nicht erteilt hätte, und es komme eine rückwirkende negative Ermessensausübung nicht in Betracht. Das Nichtvorliegen einer Regelerteilungsvoraussetzung führe nicht zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes. Insbesondere weise die Beklagte selbst darauf hin, dass die Visumerteilung und die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis trotz Zweifeln an der Schutzwürdigkeit der Ehe erfolgt seien. Zum anderen bestünden Ausweisungsgründe nicht fort bzw. wären nicht mehr verwertbar gewesen. Soweit das Verwaltungsgericht ausführe, dass ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG vorgelegen habe, werde verkannt, dass § 54 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes gar nicht bestanden habe. Bei einer Rücknahmeentscheidung sei aber das Gesetz in der damals gültigen Fassung ausschlaggebend. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts sei seitens der Staatsanwaltschaft das Vorliegen des Tatbestandes nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG mit Schreiben vom 25. Juli 2012 verneint worden. Ein weiteres Verfahren sei gemäß § 153 StPO eingestellt worden. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft sei ein entscheidungserhebliches Kriterium, und § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG stelle keinen Ausschlusstatbestand dar. Da Ausweisungsgründe gemäß § 55 Abs. 2 AufenthG a.F. lediglich im Ermessen eine Ausweisung hätte begründen können, könne auf eine anfängliche Rechtswidrigkeit ohnehin nicht geschlossen werden. Hierauf sei das Verwaltungsgericht trotz ausdrücklichen Vortrags überhaupt nicht eingegangen. Die öffentliche Sicherheit und Ordnung sei zu keinem Zeitpunkt beeinträchtigt worden; eine Beeinträchtigung ergebe sich nicht schon aufgrund von Falschangaben, vielmehr sei die Prüfung einer künftigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht entbehrlich. Das nach § 55 Abs. 2 AufenthG a.F. eingeräumte Ermessen könne rückwirkend nicht aufgrund einer ex post Betrachtung zu Ungunsten des Klägers ausgeübt werden. Selbst das Führen einer anfechtbaren Ehe führe nicht etwa zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Der Gesetzgeber stelle es in die Disposition der Eheleute, eine Anfechtung vorzunehmen bzw. zu versuchen. Es handle sich auch nicht um einen Verstoß gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung. Schon gar nicht könne das Verwaltungsgericht selbst Ausweisungstatbestände bejahen und deshalb den ursprünglichen Verwaltungsakt als rechtswidrig einstufen, da es weder befugt sei, das Ermessen der Behörde auszuüben noch über das Absehen von Regelvoraussetzungen zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht dürfe die Entscheidung der Behörde nicht ersetzen. Die Behörde habe sich jedoch auf § 54 Abs. 2 Nr. 8a und § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG überhaupt nicht gestützt. Vielmehr habe sich die Behörde darauf gestützt, dass § 55 Abs. 2 Nr. 1a AufenthG in der damaligen Fassung vorgelegen habe. Eine eigenständige Prüfung von Ausweisungsinteressen nach aktuellem Recht stehe dem Verwaltungsgericht nicht zu. Eine Prüfung des von der Beklagten auszuübenden Ermessens habe das Verwaltungsgericht schlicht nicht vorgenommen, sondern die falschen Tatbestände geprüft. Das Verwaltungsgericht könne das Ermessen der Behörde nicht ersetzen. Das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass die Behörde gar kein Ermessen ausgeübt habe. Die Behörde habe lediglich ausgeführt, dass die Tatbestände des § 55 Abs. 2 Nr. 1a und Nr. 2 AufenthG erfüllt seien, habe jedoch nicht erkannt, dass sowohl hinsichtlich der Ausweisungsgründe als auch hinsichtlich der Regelerteilungsvoraussetzungen Ermessen auszuüben sei. Die Ausführung der Behörde, dass „das Ermessen aus den oben genannten Gründen zulasten des Betroffenen“ gehe, sei keine Ermessensausübung; die Behörde stelle nicht das Für und Wider in die Prüfung ein. Zulasten des Klägers werde berücksichtigt, dass er sich gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht habe, obgleich dies nicht zutreffe. Es sei auch kein Ermessensgesichtspunkt, dass der Tatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 1a AufenthG erfüllt gewesen sein soll, da dieser ja erst das Ermessen eröffne. Das Regelerteilungsermessen sei unzutreffend auf die Frage verkürzt worden, ob ein atypischer Fall vorliege, der ein Absehen geboten hätte. Der lange Aufenthalt des Klägers und die Tatsache, dass die deutsche Ehefrau die Ehe gerade nicht angefochten habe, die Ehe wirksam sei und auch geführt worden sei, sei nicht berücksichtigt worden. Weiter sei nicht berücksichtigt worden, dass der Kläger seit vielen Jahren sozialversicherungspflichtig beschäftigt sei, sich über die falschen Angaben hinaus nichts zuschulden habe kommen lassen und vollständig integriert sei. Unberücksichtigt sei auch geblieben, dass Angaben gegenüber einem pakistanischen Anwalt gar nicht geeignet seien, die Interessen der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen und es sich nicht um Angaben gegenüber einer Behörde handle. Weiterhin sei nicht berücksichtigt worden, dass der Kläger seinen Fehler eingeräumt habe und er gleichwohl die Ehe mit seiner deutschen Ehefrau geführt habe. Das Verwaltungsgericht habe nicht geprüft, ob die Behörde zu Recht von einem Regelfall für die Nichterteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausgegangen sei, sondern ausgeführt, dass es auf eine Prüfung von § 5 Abs. 1 1. Halbsatz AufenthG nicht ankomme. Die Beklagte hätte berücksichtigen müssen, dass bei der Erteilung der Niederlassungserlaubnis die Ehe mit der pakistanischen Ehefrau bereits notariell geschieden gewesen sei und die Fortbestandserklärungen vom 16. Mai 2011 und vom 14. Juli 2011 daher nicht unzutreffend gewesen seien und es sich mithin nicht um eine arglistige Täuschung handeln könne. Der Kläger habe die Niederlassungserlaubnis deshalb erhalten, da er entsprechende Integrationsleistungen erbracht habe. Auch wenn die Angaben zur Ehe mit der früheren pakistanischen Ehefrau unzutreffend gewesen seien, dürfe die Niederlassungserlaubnis nicht versagt werden, da die Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen sehr wohl die Schutzwirkung nach Art. 6 Abs. 1 GG spätestens zum Zeitpunkt des Nichtbestehens der Ehe mit der pakistanischen Frau entfaltet habe. Es komme nicht darauf an, dass durch eine Niederlassungserlaubnis ein Familiennachzug ermöglicht werde, da dieser im Hinblick auf § 30 Abs. 4 AufenthG nicht dem öffentlichen Interesse widerspreche. Die Jahresfrist für die Rücknahme sei nicht eingehalten. Das Verwaltungsgericht sei unzutreffend davon ausgegangen, dass die Rücknahmefrist nach Art. 48 Abs. 4 Satz 2 BayVwVfG wegen einer arglistigen Täuschung gemäß Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 BayVwVfG nicht anzuwenden sei. Die Beklagte habe spätestens seit dem 14. August 2015 gesicherte Kenntnis von der Ehe mit der pakistanischen Ehefrau und den Kindern gehabt. Soweit die Beklagte darauf abgestellt habe, dass der Kläger am 5. Dezember 2017 erneut die pakistanische Ehefrau geheiratet habe und erst hierdurch die vollständige Entscheidungsgrundlage entstanden sei, sei dies im Hinblick auf die bereits am 6. Oktober 2015 erfolgte Strafanzeige wegen Führung einer Doppelehe nicht tragfähig. Die Auffassung, der Kläger sei aufgrund früherer unrichtiger Angaben für immer gehalten, nicht mehr zu heiraten, sei mit Art. 6 Abs. 1 GG nicht in Einklang zu bringen. Der Kläger habe am 9. Juli 2012 erklärt, noch religiös verheiratet zu sein (S. 712 der Behördenakte) und am 3. März 2017 den Fortbestand der Ehe nach islamischem Recht erklärt (S. 757 der Behördenakte). Unbeschadet dessen, dass somit keine Arglist vorliege, habe das Verwaltungsgericht verkannt, dass die Beklagte mit der Rücknahme jedenfalls verwirkt gewesen sei. Hätte die Beklagte eine Aufenthaltsbeendigung „zwingend“ für erforderlich gehalten, was Art. 8 Abs. 2 EMRK voraussetze, hätte sie nicht erst 6 Jahre nach der Erklärung das Rücknahmeverfahren einleiten dürfen. Die Beklagte habe durch Abnahme verschiedener Verpflichtungserklärungen zum Besuch der pakistanischen Familie (S. 756 und 782 der Behördenakte) Vertrauenstatbestände erzeugt; der Kläger sei davon ausgegangen, dass die Möglichkeit des Familienbesuchs bzw. der Anerkennung der Ehe geprüft werde. Die Ausübung des Rücknahmeermessens erweise sich als rechtswidrig. Es seien erkennbar Gesichtspunkte eingestellt worden, die nicht hätten eingestellt werden dürfen, sodass ein Ermessensfehlgebrauch vorliege. Darüber hinaus seien wesentliche Gesichtspunkte überhaupt nicht eingestellt worden, die aber berücksichtigt hätten werden müssen. Eine irgendwie geartete Abwägung habe überhaupt nicht stattgefunden. Die Beklagte sei vielmehr der Auffassung, die Interessen des Klägers seien nicht berücksichtigungsfähig. Die privaten Belange des Klägers seien nicht erkannt und somit auch nicht abgewogen worden. Die Beklagte spreche den Kläger jegliches Bleibeinteresse ab und vertrete die Auffassung, der langjährige Aufenthalt, die dauerhafte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, der Erwerb der deutschen Sprachkenntnisse und der Voraussetzungen für die Einbürgerung entfalteten keinerlei Schutzwürdigkeit und sei bei der Ermessensausübung nicht zu berücksichtigen. Dass der Kläger aus freien Stücken seine Falschangaben berichtigt habe, habe die Beklagte in die Ermessensentscheidung überhaupt nicht eingestellt. Es bestehe demnach kein dringendes soziales Bedürfnis und kein angemessenes Verhältnis zu dem von der Beklagten verfolgten Ziel der dauerhaften Aufenthaltsbeendigung, sodass die Maßnahme gegen Art. 8 EMRK verstoße, da die Schranke des Abs. 2 nicht erfüllt sei. Die Beklagte habe nicht in ihre Ermessensentscheidung eingestellt, dass das Bürgeramt seit dem 9. Juli 2012 über den Sachverhalt informiert gewesen sei, der Kläger am 8. September 2015 nochmals vorgesprochen und die Heirats- und Scheidungsurkunde vorgelegt habe und dennoch erst im Jahre 2018 das Rücknahmeverfahren eingeleitet worden sei. Dass der Beklagten der Sachverhalt seit über 8 Jahren bekannt sei, was einem Anteil von über 2/3 der gesamten Aufenthaltszeit des Klägers darstelle, stelle einen wesentlichen Ermessensgesichtspunkt dar, der nicht beachtet worden sei. Wenn die Beklagte meine, die Maßnahme sei gerechtfertigt, um einen Ehegattennachzug zu verhindern, sei dies im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG nicht vertretbar und kein zulässiger Ermessensgesichtspunkt. Die unter dem Schutz von Art. 6 Abs. 1 GG stehende erneute Eheschließung mit seiner pakistanischen Ehefrau werde zu Lasten des Klägers als Rücknahmegrund gewertet. Die Integrationsleistungen des Klägers, die zu einer Einbürgerung geführt hätten, seien vollständig unberücksichtigt geblieben. Das Verwaltungsgericht klammere Art. 8 EMRK vollständig aus. Wiederholt habe die Beklagte deutlich gemacht, dass sie die Bedeutung von Art. 8 EMRK verkenne und dem Kläger kein Bleibeinteresse zubillige. Bereits der über 12-jährige Daueraufenthalt, seine langjährige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung als auch das Zusammenleben mit der deutschen Ehefrau führten dazu, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen sich am Maßstab des Art. 8 Abs. 2 EMRK messen lassen müssten. Die Beklagte berücksichtige auch nicht, dass die Rücknahme der erteilten Aufenthaltstitel zu einem erheblichen Rechtsnachteil im Hinblick auf die einbezahlten Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge führe. Die Beklagte habe zu Unrecht in die Ermessenserwägungen eingestellt, dass sich der Kläger gemäß § 172 StGB strafbar gemacht habe. Da eine Doppelauslandsehe nicht strafbar sei, sei der Straftatbestand zu keinem Zeitpunkt erfüllt gewesen.
Rechtliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ergäben sich auch im Hinblick auf die Ausweisungsentscheidung. Das Verwaltungsgericht erläutere nicht ansatzweise, woraus ein aktuelles Ausweisungsinteresse herrühren solle. Unbeschadet dessen, dass sich das Verwaltungsgericht nicht dazu verhalte, dass der Kläger bereits am 9. Juli 2012 umfassend über den fraglichen Sachverhalt unterrichtet habe, erläutere es auch nicht, weshalb selbst dann, wenn man auf den 14. August 2015 als relevanten Zeitpunkt abstellen wollte, eine Gefahr fortbestehen sollte. Das Verwaltungsgericht verkenne, dass die Beklagte das Vorliegen einer Gefahr gar nicht geprüft habe. Die Ausweisung sei bereits deshalb rechtswidrig, da die Beklagte überhaupt nicht von der Notwendigkeit des Bestehens einer Wiederholungsgefahr ausgegangen sei. Die Beklagte habe die Annahme einer Wiederholungsgefahr nicht dargelegt, sondern gehe davon aus, dass es ausreichend sei, wenn ein Ausweisungsinteresse erfüllt sei. Die Beklagte prüfe weder eine Wiederholungsgefahr noch generalpräventive Gründe. Entgegen der Darstellung des Verwaltungsgerichts habe sich die Beklagte nicht auf spezialpräventive Erwägungen gestützt und keine Prognoseentscheidung getroffen. Es sei auch fernliegend anzunehmen, bei dem Kläger bestünde aktuell und künftig eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Das Verwaltungsgericht berücksichtige nicht, dass der Kläger die unzutreffenden Angaben selbst und aus freien Stücken berichtigt habe und auch keine Mehrehe fortbestehe. Es werde nicht erläutert, in welcher Form künftig unzutreffende Angaben überhaupt vorstellbar wären oder worin eine Gefahr begründet sein könnte. Unzutreffend sei die Darstellung, der Kläger habe am 9. März 2018 erst auf Vorhalt der Ausländerbehörde die Eheschließung von 1997 zugegeben. Der Kläger habe vielmehr im Rahmen dieser Vorsprache erklärt, dass es sich bei der Urkunde auf Seite 713 der Behördenakte, die der Kläger selbst am 14. August 2015 der Beklagten vorgelegt habe, nicht um eine standesamtliche Eheschließung, sondern eine registrierte religiöse Ehe handle. Es treffe nicht zu, dass der Kläger diese Ehe erst am 9. März 2018 offengelegt habe. In der Vorsprache vom 19. Februar 2018 sei es um die Registrierung der aktuellen Ehe im Zusammenhang mit einem Familiennachzug gegangen. Hieraus resultiere keine Wiederholungsgefahr. Abgesehen davon habe die Behörde ihre Ausweisungsentscheidung nicht auf diesen Sachverhalt gestützt. Es handle sich insoweit um eine Überraschungsentscheidung, als das Verwaltungsgericht die Vorsprache vom 9. März 2018 zu keinem Zeitpunkt zum Gegenstand des Verfahrens gemacht habe. Der Kläger hätte ansonsten darauf hingewiesen, dass das Verwaltungsgericht von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgehe. Von einer Wiederholungsgefahr könne nicht die Rede sein, diese behaupte die Beklagte aber auch gar nicht. Die Beklagte habe darüber hinaus keine generalpräventiven Ausweisungsgründe eingestellt. Das Verwaltungsgericht habe sich daher auch nicht auf solche stützen dürfen. Soweit das Verwaltungsgericht die Beklagte dahingehend zitieren wollte, dass andere Ausländer durch die Ausweisung von der Begehung von Straftaten abgehalten werden sollen, fänden sich im Bescheid derartige Ausführungen im Rahmen der Prüfung des § 53 AufenthG nicht. Abgesehen davon führe das Verwaltungsgericht keine aktuellen generalpräventiven Gründe an. Es weise selbst darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft teilweise Verfahren wegen Verfolgungsverjährung eingestellt habe. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei der Tatbestand des § 172 StGB zu keinem Zeitpunkt erfüllt gewesen. Eine Strafbarkeit gemäß § 95 AufenthG sei seitens der Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 25. Juli 2012 ausdrücklich verneint worden. Ein weiteres Verfahren sei gemäß § 153 StPO wegen Geringfügigkeit bereits am 6. Oktober 2015 eingestellt worden. Ein Ausweisungsinteresse wäre daher auch nicht mehr aktuell. Auch hierzu habe die Beklagte nichts vorgetragen und sich das Verwaltungsgericht nicht verhalten. Eine Ausweisung, der keine konkrete Wiederholungsgefahr zugrunde liege, sei nicht aus rein generalpräventiven Gründen zulässig, da diese nicht den Tatbestand der Gefährdung im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG auszufüllen erfüllten. Es werde nicht berücksichtigt, dass die Beklagte bereits die Aufhebung der Aufenthaltstitel verfügt habe, sodass nicht erkennbar werde, weshalb zusätzlich eine Ausweisung aus generalpräventiven Gründen verfügt werden dürfte und erforderlich wäre. Die Beklagte lege mangels Ausführung zur Generalprävention schon nicht dar, wer überhaupt von angeblich vergleichbaren Delikten abgehalten werden solle und von wem konkret Gefahren ausgehen könnten, die durch eine Ausweisung des Klägers abgewehrt werden müssten. Es entstehe wiederholt der Eindruck, dass das Verwaltungsgericht in weiten Teilen das Urteil mit Ausführungen begründe, die nicht zum gegenständlichen Verfahren passten. Eine Ausweisung dürfe nur verfügt werden, wenn eine konkrete, zukunftsbezogene Polizeigefahr zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliege. Ausschließlich generalpräventiv verfügte Ausweisungen beruhten auf keiner Polizeigefahr, sondern auf einer vermeintlich abstrakten Gefahr von den „anderen Ausländern“. Von den anderen Ausländern gehe aber überhaupt keine konkrete Gefahr aus. Der Kläger selbst habe eine etwaig bestehende Gefahr bereits selbst beseitigt, da er seine Angaben berichtigt habe. Würde man nur die Abschreckung „anderer Ausländer“ unter das Tatbestandsmerkmal der „Gefährdung“ subsumieren, würde sich die Ausweisung in jedem Fall als unverhältnismäßig im Hinblick auf den langjährigen Inlandsaufenthalt des Klägers, seine Integrationsleistungen, der langjährigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung sowie ansonsten bestehender Rechtstreue erweisen. Es wäre im Falle des Klägers widersprüchlich, ihn zur Abschreckung anderer Ausländer dafür zu sanktionieren, dass er die Angaben vollumfänglich berichtigt habe und dennoch ein Ausweisungsbescheid erteilt worden sei. Dies würde im Gegenteil andere Ausländer davon abhalten, entsprechende Berichtigungen vorzunehmen. Eine Abschreckungswirkung sei nur in bestimmten Bereichen der Umwelt- und Wirtschaftskriminalität und im Bereich organisierter Kriminalität plausibel, die nicht Gegenstand des Verfahrens seien. Von einem erbrachten Nachweis der Abschreckungswirkung könne nicht ausgegangen werden. Die Annahme, andere Ausländer von der Begehung derartiger aufenthaltsrechtlicher und strafrechtlicher Verstöße abzuhalten, mache den Kläger zum Objekt der Ausweisungsverfügung. Der Kläger sei nicht verantwortlich dafür, ob andere Personen sich strafbar machten oder nicht, ein Verantwortungszusammenhang bestehe nicht. Unbeschadet dessen führe das Verwaltungsgericht auch nicht an, welche konkreten Straftaten damit gemeint seien und woraus die Aktualität der zur Verwertung als generalpräventiver Grund rühren sollte. Die Ausweisung erweise sich auch mangels ausreichender Abwägung als rechtswidrig. Völlig unberücksichtigt bleibe, dass der Kläger in seiner Erklärung vom 9. Juli 2012 die Unrichtigkeit selbst aufgedeckt habe. Hieraus resultiere nicht nur, dass keine künftige Gefahr bestehe, sondern auch ein gravierendes Abwägungsdefizit, da die Behörde diesen besonders erheblichen Umstand überhaupt nicht berücksichtigt habe. Auch habe zum Zeitpunkt der Entscheidung und zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keine Doppelehe mehr bestanden. Dagegen sei der Kläger weiterhin sozialversicherungspflichtig beschäftigt, habe alle geforderten Unterlagen vorgelegt und auch das Einbürgerungsverfahren nicht fortbetrieben. Die Ausweisung verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Art. 2 Abs. 1 GG sowie Art. 8 EMRK. Es liege ein mittlerweile über 12-jähriger Daueraufenthalt vor, der Beklagten sei seit über 8 Jahren der Sachverhalt bekannt, es sei eine schutzwürdige Ehe mit der deutschen Ehefrau geführt worden und die langjährige Berufstätigkeit stelle einen achtenswerten Belang des nach Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Privatlebens dar. Es sei fehlerhaft, zum Zeitpunkt der Ausweisung von fehlenden Aufenthaltstiteln auszugehen. Zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Ausweisungsverfügung habe der Kläger eine Niederlassungserlaubnis besessen. Es komme daher nicht auf § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG an. Die im selben Bescheid ausgesprochene, noch nicht bekannt gegebene Rücknahme der Aufenthaltstitel könne nicht zur Rechtsvernichtung vor der behördlichen Entscheidung über die Ausweisung führen. Gemäß § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG seien alle Umstände zu berücksichtigen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung gegeben seien. Dabei komme es nicht auf den Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides an; sonst könnte ein Ausweisungsempfänger nie einen Aufenthaltstitel besitzen, da die Rücknahme und die Ausweisung insofern dieselbe Rechtsfolge nach sich zögen (§ 51 Abs. 1 AufenthG). Unbeschadet dessen lägen auch unbenannte Bleibeinteressen aus dem langjährigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland vor. Die Beklagte verkenne den Maßstab des Art. 8 EMRK; der Kläger sei kurz vor der Einbürgerung gestanden. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts könne sich der Kläger auch nicht etwa mühelos in das Familienleben in Pakistan einfügen. Es sei dem Kläger, der seit rund 10 Jahren in Deutschland arbeite, aufgrund der wirtschaftlichen Lage in Pakistan keinesfalls möglich, dort für den Lebensunterhalt der Familie zu sorgen. Die Aussage des Verwaltungsgerichts, die Ausweisung sei unter Berücksichtigung von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK verhältnismäßig, sei erkennbar eine bloße Leerformel, da das Verwaltungsgericht zuvor keinerlei Ausführungen zu Art. 8 EMRK getroffen habe und auch die Behörde diesen überhaupt nicht geprüft habe. Zudem habe das Verwaltungsgericht den Schutz nach Art. 6 GG gerade negiert und die Behörde die erneute Eheschließung des Klägers mit der pakistanischen Ehefrau gegen ihn als negatives Abwägungsmerkmal angesehen.
Hinsichtlich der Befristung der Wirkungen der Ausweisung wäre zu berücksichtigen gewesen, dass bei der Ermessensentscheidung weder die freiwillige Berichtigung der Angaben durch den Kläger am 9. Juli 2012 berücksichtigt noch dargelegt worden sei, welche Gefahr durch die Sperrfrist abgewendet werden müsste. Dafür, dass der Kläger künftig eine Doppelehe eingehen würde, gebe es keinerlei Anhaltspunkte. Generalpräventive Gründe könnten nicht berücksichtigt werden; hierzu fehle es an einem aktuellen Interesse. Auch diene die Sperrfrist nicht der Sanktionierung.
Mit weiteren Schriftsätzen vom 29. Januar 2021 und vom 13. März 2021 vertiefte und ergänzte der Kläger sein Zulassungsvorbringen. Es habe mittlerweile ein Nachweis über die Eintragung der Scheidungserklärung beschafft werden können. Die Scheidungserklärung vom 11. September 2003 sei daher wirksam.
Die mit dem erstinstanzlichen Vorbringen weitgehend übereinstimmenden Rügen des Klägers zeigen weder im Hinblick auf die verfügte Rücknahme der Aufenthaltstitel (1.1.) noch im Hinblick auf die Ausweisung (1.2.) noch hinsichtlich der Befristungsentscheidung (1.3.) noch im Hinblick auf eine geltend gemachte Verletzung rechtlichen Gehörs (1.4.) ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils auf.
1.1 Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Kläger habe die ihm wegen bestehender Doppelehe rechtswidrig erteilten Aufenthaltstitel durch arglistige Täuschung erwirkt, weil er mehrfach bewusst falsche Angaben über die Existenz der pakistanischen Ehefrau und Familie gemacht habe, ist nicht zu beanstanden.
Die Ausländerbehörde hat den streitigen Bescheid vom 15. Mai 2018 zutreffend auf Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG gestützt, wonach rechtswidrige Verwaltungsakte auch nach Unanfechtbarkeit (auch) mit Wirkung für die Vergangenheit (insbesondere bei fehlendem schutzwürdigem Vertrauen, vgl. Art. 48 Abs. 2 Satz 4 BayVwVfG) zurückgenommen werden können.
Entgegen dem Zulassungsvorbringen erweist sich die streitgegenständliche Rücknahmeentscheidung gemäß Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG als inhaltlich hinreichend bestimmt, da sich die im Tenor benannten „erteilten Aufenthaltstitel“ jeweils im Einzelnen nach Titel und Erteilungsdatum eindeutig aus den Gründen der Entscheidung ergeben. Die getroffene Regelung stellt sich für den Adressaten hinreichend klar und deutlich dar, es ist aus der Entscheidung ohne weiteres ersichtlich, welche Aufenthaltstitel zurückgenommen werden.
Bei der gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Bescheids, durch den eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zurückgenommen oder widerrufen wird, ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts zugrunde zu legen (BVerwG, U.v. 13.4.2010 – 1 C 10/09 – juris Rn. 11).
Voraussetzung der Rücknahme ist, dass der Aufenthaltstitel rechtswidrig erteilt wurde, was insbesondere dann der Fall ist, wenn hinsichtlich einer unabdingbaren Erteilungsvoraussetzung unrichtige Angaben gemacht wurden oder die erteilende Behörde von falschen Tatsachen ausgegangen ist.
Die dem Kläger im Hinblick auf die Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen vom 2. Juni 2004 familienbezogenen Aufenthaltstitel waren von Anfang an rechtswidrig, da wegen der bereits seit dem 15. April 1997 mit einer pakistanischen Staatsangehörigen bestehenden Ehe, aus der zwei 1998 und 2005 geborene Kinder hervorgegangen sind, von einer (einseitigen) Zweckehe mit der deutschen Staatsangehörigen aus aufenthaltsrechtlichen Gründen auszugehen ist und die Erteilung der Aufenthaltstitel auf den fortgesetzten und wiederholten Falschangaben des Klägers beruhten.
Aufenthaltstitel für den Familiennachzug zu Deutschen werden zur Herstellung und Wahrung der familiären bzw. ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet erteilt (§ 27 Abs. 1 AufenthG). Das formale Band der Ehe reicht daher für sich genommen nicht aus, um aufenthaltsrechtliche Wirkungen auszulösen. Erst der bei beiden Eheleuten bestehende Wille, die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet tatsächlich herzustellen oder aufrechtzuerhalten, löst den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG aus; die Beweislast für das Bestehen dieses Herstellungswillens als einer inneren Tatsache trägt der Ausländer. Maßgeblich ist der nachweisbar betätigte Wille, mit der Partnerin bzw. dem Partner als wesentlicher Bezugsperson ein gemeinsames Leben zu führen. Ob dieser Wille vorliegt und praktiziert wird, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls (BVerwG, B.v 22.5.2013 – 1 B 25.12 – juris Rn. 4 f. m.w.N.).
Die Ehe zwischen einem Deutschen und einem Ausländer hat daher in der Regel kein ein Aufenthaltsrecht auslösendes Gewicht, wenn sie nicht eine eheliche Lebensgemeinschaft begründet, sondern lediglich dem Ausländer zu einem ihm sonst verwehrten Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verhelfen soll, mithin lediglich eine Zweckehe („Scheinehe“) vorliegt (BVerwG, B.v. 22.12.2004 – 1 B 111.04 – Buchholz 402.240, § 23 AuslG Nr. 10). Dies gilt auch dann, wenn nur ein Ehegatte die eheliche Lebensgemeinschaft herstellen und wahren will (sog. einseitige Scheinehe; OVG Bln-Bbg., U.v. 29.1.2009 – OVG 2 B 11.08 – juris Rn. 20). Die Erteilung bzw. Verlängerung einer zum Ehegattennachzug erteilten Aufenthaltserlaubnis ist rechtswidrig, wenn der Ausländer eine Doppelehe führt (vgl. OVG NRW, U.v. 3.12.2009 – 18 A 1787/06 – juris); eine solche Doppelehe entfaltet zugunsten eines Ausländers grundsätzlich keine ausländerrechtlichen Wirkungen, weil sie nicht unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG steht (vgl. OVG NRW, B.v. 6.1.2009 – 18 B 1914/08 – juris). Schließt ein bereits verheirateter Ausländer unter Verschweigen dieser bestehenden Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen eine weitere Ehe, so rechtfertigt dies die Schlussfolgerung, dass die weitere Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen (zumindest einseitig) allein aus aufenthaltsrechtlichen Zwecken erfolgte.
Mit dem Verwaltungsgericht und der Beklagten ist vorliegend von einer nicht unter dem Schutz von Art. 6 Abs. 1 GG stehenden Doppelehe und damit von einer einseitigen Zweckehe auszugehen. Der Kläger hat am 15. April 1997 eine islamische Ehe (nikah nama) mit der pakistanischen Staatsangehörigen S.G. geschlossen (vgl. Übersetzung der Urkunde S. 716 der Behördenakte). Aus dieser Ehe ging die am 26. Februar 1998 geborene Tochter F.A. hervor, ehe der Kläger im Juli 2001 in das Bundesgebiet einreiste und erfolglos ein Asylverfahren betrieb. Bereits im Rahmen des Asylverfahrens machte der Kläger unzutreffende Angaben zu seinem Familienstand und gab sich als „ledig“ aus. Nach erfolglosem Abschluss des Asylverfahrens erstrebte er seit 2003 die Eheschließung mit der deutschen Staatsangehörigen K.L.; bei der Überprüfung der vorgelegten Personenstandsurkunden gelangte der beauftragte Vertrauensanwalt der deutschen Botschaft Islamabad nach Durchführung von Interviews mit der Mutter, dem Bruder sowie Nachbarn der Familie in Lahore, Pakistan in Anbetracht des beträchtlichen Altersunterschiedes und der Tatsache, dass die Verlobte des Klägers der Familie weitgehend unbekannt war, zu dem Verdacht, dass eine Zweckehe beabsichtigt sei. Das Standesamt der Stadt R. lehnte daraufhin die Eheschließung ab; das Amtsgericht R. lehnte es mit Beschluss vom 29. Juni 2004 ab, das Standesamt zur Annahme der Anmeldung zur Eheschließung anzuweisen. Nachdem der auf Abschiebeschutz gerichtete Eilantrag des Klägers mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. November 2003 abgelehnt wurde und der Verwaltungsgerichtshof die hiergegen gerichtete Beschwerde mit Beschluss vom 3. Mai 2004 zurückwies, reiste der Kläger am 31. Mai 2004 freiwillig aus und kehrte nach Pakistan zurück. In Pakistan schloss der Kläger am 2. Juni 2004 die Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen K.L. (die Ehefrau kehrte am 9.6.2004 in das Bundesgebiet zurück) und beantragte im September 2004 die Erteilung eines Visums zur Familienzusammenführung. Daran schloss sich ein bis Juli 2007 dauernder Rechtsstreit an. Der Kläger lebte vom 31. Mai 2004 bis zum 14. Juli 2008 in Pakistan; während dieser Zeit ging aus der mit der Ehe mit der pakistanischen Ehefrau die weitere, am 20. März 2005 geborene Tochter L.A. hervor. Laut der vorgelegten Geburtsurkunde (S. 804 der Behördenakte) wurde die Geburt durch den Vater des Klägers angezeigt, und in die Geburtsurkunde der Kläger als Vater eingetragen. Im pakistanischen Kindschaftsrecht gilt die Vermutung der Ehelichkeit eines Kindes; von einer Nichtehelichkeit darf nur dann ausgegangen werden, wenn daran keine Zweifel bestehen (vgl. Weishaupt in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht – Pakistan, Stand: 5/2017, S. 72). Im Hinblick darauf ist es vorliegend nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht u.a. aus diesen Umständen die Schlussfolgerung gezogen hat, dass der Kläger bis zur erstmals am 14. August 2015 gegenüber der Ausländerbehörde zugestandenen pakistanischen Ehe und der nachgewiesenen Scheidung von der pakistanischen Ehefrau vom 22. November 2011 mit dieser bis dahin verheiratet war.
Diese Feststellung vermag das Zulassungsvorbringen nicht mit dem – erstmals im Anhörungsverfahren in angepasster Weise geltend gemachten – Vorbringen, es sei bereits am 11. September 2003 wirksam eine einseitige, dreifache Scheidungserklärung vor zwei Zeugen erfolgt, in Zweifel zu ziehen. Eine solche Privatscheidung nach pakistanischem Recht durch Verstoßung der Ehefrau kann nicht anerkannt werden, wenn – wie vorliegend – der konstitutive Scheidungsakt in Deutschland stattgefunden hat und die Scheidung vom Boden der Bundesrepublik Deutschland aus nach Pakistan übersendet wird (vgl. Bergmann/Ferid, a.a.O., s. 55; Verstoß gegen ordre public, vgl. OLG Stuttgart, E.v. 3.5.2019 – 3465 E – 519/18 – juris). Wurde der konstitutive Scheidungsakt einer Privatscheidung von Ausländern im Inland vorgenommen, so ist eine Anerkennung dieser Scheidung nicht möglich, weil dadurch gegen das Scheidungsmonopol der deutschen Gerichte verstoßen würde (OLG Stuttgart, B.v. 11.4.1987 – 1 VA 5/86 – juris). Gegen eine wirksame Scheidung nach pakistanischem Recht im Jahr 2003 spricht weiter, dass aus dieser Ehe nachfolgend die am 20. März 2005 geborene Tochter des Klägers hervorgegangen ist, diese Geburt vom Vater des Klägers angezeigt wurde und der Kläger von Juni 2004 bis Juli 2008 in Pakistan (naheliegend auch mit der pakistanischen Ehefrau) gelebt hat. Schließlich konnte der Kläger keine nachvollziehbaren Gründe dafür angeben, warum die (angebliche) Scheidung vom 11. September 2003 erst im Rahmen der Anhörung zum streitgegenständlichen Bescheid am 18. Mai 2018 geltend gemacht wurde und weshalb bei Wirksamkeit dieser Scheidung am 22. November 2011 eine erneute Scheidung hätte erfolgen sollen. Angesichts dieser Umstände ist das Verwaltungsgericht zu Recht von einem nicht erbrachten Nachweis einer bereits 2003 erfolgten Auflösung der Ehe ausgegangen. Im Hinblick auf die mangelnde Anerkennungsfähigkeit einer auf deutschem Boden ausgesprochenen Privatscheidung und die offensichtlich fortgeführte Ehe mit der pakistanischen Ehefrau, was die Geburt eines weiteren gemeinsamen Kindes 2005 belegt, hat sich eine weitere Aufklärung zur Echtheit und Rechtswirksamkeit der am 11. September 2003 (angeblich) ausgesprochenen Scheidungserklärung nicht aufgedrängt. Angesichts dieser Gesamtumstände vermag auch die im Zulassungsverfahren nachträglich vorgelegte „Scheidungsregistrierungsbescheinigung“ mit Ausstelldatum 6. Februar 2021 eine rechtswirksame Eheauflösung nicht zu belegen, zumal in der Scheidungsurkunde vom 18. November 2011 die angeblich bereits vorangegangene Scheidung nicht erwähnt wird und auch nach pakistanischem Recht in Anbetracht der an eine Scheidung knüpfenden Rechtsfolgen (vgl. Bergmann/Ferid, a.a.O., S. 53) eine bereits geschiedene Ehe nicht erneut – oder wie klägerseits vorgetragen „zusätzlich“ – geschieden werden kann.
Entgegen dem Zulassungsvorbringen steht einer Rücknahme des am 30. Juni 2008 von der deutschen Botschaft Islamabad erteilten Visums nicht entgegen, dass die Beklagte keine Zuständigkeit oder Befugnis für die Rücknahme gehabt hätte. Für erteilte Schengen-Visa gilt nach Art. 34 Abs. 1 VO (EG) Nr. 810/2009 (Visakodex), dass ein Visum annulliert wird, wenn sich herausstellt, dass die Voraussetzungen für seine Erteilung zum Ausstellungszeitpunkt nicht erfüllt waren, insbesondere wenn es ernsthafte Gründe zu der Annahme gibt, dass das Visum durch arglistige Täuschung erlangt wurde; nach Satz 2 der Vorschrift wird das Visum grundsätzlich von den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, der es erteilt hat, annulliert. Dies sind in der Bundesrepublik in den Fällen des § 71 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG die Grenzbehörden, im Übrigen verbleibt es wie vorliegend bei der Zuständigkeit der Ausländerbehörde nach § 71 Abs. 1 AufenthG (vgl. Möller in Hofmann, NK-AuslR, 2. Aufl. 2016, AufenthG § 52 Rn. 52). Gleiches gilt für die Rücknahme eines nationalen Visums. Die Zuständigkeit einer Auslandsvertretung ist nur für Ausländer gegeben, die sich im Ausland aufhalten; sie entfällt daher, wenn der Ausländer in das Bundesgebiet zum Zweck der Aufenthaltsnahme eingereist ist (vgl. Nr. 71.2.1. AVwV AufenthG). Die Zuständigkeit der Auslandsvertretungen, die auch die Rücknahme und den Widerruf eines Visums umfasst (vgl. Nr. 71.2.2. AVwV AufenthG), geht nach der Einreise des Ausländers somit in die Zuständigkeit der Ausländerbehörde für aufenthaltsrechtliche Maßnahmen nach § 71 Abs. 1 AufenthG über. Im Hinblick auf die insoweit gegebene Zuständigkeit der Ausländerbehörde oblag ihr somit originär die Ausübung des Rücknahmeermessens; auf die mit dem Zulassungsvorbringen vorgebrachte Rüge, die Ausländerbehörde könne nicht das Rücknahmeermessen der den Aufenthaltstitel erteilenden Behörde (hier der Deutschen Botschaft in Islamabad) ausüben, kommt es mithin nicht an.
Zurückgenommen werden können auch bereits abgelaufene Aufenthaltstitel, da diese im Hinblick auf eine weitere Aufenthaltsverfestigung weiterhin Rechtswirkungen entfalten (vgl. Kluth in Kluth/Hornung/Koch, ZuwanderungsR-HdB, 3. Aufl. 2020, § 5 Rn. 43).
Sämtliche dem Kläger erteilten Aufenthaltstitel beruhten auf dessen mehrfachen, systematischen und konsequent über Jahre hinweg aufrechterhaltenen Falschangaben zu seinem Familienstand und dem Verschweigen einer bereits bestehenden Ehe und Familie in Pakistan. Wäre den zuständigen Behörden bekannt gewesen, dass der Kläger in Pakistan seit 1997 verheiratet war und eine Familie hat, hätte er aus der weiteren mit einer deutschen Staatsangehörigen geschlossenen Ehe keine aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen erlangen können. Die vom Kläger in der Bundesrepublik geführte Doppelehe vermochte damit zu seinen Gunsten keine ausländerrechtlichen Wirkungen zu entfalten. Mangels eines Schutzes nach Art. 6 Abs. 1 GG kann der Kläger aus seiner zweiten Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen kein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet herleiten (vgl. VGH BW, B.v. 21.8.2007 – 11 S 995/07 – juris; B.v. 15.8.2005 – 13 S 951/04 – juris).
Entgegen der Auffassung des Klägers setzt sich die Rechtswidrigkeit der erteilten Aufenthaltstitel (Visum vom 30.6.2008, Aufenthaltserlaubnisse vom 11.8.2008 und 10.6.2009) auch in der am 14. Juli 2011 erteilten Niederlassungserlaubnis fort. Zum einen führte der Kläger zum Zeitpunkt der Erteilung der Niederlassungserlaubnis ausweislich der pakistanischen Scheidungsbescheinigung („Divorce Certificate“) vom 22. November 2011 weiterhin eine Doppelehe, zum anderen beruht die Niederlassungserlaubnis auf den durch Falschangaben und Täuschung bewirkten vorangegangenen, rechtswidrigen Aufenthaltstiteln. Mit der zum 22. November 2011 bescheinigten Scheidung von der pakistanischen Ehefrau wird die aufgrund von Falschangaben und rechtswidrig erteilten Aufenthaltstiteln erschlichene Niederlassungserlaubnis des Klägers nicht nachträglich rechtmäßig. Aus der vom 2. Juni 2004 bis zum 22. November 2011 geführten Doppelehe des Klägers unter jahrelangen Falschangaben gegenüber verschiedenen Behörden lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass die mit der deutschen Staatsangehörigen eingegangene weitere Ehe ausschließlich aufenthaltsrechtlichen Zwecken diente; auch mit Auflösung der ersten Ehe erwächst der weiteren eingegangenen Zweckehe keine Schutzwürdigkeit nach Art. 6 Abs. 1 GG. Mithin bedarf es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der erteilten Aufenthaltstitel entgegen der klägerischen Auffassung im Zulassungsvorbringen nicht einer Differenzierung zwischen Zeiten des Führens einer Doppelehe und einer Einehe; mangels Schutzbedürftigkeit der im Bundesgebiet geführten Zweckehe konnte der Kläger auch nach Scheidung von der pakistanischen Ehefrau ab dem 22. November 2011 nicht in rechtmäßiger Weise einen familienbezogenen Aufenthaltstitel beanspruchen.
Ohne dass es weiter darauf ankommt, ist die Berücksichtigung der jahrelang fortgesetzten Falschangaben zur Erschleichung von Aufenthaltstiteln als ein der Erteilung regelmäßig entgegenstehendes Ausweisungsinteresse nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG durch das Verwaltungsgericht und die Beklagte nicht zu beanstanden. Dem steht nicht entgegen, dass der Ausweisungsgrund nach § 54 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG zum Zeitpunkt der Erteilung der Aufenthaltstitel noch nicht erlassen war, da § 54 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG der in seinem Wortlaut identischen und von der Beklagten benannten Vorgängerregelung nach § 55 Abs. 2 Nr. 1a AufenthG a.F. entspricht. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht hinsichtlich eines ebenfalls anzunehmenden Rechtsverstoßes nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG zutreffend darauf hingewiesen, dass es hierbei auf eine rechtskräftige Verurteilung nicht ankommt (vgl. BVerwG, U.v. 17.6.1998 – 1 C 27-96 – NVwZ 1999, 775). Dass im Falle der jahrelangen und wiederholten Täuschungshandlungen des Klägers gegenüber verschiedenen Behörden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Deutsche Botschaft Islamabad und Ausländerbehörde) vorliegend keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, ausnahmsweise von dem entgegenstehenden Ausweisungsinteresse abzusehen, ist ebenso nicht zu beanstanden.
Da sich der Kläger infolge seiner arglistigen Täuschung nicht auf schützenswertes Vertrauen berufen kann (Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 BayVwVfG), war die Beklagte an die Jahresfrist aus Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG gemäß Art. 48 Abs. 4 Satz 2 BayVwVfG nicht gebunden. Die Behörde hat entgegen der klägerischen Auffassung die Rücknahmebefugnis auch nicht verwirkt. Eine Verwirkung setzt voraus, dass neben dem Zeitablauf weitere Umstände hinzutreten, die unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nach Treu und Glauben die berechtigte Erwartung begründen, von dem streitigen Recht werde kein Gebrauch (mehr) gemacht. Dass die Behörde einen solchen Vertrauenstatbestand geschaffen haben könnte, ist nicht ersichtlich; sie ergibt sich nicht aus den vom Kläger abgegebenen Verpflichtungsermächtigungen für erstrebte Besuchsreisen der pakistanischen Familie.
Mit dem Verwaltungsgericht sind Ermessensfehler im Sinne von § 114 Satz 1 VwGO nicht zu erkennen. Im Rahmen der Ermessensentscheidung sind alle für oder gegen eine solche sprechenden Belange und Interessen zu benennen und gegeneinander abzuwägen. Auf der Grundlage einer Ermessensabwägung hat die Ausländerbehörde auch darüber zu entscheiden, ob die Rücknahme einer Aufenthaltserlaubnis rückwirkend oder mit Wirkung für die Zukunft verfügt werden soll.
Entgegen dem Zulassungsvorbringen hat die Beklagte im Rahmen der Ermessensabwägung die Aufenthaltsdauer des Klägers im Bundesgebiet gewürdigt, ist jedoch in Anbetracht des vom Kläger erstrebten Familiennachzugs der pakistanischen Familie und der damit drohenden Ausweitung und Verfestigung des rechtswidrig begründeten Aufenthalts und den damit verbundenen Vergünstigungen von einem Überwiegen des öffentlichen Interesses ausgegangen. Dabei wurden entgegen dem Zulassungsvorbringen auch etwaige Vermögensnachteile des Klägers berücksichtigt. Das klägerische Vorbringen, die öffentliche Sicherheit und Ordnung sei zu keinem Zeitpunkt beeinträchtigt worden, geht in Anbetracht des nach erneuter Eheschließung mit der pakistanischen Ehefrau vom 5. Dezember 2017 nunmehr verfolgten Familiennachzugs der pakistanischen Familie aufgrund des mit arglistiger Täuschung erwirkten Aufenthaltsrechts des Klägers ersichtlich fehl. Mit dem Familiennachzug würde sich – unabhängig von der Schutzwürdigkeit der mit der pakistanischen Ehefrau im Dezember 2017 erneut geschlossenen Ehe – das rechtswidrig und durch Täuschung erlangte Aufenthaltsrecht des Klägers weiter verfestigen und auf weitere Personen erstrecken. Dieser drohende Schaden für die deutsche Rechtsordnung spiegelt das öffentliche Interesse an der Rücknahme der erteilten Aufenthaltstitel wider. Eine fehlerhafte Berücksichtigung eines nicht abwägungsrelevanten Belangs ist hierin nicht zu erkennen. Bei der Gewichtung der vom Kläger über Jahre hinweg fortgesetzten Falschangaben hat die Beklagte auf die Strafbarkeit einer Doppelehe nach § 172 Satz 1 Nr. 1 StGB verwiesen; auch nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts wurde dem durch die bigamische Eheschließung ermöglichten Aufenthalt ein geringeres Gewicht zuerkannt. Eine Aussage über die Strafbarkeit des Klägers wegen der geführten Doppelehe und damit ein Ermessensfehlgebrauch ist darin nicht zu erkennen.
1.2. Die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der als rechtmäßig erachteten Ausweisung erweist sich auch unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens nicht als ernstlich zweifelhaft.
Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass dies vorliegend der Fall ist.
Die öffentliche Sicherheit umfasst die Unversehrtheit von Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre und Vermögen des Einzelnen sowie den Bestand und das Funktionieren des Staates und seiner Einrichtungen. Geschützt werden danach sowohl Individualwie Gemeinschaftsgüter, insbesondere die Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung sowie sonstige kollektive Schutzgüter (vgl. Bauer in Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 53 AufenthG Rn. 23; Fleuß in Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Stand: 4/2021, § 53 AufenthG Rn. 12). Die Annahme einer Gefährdung setzt die Prognose voraus, dass durch die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet bei ungehindertem Ablauf des zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit ein Schaden an einem der bezeichneten Schutzgüter eintreten wird (BT-Drs. 18/4097, 49; vgl. Fleuß in Kluth/Heusch, a.a.O. Rn. 19).
Zutreffend ist das Verwaltungsgericht mit der Beklagten von der fortbestehenden Gefahr ausgegangen, dass aus dem aufgrund von Täuschung unrechtmäßig erlangten Aufenthaltsrecht weitere auf dieser Täuschung beruhende Vorteile wie der Nachzug der pakistanischen Familie erstrebt werden. Auf die Gefahr der Eingehung einer erneuten Doppelehe ist dabei nicht maßgeblich abzustellen, vielmehr auf einen drohenden Schaden für das betroffene Rechtsgut, hier der Einhaltung der (aufenthaltsrechtlichen) Rechtsordnung, der Funktionsfähigkeit des Staates und der Redlichkeit des Rechtsverkehrs. Wer – wie vorliegend – aufgrund arglistiger Täuschung über Jahre hinweg Aufenthaltstitel erschleicht und aufgrund des erschlichenen Aufenthaltsrechts aktuell einen Familiennachzug erstrebt, von dem geht in Anbetracht der unrechtmäßigen Inanspruchnahme eines Aufenthaltsrechts für sich und dem davon abgeleiteten weiteren Aufenthaltsrecht für die nachzugswillige Familie ersichtlich eine fortbestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus.
Die vom persönlichen Verhalten des Klägers ausgehende Gefahr ist entgegen der klägerischen Auffassung nicht schon mit der Aufgabe der Doppelehe gebannt. Der Kläger hat durch sein Verhalten in der Vergangenheit gezeigt, dass er zur Erlangung eines Aufenthaltsrechts für sich und seine in Pakistan befindliche Familie sich jeglicher Mittel und Falschangaben bedient. Aufgrund seiner jahrelangen Täuschung droht mit dem vom Kläger erstrebten Familiennachzug ersichtlich eine Verfestigung und Ausweitung des unrechtmäßig aufgrund von Täuschung und Falschangaben erlangten Aufenthalts des Klägers. Das Schutzgut der Unverletzlichkeit der Rechtsordnung wird durch das Verhalten des Klägers, die in strafbarer Weise erlangten Aufenthaltstitel und deren Verfestigung durch Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (§ 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG) zur Erlangung weiterer Rechte und Vergünstigungen sowohl für die pakistanische Familie als auch für sich (Einbürgerung) zu nutzen, unmittelbar gefährdet. Eine Verletzung des durch die Straftatbestände nach § 95 AufenthG geschützten Rechtsguts droht unmittelbar. Entgegen der klägerischen Auffassung ist diese Gefahr gerade nicht mit der Berichtigung bzw. Offenlegung seiner jahrelangen Falschangaben gebannt, solange der Kläger aus dem trügerisch erlangten Aufenthaltsrecht weitere Rechte und Vergünstigungen erstrebt. Es steht weiter zu befürchten, dass der Kläger dieses Ziel auch in Zukunft mit allen Mitteln erreichen will. Hierauf haben das Verwaltungsgericht und die Beklagte ersichtlich abgestellt.
Durch das jeweilige verfahrens- und prozessangepasste Verhalten des Klägers, wozu gehört, dass er erst nach Erhalt der Niederlassungserlaubnis und mehrfachen anonymen Anzeigen die Existenz der pakistanischen Ehefrau und Kinder zugegeben hat (2012 bzw. 2015), in diesem Zusammenhang eine Ehescheidungsurkunde von 2011 vorgelegt hat und erst im Rahmen der Anhörung zum streitgegenständlichen Bescheid eine (angeblich) bereits 2003 (zu einem Zeitpunkt, als sich der Kläger im Bundesgebiet befand) eine abgegebene dreifache, einseitige Scheidungserklärung angeführt hat, offenbart der Kläger seine Einstellung zur deutschen Rechtsordnung und seine bereits in der Vergangenheit offenbarte Bereitschaft, nur solche Tatsachen zu offenbaren bzw. sich nur an solche Angaben gebunden zu fühlen, die für ihn in der jeweiligen Situation günstig sind.
In Anbetracht dessen ist auch gegen die Aktualität der im weiteren aufgeführten generalpräventiven Erwägungen der Beklagten nichts zu erinnern. Die Beklagte hat im streitgegenständlichen Bescheid das typischerweise auch generalpräventiven Zwecken dienende schwerwiegende Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG bejaht und es in nicht zu beanstandender Weise aus generalpräventiven Gesichtspunkten für erforderlich erachtet, durch eine Sanktion der aufenthaltsrechtlichen und strafrechtlichen Verstöße andere Ausländer von der Begehung gleichartiger Rechtsverstöße abzuhalten. Dass sich diese generalpräventiven Erwägungen, die sich erkennbar nicht nur auf die Befristungsentscheidung beziehen, im streitgegenständlichen Bescheid (abschließend) nach den Ausführungen zur Befristung der Wirkungen der Ausweisung finden, steht der Rechtmäßigkeit der generalpräventiven Begründung der Ausweisung nicht entgegen.
Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass dem schwerwiegenden Ausweisungsinteresse kein vertyptes besonders schweres oder schweres Bleibeinteresse gegenüber steht, nachdem die dem Kläger erteilten Aufenthaltstitel zurückgenommen wurden, ist nicht zu beanstanden.
Nach § 51 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG erlischt ein Aufenthaltstitel im Falle seiner Rücknahme; das Erlöschen tritt mit der Bekanntgabe der Rücknahme ein. Bei einer Rücknahme erlischt der Aufenthaltstitel bereits mit dem Wirksamwerden des Bescheids, auch wenn dagegen Klage erhoben wird (§ 84 Abs. 2 AufenthG) und der Suspensiveffekt eintritt.
Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen eines vertypten Bleibeinteresses nach § 55 AufenthG vorliegen, ist ebenfalls der Zeitpunkt der Bekanntgabe der Ausweisung.
Da ein durch Falschangaben erschlichener, aber wirksamer Aufenthaltstitel im Rahmen des Ausweisungsschutzes zu berücksichtigen wäre, kann die Ausländerbehörde selbst entscheiden, ob sie die Voraussetzungen des besonderen Abschiebungsschutzes durch Rücknahme des Aufenthaltstitels, auch rückwirkend, beseitigt oder nicht (vgl. BayVGH, U.v. 18.4.2008 – 10 B 08.297 – juris Rn. 21). Im Hinblick auf die Wirksamkeit der – wie ausgeführt – rechtmäßig verfügten Rücknahme der Aufenthaltstitel im Zeitpunkt der Bekanntgabe kann sich der Kläger nicht mehr auf ein vertyptes besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG berufen. Abgesehen davon hat die Beklagte im Rahmen der Abwägung die Bleibeinteressen des Klägers, insbesondere die Dauer seines Aufenthalts und seine Erwerbstätigkeit zutreffend gewürdigt, ist jedoch in nicht zu beanstandender Weise in Anbetracht des Gewichts der jahrelangen Täuschung des Klägers von einem Überwiegen des öffentlichen Ausweisungsinteresses ausgegangen.
Die Abwägung steht insbesondere im Einklang mit den Anforderungen nach Art. 8 EMRK:
Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, in das nur eingegriffen werden darf, soweit dies in einer demokratischen Gesellschaft für die öffentliche Sicherheit notwendig ist (Art. 8 Abs. 2 EMRK). Aus Art. 8 EMRK ergibt sich gleichwohl kein absolutes Recht auf Einreise oder Aufenthalt. Der Schutz des Familienlebens umfasst tatsächlich bestehende Familienbeziehungen, wobei der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) nicht zwischen einer „ehelichen“ und einer „nichtehelichen“ Familie unterscheidet und auch ein partnerschaftliches Zusammenleben ohne Kinder vom Schutzbereich mitumfasst. Der Schutz auf Achtung des Privatlebens umfasst die Summe aller sonstigen familiären, persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind und denen angesichts der zentralen Bedeutung dieser Bindungen für die Entfaltung der Persönlichkeit eines Menschen bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zukommt (vgl. BVerfG, B.v. 21.02.2011 – 2 BvR 1392/10 -, InfAuslR 2011, 235, juris Rn. 19). Auch dem ökonomischen Erfolg der Erwerbstätigkeit kann Bedeutung für das Bestehen hinreichend fester Bindungen zum Aufnahmestaat und damit für die Bejahung eines Privatlebens im Bundesgebiet zukommen (berücksichtigt z.B. von EGMR, U.v. 28.6.2007 – Kaya/Deutschland, Nr. 31753/02 – BeckRS 2008, 06725, Rn. 64; vgl. auch Art. 8 Abs. 2 EMRK, der auf „das wirtschaftliche Wohl eines Landes“ als Abwägungsgesichtspunkt verweist). Eine danach den Schutz des Privatlebens auslösende Verbindung mit der Bundesrepublik Deutschland als Aufenthaltsstaat kommt grundsätzlich für solche Ausländer in Betracht, die aufgrund eines Hineinwachsens in die hiesigen Verhältnisse bei gleichzeitiger Entfremdung von ihrem Heimatland so eng mit der Bundesrepublik Deutschland verbunden sind, dass sie gewissermaßen deutschen Staatsangehörigen gleichzustellen sind, während sie mit ihrem Heimatland im Wesentlichen nur noch das formale Band ihrer Staatsangehörigkeit verbindet (vgl. BVerwG, U.v. 29.9.1998 – 1 C 8.96 – NVwZ 1999, 303, VGH Baden-Württemberg, U.v. 13.12.2010 – 11 S 2359.10 – juris). Allerdings ist ein langfristiger Aufenthalt im Gastland allein grundsätzlich noch kein den Schutzbereich eröffnendes Kriterium. Das Bundesverwaltungsgericht führt aus, eine nach Art. 8 Abs. 1 EMRK schützenswerte Verwurzelung eines Ausländers komme grundsätzlich nur auf der Grundlage eines rechtmäßigen Aufenthalts und eines Vertrauens auf den Fortbestand des Aufenthalts in Betracht (BVerwG, U.v. 30.4.2009 – 1 C 3.08, U.v. 26.10.2010 – 1 C 18.09, B.v. 1.3.2011 – 1 B 2.11 – jeweils juris, ebenso BayVGH, U.v. 23.11.2010 – 10 B 09.731 – U.v. 21.12.2011 – 10 B 11.182 – jeweils juris). Eingriffe in dieses Recht sind zulässig, soweit sie zum Zwecke der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ sowie „des wirtschaftlichen Wohls des Landes“ in einer „demokratischen Gesellschaft notwendig“ sind, mithin wenn der Eingriff durch ein dringendes gesellschaftliches Bedürfnis gerechtfertigt ist und zudem mit ihm verfolgten Zweck in einem angemessenen Verhältnis steht (EGMR, U.v. 22.7.2004 – 42703/98 Rn. 31 – Radovanovic; EGMR, U.v. 28.06.2007 – 31753/02 – Kaya, BeckRS 2008, 06725 Rn. 51). Das Ausmaß der „Verwurzelung“ bzw. die für den Ausländer mit einer „Entwurzelung“ verbundenen Folgen sind unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben sowie der Regelung des Art. 8 EMRK zu ermitteln, zu gewichten und mit den Gründen, die für eine Aufenthaltsbeendigung sprechen, abzuwägen. Von erheblichem Gewicht sind dabei die Dauer des Aufenthalts, wo der Ausländer die Schulzeit verbracht hat und geprägt wurde, sowie der Schulabschluss und die Deutschkenntnisse, die er erworben hat. Von Bedeutung ist auch die Legitimität des bisherigen Aufenthalts. Was die berufliche Verwurzelung in Deutschland betrifft, ist zu prüfen, ob der Ausländer berufstätig und dadurch in der Lage ist, den Lebensunterhalt für sich und seine Familie dauerhaft zu sichern, und ob er über längere Zeit öffentliche Sozialleistungen bezogen hat. Ferner ist von Bedeutung, ob der Betreffende eine Berufsausbildung absolviert hat und ihn diese Ausbildung gegebenenfalls für eine Berufstätigkeit qualifiziert, die nur oder bevorzugt in Deutschland ausgeübt werden kann. Bei der sozialen Integration ist das Ausmaß sozialer Bindungen bzw. Kontakte des Ausländers außerhalb der Kernfamilie von Belang. Auch strafrechtliche Verurteilungen sind in die Betrachtung einzustellen. Alle diese Umstände sind im Wege einer Gesamtbewertung zu gewichten (vgl. OVG LSA, B.v. 27.11.2014 – 2 B 98/14 – juris Rn. 27).
Diese Gesamtbewertung hat die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise getroffen und das Verwaltungsgericht zutreffend bestätigt. Es wurde sowohl die Dauer des Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet und seine Erwerbstätigkeit berücksichtigt, als auch die Tatsache, dass der gesamte Aufenthalt des Klägers auf langjährigen Falschangaben und Täuschungen beruhte und (nach Scheidung von der deutschen Ehefrau) im Bundesgebiet keine schützenswerten familiären Beziehungen bestehen. Dass dem im Heimatland aufgewachsenen Kläger in Anbetracht der sich dort befindlichen Familie eine Reintegration gelingen wird, ist auch unter Berücksichtigung seiner Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nicht in Frage zu stellen.
1.3. Die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots von drei Jahren begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Für einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG), wobei in der behördlichen Befristungsentscheidung – wie hier – der konstitutive Erlass eines befristeten Einreiseverbots zu sehen ist (BVerwG, U.v. 27.7.2017 – 1 C 28.16 – juris Rn. 42; U.v. 21.8.2018 – 1 C 21/17 – juris Rn. 25). Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden (§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Dies hat zur Folge, dass das Gericht die Länge der Frist grundsätzlich nur in dem durch § 114 Satz 1 VwGO vorgegebenen Rahmen überprüfen darf. Eine Fristverkürzung durch das Gericht selbst kommt also nur in Betracht, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. In allen anderen Fällen ist zwar die Entscheidung der Verwaltungsbehörde aufzuheben, jedoch muss das Gericht der Verwaltungsbehörde erneut Gelegenheit geben, ihr Ermessen rechtsfehlerfrei auszuüben (BayVGH, U.v. 28.6.2016 – 10 B 15.1854 – juris Rn. 47; BayVGH, U.v. 12.7.2016 – 10 BV 14.1818 – juris Rn. 59 m.w.N.).
Bei der Bestimmung der Länge der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen; es bedarf einer prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zu Grunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. In einem zweiten Schritt ist die so ermittelte Frist an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK zu überprüfen und gegebenenfalls zu verkürzen; dieses normative Korrektiv bietet den Ausländerbehörden und den Gerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen (BVerwG, U.v. 13.12.2012 – 1 C 14.12 – juris Rn. 14; BayVGH, U.v. 25.8.2015 – 10 B 13.715 – juris Rn. 56; BayVGH, U.v. 28.6.2016 – 10 B 15.1854 – juris Rn. 50; BayVGH, U.v. 12.7.2016 – 10 BV 14.1818 – juris Rn. 67).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche Bewertung der Befristungsentscheidung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts, hier also des Senats (BVerwG, U.v. 25.3.2015 – 1 C 18.14, BVerwGE 151, 361 Rn. 10 m.w.N.; BayVGH, U.v. 12.7.2016 – 10 BV 14.1818 – juris Rn. 61).
Dem Kläger steht im Rahmen der behördlichen Fristbestimmung grundsätzlich ein Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens zu. Die Beklagte hat diesen Anspruch aber durch eine fehlerfreie Ermessensausübung im Ausweisungsbescheid erfüllt. Es ist insoweit nicht zu beanstanden, dass die Beklagte eine Frist von drei Jahren festsetzt, weil sie zum einen von einer Gefährdung der Rechtsordnung durch den Kläger ausgeht und zum anderen generalpräventive Gründe bejaht. Die Berücksichtigung generalpräventiver Erwägungen im Rahmen einer Befristung auf drei Jahre stellt sich entgegen dem Zulassungsvorbringen nicht als ermessensfehlerhaft dar. Auch eine generalpräventive Ausweisung erfordert grundsätzlich eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung. In diesem Fall ist in dem für die Ausweisung maßgeblichen Zeitpunkt zu beurteilen, wie lange der Betroffene unter Berücksichtigung seiner schutzwürdigen privaten Belange vom Bundesgebiet ferngehalten werden muss, damit die notwendige generalpräventive Wirkung erzielt werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 14.2.2012 – 1 C 7/11 – BVerwGE 142, 29-48, Rn. 29).
Nach diesen Maßgaben hat die Beklagte es im Hinblick auf die erneute Eheschließung der pakistanischen Ehefrau und den angestrebten Familiennachzug aus spezialpräventiven Gründen und eine Sanktionierung der aufenthalts- und strafrechtlichen Verstöße des Klägers aus generalpräventiven Gründen ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von drei Jahren für erforderlich erachtet. Die festgesetzte Frist erweist sich gemessen an den verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben des Art. 8 EMRK angesichts der bedrohten Rechtsgüter nicht als unverhältnismäßig, so dass dem Kläger mangels ersichtlicher Ermessensfehler kein Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, neu unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden, zusteht.
1.4. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verstößt nicht gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO).
Ein diesen Grundsatz verletzendes Überraschungsurteil liegt vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf – selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen – nicht zu rechnen brauchte (BVerwG, B.v. 18.12.2017 – 6 B 52.17 – juris; B.v. 25.5.2001 – 4 B 81/00 – juris). Dagegen kann von einer Überraschungsentscheidung nicht gesprochen werden, wenn das Gericht Tatsachen, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten, in einer Weise würdigt oder aus ihnen Schlussfolgerungen zieht, die nicht den subjektiven Erwartungen eines Prozessbeteiligten entsprechen oder von ihm für unrichtig gehalten werden (BVerwG, B.v. 11.1.2013 – 1 B 20/12 (1 PKH 14/12) – juris Rn. 6).
Nach diesen Maßstäben sind die Voraussetzungen für einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör durch eine unzulässige Überraschungsentscheidung hier nicht erfüllt. Weder bei der Beurteilung des Verwaltungsgerichts der vorgelegten Scheidungserklärung vom 11. September 2003 als „schlecht lesbare Kopie“ noch hinsichtlich der Ausführung, der Kläger habe im Rahmen der Vorsprache am 9. März 2018 „erst auf die Vorhaltung der Beklagten“ die bereits 1997 geschlossene Ehe mit der pakistanischen Ehefrau zugegeben, handelt es sich um entscheidungstragende Feststellungen, zu denen sich die Beteiligten nicht hätten äußern können. In Anbetracht dessen, dass die Ausführungen des Verwaltungsgerichts mit dem Wortlaut des in den Behördenakten befindlichen Aktenvermerks über die Vorsprache vom 9. März 2018 weitgehend identisch ist, entbehrt die klägerische Rüge, das Verwaltungsgericht habe die Akten falsch interpretiert, jeglicher Grundlage.
2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), die der Kläger ihr zumisst.
Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage entscheidungserheblich ist, erläutern, weshalb die vorformulierte Frage klärungsbedürftig ist, und darlegen, warum der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (stRspr vgl. z.B. BayVGH, B.v. 17.12.2015 – 10 ZB 15.1394 – juris Rn. 16 m.w.N.).
Der Kläger hält die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, ob der Erlass eines Rücknahme- und Ausweisungsbescheids bei gleichzeitiger Zustellung des Bescheides dazu führt, dass eine zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides erteilte Niederlassungserlaubnis nicht mehr besessen wird, sodass kein besonderes Bleibeinteresse im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG besteht. Des Weiteren auf welchen Zeitpunkt es bei der Frage des Besitzes ankomme, den der Behördenentscheidung über die Ausweisungsverfügung oder auf einen späteren Zeitpunkt. Die Rechtsfrage betreffe über den Fall des Klägers hinaus alle diejenigen, bei denen die Behörde eine Rücknahme des Aufenthaltstitels verfügt und in demselben Bescheid eine Ausweisungsentscheidung trifft. Diese Rechtsfrage sei höchstrichterlich nicht geklärt und entscheidungserheblich. Sowohl die Behörde als auch das Verwaltungsgericht seien davon ausgegangen, dass vertypte Bleibeinteressen nicht vorlägen und daher das Ausweisungsinteresse überwiege. Da das vertypte Bleibeinteresse nicht erkannt und berücksichtigt worden sei, sei die Abwägung erkennbar rechtsfehlerhaft. Die Annahme der Beklagten und des Verwaltungsgerichts, dass der Rücknahmebescheid zum Entfallen des Besitzes des Aufenthaltstitels führen würde, sei grundsätzlich klärungsbedürftig. Es liege auf der Hand, dass diese Auffassung rechtsfehlerhaft sei. Es werde verkannt, dass es bei der Abwägung nicht auf den Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides ankomme, sondern auf die Behördenentscheidung. Zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung habe aber gerade ein Aufenthaltstitel vorgelegen. Werde die Rücknahme in demselben Bescheid verfügt wie die Ausweisung, so könne sie vor der Ausweisungsentscheidung bereits mangels Bekanntgabe keine Wirkung entfalten.
Die Beklagte stütze sich bei der Ausübung des Rücknahmeermessens wesentlich darauf, dass der Kläger am 5. Dezember 2017 seine pakistanische Ehefrau erneut geheiratet habe und nur durch die Rücknahme ausgeschlossen werden könne, dass der Betroffene weiter von erschlichenen Aufenthaltstiteln profitiere. Hieran schließe sich die grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage, ob es mit Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar ist, dass ein Verwaltungsakt mit tragender Ermessensabwägung deshalb zurückgenommen werden soll, da bei Fortbestand des Verwaltungsaktes ein Ehegattennachzug in Betracht kommt. Weiter ob ein solcher Ermessensgesichtspunkt zulässig ist, wenn von diesem Ehepartner gemeinsame Kinder betroffen sind, die gegebenenfalls im Wege des Familiennachzugs nachreisen könnten. Die Rechtsfrage sei entscheidungserheblich, da bei Wegfall des Ermessensgesichtspunktes die Behörde ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt hätte und der Bescheid aufzuheben wäre. Nach Auffassung des Klägers sei dieser Ermessensgesichtspunkt von Verfassungs wegen nicht zulässig, da es eine Sanktionierung der erneuten Eheschließung darstelle und damit einen unzulässigen Eingriff in die Eheschließungsfreiheit. Der Betroffene werde damit faktisch gezwungen, zwischen der Eheschließung und dem Aufenthaltsrecht zu entscheiden. Das „Profitieren“ von einem Aufenthaltstitel hinsichtlich eines Familiennachzugs könne kein zulässiges Ermessenskriterium gegen den Betroffenen sein. Insoweit spitze sich die Wahl zwischen dem Familienleben und dem Aufenthaltsrecht noch deutlicher zu. Der Staat dürfe nicht derartige Entscheidungen von dem Betroffenen erzwingen, indem diese Frage zum Ermessensgesichtspunkt erhoben werde, da hierdurch in das Kindeswohl und den Schutz von Ehe und Familie eingegriffen werde.
Die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Rechtsfragen lassen sich – wie ausgeführt – anhand des geltenden Rechts und seiner einzelfallbezogenen Anwendung beurteilen, eine grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit ist mithin nicht erkennbar.
3. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt ebenfalls nicht vor.
Der Kläger rügt Verfahrensfehler des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, da es sich als Überraschungsentscheidung darstelle und auf einem Verstoß gegen die richterliche Aufklärungspflicht nach § 86 VwGO sowie die richterliche Überzeugungsbildung gemäß § 108 Abs. 1 VwGO beruhe.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts stelle sich in mehrfacher Hinsicht als Überraschungsentscheidung dar. Das Verwaltungsgericht habe keinerlei Hinweis erteilt, dass die Urkunde vom 11. September 2003 nicht lesbar sei. Diese Urkunde weise eine Scheidungserklärung auf, die der Kläger wiederholt vorgetragen habe. Das Gericht hätte darauf hinweisen müssen, dass es hierzu weitere Nachweise für erforderlich halte. Das Urteil sei verfahrensfehlerhaft, da kein ausreichendes rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) zur Frage der Wirksamkeit der „Scheidung“ nach islamischem Recht vom 11. September 2003 gewährt worden sei. Auch handle es sich um eine Überraschungsentscheidung, wenn das Verwaltungsgericht ohne jede Erörterung im Verfahren oder der mündlichen Verhandlung ausführe, dass aus Blatt 821 der Behördenakte folge, dass der Kläger am 9. März 2018 erst auf Vorhalt zutreffende Angaben gemacht habe. Die Darstellung des Verwaltungsgerichts widerspreche nicht nur dem Akteninhalt, sondern stelle eine Akteninterpretation dar, der keine entsprechende Aufklärung bzw. kein Hinweis vorausgegangen sei, sich zu der Niederschrift der Vorsprache zu erklären. Die Beklagte selbst habe auf die Vorsprache vom 9. März 2018 im Bescheid überhaupt nicht abgestellt. Das Verwaltungsgericht habe auch nicht erkannt, dass es sich selbst in Widerspruch zu Blatt 781 der Behördenakte setze. Das Verwaltungsgericht habe dem Kläger keine Möglichkeit gegeben, sich zu dieser Fragestellung zu äußern. Hätte das Gericht den Kläger in der mündlichen Verhandlung oder schriftsätzlich dazu befragt, hätte er erklärt, dass er im Hinblick auf die Vorsprache vom 19. Februar 2018 (Blatt 781 der Behördenakte) davon ausgegangen sei, dass die Beklagte die aktuellen Unterlagen zur Ehe benötige, und nicht, dass es auf die bereits bei der Beklagten vorgelegte Urkunde zur Eheschließung von 1997 ankommen sollte. Das Verwaltungsgericht hätte nicht die Schlussfolgerung gezogen, der Kläger habe bei der Vorsprache am 9. März 2018 „erst auf Vorhaltung“ Tatsachen zugegeben, die er selbst bereits am 14. August 2015 mitgeteilt habe. Das Verwaltungsgericht hätte sodann keine Wiederholungsgefahr angenommen, sodass das Urteil auf dem Verfahrensmangel beruhe.
Das Urteil beruhe auf einem Verstoß gegen die richterliche Aufklärungspflicht. Der Klägervertreter habe in der mündlichen Verhandlung angeregt, die ehemalige deutsche Ehefrau des Klägers als Zeugin zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass die Ehe im Sinne einer Liebesbeziehung zwischen dem Kläger und ihr tatsächlich geführt worden sei. Das Verwaltungsgericht habe ausgeführt, dass es nicht entscheidungserheblich darauf ankomme, ob der Kläger mit der deutschen Ehefrau tatsächlich eine Ehe geführt habe, da eine Doppelehe vorgelegen habe. Diese Fragestellung hätte jedoch nicht offenbleiben dürfen, da es sich um einen wesentlichen Ermessensgesichtspunkt handle und eine formelle Doppelehe gar nicht bis zum Erlass des Bescheides bestanden habe. Die Aufklärungsnotwendigkeit dieser Tatsache habe sich dem Gericht aufdrängen müssen. Wäre die Zeugin vernommen worden, so hätte sie bestätigt, dass sie mit dem Kläger eine „echte“ Ehe im Sinne einer Liebesbeziehung geführt habe.
Das Verwaltungsgericht habe § 108 Abs. 1 VwGO verletzt, da das Urteil nicht ausreichend begründet sei. Wesentliche Urteilsgründe fänden in der verfahrensgegenständlichen Akte keine Stütze. Das Verwaltungsgericht habe auf generalpräventive Erwägungen der Beklagten abgestellt, die sich auch nicht sinngemäß in dem Bescheid finden ließen. Generalpräventive Erwägungen fänden sich lediglich im Rahmen der Prüfung zu § 11 AufenthG. Die Begründung des Urteils des Verwaltungsgerichts beruhe daher nicht auf Vorbringen der Beklagten und sei daher unzureichend. Mangels entsprechenden Vorbringens habe das Verwaltungsgericht nicht die Rechtmäßigkeit einer generalpräventiv begründeten Ausweisung feststellen dürfen; der Sachvortrag werde unzutreffend wiedergegeben. Somit fehle es an einer ordnungsgemäßen Begründung. Soweit das Verwaltungsgericht weiter ausführe, dass es auch nicht zu beanstanden sei, „wenn die Beklagte die Ausweisung zudem auf spezialpräventive Erwägungen stützt“, gelte insoweit dasselbe, da die Beklagte einen derartigen Vortrag zu spezialpräventiven Gründen nie vorgenommen habe.
Aus dem Zulassungsvorbringen ergibt sich weder eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG; § 108 Abs. 2 VwGO, vgl. die Ausführungen unter 1.4.) noch eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO noch eine Verletzung der richterlichen Überzeugungsbildung nach § 108 Ab. 1 VwGO. Im Hinblick darauf, dass einer im Bundesgebiet ausgesprochenen Scheidungserklärung – unbesehen der Zweifel an der Echtheit der Urkunde im Hinblick auf die Gesamtumstände – wie ausgeführt die Anerkennung im Bundesgebiet versagt bleibt, kommt es auf die Lesbarkeit der Urkunde vom 11. September 2003 und eine Beweiserhebung dazu nicht weiter an. Die richterliche Überzeugungsbildung der Kammer des Verwaltungsgerichts, dass entsprechend der Angaben des Klägers bei der Offenlegung (2012 und 2015) und der dabei vorgelegten Scheidungsurkunde von einem Bestand der pakistanischen Ehe und damit einer Doppelehe bis zum 22. November 2011 auszugehen ist, ist nicht zu beanstanden. In Anbetracht der im streitgegenständlichen Bescheid aufgeführten generalpräventiven Erwägungen greift auch die Rüge, die Begründung des Urteils des Verwaltungsgerichts beruhe nicht auf Vorbringen der Beklagten, nicht durch.
Schließlich begründet auch die Aufklärungsrüge, das Verwaltungsgericht hätte die ehemalige deutsche Ehefrau des Klägers als Zeugin zum Beweis der Tatsache, dass die Ehe im Sinne einer Liebesbeziehung zwischen dem Kläger und ihr tatsächlich geführt worden sei, vernehmen müssen, keinen Verfahrensmangel.
Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt hat (§ 86 Abs. 2 VwGO). Die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, Versäumnisse Beteiligter, insbesondere das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (BVerwG, B.v. 29.7.2015 – 5 B 36.14 – juris Rn. 7; B.v. 18.12.2006 – 4 BN 30.06 – NVwZ-RR 2007, 285 = juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 1.3.2018 – 8 ZB 17.1486 – juris Rn. 9; B.v. 18.10.2013 – 10 ZB 11.618 – juris Rn. 25). Dass ein Beweisantrag nicht gestellt wurde, ist nur dann unerheblich, wenn sich dem Gericht auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag eine weitere Ermittlung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen. Die Aufklärungsrüge ist dabei nur dann erfolgreich, wenn das Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zu weiterer Sachaufklärung hätte sehen müssen. Außerdem muss der Kläger darlegen, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Aufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer für ihn günstigen Entscheidung geführt hätte (BVerwG, B.v. 16.3.2011 – 6 B 47.10 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 21.3.2012 – 10 ZB 10.100 – juris Rn. 22).
Der Kläger hat eine Beweisaufnahme durch Vernehmung der geschiedenen deutschen Ehefrau in der mündlichen Verhandlung nicht beantragt. Eine Beweiserhebung durch Zeugeneinvernahme der geschiedenen Ehefrau zu der Tatsache, ob die Ehefrau nach eigener Wahrnehmung mit dem Kläger eine Liebesbeziehung geführt hat, hat sich dem Verwaltungsgericht auf Grundlage seiner Rechtsauffassung, wonach in Anbetracht der geführten Doppelehe sich diese Frage nicht in entscheidungserheblicher Weise stellt, nicht aufgedrängt. Selbst wenn sich die im Bundesgebiet geführte Ehe aus Sicht der Ehefrau als eine Liebesbeziehung dargestellt hätte, hätte dies die aus der vom Kläger geführten Doppelehe zu ziehende Schlussfolgerung, dass die im Bundesgebiet eingegangene Ehe zumindest von Seiten des Klägers aufenthaltsrechtlichen Zwecken diente, nicht entkräftet.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 Abs. 3, Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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