Verwaltungsrecht

Schulpflicht, Testpflicht, Zwangsgeld

Aktenzeichen  M 3 S 22.567

Datum:
10.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11099
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
BayEUG Art. 76
LStVG Art. 7 Abs. 2
VwZVG Art. 36
BayVwVfG Art. 28

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,– € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich gegen den sofortigen Vollzug eines Bescheids zur Durchsetzung der Schulpflicht und gegen dessen Vollstreckung.
Die Antragsteller sind Eltern des Kindes I. I. ist Schüler der Grundschule in A. Da das Kind der Antragsteller der Testobliegenheit aus § 12 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV nicht nachkommt, nimmt es derzeit nicht am Präsenzunterricht teil.
Mit Schreiben vom jeweils 22. November 2021 hörte das Landratsamt F. (im Folgenden: Landratsamt) die Antragsteller jeweils zur Frage der zwangsweisen Durchsetzung der Schulpflicht an, vgl. Bl. 2 f. der Behördenakte.
Mit Bescheid vom 12. Januar 2022 verpflichtete das Landratsamt die Antragsteller, dafür Sorge zu tragen, dass I. unter Erfüllung der Testobliegenheit nach § 12 Abs. 2 der 15. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmen-Verordnung regelmäßig am Unterricht in der Grundschule A. teilnimmt und die sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen besucht (Nr. 1 des Bescheids). Die sofortige Vollziehung von Nr. 1 wurde angeordnet (Nr. 3 des Bescheids). Für den Fall, dass die Antragsteller der Verpflichtung nach Nr. 1 des Bescheids nicht innerhalb von 3 Schultagen nach Zustellung dieses Bescheids nachkommen, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500 EUR angedroht (Nr. 2 des Bescheids). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
Hiergegen legten die Antragsteller mit Schreiben vom 24. Januar 2022, beim Landratsamt eingegangen am 27. Januar 2022, Widerspruch ein. Gleichzeitig beantragten die Antragsteller beim Verwaltungsgericht München mit Schriftsatz vom 24. Januar 2022, bei Gericht eingegangen am 27. Januar 2022, sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 12. Januar 2022 wiederherzustellen.
Der Antrag wurde nicht begründet.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass eine Schulpflichtverletzung vorliege, wenn die Testpflicht verweigert und nicht am Präsenzunterricht teilgenommen werde. Eine solche dauerhafte Schulpflichtverletzung könne nicht weiter hingenommen werden. Die Erziehungsberechtigten kämen ihrer Pflicht aus Art. 76 Satz 2 BayEUG nicht nach. Die Testpflicht sei angemessen angesichts des verfolgten Ziels, zum Schutze von Gesundheit und Leben der weiteren Ausbreitung des Coronavirus entgegenzuwirken. Die Schulpflicht diene dem Allgemeininteresse sowie dem staatlichen Erziehungsauftrag, Kinder bei der Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit zu unterstützen und zu fördern. Die allgemeine Schulpflicht sei unverzichtbare Bedingung für die Gewährleistung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die Anordnung sei verhältnismäßig, geeignet und erforderlich. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei erforderlich, um die zeitnahe Erfüllung der Schulpflicht sicherzustellen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bleibt ohne Erfolg.
1. Da ein ausdrücklicher Antrag nicht gestellt wurde, ist das Antragsbegehren nach §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO auszulegen. Im Sinne eines umfassenden Rechtschutzes ist das Klagebegehren so zu verstehen, dass die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich Nr. 1 des Bescheides wiederhergestellt und hinsichtlich Nr. 2 des Bescheides angeordnet wird.
2. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich Nr. 1 des Bescheides hat keinen Erfolg.
Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat eine Klage gegen einen Verwaltungsakt grundsätzlich aufschiebende Wirkung mit der Folge, dass dieser zunächst nicht befolgt werden muss und nicht vollstreckt werden kann. Die aufschiebende Wirkung entfällt indes nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, wenn der Verwaltungsakt im öffentlichen Interesse von der Behörde, die ihn erlassen hat, für sofort vollziehbar erklärt wird. Dies ist vorliegend geschehen. Dem Erfordernis aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, das besondere Interesse am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen, ist die Behörde nachgekommen.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht, das über eine Klage zu entscheiden hat, auf Antrag deren aufschiebende Wirkung wiederherstellen oder anordnen. Für die vom Gericht im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffende eigene Ermessensentscheidung kommt es auf eine Abwägung der öffentlichen Interessen an der sofortigen Vollziehung mit den privaten Interessen der Antragsteller an. In erster Linie fallen dabei die Erfolgsaussichten der Antragsteller in einem eventuellen Hauptsacheverfahren, wie sie augenblicklich beurteilt werden können, ins Gewicht. Ist die Erfolgsaussicht mit genügender Eindeutigkeit zu verneinen, ist der Antrag grundsätzlich abzulehnen; ist sie offensichtlich zu bejahen, ist die aufschiebende Wirkung in der Regel wiederherzustellen. Im Übrigen kommt es auch darauf an, wie schwer die angegriffene Maßnahme durch ihren Sofortvollzug in die Rechtssphäre des Betroffenen eingreift, ob und unter welchen Erschwernissen sie wieder rückgängig zu machen ist und wie dringlich demgegenüber das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzung des angegriffenen Verwaltungsakts zu bewerten ist (vgl. BayVGH, B. v. 7.4.1995, 7 CS 95.1163 – m.w.N.).
a) Vorliegend genügt die schriftliche Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung (Sicherstellung zeitnaher Erfüllung Schulpflicht, Sicherstellung schulischer Bildung, Gefährdung des erfolgreichen Besuchs des laufenden Schuljahres) den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die Tatsache, dass sich hier die Gründe, die nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO für den Sofortvollzug berücksichtigt sind, teilweise mit den Gründen für den Erlass des Verwaltungsakts decken, steht der Annahme einer ausreichenden Begründung nicht entgegen.
b) Die Interessensabwägung geht im vorliegenden Fall zu Lasten der Antragsteller aus, da sich der Bescheid des Antragsgegners nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage als rechtmäßig erweist.
aa) Rechtsgrundlage für den Bescheid ist Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) in der in der Bayerischen Rechtssammlung (BayRS 2011-2-I) veröffentlichten bereinigten Fassung. Danach können die Sicherheitsbehörden, falls sie nicht anderweitig hierzu ermächtigt sind, Anordnungen für den Einzelfall treffen, um rechtswidrige Taten zu unterbinden, die den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllen.
bb) In formeller Hinsicht ist Nr. 1 des Bescheids nicht zu beanstanden.
Das Landratsamt war die zur Durchsetzung des Schulzwangs (Art. 118 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl. S. 414, 632, BayRS 2230-1-1-K), das zuletzt durch Gesetz vom 23. Juli 2021 (GVBl. S. 432) geändert worden ist) sachlich und gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) BayVwVfG örtlich zuständige Sicherheitsbehörde (Art. 6 LStVG).
Die Antragsteller wurden vor Bescheiderlass angehört (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG). Die Durchführung der Anhörung ist geprägt vom Grundsatz der Nichtförmlichkeit und die Ausgestaltung liegt im Verfahrensermessen (Schneider in Schoch/Schneider, VwVfG, Grundwerk Juli 2020, § 28 Rn. 39). Vorliegend hat die Anhörung ihren Hauptzweck, rechtliches Gehör zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu gewähren, erfüllt, auch wenn die Antragsteller hiervon keinen Gebrauch gemacht haben. Der Anhörung inhärent ist die Pflicht zur Information über den Verfahrensgegenstand. Dem werden die Schreiben vom 22. Dezember 2021 gerecht; sie enthalten den maßgeblichen Sachverhalt, eine Konkretisierung der beabsichtigten behördlichen Maßnahmen und die Antragsteller sind als Adressaten individualisiert. Das Landrastamt war als für die Sachentscheidung zuständige Behörde für die Anhörung zuständig.
Jedenfalls wäre eine Heilung im Hauptsacheverfahren aber absehbar (Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG), so dass selbst ein Verstoß nicht zu positiven Erfolgsaussichten in der Hauptsache führen würde.
Der Bescheid ist den Antragstellern gegenüber wirksam bekannt gegeben worden (Art. 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 BayVwVfG); nach Art. 8a Abs. 1 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) in der in der Bayerischen Rechtssammlung (BayRS 2010-2-I) veröffentlichten bereinigten Fassung reicht es aus, Ehegatten eine Ausfertigung eines Verwaltungsakts unter ihrer gemeinsamen Adresse zuzustellen, wenn dieser sie beide betrifft.
cc) Gegen die Anordnung in Nr. 1 des Bescheids bestehen auch in materieller Hinsicht keine rechtlichen Bedenken.
(1) Zur Erfüllung der Verpflichtung aus Art. 76 Satz 2 BayEUG können nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG vollziehbare Anordnungen getroffen werden. Weder Art. 118 Abs. 1 BayEUG, wonach die Kreisverwaltungsbehörde befugt ist, den Schulpflichtigen zwangsweise der Schule zuführen zu lassen, noch Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG, wonach Verstöße gegen Art. 76 Satz 2 BayEUG mit Geldbuße belegt werden können, treffen abschließende Regelungen; vielmehr bleibt daneben Raum für die zwangsweise Durchsetzung der Schulpflicht gegenüber Erziehungsberechtigten minderjähriger Schulpflichtiger (VG Augsburg, B.v. 7.5.2002 – Au 9 S 02.507 – juris Rn. 17, bestätigt durch BayVGH, B.v. 20.8.2002 – 7 CS 02.1302 – Rn. 20).
(2) Das Verhalten der Antragsteller verwirklicht den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit (Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG). Das Kind der Antragsteller ist nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 BayEUG schulpflichtig, besucht jedoch derzeit nicht die entsprechende Pflichtschule (Art. 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayEUG), deren Besuch mit dem angefochtenen Bescheid gefordert wird. Nach Art. 76 Satz 2 BayEUG müssen die Erziehungsberechtigten dafür sorgen, dass minderjährige Schulpflichtige am Unterricht regelmäßig teilnehmen und die sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen besuchen. Der Verstoß der Antragsteller hiergegen erfüllt den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 76 Satz 2 BayEUG (BayObLG, B.v. 14.10.1999 – 3 ObOWi 96/99 – juris Rn. 9 ff.).
Für die Verwirklichung des Tatbestands ist keine generelle Verweigerungshaltung der Antragsteller erforderlich. Es genügt, dass sich die Antragsteller weigern, durch entsprechende Erziehungsmaßnahmen dafür zu sorgen, dass ihr Kind regelmäßig die Schule besucht.
(a) Eine eventuelle Unterweisung des Kindes zu Hause stellt keinen Unterricht im Sinne des Art. 76 Satz 2 BayEUG dar. Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayEUG haben die Schulen den in der Verfassung verankerten Bildungs- und Erziehungsauftrag zu verwirklichen. Die Schulpflicht wird erfüllt durch den Besuch der in Art. 36 Abs. 1 und 2 BayEUG genannten Schulen; eine Beschulung durch die Eltern ist nicht vorgesehen.
Vorliegend sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Kind der Antragsteller einen Anspruch auf Hausunterricht durch die Schule hätte. Die Voraussetzungen für Hausunterricht nach Art. 23 Abs. 2 Satz 1 BayEUG liegen nicht vor, insbesondere sind allgemeine Bedenken gegen die Maskenpflicht im Unterricht oder das Testen nicht geeignet, Zweifel an der Schulbesuchsfähigkeit des Kindes aus gesundheitlichen Gründen aufzuwerfen.
(b) Das Kind der Antragsteller ist weder vom Schulbesuch beurlaubt noch ist ein Anspruch hierauf (vgl. § 20 Abs. 3 BaySchO) ersichtlich oder vorgetragen.
(c) Ein Verstoß der Antragsteller gegen die Pflicht nach Art. 76 Satz 2 BayEUG entfällt auch nicht etwa deswegen, weil dem Kind Distanzunterricht nach § 19 Abs. 4 der Bayerischen Schulordnung (BaySchO) vom 1. Juli 2016 (GVBl. S. 164, 241, BayRS 2230-1-1-1-K), zu erteilen wäre. Die Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor. Weder ist die Schule derzeit von einer Schließung betroffen bzw. die Klasse oder ein Kurs des Kindes der Antragsteller ausgeschlossen, § 19 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 Buchst. a) BaySchO, noch der Ausschluss des Kindes der Antragsteller i.S.v. § 19 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 Buchst. b) BaySchO durch die zuständigen Behörden zum Schutz von Leben oder Gesundheit angeordnet oder genehmigt. Die letztgenannte Regelung umfasst bereits ihrem Wortlaut nach nicht den Fall, dass bei Geltung der Zugangsbeschränkung mit Testpflicht nach § 12 Abs. 2 Satz 1 der Fünfzehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (15. BayIfSMV) vom 23. November 2021 (BayMBl. Nr. 816, BayRS 2126-1-19-G), ein Schüler an der Teilnahme am Präsenzunterricht lediglich deshalb gehindert ist, weil er die Testpflicht nicht erfüllt. Einer erweiternden Auslegung von § 19 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 Buchst. b) BaySchO steht die Begründung der Änderungsverordnung zur 14. BayIfSMV vom 5. Oktober 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 716) entgegen.
(d) Gegen die Testpflicht bestehen nach summarischer Prüfung keine Bedenken. § 13 Abs. 2 Satz 1 14. BayIfSMV führt in der ab dem 6. Oktober 2021 geltenden Fassung (jetzt § 12 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV) in Verbindung mit den einschlägigen schulrechtlichen Bestimmungen für die von der Zugangsbeschränkung betroffenen Schülerinnen und Schüler zu einer unbedingten Testpflicht (BayVGH, B.v. 7.1.2022 – 7 CS 21.3152 – BeckRS 2022, 179, Rn. 13).
Die Regelung in § 12 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV beruht auf § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG (Auflagen für die Fortführung des Schulbetriebs) und damit auf einer verfassungsmäßigen Rechtsgrundlage. Bei der gebotenen summarischen Prüfung bestehen keine durchgreifenden Bedenken, dass die vorgenannten Bestimmungen eine ausreichende Verordnungsermächtigung für den durch sie erfolgenden Grundrechtseingriff darstellen und sie insbesondere auch dem Wesentlichkeitsgrundsatz und dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG entsprechen (stRspr vgl. BayVGH, B.v. 12.10.2021 – 25 NE 21.2471 – juris Rn. 19 m.w.N.). Die wesentliche Entscheidung, dass der Schulpflicht grundsätzlich durch Teilnahme am Präsenzunterricht nachzukommen ist, hat der bayerische Gesetzgeber in Art. 56 Abs. 4 Satz 3 BayEUG getroffen. An der Verhältnismäßigkeit des infektionsschutzrechtlich verhängten Verbots, ohne einen hinreichenden Testnachweis oder eine in der Schule durchgeführte Selbsttestung am Präsenzunterricht, an schulischen Veranstaltungen in Präsenz oder an Mittags- und Notbetreuung teilzunehmen, bestehen nach summarischer Prüfung keine Zweifel. Die Testpflicht ist eine geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahme, um die mit dem Präsenzbetrieb in den Schulen einhergehenden Infektionsgefahren zu verringern. Der Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit der Schülerinnen und Schüler liegt im unteren Bereich der Eingriffsintensität. Die mit der Testpflicht einhergehende Beeinträchtigung der körperlichen Integrität ist nur von kurzer Dauer und von niedrigschwelliger Intensität (so auch BayVGH, B.v. 12.10.2021 – 25 NE 21.2471 – juris Rn. 45 ff. mit Verweis auf BayVerfGH, E.v. 21.4.2021 – Vf. 26-VII-21 – juris Rn. 27 f. zur Verhältnismäßigkeit bei angenommener Testpflicht). Insbesondere belastet eine Pflicht, sich wöchentlich mehrfach auf das Vorliegen einer Infektion testen zu lassen, Schülerinnen und Schüler weniger als der Wegfall von Präsenzunterricht (vgl. BVerfG, B.v. 19.11.2021 – 1 BvR 971/21 u.a. – juris Rn. 125; zum Ganzen auch BayVGH B.v. 7.1.2022 – 7 CS 21.3152 – BeckRS 2022, 179, Rn. 16 ff.).
(e) Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Maskenpflicht wird auf die fortlaufende Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes Bezug genommen, der sich das Gericht anschließt (vgl. BayVGH, B.v. 12.10.2021 – 25 NE 21.2471; B.v. 28.9.2021 – 25 NE 21.237; B.v. 29.7.2021 – 25 NE 21.1757; B.v. 5.7.2021 – 25 NE 21.1779; B.v. 22.6.2021 – 25 NE 21.1654; B.v. 10.5.2021 – 20 NE 21.1328; B.v. 4.5.2021 – 20 NE 21.1119; B.v. 16.3.2021 – 20 NE 21.627; B.v. 15.2.2021 – 20 NE 21.411; B.v. 29.1.2021 – 20 NE 21.201; B.v. 28.1.2021 – 20 NE 21.136 und B.v. 7.9.2020 – 20 NE 20.1981).
(3) Anordnungen nach Art. 7 Abs. 2 LStVG stehen im Ermessen der Behörde. Das Landratsamt hat dies erkannt und unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben hiervon ordnungsgemäßen Gebrauch gemacht.
3. Auch die Zwangsgeldandrohung in Nr. 2 des Bescheides erweist sich nach summarischer Überprüfung als rechtmäßig, so dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung keinen Erfolg hat.
Die Höhe des angedrohten Zwangsgelds ist nicht zu beanstanden. Das Zwangsgeld beträgt nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz in der in der Bayerischen Rechtssammlung (BayRS 2010-2-I) veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch § 1 Abs. 26 der Verordnung vom 26. März 2019 (GVBl. S. 98) geändert worden ist, mindestens fünfzehn und höchstens fünfzigtausend Euro. Das Verhalten der Antragsteller stellt mitnichten eine Bagatelle dar. Vielmehr verstoßen sie nicht nur erheblich gegen schulrechtliche Verpflichtungen, sondern vor allem gegen das Interesse ihres Kindes. Das Landratsamt war so berechtigt, die Höhe des Zwangsgelds in deutlich spürbarem Umfang festzulegen.
Da Ausführungen zum Zwangsmittel im Bescheid enthalten sind, ist allein deshalb schon nicht von einem Ermessenausfall auszugehen (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 9.11.2021 – 9 ZB 19.1586 – juris Rn. 10; a.A. VG Bayreuth, B.v. 27.1.2022 – B 3 S 22.43). Ausführungen zum wirtschaftlichen Interesse des Pflichtigen nach Art. 31 Abs. 2 Satz 4 VwZVG sind außerdem nicht zu fordern, da es vorliegend bei der Verpflichtung zu Erfüllung der Schulpflicht offensichtlich nicht um ein wirtschaftliches Interesse i.S.v. Art. 31 Abs. 2 Satz 2 und 4 VwZVG, sondern um ein ideelles Interesse, das die Pflichtigen am Unterbleiben der Handlung haben, handelt (a.A. VG Bayreuth, B.v. 27.1.2022 – B 3 S 22.43).
Die Androhung des Zwangsgelds ist auch hinreichend bestimmt (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG). Vorliegend handelt es sich um ein mit einem Betrag festgesetztes Zwangsgeld in einem an beide Elternteile gerichteten Bescheid. Ausweislich der Adressierung und Anrede des Bescheides vom 22. Dezember 2021 werden die Antragsteller als Vollstreckungsschuldner herangezogen. Weil trotz Adressierung an beide Elternteile und deren persönlicher Anrede lediglich ein Betrag genannt wird und nichts dafür ersichtlich ist, dass das Landratsamt das festgesetzte Zwangsgeld zweimal, nämlich jeweils vom Antragsteller zu 1) und von der Antragstellerin zu 2), fordern wollte, ist von einer Gesamtschuld auszugehen. Zudem zielt die zugrunde liegende Aufforderung, für die Einhaltung der Schulpflicht ihres Kindes Sorge zu tragen, auf ein einheitliches Ziel, nämlich auf die Einhaltung der Schulpflicht des Kindes. Dass das gegen beide Elternteile festgesetzte Zwangsgeld insgesamt 1.500 EUR beträgt und nicht gegen jeden Elternteil jeweils ein Zwangsgeld in dieser Höhe festgesetzt worden ist, folgt aus Art. 76 Satz 2 BayEUG, wonach „die Erziehungsberechtigten“, und nicht lediglich „ein Elternteil“ oder auch nur „jeweils die Elternteile“ dafür verantwortlich sind, dass das schulpflichtige Kind am Unterricht und an den sonstigen verbindlichen Veranstaltungen der Schule regelmäßig teilnimmt. Diese danach von den Eltern rechtlich nur gemeinschaftlich ausübbare und in diesem Sinne gesamthandsähnliche Pflicht ist nämlich Ausfluss des gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB beiden Elternteilen gemeinschaftlich zustehenden Sorgerechts, das nur durch eine familiengerichtliche Entscheidung entzogen oder beschränkt werden kann (zum Ganzen VG Köln, U.v. 15.10.2008 – 10 K 2150/08 – juris Rn. 22 ff.).
4. Die Erfolgsaussichten der Antragsteller in der Hauptsache sind also aus den dargestellten Gründen als gering anzusehen. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war deshalb abzulehnen.
5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154, 159 Satz 1 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts beruht unter Berücksichtigung des vorläufigen Charakters des Verfahrens auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 2014 (BGBl. I S. 154) i.V.m. Nr. 1.5 und 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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