Verwaltungsrecht

Senegal als sicheres Herkunftsland – Asylantrag offensichtlich unbegründet

Aktenzeichen  M 4 S 16.30540

Datum:
29.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Dublin III-VO Dublin III-VO Art. 17 Abs. 1
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
GG GG Art. 16a Abs. 3, Abs. 4 S. 1 Hs. 1, S. 2
AsylG AsylG § 29a Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die Bestimmungen der Dublin III-Verordnung richten sich als zwischenstaatliche Regelungen vorrangig an den Mitgliedsstaat und begründen keine subjektiven Rechte der Asylbewerber (vgl. EUGH BeckRS 2013, 82158; BeckRS 2013, 82312). Sie begründen kein subjektives Recht auf Prüfung des Asylantrags in der Bundesrepublik Deutschland wegen Ablaufs der Überstellungsfrist (OVG Schleswig BeckRS 2015, 45273 mwN). (redaktioneller Leitsatz)
2 Es steht jedem Mitgliedstaat frei, gem. Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO abweichend von Art. 3 zu beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), mit dem sein Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist.
Er reiste angeblich am … August 2013 ins Bundesgebiet ein, spricht Französisch, Serer und Wolof und ist angeblich senegalesischer Staatsangehöriger. Sein Geburtsdatum wird mit … Januar 1991 in den Akten des Bundesamtes geführt. Als Beruf gibt er Fischer an. Die wirtschaftliche Situation sei schlecht. Am … August 2013 stellte er Asylantrag.
In seiner Anhörung vor dem Bundesamt am … Januar 2016 gab der Antragsteller an, er habe in der Region … im Bezirk … gewohnt. Im Oktober 2008 habe er sein Heimatland verlassen und sei für sieben Monate in Gambia und dann ca. fünf Jahre in Spanien gewesen. In Spanien habe er keinen Asylantrag gestellt, sondern als Minderjähriger dort illegal gelebt. Er sei dann nicht in Spanien geblieben, da die Lebensbedingungen dort schwer gewesen seien. Seine Eltern seien 2013 und 2014 verstorben, zu seinen fünf Geschwistern im Heimatland habe er Kontakt. Er sei sieben Jahre lang in die Koranschule gegangen. Im Senegal habe er am Hafen gearbeitet und dort Fische verpackt. Seine Mutter sei krank und gelähmt gewesen. Seine Familie habe gearbeitet und ihr geholfen. Er habe dann in Gambia als Fischer gearbeitet und damit ihre Therapie finanziert. Als er ein Schiff gesehen habe, dass nach Europa gefahren sei, sei er heimlich mitgefahren. Es habe ihnen nicht an Essen gefehlt, sie hätten normal gelebt, Probleme mit dem Staat habe er nicht gehabt, er sei politisch nicht aktiv gewesen. Bei einer Rückkehr habe er nichts zu befürchten.
Mit Bescheid vom 24. Februar 2016, dem Antragsteller zugestellt am 11. März 2016, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziff. 1) sowie den Antrag auf Asylanerkennung (Ziff. 2) als offensichtlich unbegründet ab und lehnte auch den Antrag auf subsidiären Schutz ab (Ziff. 3). Es stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 4), ordnete für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung des Antragstellers in den Senegal oder in einen anderen zur Aufnahme verpflichteten
oder bereiten Staat an (Ziff. 5) und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise (Ziff. 6), das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids wird verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 07. März 2016, am selben Tag beim Verwaltungsgericht München eingegangen, ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 24. Februar 2016 einlegen. Gleichzeitig beantragte die Bevollmächtigte,
die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet gemäß § 80 Abs. 5 VwGO.
Es bestünde die Verpflichtung nach der Dublin-III-Verordnung, nach objektiven Kriterien den Mitgliedsstaat, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrag zuständig ist, zu finden. Nachdem der Kläger mitgeteilt habe, dass er fünf Jahre lang in Spanien gelebt habe, sei sein Asylverfahren in Spanien zu prüfen. Der Bescheid verstoße gegen die Dublin-III-Verordnung. Der Kläger sei durch diese Entscheidung auch in seinen Rechten verletzt.
Am 22. März 2016 legte das Bundesamt die Behördenakten vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte des Bundesamtes Bezug genommen.
II.
Der zulässige Eilantrag ist unbegründet.
Die Ablehnung des Asylbegehrens sowie der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als jeweils offensichtlich unbegründet und die Ablehnung des subsidiären Schutzes unterliegen keinen durchgreifenden Bedenken. Auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten ist nicht erkennbar, so dass eine Aussetzung der Abschiebung im Ergebnis nicht geboten ist.
Das Gericht geht gemäß § 122 Abs. 1 i. V. m. § 88 VwGO in sachgerechter Auslegung des Antrags davon aus, dass sich der Eilantrag nicht gegen das auf § 11 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) gestützte Aufenthalts- und Einreiseverbot nach der Abschiebung (Ziffer 7. des Bescheids vom 22.12.2015) richtet. Ein derartiger Antrag wäre mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig (NdsOVG, B. v. 14.12.2015 – 8 PA 199/15 – juris Rn. 5; ausführlich ebenso VG München, B. v. 19.1.2016 – M 21 S 16.30019 – S. 8 f. des BA zur Notwendigkeit einer Verpflichtungsklage für die Befristungsentscheidung m. umfangr. Nachw.).
Gemäß Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs.1 GG wird die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen insbesondere in Fällen, die offensichtlich unbegründet sind, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen. Im Anschluss an Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG bestimmt § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG, dass die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG, § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG). „Ernstliche Zweifel“ im Sinne des Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99).
Gemessen an diesen Maßstäben bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, an die Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung.
Im Antragsvorbringen ist zur Frage der Ablehnung des Asylbegehrens des Antragstellers nichts vorgetragen, was eine Abweichung von der gesetzlichen Wertung in Art. 16a Abs. 3 GG, § 29a Abs. 1 AsylG begründen könnte. Der Senegal ist in der Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG als sogenannter sicherer Herkunftsstaat gelistet. Vom Antragsteller sind keine Tatsachen oder Beweismittel angegeben, die eine von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat abweichende Bewertung rechtfertigen (vgl. § 29a Abs. 1 AsylG). Der Asylantrag war somit nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Die gleiche Beurteilung gilt für die Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet.
Das Gericht folgt zunächst insgesamt der Begründung des angegriffenen Bundesamtsbescheides (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen.
Auch der von der Bevollmächtigten des Antragstellers vorgebrachte Gedanke einer Verpflichtung der Antragsgegnerin, ein Verfahren nach der Dublin-III-Verordnung hinsichtlich einer möglichen Zuständigkeit Spaniens für die Durchführung des Asylverfahrens einzuleiten, verhilft dem Eilantrag des Antragstellers nicht zum Erfolg. Die Fristbestimmungen der Dublin-III-Verordnung dienen einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats und einer zügigen Überstellung an diesen, ohne aber den Antragstellern einen Anspruch auf die Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedsstaat zu gewähren. Die Bestimmungen der Dublin-III-Verordnung richten sich als zwischenstaatliche Regelungen vorrangig an den Mitgliedsstaat und begründen keine subjektiven Rechte der Asylbewerber (EUGH, Urteil v. 14.11.2013 – C-4/11 – juris; Urteil v. 10.12.2013 – C-394/12 – juris). Sie begründen kein subjektives Recht auf Prüfung des Asylantrags in der Bundesrepublik Deutschland wegen Ablaufs der Überstellungsfrist (OVGSH, Beschluss v. 24.02.2015 – LA 15/15 – juris mit weiteren Nachweisen). Im Übrigen steht es jeden Mitgliedstaat frei, gemäß Art. 17 Abs. 1 der Dublin-III-Verordnung abweichend von Art. 3 zu beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
Vor diesem Hintergrund ist auch die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsanordnung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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