Verwaltungsrecht

Separierung von Schülern in Pausen bei fehlendem Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung

Aktenzeichen  M 26b E 20.4390

Datum:
30.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 27789
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
6. BayIfSMV § 16

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Anträge werden abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.
III. Der Streitwert wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich gegen Maßnahmen, die ihnen zur Kompensation der mangelnden Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung seitens der Schule auferlegt wurden.
Die Antragsteller, die die 5. bzw. 8. Klasse der Realschule A … in A … besuchen, legten gegenüber der Schule Atteste vor, wonach die Antragsteller von der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung freigestellt würden beziehungsweise das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung medizinisch kontraindiziert sei. Infolgedessen trugen die Antragsteller weder auf dem Schulgelände noch im Schulgebäude eine Mund-Nasen-Bedeckung.
Während der ersten neun Schultage, mithin bis einschließlich 18. September 2020, wurden die Antragsteller, da sie keine Mund-Nasen-Bedeckung trugen, in mehreren Unterrichtseinheiten von den anderen Schülern, die eine Mund-Nasen-Bedeckung trugen, separiert gesetzt. Zudem müssen die Antragsteller die Pausen gesondert von den anderen Schülern zusammen in einem kleinen Raum verbringen.
Mit Schriftsatz vom 15. September 2020 beantragten die Antragsteller,
festzustellen, dass die Antragsgegnerin nicht berechtigt ist, die Antragsteller abweichend von den übrigen Schülern zu behandeln, namentlich nicht berechtigt ist, ihnen im Unterricht separierte Plätze mit größerem Abstand zu anderen Schülern zuzuweisen und sie in den Pausen von anderen Schülern fernzuhalten, insb. durch Absonderung in eigenen Aufenthaltsräumen.
Zur Begründung wird insbesondere vorgetragen, dass aus dem Vorgehen der Schule eine diskriminierende Ungleichbehandlung der Antragsteller gegenüber den anderen Schülern resultiere und mit einem erneuten separierten Setzen der Antragsteller bei gewissen 7-Tages-Inzidenzwerten gerechnet werden müsse. Zudem sehe die 6. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (6. BayIfSMV) keine Befugnis für Maßnahmen vor, die zur Kompensation der Befreiung von der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung erlassen werden. Soweit die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung von dem Vorliegen einer bestimmten 7-Tages-Inzidenz abhängig sei, stehe zudem die Geeignetheit dieses Kriteriums in Frage.
Mit Schriftsatz vom 22. September 2020 beantragte die Antragsgegnerin,
die Anträge abzulehnen.
Zur Begründung wird insbesondere angeführt, dass die vorgelegten Atteste den an Atteste zu stellenden Mindestanforderungen nicht genügten, ein Mindestabstand zu anderen Schülern aus Gründen des Gesundheitsschutzes zu gewährleisten sei und damit ein sachgerechter Grund für eine Ungleichbehandlung vorläge. Auch würde das eingeleitete einstweilige Rechtsschutzverfahren das Hauptsacheverfahren in unzulässiger Weise vorwegnehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Die Anträge haben keinen Erfolg.
a) Die Anträge nach § 123 Abs. 1 VwGO sind zum Teil bereits unzulässig.
aa) Die Anträge bemessen sich nach § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Bei den die Antragsteller betreffenden organisatorischen Maßnahmen der Schule handelt es sich nicht um Verwaltungsakte nach Art. 35 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG). Insofern fehlt es an einer Regelung, die auf unmittelbare Regelungswirkung nach außen gerichtet ist (in diesem Sinne einen verschärften Verweis einordnend BayVGH, U. v. 10.3.2010 – 7 B 09.1906 – beckonline Rn. 18 ff.; ebenso zu schulorganisatorischen Maßnahmen BayVGH, B. v. 10.9.2013 – 7 CS 13.1880 – beckonline Rn. 17 f.). Das Vorliegen einer Regelung ist nur anzunehmen, wenn die behördliche Maßnahme auf eine verbindliche Rechtsfolge gerichtet ist, mithin Rechte des Betroffenen unmittelbar begründet, ändert, aufhebt, mit bindender Wirkung feststellt oder verneint (BVerwG, NVwZ 2010, 133, 134; BayVGH, U. v. 10.3.2010 – 7 B 09.1906 – beckonline Rn. 19). Die gesonderte Platzierung der Antragsteller und ihre Separierung von den anderen Schülern in den Pausen lösen jedoch keine unmittelbaren Rechtsfolgen aus, da sie insbesondere nicht auf die Änderung oder Aufhebung von Rechten der Antragsteller gerichtet sind. Vielmehr handelt es sich insofern um Realakte. Eine anderweitige Bewertung ist auch nicht aufgrund des nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) gebotenen effektiven Rechtsschutzes erforderlich, da effektiver Rechtsschutz nicht von der Bewertung einer Maßnahme als Verwaltungsakt abhängt.
bb) Soweit die Antragsteller allgemein die Feststellung beantragen, dass eine Behandlung ihrer Personen abweichend von den übrigen Schülern unzulässig ist, sowie im Konkreten die Feststellung beantragen, dass die Antragsgegnerin nicht dazu berechtigt ist, dass die Antragsteller im Unterricht separiert von den anderen Schülern gesetzt werden, ist der Antrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig. Die Antragsteller haben insofern nicht dargelegt, dass ein besonderes schützenswertes Interesse, sog. qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis, besteht.
(1.) Die Anträge sind ausweislich des Vorbringens der Antragsteller, §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO, auf das Unterlassen diskriminierender Ungleichbehandlungen gerichtet; eine dahingehende Auslegung, dass die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahmen insoweit beantragt wird, als sich diese bereits erledigt haben, ist nicht veranlasst, da eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit bereits erledigter Maßnahmen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nicht erfolgt, sondern allenfalls Gegenstand eines Hauptsacheverfahrens sein kann (vgl. BVerwG, B. v. 27.1.1995 – 7 VR 16/94).
(2.) Verwaltungsrechtsschutz ist grundsätzlich nachgängiger Rechtsschutz. Das folgt aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung, der der Gerichtsbarkeit nur die Kontrolle der Verwaltungstätigkeit aufträgt, ihr aber grundsätzlich nicht gestattet, bereits im Vorhinein gebietend oder verbietend in den Bereich der Verwaltung einzugreifen. Die Verwaltungsgerichtsordnung stellt darum ein System nachgängigen – ggf. einstweiligen – Rechtsschutzes bereit und geht davon aus, dass dieses zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) grundsätzlich ausreicht. Vorbeugende Klagen sind daher nur zulässig, wenn ein besonderes schützenswertes Interesse gerade an der Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes besteht (vgl. BVerwG, U. v. 25.9.2008 – 3 C 35.07 – Rn. 26 m. w. N.). Auf vorbeugende Unterlassung gerichtete Anträge erfordern daher zunächst, dass sich mit hinreichender Bestimmtheit bereits übersehen lässt, dass die befürchtete Maßnahme der Verwaltung auch tatsächlich droht (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 9.4.2014 – 13 LA 17/13 – juris Rn. 9; VG München, U. v. 27.8.2010 – M 6a K 10.2100 – juris Rn. 16).
Soweit die Antragsteller im Allgemeinen die vorläufige Feststellung begehren, dass diskriminierende Ungleichbehandlungen zu unterlassen sind, ist dieser Antrag unzulässig, da er sich als auf eine unzulässige „Vorratsentscheidung“ gerichtet darstellt, die losgelöst von konkret drohenden Maßnahmen ist und im Ergebnis einer Feststellung gleichkommt, die sich bereits aus Art. 3 Abs. 1 GG ergibt.
Auch soweit sich die Antragsteller gegen das Unterbleiben einer erneuten separierten Platzierung im Unterricht wenden, fehlt es an einer unmittelbar bevorstehenden Maßnahme der Verwaltung. Zwar wurden die Antragsteller bereits in den ersten neun Schultagen separiert von den anderen Schülern gesetzt; dies basierte jedoch auf dem nach § 16 Abs. 1 Satz 2 6. BayIfSMV erlassenen Rahmenhygieneplan des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus (Rahmenhygieneplan) vom 2. September 2020 (IV. 1. (Seite 6) und 5. (Seite 16)), der für die ersten neun Schultage eine generelle Verpflichtung zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen, auch im Unterricht, sowie im Falle einer fehlenden Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung die Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 Meter, insbesondere durch eine entsprechende Sitzordnung (IV. 5. (Seite 18)), vorsah. Seit dem 21. September 2020 gilt hingegen ein von der 7-Tages-Inzidenz im jeweiligen Landkreis bzw. kreisfreien Stadt abhängiger Wert (vgl. IV 1. (Seite 6 ff.)), der bei einer 7-Tages-Inzidenz von weniger als 35 Neuinfizierten pro 100.000 Einwohner keine Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Unterricht vorsieht. Da dieser Wert seit Inkrafttreten dieser Regelung im betroffenen Landkreis Freising konstant unter 35 lag und weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass die Überschreitung dieses Wertes unmittelbar bevorsteht, fehlt es auch insofern an einer unmittelbar drohenden Separierung der Antragsteller im Unterricht. Nichts anderes ergibt sich aus dem Verhalten des Antragsgegners, der nach Ablauf der ersten neun Schultage auf ein separiertes Setzen der Antragsgegner im Unterricht verzichtet hatte und sich somit an das im Rahmenhygieneplan vorgesehene gestufte Vorgehen gehalten hat; es kann daher davon ausgegangen werden, dass der Antragsgegner sich auch künftig am Rahmenhygieneplan und den dort verfügten Werten orientiert, mithin von einer Separierung der Antragsteller absieht, solange auch die übrigen Schüler keine Mund-Nasen-Bedeckung im Unterricht tragen müssen.
b) Soweit die Anträge zulässig sind, sind diese unbegründet, da jedenfalls kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht wurde.
Nach § 123 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragspartei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Regelungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Sicherungsanordnung). Dabei hat die Antragspartei sowohl die Dringlichkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) zu bezeichnen und glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 1 und 2, 294 Zivilprozessordnung – ZPO). Der Antrag kann nur Erfolg haben, wenn und soweit sich sowohl Anordnungsanspruch als auch -grund aufgrund der Bezeichnung und Glaubhaftmachung als überwiegend wahrscheinlich erweisen (BayVGH, B.v. 16.8.2010 – 11 CE 10.262 – juris Rn. 20 m. w. N.). Maßgeblich sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
Ein Anordnungsanspruch setzt ein subjektiv öffentliches Recht voraus, dessen Verletzung ohne den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung drohen würde (BayVGH, B. v. 10.9.2013 – 7 CS 13.1880 – beckonline Rn. 19), mithin eine rechtswidrige Maßnahme, die den Antragsteller in seinen Rechten verletzt.
aa) Die Separierung der Antragsteller in den Pausen findet ihre Rechtsgrundlage in § 16 Abs. 1 Sechste Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (6. BayIfSMV) vom 19. Juni 2020 in der Fassung vom 22. September 2020 in Verbindung mit dem Rahmenhygieneplan (IV. 5. (Seite 18)).
Hiernach ist Unterricht zulässig, wenn durch geeignete Maßnahmen sichergestellt ist, dass dem Infektionsschutz Rechnung getragen wird, § 16 Abs. 1 Satz 1 6. BayIfSMV. Zu diesem Zweck wurde der Rahmenhygieneplan als Grundlage für Schutz- und Hygienekonzepte der Schulen erstellt, § 16 Abs. 1 Satz 2 6. BayIfSMV. Zudem besteht auf dem Schulgelände unbeschadet des § 1 Abs. 2 6. BayIfSMV, der unter anderem eine Befreiung von der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aus gesundheitlichen Gründen vorsieht, grundsätzlich eine Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, § 16 Abs. 2 Sätze 1 und 2 6. BayIfSMV, und ermächtigt den Schulleiter, Personen des Geländes zu verweisen, die trotz einer entsprechenden Verpflichtung keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen, § 16 Abs. 2 Satz 3 6. BayIfSMV. Zudem sieht IV. 5. des Rahmenhygieneplans (Seite 18) vor, dass auf die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern, vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 6. BayIfSMV, geachtet werden soll, sofern keine Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung besteht.
Dass im Falle einer Befreiung von der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, wie im Schriftsatz der Antragssteller vorgetragen wurde, kompensatorische Infektionsschutzmaßnahmen nicht angeordnet werden dürften, kann § 16 6. BayIfSMV nicht entnommen werden. Hiergegen spricht bereits die gesetzessystematische Stellung des § 16 Abs. 2 6. BayIfSMV, der nur die Maskenpflicht regelt, hinter § 16 Abs. 1 Satz 1 6. BayIfSMV als generelle Regelung, der zu geeigneten Maßnahmen im Sinne des Infektionsschutzes ermächtigt, und dem Rahmenhygieneplan (IV. 5. (Seite 18)), der ausdrücklich die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern im Falle der fehlenden Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung vorsieht. Dass § 16 Abs. 2 6. BayIfSMV insofern für den Fall der Befreiung von der Maskenpflicht einen abschließenden Charakter hätte und kompensatorische Maßnahmen verbieten würde, kann der Regelung nicht entnommen werden; § 16 Abs. 1 Satz 1 6. BayIfSMV zeigt deutlich, dass stets Maßnahmen, die dem Infektionsschutz hinreichend Rechnung tragen, getroffen werden müssen. Ein anderes Verständnis würde dem Infektionsschutzrecht, das auf eine Reduzierung des Infektionsrisikos gerichtete ist, nicht gerecht, sondern stünde im krassen Widerspruch hierzu.
(1.) Zweifel an der Rechtmäßigkeit des § 16 Abs. 1 Satz 1 6. BayIfSMV sind nicht veranlasst. Die Regelung dürfte von der Ermächtigungsgrundlage § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 sowie § 33 Satz 2 Nr. Infektionsschutzgesetz (IfSG) gedeckt sein (siehe hierzu BayVGH, B. v. 3.7.2020 – 20 NE 20.1443 – juris Rn. 21 ff.). Insbesondere liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Ab. 1 Sätze 1 und 2 IfSG angesichts der aktuellen Pandemielage weiterhin vor.
§ 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG setzt tatbestandlich lediglich voraus, dass Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder es sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war.
Diese Voraussetzungen liegen dem Grunde nach angesichts der anhaltenden SARS-CoV-2-Pandemielage unzweifelhaft vor. Das Virus SARS-CoV-2 ist ein Krankheitserreger im Sinne von § 2 Nr. 1 IfSG, der zur Lungenkrankheit COVID-19, einer übertragbaren Krankheit im Sinne von § 2 Nr. 3 IfSG führen kann. Nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts, dem der Gesetzgeber im Bereich des Infektionsschutzes mit § 4 IfSG besonderes Gewicht eingeräumt hat (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 – 1 BvQ 28/20 – juris Rn. 13; BayVerfGH, E.v. 26.3.2020 – Vf. 6-VII-20 – juris Rn. 16), handelt es sich bei der COVID-19-Pandemie weltweit und in Deutschland um eine dynamische und ernst zu nehmende Situation, wobei die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland weiterhin als hoch, für Risikogruppen als sehr hoch einzuschätzen ist. Intensive gesamtgesellschaftlicher Gegenmaßnahmen bleiben nötig, um die Folgen der COVID-19-Pandemie für Deutschland zu minimieren. Die massiven Anstrengungen auf allen Ebenen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes verfolgen weiterhin das Ziel, die Infektionen in Deutschland so früh wie möglich zu erkennen und die weitere Ausbreitung des Virus einzudämmen. Es ist laut Robert Koch-Institut von entscheidender Bedeutung, die Zahl der Erkrankten so gering wie möglich zu halten und Ausbrüche zu verhindern. Hierdurch soll die Zeit für die Entwicklung von antiviralen Medikamenten und von Impfstoffen gewonnen werden. Auch sollen Belastungsspitzen im Gesundheitswesen vermieden werden (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, Stand 23.9.2020, aufgerufen am 28.9.2020).
(2.) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die in § 16 Abs. 1 Satz 1 6. BayIfSMV vorgesehenen Maßnahmen in Kombination mit dem Rahmenhygieneplan bestehen ebenfalls nicht.
Der Erlass der streitgegenständlichen Regelungen stehen nicht unter Parlamentsvorbehalt. Zwar ist die Entscheidung wesentlicher Fragen dem parlamentarischen Gesetzgeber als das für grundlegende Entscheidungen berufene Organ übertragen (BVerfG, U. v. 19.9.2018 – 2 BvF 1/15 u. a. – Rn. 191). Allerdings kennt das Grundgesetz keinen Gewaltenmonismus in Form eines umfassenden Parlamentsvorbehalts. Die in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG normierte organisatorische und funktionelle Trennung und Gliederung der Gewalten zielt auch darauf ab, dass staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen. Vor diesem Hintergrund kann auch die Komplexität der zu regelnden Sachverhalte den Umfang der Regelungspflicht des Gesetzgebers begrenzen (BVerfG, a. a. O., Rn. 197). Aufgrund der Vielzahl der durch die Corona-Pandemie betroffenen Lebensbereiche, der Dynamik des Geschehens und des damit einhergehenden entsprechenden Regelungsbedarfs bestehen daher trotz der Betroffenheit der Schüler insbesondere in ihren Grundrechten auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) keine Bedenken gegen die vom Verordnungsgeber getroffene Regelung, die dem Umstand der Vielschichtigkeit des schulischen Lebens Rechnung trägt, Konkretisierung durch den in § 16 Abs. 1 Satz 2 6. BayIfSMV vorgesehenen Rahmenhygieneplan erfährt und zeitlich zunächst bis zum 3. Oktober 2020 begrenzt ist. Dass der Rahmenhygieneplan insofern kein abschließendes Regelungsgeflecht darstellt, ergibt sich seinerseits aus der Vielschichtigkeit des schulischen Lebens und der Vielzahl an Einzelfällen, denen Rechnung getragen werden muss, was in abschließender Form nur durch Personen vor Ort erfolgen kann.
bb) Die Zuständigkeit der Schule bzw. der Lehrer für die Separierung in der Pause ergibt sich aus dem Rahmenhygieneplan. Nach IV. 2. des Rahmenhygieneplans (Seite 10) sind die Schulen zur Ausgestaltung der organisatorischen Umsetzung des Infektionsschutzes berufen, nach IV. 5. des Rahmenhygieneplans (Seite 18) insbesondere hinsichtlich der Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern, sofern keine Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung besteht.
cc) Bei den getroffenen, die Antragsteller von den übrigen Schülern abweichend behandelnden Maßnahmen handelt es sich um geeignete Maßnahmen im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 6. BayIfSMV, die im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG stehen und sich als verhältnismäßig erweisen.
(1.) Eine Maßnahme ist als geeignet anzusehen, wenn sie dem Infektionsschutz Rechnung trägt. Hierzu zählen insbesondere Abstandsgebote, wie Sie gegenüber den Antragstellern in Form der Separierung in den Pausen getroffen wurden, da hierdurch der physische Kontakt und damit das Infektionsrisiko reduziert wird (ausführlich zum Abstandsgebot BayVGH, B. v. 3.7.2020 – 20 NE 20.1443 – juris Rn. 38 ff.). Dies entspricht auch den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts, das auch bei Kindern und Jugendlichen die Wahrung eines Abstands von 1,5 Metern empfiehlt (vgl. Robert-Koch-Institut, Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2 / Krankheit COVID-19, Was ist über COVID-19 bei Schwangeren und Kindern beka…, Stand: 16.9.2020, https://www…de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html?nn=13490888), da von einer vergleichbaren Infektionshäufigkeit und Infektiosität auszugehen ist wie bei Erwachsenen (vgl. Robert-Koch-Institut, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-krankheit-2019 (COVID 2019), Stand: 18.9.2020, 16. Kinder und Jugendliche, https://www…de/DE/Content/InfAZ/N/ Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html).
(2.) Die Separierung der Antragsteller von den anderen Schülern in der Pause erweist sich auch als mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Ein Eingriff in den Gleichbehandlungsgrundsatz ist daher nur dann anzunehmen, wenn sich die Ungleichbehandlung nicht durch einen sachlichen Differenzierungsgrund rechtfertigen lässt.
Der sachliche Grund für die unterschiedliche Behandlung in Form der Absonderung von den anderen Schülern während der Pausen liegt in dem unterbleibenden Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung durch die Antragsteller. Während die anderen Schüler insofern zu einer Reduzierung des Infektionsrisikos durch das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung beitragen (Rahmenhygieneplan, IV. 1. (Seite 6); zur Geeignetheit des Tragens einer Mund-Nasen-Bedeckung BayVGH, B. v. 8.9.2020 – 20 NE 20.2001 – juris Rn. 37, B. v. 7.7.2020 – 20 NE 20.1477 – juris Rn. 16 f.; Robert-Koch-Institut, Infektionsschutzmaßnahmen (Stand: 16.9.2020), Was ist beim Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in der Öffentlichkeit zu beachten? https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste_Infektionsschutz.html), tragen die Antragsteller keine Mund-Nasen-Bedeckung. Um dem mit der 6. BayIfSMV verfolgten Ziel, das Infektionsschutzrisiko zu reduzieren, Rechnung zu tragen, sind daher andere Maßnahmen zu ergreifen, um das von den Antragstellern ausgehende (potentielle) Risiko zu reduzieren.
(3.) Die Separierung der Antragsteller in den Pausen ist als voraussichtlich verhältnismäßig anzusehen.
(a) Die Separierung der Antragsteller verfolgt den legitimen Zweck der Reduzierung des Infektionsrisikos.
(b) Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei beiden Maßnahmen auch um geeignete Maßnahmen, den verfolgten Zweck zu erreichen.
(c) Angesichts der Kontagiosität des Virus, des engen physischen Kontakts zwischen Kindern und Jugendlichen untereinander und des häufigeren symptomlosen bzw. milden Verlaufs stellt sich ein Mindestabstand als wesentliche Schutzvorkehrung dar, um die Infektionsgefahr einzudämmen; andere, gleich wirksame Maßnahmen sind nicht ersichtlich (BayVGH, B. v. 3.7.2020 – 20 NE 20.1443 – juris Rn. 42 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 12.6.2020 – 13 B 779/20.NE – juris Rn. 80 ff.).
Lediglich für den Fall, dass auch die anderen Kinder vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit wären, stellt sich ein Separieren der Antragsteller als bereits nicht erforderlich dar. Allerdings sieht der Rahmenhygieneplan außerhalb der Unterrichtsräume unabhängig vom Wert der 7-Tages-Inzidenz grundsätzlich eine Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung vor (vgl. IV. 5. des Rahmenhygieneplans (Seite 16 f.)).
Dabei ist auch nicht zu beanstanden, dass im Rahmenhygieneplan als Maßnahme im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 1 6. BayIfSMV teilweise auf das Kriterium der 7-Tages-Inzidenz abgestellt wird und insofern unterschiedliche Maßnahmen je nach Wert (unter 35 bzw. bis 50 bzw. über 50 Neuinfizierte pro 100.000 Einwohner abgestellt wird) angeordnet werden (vgl. insbesondere Rahmenhygieneplan IV. 1. Seite 6 ff.). Insoweit stellt der Wert von 50 Neuinfizierten pro 100.000 Einwohner eine Aussage über die Dynamik des Infektionsgeschehens dar und markiert die Grenze, bis zu der die öffentliche Gesundheitsverwaltung in Deutschland sich zu einer Rückverfolgung von Infektionsketten maximal in der Lage sieht und die Verbreitung des Coronavirus durch weitere Fallfindungen noch verhindert werden kann. Diese Einschätzung, dass ab diesem Wert das Infektionsgeschehen eine Dynamik gewinnt, die ohne einschneidende Maßnahmen außer Kontrolle zu geraten droht, dürfte nicht zu beanstanden sein (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 28.8.2020 – 13 B 1232/20.NE – juris Rn. 51; OVG Lüneburg, B. v. 5.6.2020 – 13 MN 195/20 – juris Rn. 33 f.). Dass insofern auch Werte unterhalb der Schwelle von 50 Neuinfizierten pro 100.000 Einwohner gesetzt werden, ab deren Erreichung bestimmte Maßnahmen angeordnet werden, ist nachvollziehbar, dürfte dem Ermessensspielraum der handelnden Behörden entsprechen und auch geboten sein, soll hierdurch doch die Dynamik des Infektionsgeschehens abgebremst und einschneidende Maßnahmen verhindert werden, wie dies bei einer Überschreitung des Wertes von 50 Neuinfizierten pro 100.000 Einwohnern drohen würde.
(d) Schließlich erweist sich die Separierung in den Pausen auch als angemessen.
Der getroffenen Maßnahmen stehen auch nicht außer Verhältnis zu der Schwere des in der Separierung der Antragsteller liegenden Eingriffs. Die Maßnahme beschränkt das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG). Diese Rechte gelten jedoch nicht unbeschränkt, sondern unterliegen einem Gesetzesvorbehalt und treten derzeit im Ergebnis gegenüber dem mit der Verordnung bezweckten Schutz von Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) sowie dem staatlichen Unterrichtsauftrag zurück. Dabei ist insbesondere in Rechnung zu stellen, dass die Separierung der Antragsteller zur Wahrung des grundsätzlich für jedermann geltenden Abstandsgebots von 1,5 Metern (§ 1 Abs. 1 Satz 2 6. BayIfSMV) dient und als Alternative im Fall einer fehlenden Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung einen wesentlichen Beitrag dazu leistet, in der gegenwärtigen pandemischen Lage in Bayern erneute coronabedingte (Teil-)Schließungen von Schulen so weit wie möglich zu vermeiden. Die mit der Verpflichtung einhergehenden Einschränkungen sind insofern in Anbetracht des (auch) mit dem Abstandsgebot sicherzustellenden regulären Schulbetriebs und der damit einhergehenden Gewährleistung des Präsenzunterrichts und von Bildungsgerechtigkeit für alle Schülerinnen und Schüler nicht nur hinnehmbar, sondern dienen einem interessengerechten Ausgleich der betroffenen Rechte der Schüler. Dass insbesondere der Antragsteller zu 1 eine gewisse soziale Isolation durch die Separierung während der Pausen erfährt, ist daher hinzunehmen. Der Aufbau sozialer Kontakte zu seinen Mitschülern bleibt dem Antragsteller zu 1 außerhalb der Pausen sowie vor und nach der Unterrichtszeit, etwa auf dem Schulweg oder in seiner Freizeit, unverändert möglich.
Der Angemessenheit der Maßnahme steht auch nicht entgegen, dass die Schüler gegenwärtig in der betroffenen Schule während des Unterrichts keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen müssen. Denn die insofern unverändert auch während der Pausen grundsätzlich bestehende Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (Rahmenhygieneplan, IV. 5. Seite 16 f.) dient jedenfalls dem Schutz anderer, nicht zur jeweiligen Klasse der Antragsteller zählenden Schüler. Auch wenn nach dem Hygieneplan der Realschule A* … … vom … September 2020 die Klassenverbände die Pausen in jeweils zugewiesenen Bereichen gemeinsam verbringen, so ist dennoch von Schülern im Allgemeinen zu erwarten, dass sie ihrer kindlichen beziehungsweise jugendlichen Lebhaftigkeit in den Pausen Ausdruck verleihen und den bestehenden infektionsschutzrechtlichen Vorgaben nur eingeschränkte Beachtung schenken werden, es mithin zu einer Abstandsunterschreitung zu den Schülern anderer Klassen kommen wird. Da eine Unterschreitung des vorgegebenen Abstands von 1,5 Metern bei Schülern, die eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen, ein geringeres Infektionsrisiko für andere Schüler bedeutet als eine Abstandsunterschreitung bei Schülern, die keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen, ist eine Separierung der Antragsteller von ihren zum jeweiligen Klassenverbund gehörenden Mitschülern während der Pausen angemessen, solange auch während der Pausen eine Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung der übrigen Schüler besteht.
Auch die Unterbringung der Antragsteller in einem kleinen Raum, der sonst für Elterngespräche genutzt wird, der mit einem Fenster versehen ist und bei dem während der Pausen die Tür offen gelassen wird, ist als angemessen zu werten.
2. Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Nr. 1.1.3 und Nr. 1.5. Satz 2). Aufgrund der faktischen Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens unterbleibt dabei eine Reduzierung des Streitwerts gegenüber dem Hauptsacheverfahren um die Hälfte.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben