Verwaltungsrecht

Schulpflicht, Testobliegenheit, Distanzunterricht, Zwangsgeld

Aktenzeichen  M 3 S 21.6407

Datum:
14.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 42444
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
BayEUG Art. 76
BayLStVG Art. 7 Abs. 2
BayVwZVG Art. 36
BayVwVfG Art. 28

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,– € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich gegen den sofortigen Vollzug eines Bescheids zur Durchsetzung der Schulpflicht.
Die Antragsteller sind Eltern des Kindes L. L. ist Schüler der Grundschule (Jahrgangsstufe 2) in S. Da das Kind der Antragsteller der Testobliegenheit aus § 12 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV nicht nachkommt, nimmt es derzeit nicht am Präsenzunterricht teil.
Mit Schreiben vom 22. November 2021 hörte das Landratsamt … (im Folgenden: Landratsamt) die Antragsteller zur Frage der zwangsweisen Durchsetzung der Schulpflicht an.
Mit Schreiben vom … November 2021 nahmen die Antragsteller hierzu Stellung. Der erlassene Leistungsbescheid lasse die erlassende Behörde nicht erkennen. Die Anhörung sei nicht dem im Briefkopf genannten Landratsamt eindeutig zuzuordnen. Es stünde eine Nichtigkeit nach § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG im Raum, da die Erziehungsberechtigten über zulässige Erziehungsmaßnahmen auf ihr Kind einwirken sollten. Eine Schulpflichtverletzung läge nicht vor. Schulpflicht sei nicht gleich Präsenzpflicht. Eine Ermessensabwägung hinsichtlich einer Präsenzpflicht sei nicht erfolgt. Das Ermessen sei insofern auch auf Gewährung von Distanzunterricht auf Null reduziert. Das Kind werde mit Schulunterlagen versorgt und komme damit weiterhin seiner Schulpflicht nach; diese werden im Distanzlernen erfüllt. Für soziale Kontakte würden die Eltern sorgen. Das Kind möchte weiterhin die Schule besuchen, dürfe aber aufgrund der Verweigerung von Maske und Tests diesenicht betreten. Dabei mache das Kind lediglich von seinem Recht auf körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde Gebrauch. Eine Pflichtverletzung der Eltern liege nicht vor. Denn das Kind wolle sich nicht testen lassen, was ihm mangels Testzwang auch zustehe. Aufgrund des Anspruchs des Kindes auf gewaltfreie Erziehung sei ein Testzwang nicht durchsetzbar. Zudem sei die Frist hierzu zu kurz. Die Testung diene nicht dem Schutz vor Infektionen, sondern lediglich deren Feststellung. Das Offenhalten der Schulen sei angesichts der Inzidenzen eine rein politische Entscheidung und widerspreche dem Ziel der Kontaktminimierung. Dieser Widerspruch sei eines Rechtsstaats nicht würdig. Die Testung in den Schulen stelle einen Verstoß gegen die Medizinproduktebetreiberverordnung dar. Die Testmöglichkeiten vor Ort seien erheblich eingeschränkt, so dass externe Test teilweise nicht eingeholt werden könnten. Ein Zwangsgeld sei ungeeignet, das Kind zum Schulbesuch zu bewegen.
Mit Bescheid vom 6. Dezember 2021 verpflichtete das Landratsamt die Antragsteller, dafür Sorge zu tragen, dass L. unter Erfüllung der Testobliegenheit nach § 12 Abs. 2 der 15. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmen-Verordnung regelmäßig am Unterricht in der Grund- und Mittelschule S. teilnimmt und die sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen besucht; diese Verpflichtung gelte solange und soweit, als der Unterricht ausschließlich in Präsenzform angeboten werde (Nr. 1 des Bescheids). Die sofortige Vollziehung von Nr. 1 wurde angeordnet (Nr. 2 des Bescheids). Für den Fall, dass die Antragsteller der Verpflichtung nach Nr. 1 des Bescheids nicht spätestens am dritten Tag nach der Zustellung des Bescheids nachkommen, wurde in der Person des Zuwiderhandelnden jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 800 EUR angedroht; es wurde darauf hingewiesen, dass auch nach Zahlung eines Zwangsgelds die Verpflichtung zur Beachtung der zugrundeliegenden Anordnung nicht entfalle (Nr. 3 des Bescheids). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
Hiergegen erheben die Antragsteller mit Schriftsatz vom … Dezember 2021, bei Gericht eingegangen am selben Tag, Klage zum Verwaltungsgericht München. Weiter beantragen die Antragsteller, 7 die aufschiebende Wirkung des Bescheids vom 6. Dezember 2021 wiederherzustellen.
Zur Begründung machen die Antragsteller im Wesentlichen geltend, dass der Bescheid schon formell rechtswidrig sei, da Ermittlungspflichten sowie die Pflicht zur Anhörung verletzt worden seien. Es würde eine Rechtsgrundlage für die Schulbesuchspflicht in Pandemiezeiten mit Testobliegenheit fehlen. Es seien keine Zugangsbeschränkungen zur Schule vorgesehen und es würde an einer Gesetzesgrundlage für den Testzwang mangeln. Die rechtliche Lage habe sich gegenüber der Rechtslage vor dem 8. Oktober 2021 weder durch Ministerratsbeschluss noch durch Änderung der BayIfSMV verändert. Distanzunterricht sei weiterhin zulässig. Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. November 2021 gehe hervor, dass es kein Recht auf Präsenz, aber auch keine Pflicht zur Präsenz gebe. Jedenfalls sei die Verpflichtung zur Präsenzpflicht rechtswidrig. Die Erziehungsberechtigten würden keine Pflichtverletzung begehen, das Kind wolle sich nicht testen. Die Eltern könnten in die schulische Testung aufgrund ihrer Fürsorgepflicht nicht einwilligen. Es sei nicht nachgewiesen, dass keinerlei Gesundheitsgefahren von den Testungen ausgingen. Wenn auf externe Testungen verwiesen werde, müssten auch entsprechende Kapazitäten vorhanden seien. Für eine Einwilligung in den Schulbesuch müssten auch Gesundheitsrisiken aufgrund der Maskenpflicht ausgeschlossen seien. Es liege ein Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip vor, da Art. 119 BayEUG die speziellere Regelung sei. Das Ordnungswidrigkeitsverfahren sei ein milderes Mittel. Es läge ein Nichtgebrauch des Ermessensspielraums vor. Zudem sei im Bescheid ein Verstoß gegen die Menschwürde und gegen das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit zu sehen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bleibt ohne Erfolg.
1. Der Antrag ist nach §§ 122 Abs. 1, 188 VwGO im Sinne eines umfassenden Rechtschutzes dahin auszulegen, dass die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich Ziff. 1 des Bescheides wiederhergestellt und hinsichtlich Ziff. 3 des Bescheides angeordnet wird.
2. Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat eine Klage gegen einen Verwaltungsakt grundsätzlich aufschiebende Wirkung mit der Folge, dass dieser zunächst nicht befolgt werden muss und nicht vollstreckt werden kann. Die aufschiebende Wirkung entfällt indes nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, wenn der Verwaltungsakt im öffentlichen Interesse von der Behörde, die ihn erlassen hat, für sofort vollziehbar erklärt wird. Dies ist vorliegend geschehen. Dem Erfordernis aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, das besondere Interesse am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen, ist die Behörde nachgekommen.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht, das über eine Klage zu entscheiden hat, auf Antrag deren aufschiebende Wirkung wiederherstellen oder anordnen. Für die vom Gericht im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffende eigene Ermessensentscheidung kommt es auf eine Abwägung der öffentlichen Interessen an der sofortigen Vollziehung mit den privaten Interessen der Antragsteller an. In erster Linie fallen dabei die Erfolgsaussichten der Antragsteller in einem eventuellen Hauptsacheverfahren, wie sie augenblicklich beurteilt werden können, ins Gewicht. Ist die Erfolgsaussicht mit genügender Eindeutigkeit zu verneinen, ist der Antrag grundsätzlich abzulehnen; ist sie offensichtlich zu bejahen, ist die aufschiebende Wirkung in der Regel wiederherzustellen. Im Übrigen kommt es auch darauf an, wie schwer die angegriffene Maßnahme durch ihren Sofortvollzug in die Rechtssphäre des Betroffenen eingreift, ob und unter welchen Erschwernissen sie wieder rückgängig zu machen ist und wie dringlich demgegenüber das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzung des angegriffenen Verwaltungsakts zu bewerten ist (vgl. BayVGH, B. v. 7.4.1995, 7 CS 95.1163 – m.w.N.).
a) Vorliegend genügt die schriftliche Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung (Fortdauer der fehlenden Teilnahme am Präsenzunterricht, des unentschuldigten Fernbleibens von Leistungsnachweisen mit der Folge der Gefährdung des erfolgreichen Besuchs des laufenden Schuljahres, Verlust sozialer Bindungen im Klassenverband) den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die Tatsache, dass sich hier die Gründe, die nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO für den Sofortvollzug berücksichtigt sind, teilweise mit den Gründen für den Erlass des Verwaltungsakts decken, steht der Annahme einer ausreichenden Begründung nicht entgegen.
b) Die Interessensabwägung geht im vorliegenden Fall zu Lasten der Antragsteller aus, da sich der Bescheid des Antragsgegners nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage als rechtmäßig erweist.
aa) Rechtsgrundlage für den Bescheid ist Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) in der in der Bayerischen Rechtssammlung (BayRS 2011- 2-I) veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch § 2 des Gesetzes vom 27. April 2020 (GVBl. S. 236) geändert worden ist. Danach können die Sicherheitsbehörden, falls sie nicht anderweitig hierzu ermächtigt sind, Anordnungen für den Einzelfall treffen, um rechtswidrige Taten zu unterbinden, die den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllen.
bb) In formeller Hinsicht ist Nr. 1 des Bescheids nicht zu beanstanden.
Das Landratsamt war die zur Durchsetzung des Schulzwangs (Art. 118 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl. S. 414, 632, BayRS 2230-1-1K), das zuletzt durch Gesetz vom 23. Juli 2021 (GVBl. S. 432) geändert worden ist) sachlich und gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) BayVwVfG örtlich zuständige Sicherheitsbehörde (Art. 6 LStVG).
Die Antragsteller wurden vor Bescheiderlass angehört (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG). Entgegen dem Vorbringen der Antragsteller wurde die Anhörung auch ordnungsgemäß durchgeführt. Die Durchführung der Anhörung ist geprägt vom Grundsatz der Nichtförmlichkeit und die Ausgestaltung liegt im Verfahrensermessen (Schneider in Schoch/Schneider, VwVfG, Grundwerk Juli 2020, § 28 Rn. 39). Vorliegend hat die Anhörung ihren Hauptzweck, rechtliches Gehör zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu gewähren, erfüllt. Die Antragsteller haben entsprechend von ihrer Möglichkeit hierzu auch Gebrauch gemacht. Der Anhörung inhärent ist die Pflicht zur Information über den Verfahrensgegenstand. Dem wird das Schreiben vom 22. November 2021 gerecht; es enthält den maßgeblichen Sachverhalt, eine Konkretisierung der beabsichtigten behördlichen Maßnahmen und die Antragsteller sind als Adressaten individualisiert. Darüber hinaus sind weitere Unterlagen, z.B. in einer Akte, für eine rechtmäßige Anhörung nicht erforderlich. Das Landrastamt war als für die Sachentscheidung zuständige Behörde auch für die Anhörung zuständig.
Jedenfalls wäre eine Heilung im Hauptsacheverfahren aber absehbar (§ 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG), so dass selbst ein Verstoß nicht zu positiven Erfolgsaussichten in der Hauptsache führen würde.
Entgegen dem Vorbringen der Antragsteller ist auch kein Verstoß gegen den Ermittlungsgrundsatz (Art. 24 BayVwVfG) ersichtlich. Rechtsauffassungen sind nicht Teil des Sachverhalts, sondern der rechtlichen Würdigung.
Der Bescheid vom 6. Dezember 2021 ist den Antragstellern gegenüber wirksam bekannt gegeben worden (Art. 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 BayVwVfG); nach Art. 8 Abs. 1 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) in der in der Bayerischen Rechtssammlung (BayRS 2010-2-I) veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch § 1 Abs. 26 der Verordnung vom 26. März 2019 (GVBl. S. 98) geändert worden ist, war die Zustellung an die Bevollmächtigte der Antragsteller vorzunehmen.
cc) Gegen die Anordnung in Nr. 1 des Bescheids bestehen auch in materieller Hinsicht keine rechtlichen Bedenken.
(1) Zur Erfüllung der Verpflichtung aus Art. 76 Satz 2 BayEUG können nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG vollziehbare Anordnungen getroffen werden. Weder Art. 118 Abs. 1 BayEUG, wonach die Kreisverwaltungsbehörde befugt ist, den Schulpflichtigen zwangsweise der Schule zuführen zu lassen, noch Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG, wonach Verstöße gegen Art. 76 Satz 2 BayEUG mit Geldbuße belegt werden können, treffen abschließende Regelungen; vielmehr bleibt daneben Raum für die zwangsweise Durchsetzung der Schulpflicht gegenüber Erziehungsberechtigten minderjähriger Schulpflichtiger (VG Augsburg, B.v. 7.5.2002 – Au 9 S 02.507 – juris Rn. 17, bestätigt durch BayVGH, B.v. 20.8.2002 – 7 CS 02.1302 – Rn. 20).
(2) Das Verhalten der Antragsteller verwirklicht den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit (Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG). Das Kind der Antragsteller ist nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 BayEUG schulpflichtig, besucht jedoch derzeit nicht die entsprechenden Pflichtschulen (Art. 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayEUG), deren Besuch mit dem angefochtenen Bescheid gefordert wird. Nach Art. 76 Satz 2 BayEUG müssen die Erziehungsberechtigten dafür sorgen, dass minderjährige Schulpflichtige am Unterricht regelmäßig teilnehmen und die sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen besuchen. Der Verstoß der Antragsteller hiergegen erfüllt den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 76 Satz 2 BayEUG (BayObLG, B.v. 14.10.1999 – 3 ObOWi 96/99 – juris Rn. 9 ff.).
Für die Verwirklichung des Tatbestands ist keine generelle Verweigerungshaltung der Antragsteller erforderlich. Es genügt, dass sich die Antragsteller weigern, durch entsprechende Erziehungsmaßnahmen dafür zu sorgen, dass ihr Kind regelmäßig die Schule besucht. Auch bei einer gewaltfreien Erziehung im Sinne des § 1631 BGB bestehen ausreichende erzieherische Möglichkeiten, das Verhalten des Kindes zu beeinflussen, ohne dabei Gewalt im Sinne des Gesetzes ausüben zu müssen. Eine Verpflichtung zur Begehung einer rechtwidrigen Tat liegt entgegen dem Vorbringen der Antragssteller nicht vor.
(a) Das Kind der Antragsteller ist entsprechend seinem Alter grundsätzlich der Grundschule zuzuordnen. Die entsprechende Pflichtschule für das Kind der Antragsteller ist die Grund- und Mittelschule S., deren Besuch mit dem angefochtenen Bescheid vom 6. Dezember 2021 gefordert wird.
(b) Die von den Antragstellern vorgenommene Unterweisung ihres Kindes zu Hause stellt keinen Unterricht im Sinne des Art. 76 Satz 2 BayEUG dar. Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayEUG haben die Schulen den in der Verfassung verankerten Bildungs- und Erziehungsauftrag zu verwirklichen; eine Beschulung durch die Eltern ist nicht vorgesehen.
Vorliegend sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Kind der Antragsteller einen Anspruch auf Hausunterricht durch die Schule hätte. Die Voraussetzungen für Hausunterricht nach Art. 23 Abs. 2 Satz 1 BayEUG liegen nicht vor, insbesondere sind die von den Antragstellern geäußerten allgemeinen Bedenken gegen die Maskenpflicht im Unterricht oder das Testen nicht geeignet, Zweifel an der Schulbesuchsfähigkeit ihres Kindes aus gesundheitlichen Gründen aufzuwerfen.
(c) Das Kind der Antragsteller ist weder vom Schulbesuch beurlaubt noch ist ein Anspruch hierauf ersichtlich oder vorgetragen.
(d) Ein Verstoß der Antragsteller gegen die Pflicht nach Art. 76 Satz 2 BayEUG entfällt auch nicht etwa deswegen, weil dem Kind D. nach § 19 Abs. 4 der Bayerischen Schulordnung (BaySchO) vom 1. Juli 2016 (GVBl. S. 164, 241, BayRS 2230- 1-1-1-K), die zuletzt durch § 1 der Verordnung vom 8. Juli 2021 (GVBl. S. 479) geändert worden ist, zu erteilen wäre. Die Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor. Weder ist die Schule derzeit von einer Schließung betroffen bzw. die Klasse oder ein Kurs des Kindes der Antragsteller ausgeschlossen, § 19 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 Buchst. a) BaySchO, noch der Ausschluss des Kindes der Antragsteller i.S.v. § 19 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 Buchst. b) BaySchO durch die zuständigen Behörden zum Schutz von Leben oder Gesundheit angeordnet oder genehmigt. Die letztgenannte Regelung umfasst bereits ihrem Wortlaut nach nicht den Fall, dass bei Geltung der Zugangsbeschränkung mit Testobliegenheit nach § 12 Abs. 2 Satz 1 der Fünfzehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (15. BayIfSMV) vom 23. November 2021 (BayMBl. Nr. 816, BayRS 2126-1-19-G), die zuletzt durch Verordnung vom 10. Dezember 2021 (BayMBl. Nr. 868) geändert worden ist, ein Schüler an der Teilnahme am Präsenzunterricht lediglich deshalb gehindert ist, weil er die Testobliegenheit nicht erfüllt. Einer erweiternden Auslegung von § 19 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 Buchst. b) BaySchO steht die Begründung der Änderungsverordnung zur 14. BayIfSMV vom 5. Oktober 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 716) entgegen.
(e) Soweit sich die Antragsteller auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zum Distanzunterricht für Schüler, die die Testobliegenheit nicht erfüllen (BayVGH, B.v. 16.4.2021 – 20 NE 21.1036 – juris Rn. 14, 19ff.; B.v. 12.4.2021 – 20 NE 21.926 – juris Rn. 18 ff.) beziehen, folgt hieraus kein Anspruch auf Distanzunterricht für das Kind der Antragsteller. Ebenso wenig lässt sich daraus ein Anspruch der Antragsteller darauf herleiten, dass die Teilnahme des Kindes an der häuslichen Unterweisung als Unterrichtsteilnahme im Sinne des Art. 76 Satz 2 BayEUG anzusehen wäre.
(aa) Bei Überprüfung der Angemessenheit der damaligen Regelung zur Testobliegenheit in § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV (vom 5. März 2021, BayMBl. 2021 Nr. 171, in der Fassung der Änderungsverordnung vom 9. April 2021, BayMBl. 2021 Nr. 261) hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf die Freiwilligkeit der Teilnahme an Testungen ausgeführt, ob der Verordnungsgeber auch sonstige Gründe in Erwägung gezogen habe, welche eine Verarbeitung der Gesundheitsdaten auch gegen den Willen der Betroffenen erlauben würden, lasse sich der Begründung der Verordnung nicht entnehmen; diese müssten daher außer Betracht bleiben. Dies bedeute, dass Schüler, die den Test nicht durchführen lassen wollten oder könnten, nicht vom Unterrichtsangebot ausgeschlossen werden dürften, sondern am Distanzunterricht und am Distanzlernen teilnehmen könnten. Hierzu bezog sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auf die entsprechende Begründung der Änderungsverordnung vom 9. April 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 262), die ausdrücklich Distanzunterricht für Schüler vorsah, die keine Testnachweise vorlegen wollten.
Bereits mit Beschluss vom 12. Juli 2021 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, selbst wenn die Testungen nicht als freiwillig angesehen würden, wäre die Regelung zur Testobliegenheit angemessen (BayVGH, B.v. 12.7.2021 – 25 NE 21.1755 – juris Rn. 68). Die Kopplung des Schulbesuchs an einen vorangegangenen Test sei auch in Bezug auf das (Teilhabe-) Recht der betroffenen Eltern sowie der Schülerinnen und Schüler auf Erziehung und Bildung von Kindern in der Schule nicht für unverhältnismäßig (BayVGH, B.v. 12.7.2021 – 25 NE 21.1755 – Rn. 72). Bereits zu diesem Zeitpunkt ließ sich daher nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ein Anspruch auf Gewährung von Distanzunterricht nicht mehr in Auslegung der Regelungen zur Testobliegenheit herleiten. Dies gilt in gleicher Weise für die Frage einer anderweitigen Ablegung von Leistungsnachweisen für Schüler, die der Testpflicht nicht nachkommen.
(bb) Die Regelungen zur Testobliegenheit in § 13 Abs. 2 Satz 1 14. BayIfSMV vom 1. September 2021 (BayMBl. Nr. 615, BayRS 2126-1-18-G), zuletzt geändert durch Verordnung vom 16. November 2021 (BayMBl. Nr. 799), die § 12 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV entsprechen, sind nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – BeckRS 2021, 30069; B.v. 28.10.2021 – 25 NE 21.2579 – n.v.), auf die Bezug genommen wird, voraussichtlich materiell rechtmäßig. Die vom Verordnungsgeber getroffene Gefährdungsprognose, dass die Testobliegenheit bei summarischer Prüfung eine geeignete, erforderliche und gemäß § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 1 IfSG notwendige Schutzmaßnahme darstellt, ist danach nicht zu beanstanden (BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – a.a.O., Rn. 17ff.; B.v. 28.10.2021 – 25 NE 21.2579 – n.v. Rn. 26 ff.).
Einwände gegen die Geeignetheit der Testobliegenheit im Hinblick auf die nur bedingte Aussagekraft der Testergebnisse verfangen nicht. Auch wenn keine absolute Zuverlässigkeit der verwendeten oder von der Schule zur Verfügung gestellten Tests bestehen mag, kann so zumindest ein Teil infizierter und damit in der Regel auch infektiöser Schüler festgestellt werden. Im Zusammenhang mit der Zuverlässigkeit von Antigen-Schnelltests ist bereits höchstrichterlich entschieden, dass – auch wenn sie weniger ergebnissicher als PCR-Tests sein mögen – diese aus Sicht des Verordnungsgebers, dem hierbei eine Einschätzungsprärogative zukommt, einen unverzichtbaren Beitrag im Rahmen seines Gesamtkonzepts leisten (BayVGH, B.v 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – a.a.O. Rn. 22 f. unter Bezugnahme auf VerfGH, E.v. 21.4.2021 – Vf. 26-VII-21 – juris Rn. 29).
Im Hinblick auf die Angemessenheit der Regelung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass § 13 Abs. 2 Satz 1 14. BayIfSMV (derzeit: § 12 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV) den Schülern die Wahl belässt, den Test entweder durch geschultes Personal und damit außerhalb der Wahrnehmungsmöglichkeiten der Mitschüler vornehmen zu lassen oder aber diesen direkt an der Schule durchzuführen (BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – a.a.O., Rn. 27).
Selbst wenn vor dem Hintergrund, dass Schüler wie das Kind der Antragsteller, die die erforderlichen Testnachweise nicht erbringen, im Unterricht und bei Prüfungen unentschuldigt fehlen (§ 20 Abs. 1 Satz 1 BaySchO), mangels Freiwilligkeit ein Eingriff in den Schutzbereich des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) vorläge, wäre die Regelung angemessen (BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – a.a.O. Rn. 29ff.). Die Kopplung des Schulbesuchs an einen vorangegangenen Test ist auch in Bezug auf das (Teilhabe-) Recht der betroffenen Eltern und Schüler auf Erziehung und Bildung von Kindern in der Schule (Art. 6 Abs. 2 Satz 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 und 2 GrRCh) nicht unverhältnismäßig (BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – a.a.O. Rn. 31). Weiter liegt der Bestimmung im Hinblick auf den damit verfolgten Zweck, der Abwehr von Gefahren für das Leben und die körperliche Unversehrtheit einer potentiell großen Zahl von Menschen und die Sicherstellung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems in Deutschland jedenfalls kein offensichtlicher Verstoß gegen die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) zugrunde (BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – a.a.O. Rn. 33).
Das Vorbringen der Antragsteller zu etwaigen Gesundheitsgefährdungen durch die an der Schule selbst angebotenen Schnelltests vermag keine Zweifel an der gesundheitlichen Unbedenklichkeit dieser Tests zu begründen (vgl. hierzu ausführlich BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – a.a.O. Rn. 28). Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Antragsteller und der vorgelegten „Gefährdungsanalyse“, die augenscheinlich nicht wissenschaftlichen Mindeststandards genügt und somit nicht fachgerecht ist.
(f) Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Maskenpflicht wird auf die fortlaufende Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes Bezug genommen, der sich das Gericht anschließt (vgl. BayVGH, B.v. 12.10.2021 – 25 NE 21.2471; B.v. 28.9.2021 – 25 NE 21.237; B.v. 29.7.2021 – 25 NE 21.1757; B.v. 5.7.2021 – 25 NE 21.1779; B.v. 22.6.2021 – 25 NE 21.1654; B.v. 10.5.2021 – 20 NE 21.1328; B.v. 4.5.2021 – 20 NE 21.1119; B.v. 16.3.2021 – 20 NE 21.627; B.v. 15.2.2021 – 20 NE 21.411; B.v. 29.1.2021 – 20 NE 21.201; B.v. 28.1.2021 – 20 NE 21.136 und B.v. 7.9.2020 – 20 NE 20.1981).
(3) Mit der Anwendung von Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG werden die Antragsteller auch nicht unzulässig zur Erfüllung einer Obliegenheit verpflichtet. Die Anordnung richtet sich auf die Erfüllung der Pflichten der Antragsteller nach Art. 76 Satz 2 BayEUG. Die Testobliegenheit bezieht sich auf das Kind der Antragsteller. Wie oben ausgeführt, begegnet die Testobliegenheit keinen rechtlichen Bedenken auch unter Berücksichtigung der fehlenden Freiwilligkeit (BayVGH, B.v. 11.10.2021 – NE 21.2525 – BeckRS 30069 Rn. 29). Vorliegend geht es um die Durchsetzung der Erfüllung der Schulpflicht gegenüber den Eltern mit den Mitteln des Verwaltungszwanges. Eine mittelbare Auswirkung auf die Testobliegenheit aus § 12 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV ändert nichts an der Geeignetheit und Erforderlichkeit des Verwaltungszwanges zur Schulpflicht.
(4) Anordnungen nach Art. 7 Abs. 2 LStVG stehen im Ermessen der Behörde. Das Landratsamt hat dies erkannt und unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben hiervon ordnungsgemäßen Gebrauch gemacht. Auch eine Ermessensausübung entgegen der Vorstellung der Antragsteller ist eine solche und nicht etwa ein Fehler als „Nichtgebrauch des Ermessensspielraums“.
c) Auch die Zwangsgeldandrohung in Nr. 3 des Bescheids vom 6. Dezember 2021 erweist sich bei summarischer Überprüfung als rechtmäßig.
Die Höhe des angedrohten Zwangsgelds ist nicht zu beanstanden. Das Zwangsgeld beträgt nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz in der in der Bayerischen Rechtssammlung (BayRS 2010-2-I) veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch § 1 Abs. 26 der Verordnung vom 26. März 2019 (GVBl. S. 98) geändert worden ist, mindestens fünfzehn und höchstens fünfzigtausend Euro. Das Verhalten der Antragsteller stellt mitnichten eine Bagatelle dar. Vielmehr verstoßen sie nicht nur erheblich gegen schulrechtliche Verpflichtungen, sondern vor allem gegen das Interesse ihres Kindes. Das Landratsamt war so berechtigt, die Höhe des Zwangsgelds in deutlich spürbarem Umfang festzulegen.
3. Die Erfolgsaussichten der Antragsteller in der Hauptsache sind also aus den dargestellten Gründen als gering anzusehen. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war deshalb abzulehnen.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts beruht unter Berücksichtigung des vorläufigen Charakters des Verfahrens auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 2014 (BGBl. I S. 154), das zuletzt durch Artikel 16 des Gesetzes vom 25. Juni 2021 (BGBl. I S. 2099) geändert worden ist, i.V.m. Nr. 1.1.1, 1.1.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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