Verwaltungsrecht

Schutz vor Blutrache in Albanien

Aktenzeichen  9 ZB 16.30629

Datum:
14.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 133336
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3c Nr. 3, § 3d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 4, § 78, § 80, § 83b

 

Leitsatz

1 Der albanische Staat ist grundsätzlich willens und in der Lage, vor Übergriffen im Rahmen von Blutrachekonflikten Schutz zu bieten bzw. dagegen einzuschreiten oder solchen vorzubeugen. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2 In Albanien bestehen begrenzte inländische Fluchtalternativen. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 15 K 16.31762 2016-09-26 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Kläger ist albanischer Staatsangehöriger und begehrt wegen der Gefahr einer Blutrache die Zuerkennung subsidiären Schutzes sowie die Feststellung, dass Abschiebungshindernisse bezüglich Albanien bestehen. Mit Urteil vom 26. September 2016 wies das Verwaltungsgericht seine Asylklage ab. Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung des Klägers. Er macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird. Erforderlich ist die Formulierung einer konkreten Rechts- oder Tatsachenfrage und das Aufzeigen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist, sowie weshalb dieser Frage eine allgemeine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2017 – 9 ZB 17.30994 – juris Rn. 2 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). Diesen Anforderungen wird die Zulassungsbegründung des Klägers vom 7. November 2016 bereits nicht gerecht. Das Vorbringen beschränkt sich auf die Aussage, die „Behandlung der Blutrache in Albanien, die Frage einer inländischen Fluchtalternative in Albanien und die Frage, ob der albanische Staat tatsächlich effektiv in der Lage ist, Gefahren der Blutrache zu verhindern, sind ober- und höchstrichterlich nicht eindeutig geklärt“. Eine Entscheidungserheblichkeit und über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung wird damit nicht hinreichend dargelegt. Unabhängig davon hat der Antrag auch ansonsten keinen Erfolg.
1. Das Vorbringen des Klägers, er habe glaubhaft dargelegt, dass er von Blutrache bedroht sei und die von ihm vorgelegten Unterlagen belegten klar, dass die Blutracheproblematik tatsächlich bestehe, ist nicht entscheidungserheblich. Denn das Verwaltungsgericht hat in seinen Urteilsgünden offen gelassen, ob die behauptete Gefahr, Opfer einer Blutrachetat zu werden, beim Kläger hinreichend konkret ist. Es hat vielmehr darauf abgestellt, dass der albanische Staat die Blutrache ablehnt, sie bekämpft und Schutz vor ihr gewähren kann sowie dass nicht festgestellt werden kann, dass ein Schutzersuchen des Klägers bzw. eine Strafanzeige bei der (albanischen) Polizei von vornherein aussichtslos wäre (UA S. 7 f.).
2. Soweit der Kläger die Frage für klärungsbedürftig hält, ob der albanische Staat tatsächlich effektiv in der Lage ist, Gefahren der Blutrache zu verhindern, lässt sich diese Frage nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise ohne Berücksichtigung des konkreten Einzelfalls beantworten. Denn auch wenn der albanische Staat grundsätzlich wirksamen Verfolgungsschutz vor Blutrache bietet, ist nicht auszuschließen, dass es aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls für den Betroffenen unzumutbar sein kann, diesen Schutz im Heimatland auch in Anspruch zu nehmen (OVG NW, B.v. 25.4.2017 – 11 A 88/17.A – juris Rn. 8). Die sinngemäß daraus ableitbare Fragestellung, ob einem von Blutrache Betroffenem schon grundsätzlich kein innerstaatlicher Schutz zur Verfügung steht, bedarf keiner Klärung in einem Berufungsverfahren. Sie lässt sich auf der Grundlage der vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen, vorliegenden und allgemein zugänglichen Erkenntnisquellen sowie der obergerichtlichen Rechtsprechung zweifelsfrei beantworten. Danach ist davon auszugehen, dass der albanische Staat grundsätzlich willens und in der Lage ist, vor Übergriffen im Rahmen von Blutrachekonflikten Schutz zu bieten bzw. dagegen einzuschreiten oder solchen vorzubeugen (OVG NW, B.v. 25.4.2017 – 11 A 88/17.A – juris Rn. 9 ff. m.w.N.; BayVGH, B.v. 3.3.2016 – 10 ZB 14.844 – juris Rn. 20). Selbst wenn es – wie der Kläger vorträgt – auch aktuell immer wieder Übergriffe im Rahmen der Blutracheproblematik gibt, ist nicht ersichtlich, dass eine im Einzelfall fehlende Schutzbereitschaft Ausdruck einer grundsätzlichen Schutzunwilligkeit oder Schutzunfähigkeit des albanischen Staates gegenüber solchen Gefahren wäre. Ebenso ist nicht ersichtlich, dass ein Schutzersuchen an die albanischen Strafverfolgungsbehörden – welches der Kläger hier gar nicht angestrebt hat – von vornherein aussichtslos wäre (vgl. zum Ganzen: OVG NW, B.v. 25.4.2017 – 11 A 88/17.A – juris Rn. 13 ff.). Die lediglich anderweitige Bewertung der Erkenntnislage anderer Verwaltungsgerichte im jeweiligen Einzelfall ändert hieran nichts.
3. Gleiches gilt für die Frage einer inländischen Fluchtalternative in Albanien (vgl. BayVGH, B.v. 3.3.2016 – 10 ZB 14.844 – juris Rn. 20). Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht erkannt, dass nur begrenzte inländische Fluchtalternativen bestehen. Dem tritt das Zulassungsvorbringen nicht entgegen, so dass es auf eine insoweit verallgemeinerungsfähige Frage nicht ankommt. Das Verwaltungsgericht hat beim Kläger auf individuelle Besonderheiten, insbesondere die Änderung des Vornamens und die Häufigkeit des Nachnamens, abgestellt (UA S. 9). Die vom Kläger geforderte anderweitige Bewertung der begrenzten inländischen Fluchtalterntive wegen einer Gefahr für Leib und Leben, begründet keine grundsätzliche Bedeutung. Die Zulassungsbegründung wendet sich damit vielmehr im Gewand einer Grundsatzrüge gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung und Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht. Ein solches Vorbringen ist kein im Asylverfahrensrecht vorgesehener Zulassungsgrund (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2017 – 9 ZB 17.30994 – juris Rn. 7).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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