Verwaltungsrecht

Ruhestandsversetzung kein zwingender dienstlicher Grund für die Nichtinanspruchnahme von Dienstbefreiung

Aktenzeichen  3 ZB 14.1433

Datum:
6.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 133288
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2
BayBesG Art. 61 Abs. 1
BeamtStG § 26
BayBG Art. 87 Abs. 2 S. 3

 

Leitsatz

1 Bei zwingenden dienstlichen Gründen iSd Art. 87 Abs. 2 S. 3 BayBG kann es sich nur um solche Gründe handeln, die ihren Ursprung nicht in der persönlichen Sphäre des Beamten, sondern in der Sphäre des Dienstherrn haben (Rn. 4). (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Erkrankung mit anschließender Dienstunfähigkeit des Beamten ist kein zwingender dienstlicher Grund (Rn. 4). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 K 12.4298 2014-05-22 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 1.632,88 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel), des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten) und des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) wurden nicht den Anforderungen des § 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt. Der weiterhin geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Verfahrensfehler) liegt nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dazu muss sich die Antragsbegründung substanziell mit der Argumentation der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Zahlung einer Mehrarbeitsvergütung abgewiesen. Ein Anspruch auf eine solche Vergütung setze nicht nur nach Art. 61 Abs. 1 Satz 1 BayBesG voraus, dass sich die angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit auf konkrete, abgrenzbare und messbare Dienste beziehe. Vielmehr könne eine Mehrarbeitsvergütung nach Art. 61 Abs. 1 Satz 2 BayBesG nur dann geleistet werden, wenn im Einzelnen nachgewiesen sei, dass eine Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht innerhalb eines Jahres möglich gewesen sei. Solche zwingenden dienstlichen Gründe lägen im Fall des Klägers nicht vor, weil es sich bei einer plötzlich auftretende Krankheit sowie der sich anschließenden Pensionierung um in der Person des Klägers liegende Gründe handele, die unter keinem Gesichtspunkt der Sphäre des Dienstherrn zuzuordnen seien. Die Erkrankung des Klägers, die seine Dienstunfähigkeit bedingt habe, werde auch nicht dadurch zu einem zwingenden dienstlichen Grund, weil es die infolge der Erkrankung eingetretene Dienstunfähigkeit dem Dienstherrn verbiete, die Dienstleistung des betroffenen Beamten entgegenzunehmen. Diese vom Kläger geäußerte Ansicht lasse außer Acht, dass die Ursachenkette mit der privaten Erkrankung begonnen und die Dienstunfähigkeit nur die Folge dieser Erkrankung sei, die ihrerseits dann nicht in einen dienstlichen Grund umgewandelt werden könne.
Der Kläger ist demgegenüber der Auffassung, die Ruhestandsversetzung, über die allein der Dienstherr entscheide, stelle – wenn auch mit privater Krankheitsursache – eine rein dienstliche Maßnahme dar, die zwangsläufig einen dienstlichen Grund darstellen müsse. Damit kann er nicht durchdringen. Mit der Auffassung, dass zwingende dienstliche Gründe deshalb vorliegen, weil der Kläger wegen Dienstunfähigkeit gemäß § 26 BeamtStG in den Ruhestand versetzt worden ist, würde das Verhältnis von Ursache und Wirkung verkehrt und das der Risikosphäre des Beamten zuzuordnende allgemeine Lebensrisiko des Beamten, zu erkranken und dadurch dienstunfähig zu werden, auf den Dienstherrn verlagert. Bei zwingenden dienstlichen Gründen im Sinne des Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG kann es sich nur um solche Gründe handeln, die ihren Ursprung nicht in der persönlichen Sphäre des Beamten, sondern in der Sphäre des Dienstherrn haben. Eine Erkrankung mit anschließender Dienstunfähigkeit ist vor diesem Hintergrund auch in der neueren Rechtsprechung nicht als zwingender dienstlicher Grund anerkannt worden (BayVGH, B.v. 17.9.2014 – 3 ZB 13.1516 – juris; NdsOVG, B.v. 29.4.2013 – 5 LA 186/12 – ZBR 2013, 265; OVG NW, B.v. 27.8.2015 – 6 A 712/14 – juris; OVG RP, U.v. 14.1.2013 – 2 A 10626/12 – juris Rn. 27 bestätigt durch BVerwG, B.v. 1.7.2014 – 2 B 39.13 – juris). Liegt mithin diese Voraussetzung des Art. 61 Abs. 1 Satz 2 BayBesG nicht vor, bedarf es keiner Erörterung der Frage, ob – ggf. unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes – eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. Auch insoweit kommt die Antragsbegründung über die unsubstantiierte Behauptung, die verwaltungsgerichtliche Entscheidung sei falsch, nicht hinaus.
2. Zum geltend gemachten Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) enthält die Begründung des Zulassungsantrags keinerlei Ausführungen.
3. Um einen auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer – erstens – eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, – zweitens – ausführen, weshalb diese Rechtsfrage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, – drittens – erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und – viertens – darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt; Darlegungen zu offensichtlichen Punkten sind dabei entbehrlich (Happ in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, RdNr. 72 zu § 124 a). Diesen Anforderungen ist nicht genügt. Der Kläger benennt schon keine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage.
4. Der geltend gemachte Verfahrensfehler (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegt nicht vor. Denn es ist nicht verfahrensfehlerhaft – sondern verfahrensrechtlich gerade zutreffend –, wenn das Verwaltungsgericht Ermittlungen zum Sachverhalt nicht aufnimmt, auf die es nach seinem materiell-rechtlichen Standpunkt nicht ankommt (Happ, a.a.O., § 124 Rn. 48). Da das Verwaltungsgericht – wie oben ausgeführt zu Recht – die Voraussetzung des Art. 61 Abs. 1 Satz 2 BayBesG (Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen innerhalb eines Jahres nicht möglich) verneint hat, bedurfte es keiner Aufklärung, ob die Mehrarbeit angeordnet worden war (gegen die mit Rechtsprechungsnachweis des Bundesverwaltungsgerichts abgestützte Auffassung des Verwaltungsgerichts, hierfür genüge die Aufstellung eines Dienstplans nicht, findet sich in der Begründung des Zulassungsantrags wiederum kein substantiierter Sachvortrag) und welche Ermessenspraxis der Beklagte gepflogen hat. Zu letzterem gibt die vorgelegte E-Mail (vgl. Bl. 20 der Akte 3 ZB 13.1516) auch keine verlässliche Auskunft.
5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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