Verwaltungsrecht

Rücksichtnahmegebot und Wertminderung von Grundstücken durch Unterbringung von Asylbewerbern auf dem Nachbargrundstück

Aktenzeichen  9 ZB 16.1480

Datum:
29.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 138469
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 76
BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1 Die von einer baulichen Anlage ausgehenden Störungen und Belastungen sind nur insoweit auf ihre Nachbarverträglichkeit zu prüfen sind, als sie typischerweise bei der bestimmungsgemäßen Nutzung auftreten und von bodenrechtlicher Relevanz sind. Es unterliegt keinen ernstlichen Zweifeln, dass bei einer Unterbringung von 14 Asylbewerbern in zwei Wohnhäusern mit einer Wohnfläche von zusammen 300 m² nicht von vornherein davon ausgegangen werden kann, dass bei bestimmungsgemäßer Nutzung der Häuser eine unzumutbare Lärmbelästigung entstehen kann. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2 Mögliche „Lärmexzesse“ bei Unterbringung von Asylbewerbern überschreiten die bestimmungsgemäße Nutzung. Bei solchen möglichen Rechts- und Ordnungsverletzungen müssen primär bestimmte Personen als Verhaltensstörer zur Verantwortung gezogen werden. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 3 K 15.697 2016-06-14 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 63.600 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Kläger begehren als (Mit-)Eigentümer des mit einem Wohngebäude bebauten Grundstücks FlNr. … Gemarkung U* … ein bauaufsichtliches Einschreiten des Beklagten gegen eine Nutzung von zwei Wohnhäusern der Beigeladenen auf den westlich liegenden Grundstücken FlNrn. … und … Gemarkung U* … für die Unterbringung von Asylbewerbern. Ihre Klagen wurden vom Verwaltungsgericht mit Urteil vom 14. Juni 2016 abgewiesen. Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihren Anträgen auf Zulassung der Berufung.
II.
Die Anträge auf Zulassung der Berufung haben keinen Erfolg.
Die Kläger berufen sich sinngemäß allein auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Kläger innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) haben darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.
Soweit sich die Kläger – wie schon im verwaltungsgerichtlichen Verfahren – auf eine Wertminderung ihres Grundstücks berufen, ist das Verwaltungsgericht auf der Grundlage des Beschlusses des Senats vom 31. März 2015 zu Recht davon ausgegangen, dass die von einer baulichen Anlage ausgehenden Störungen und Belastungen nur insoweit auf ihre Nachbarverträglichkeit zu prüfen sind, als sie typischerweise bei der bestimmungsgemäßen Nutzung auftreten und von bodenrechtlicher Relevanz sind (vgl. BayVGH, B.v. 31.3.2015 – 9 CE 14.2854 – juris Rn. 19). Es unterliegt auch keinen ernstlichen Zweifeln, dass bei einer Unterbringung von 14 Asylbewerbern in den beiden Wohnhäusern mit einer Wohnfläche von zusammen 300 m², die das Verwaltungsgericht seiner Prüfung zugrunde gelegt hat und der im Zulassungsverfahren nicht entgegengetreten wird, nicht von vornherein davon ausgegangen werden kann, dass bei bestimmungsgemäßer Nutzung der Häuser eine unzumutbare Lärmbelästigung für die Kläger entstehen kann (vgl. BayVGH, B.v. 21.8.2015 – 9 CE 15.1318 – juris Rn. 20). Die von den Klägern geschilderten „Lärmexzesse“ überschreiten die bestimmungsgemäße Nutzung. Bei solchen möglichen Rechts- und Ordnungsverletzungen müssen primär bestimmte Personen als Verhaltensstörer zur Verantwortung gezogen werden (vgl. BayVGH, B.v. 21.8.2015 a.a.O.).
Die von den Klägern behauptete Wertminderung ihres Grundstücks als Folge der Nutzung eines anderen Grundstücks bildet für sich keinen Maßstab für die Zulässigkeit eines Vorhabens. Ein allgemeiner Rechtssatz, dass der Einzelne einen Anspruch darauf hat, vor jeglicher Wertminderung bewahrt zu bleiben, besteht nicht (vgl. BVerwG, B.v. 13.11.1997 – 4 B 195/97 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 3.2.2017 – 9 CS 16.2477 – juris Rn. 27). Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger einen über die – hier unterstellte – situationsbedingte Wertminderung hinausgehenden, schlechthin unzumutbaren Wertverlust ihrer Immobilie hinnehmen müssten, ergeben sich hier weder aus dem Zulassungsvorbringen noch sind sie sonst ersichtlich (vgl. BayVGH, B.v. 14.5.2012 – 15 ZB 12.507 – juris Rn. 6).
Schließlich können die Kläger aus der von ihnen behaupteten menschenunwürdigen Unterbringung der Asylbewerber allein, wofür im Übrigen keinerlei Anhaltspunkte vorliegen oder dargelegt werden, kein Abwehrrecht herleiten (vgl. BayVGH, B.v. 31.3.2015 – 9 CE 14.2854 – juris Rn. 18).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG und folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben werden.
Mit der Ablehnung der Anträge auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben