Verwaltungsrecht

Sofortige Vollziehung gaststättenrechtlicher Erlaubnis für den Betrieb einer Schankwirtschaft

Aktenzeichen  M 16 SN 17.5512, M 16 SN 17.5509

Datum:
19.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 2367
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GastG § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 3
BayBO Art. 60
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

1 Betriebszeitbeschränkungen und Auflagen, die der Gewährleistung des gesetzlichen Nachbarschutzes gemäß den §§ 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 und 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG dienen, müssen den Nachbarschutz ausreichend gewährleisten. Hierzu gehört, dass sich die Grenze zumutbarer bzw. zulässiger Belastung für Nachbarn und Betreiber bestimmen lässt und ihre Einhaltung aufgrund der Regelungen in der Genehmigung sichergestellt erscheint, sodass sich der Schutz der Nachbarschaft gegebenenfalls auch mittels Verwaltungszwangs durchsetzen lässt. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Wenn die von der Behörde anzustellende Prognose ergibt, dass sich zu bestimmten Stunden auch bei pflichtgemäßen Verhalten des Betriebsinhabers und individuellen immissionsrelevanten Nebenbestimmungen der gesetzlich gebotene Nachbarschutz voraussichtlich nicht gewährleisten lässt, ist eine volle Betriebszeit mit den in § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GastG geschützten Belangen nicht vereinbar und es muss die Betriebszeit einer Gaststätte verkürzt werden (Anschluss an BayVGH BeckRS 2013, 45171). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Verfahren M 16 SN 17.5512 und M 16 SN 17.5509 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Anträge werden abgelehnt.
III. Die Antragstellerin trägt die Kosten der Verfahren und die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
IV. Der Streitwert wird auf Euro 15.000,00 festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung zweier gaststättenrechtlicher Erlaubnisse, die den Beigeladenen für den Betrieb einer Schankwirtschaft erteilt wurden.
Mit Bescheid vom 2. Mai 2017 wurde dem Beigeladenen zu 2) eine Baugenehmigung nach Art. 60 BayBO erteilt. Diese Baugenehmigung bezieht sich auf eine Erweiterung einer bestehenden Gaststätte um einen zusätzlichen Raum für 30 Gäste. Als immissionsrechtliche Anforderung wurde in der Baugenehmigung unter anderem festgesetzt, dass im vorliegenden (faktischen) Mischgebiet bei Geräuschübertragungen innerhalb von Gebäuden oder bei Körperschallübertragungen die Immissionsrichtwerte tagsüber (6:00 bis 22:00 Uhr) maximal 35 dB(A) und nachts (22:00 Uhr bis 6:00 Uhr) maximal 25 dB(A) betragen dürfen. Einzelne Geräuschspitzen dürfen die Immissionsrichtwerte um nicht mehr als 10 dB(A) überschreiten. Bei Übertragung von Musik dürfe diese nur als Hintergrundmusik dargeboten werden. Dies bedeute unter anderem, dass eine Unterhaltung in normaler Lautstärke möglich sein müsse. Die Darbietung von Live-Musik sei nicht gestattet. Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin am 29. Mai 2017 Klage erhoben (M 9 K 17.2382). Das Gericht hat die Gerichtsakten nebst den vorgelegten Behördenakten aus dem Verfahren M 9 K 17.2382 beigezogen. Aus den beigezogenen Behördenakten ergibt sich, dass die gesamte streitgegenständliche Gaststätte aus zwei Gasträumen besteht, vom Eingang aus gesehen einem vorderen Raum mit einer Fläche von 52,72 m² und einem hinteren Raum mit einer Fläche von 55,25 m². Die beiden Räume sind mit einem Durchgang verbunden, an dem sich auch die Toiletten befinden. Weiterhin findet sich in der beigezogenen Behördenakte ein Schreiben des Landratsamts Neuburg-Schrobenhausen, das den Immissionsschutz beim Vollzug des Baugesetzes betrifft und vom 24. März 2017 datiert. Dort wird ohne Begründung in der Sache ausgeführt, dass aus Sicht des Immissionsschutzes der Betrieb der Gaststätte nur bis 22:00 Uhr genehmigungsfähig sei. Nachfolgend werden in dem Schreiben Auflagen genannt, die in eine zu erteilende baurechtliche Genehmigung aufzunehmen seien.
Am 5. Mai 2017 wurde die Erteilung einer unbefristeten Erlaubnis nach § 2 Gaststättengesetz (GastG) zum Betrieb der streitgegenständlichen Schankwirtschaft beantragt. Die gaststättenrechtliche Erlaubnis sollte sich auf den vorderen Raum und den hinteren Raum erstrecken. Zum Ausschank sollten Getränke aller Art kommen. Als Sperrzeit sollte die gesetzliche Sperrzeit festgesetzt werden.
Mit Bescheiden vom 17. Mai 2017 wurde den Beigeladenen jeweils eine gaststättenrechtliche Erlaubnis erteilt, die streitgegenständliche Schankwirtschaft zu betreiben. Die Erlaubnis wurde jeweils unbefristet für einen unbeschränkten Personenkreis zum Ausschank aller Getränke erteilt (Nr. 1). Die Erlaubnis bezieht sich jeweils auf den vorderen und hinteren Gastraum sowie die Toiletten (Nr. 2). Unter Nr. 3 der Bescheide wurden Auflagen verfügt. Unter anderem dürfen die Beurteilungspegel aller vom Betrieb der Schankwirtschaft ausgehenden Geräusche an den maßgeblichen Immissionsorten einen Immissionsrichtwert tagsüber (6:00 bis 22:00 Uhr) von 60 dB(A) und nachts (22:00 bis 6:00 Uhr) 45 dB(A) nicht überschreiten. Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen den Immissionsrichtwert tagsüber um nicht mehr als 30 db(A) und nachts nicht mehr als 20 db(A) überschreiten. Bei der Geräuschübertragung innerhalb der Gebäude oder Körperschallübertragung dürfen die Beurteilungspegel aller durch den Betrieb der Schankwirtschaft verursachten Geräusche im nächstgelegenen benachbarten Wohnraum die Immissionsrichtwerte tagsüber (6:00 bis 22:00 Uhr) maximal 35 dB(A) und nachts (22:00 Uhr bis 6:00 Uhr) maximal 25 dB(A) nicht überschreiten. Einzelne Geräuschspitzen dürfen die Immissionsrichtwerte um nicht mehr als 10 dB(A) überschreiten (Auflage Nr. 3.1). In der Gaststätte dürfe nur Hintergrundmusik gespielt werden. Hintergrundmusik bedeute, dass die Musik so leise sein müsse, dass die Unterhaltung der Gäste überwiege und die Musik auch leises Sprechen nicht übertöne (Auflage Nr. 3.2). Ab Beginn der Nachtruhe um 22:00 Uhr seien ins Freie führende Türen und Fenster verschlossen zu halten (Auflage Nr. 3.3). Der Betreiber der Gaststätte habe durch organisatorische Maßnahmen dafür zu sorgen, dass sich Gäste im Freien vor der Gaststätte, insbesondere nach 22:00 Uhr, ruhig verhielten (Auflage Nr. 3.4). Die Sperrzeit für den Gaststättenbetrieb gelte von 5:00 bis 6:00 Uhr gem. § 8 Abs. 1 Gaststättenverordnung (Auflage Nr. 3.5). Der Erlass der Auflagen sei unter anderem notwendig, um den Schutz gegen schädliche Umwelteinwirkungen, insbesondere Lärm, zu gewährleisten. Die Auflagen seien erforderlich. Andere gleich geeignete, den Betreiber weniger belastende Maßnahmen kämen nicht in Betracht. Die Auflagen seien dem Betreiber zuzumuten, da das öffentliche Interesse am Schutz der Allgemeinheit vor erheblichen Belästigungen das persönliche Interesse des Betreibers an der ungehinderten Berufsausübung überwiege.
Am 4. August 2017 erhob der Bevollmächtigte der Antragstellerin Klage gegen die Bescheide vom 17. Mai 2017 (M 16 K 17.3680 und M 16 K 17.3737). Die gaststättenrechtlichen Erlaubnisse verletzten die Antragstellerin in ihren subjektiven Rechten. Die Antragstellerin sei Eigentümerin des Nachbargrundstücks. Sie wohne teilweise im ersten Obergeschoss des Hauses, das sich auf dem Nachbargrundstück befinde. Der gaststättenrechtliche Bescheid sei aufzuheben, da der genehmigte Gaststättenbetrieb im Hinblick auf seine örtliche Lage schädliche Umwelteinwirkungen für die Nachbarschaft verursache, die nicht durch Auflagen zum Schutz des Nachbargrundstücks verhindert werden könnten. Betriebszeitbeschränkungen und Auflagen, die der Gewährleistung des gesetzlichen Nachbarschutzes gemäß §§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG dienten, müssten den Nachbarschutz ausreichend gewährleisten. Im Hinblick auf den Versagensgrund nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 GastG setze die Erteilung einer Erlaubnis eine auf den Eintritt etwaiger schädlicher Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes bezogene Prognose der Behörde voraus, die auf eine hinreichende Tatsachengrundlage gestützt werde. Die Antragsgegnerin habe zumindest keine ausreichenden Prognoseerwägungen angestellt, eine Auseinandersetzung mit schädlichen Umwelteinwirkungen habe nicht stattgefunden. Unter dem Blickpunkt des Etikettenschwindels werde bereits seit dem Jahr 2013 keine Schankwirtschaft, sondern eine Cocktailbar mit Diskothekenbetrieb, mithin eine Vergnügungsstätte, betrieben. Der Betrieb finde von Donnerstag bis Samstag statt, wobei des Öfteren „Clubnächte“ mit Live-DJs veranstaltet würden. Auch beim regelmäßigen Betrieb des Lokals werde durch die betriebene Musikanlage laut Musik abgespielt, die in der Wohnung der Klägerin unüberhörbar sei. Zum Nachweis des Diskothekenbetriebs fügte der Bevollmächtigte der Antragstellerin ein Konvolut diverser Einträge und Veröffentlichungen aus dem Internet der Klagebegründung bei. Obwohl die Antragstellerin sich mehrfach bei der Antragsgegnerin über den illegalen Diskothekenbetrieb beschwert habe, sei diese nicht tätig geworden. Auch der Internetauftritt im sozialen Netzwerk „facebook“ unterstreiche das Bild einer Cocktailbar mit Diskothekenbetrieb. Zu dem Internetauftritt der streitgegenständlichen Gaststätte wurden vom Bevollmächtigten der Antragstellerin ebenfalls Anlagen eingereicht. In der erteilten gaststättenrechtlichen Genehmigung seien völlig unrealistische Immissionsrichtwerte festgesetzt worden, die beim Betrieb einer Diskothek, einer Vergnügungsstätte, nicht einzuhalten seien. Aufgrund von Hinweisen seitens der Antragstellerin müsse der Antragsgegnerin seit längerem bekannt sein, dass tatsächlich ein Diskothekenbetrieb in der Schankwirtschaft stattfinde. Die im streitgegenständlichen Bescheid aufgenommenen Auflagen seien nicht geeignet bzw. nicht ausreichend, um rechtmäßige Zustände herzustellen. Die zulässigen Immissionswerte würden nachts beim Betrieb der streitgegenständlichen Gaststätte erheblich überschritten. Nebenbestimmungen seien im Grundsatz geeignet, Nachbarrechte zu sichern. Die angefochtene Erlaubnis stelle jedoch den Nachbarschutz nicht sicher, da sie nicht festlege, welche konkreten betrieblichen Tätigkeiten und Nutzungen zugelassen seien, um zu gewährleisten, dass die Begrenzung der Immissionen nicht nur auf dem Papier stehe. Es müsse gegebenenfalls durch Regelung vorhersehbarer betrieblicher Abläufe sichergestellt werden, dass die Immissionsrichtwerte zu keiner Zeit überschritten würden. Die bloße Benennung einer Zielvorgabe in Fällen der vorliegenden Art sei ungeeignet zur Sicherstellung eines ausreichenden Nachbarschutzes. Zudem habe bereits das Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen festgestellt, dass aus Gründen des Immissionsschutzes ein Betrieb der streitgegenständlichen Gaststätte nur bis 22:00 Uhr zulässig sei.
Mit Bescheiden vom 12. Oktober 2017 ordnete die Antragsgegnerin aufgrund der erfolgten Klageerhebung durch die Antragstellerin die sofortige Vollziehung der Genehmigungen vom 17. Mai 2017 an, nachdem dies zuvor mit Schreiben vom 9. Oktober 2017 seitens der Beigeladenen beantragt worden war. Das Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiege das Suspensivinteresse der Antragstellerin. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Betreiber erhebliche Investitionen in ihren Betrieb getätigt hätten und mehreren Beschäftigten einen Arbeitsplatz böten. Eine Schließung des Betriebs hätte existenzgefährdende Wirkung. Dem Interesse der Antragstellerin werde durch die in der Erlaubnis festgelegten immissionsschutzrechtlichen Auflagen hinreichend Rechnung getragen, diese dienten dem Schutz der Nachbarschaft. Der Antragstellerin könne zugemutet werden, den Betrieb bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache hinzunehmen.
Am 22. November 2017 beantragte der Bevollmächtigte der Antragstellerin die aufschiebende Wirkung der Klagen gegen die Bescheide vom 17. Mai 2017 wiederherzustellen. Es wurde zunächst auf die Klagebegründung verwiesen. Der Betrieb der streitgegenständlichen Gaststätte sei von keiner Rechtsgrundlage gedeckt. Dies gelte insbesondere für die Sperrzeit lediglich von 5:00 bis 6:00 Uhr. Da laut der vom Landratsamt Neuburg Schrobenhausen im baurechtlichen Verfahren getätigten Aussage der Betrieb der Gaststätte aus Gründen des Immissionsschutzes nur bis 22:00 Uhr zulässig sei, sei bereits bei summarischer Prüfung ersichtlich, dass die gaststättenrechtlichen Bescheide rechtswidrig seien. Bei Abwägung der widerstreitenden Interessen überwiege das Interesse der Antragstellerin vor unzumutbaren Lärmimmissionen durch den widerrechtlichen Betrieb der streitgegenständlichen Gaststätte verschont zu bleiben. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Antragsgegnerin sei ermessensfehlerhaft und zudem lediglich formelhaft begründet. Allein durch das von der Antragsgegnerin völlig ignorierte Schreiben des Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen sei belegt, dass jedenfalls bei einem Betrieb nach 22:00 Uhr die zulässigen Immissionsrichtwerte nicht eingehalten würden. Gegen einen der Beigeladenen sei wohl bereits im Jahr 2016 ein Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen unzulässigen Lärms durch den Betrieb einer Gaststätte geführt worden.
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin beantragt jeweils:
Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 4. August 2017 gegen die gaststättenrechtliche Erlaubnis vom 17. Mai 2017 zum Betrieb der Schankwirtschaft … wird wieder hergestellt.
Hilfsweise beantragt er jeweils:
Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 4. August 2017 gegen die gaststättenrechtliche Erlaubnis vom 17. Mai 2017 zum Betrieb der Schankwirtschaft … wird wieder hergestellt, soweit folgende Betriebszeiten in den Innenräumen der Gaststätte überschritten werden: Montag bis Sonntag: bis 22:00 Uhr.
Die Antragsgegnerin erwiderte mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2017, dass durch die im Bescheid vom 17. Mai 2017 festgesetzten Auflagen der Betrieb der Schankwirtschaft für die Nachbarschaft zumutbar sei. Auch unter diesem Gesichtspunkt und wegen des Grundrechts der Berufsfreiheit sei der Betrieb nach 22:00 Uhr gestattet worden. Außerdem habe die Antragstellerin nicht nachgewiesen, dass immissionsschutzrechtliche Werte überschritten würden. Ferner seien die Polizei Neuburg an der Donau und der kommunale Ordnungsdienst gebeten worden, die Gaststätte verstärkt zu kontrollieren. Einen Antrag stellte die Antragsgegnerin in nicht.
Mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2017 trugen die Beigeladenen vor, dass das Einkommen durch die Schankwirtschaft die Basis für den bereits erfolgten Erwerb des gesamten Anwesens darstelle. Der Erwerb sei durch einen Bankkredit finanziert worden. Es würden 45 Mitarbeiter beschäftigt werden, die Mitarbeiter könnten nicht von heute auf morgen auf die Straße gestellt werden.
Die Beigeladenen beantragen sinngemäß jeweils:
Der Antrag der Antragstellerin wird abgelehnt.
Für weitere Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten in diesen sowie in den Verfahren M 16 K 17.3680 und M 16 K 17.3737 sowie M 9 K 17.2382 verwiesen.
II.
Die zulässigen Anträge bleiben ohne Erfolg.
Die Antragstellerin begehrt mit ihren Hauptanträgen gemäß § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klagen in den Verfahren M 16 K 17.3680 und M 16 K 17.3737.
Die mit Bescheiden vom 12. Oktober 2017 getroffene Vollziehungsanordnung nach §§ 80a Abs. 1 Nr. 1, 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO weist keine formalen oder materiellen Fehler auf. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Bescheide ist von der Antragsgegnerin in § 80 Abs. 3 VwGO genügender Weise begründet worden. Damit liegt eine einzelfallbezogene Begründung der Vollzugsanordnung vor. Ein eventueller Mangel in der Begründung des Sofortvollzugs führt zudem in einem Verfahren nach § 80a VwGO nicht notwendig zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (vgl. OVG SH, B.v. 29.7.1994 – M 58/94 – juris Rn. 13 ff.).
Die Antragstellerin besitzt die entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis, weil sie geltend machen kann, dass sie durch die den Beigeladenen erteilten Genehmigungen in öffentlich-rechtlichen nachbarschützenden Rechten verletzt werden kann. Ihr Wohngrundstück grenzt nach Aktenlage im Verfahren M 9 K 17.2382 unmittelbar an die streitgegenständliche Gaststätte an. Der Antrag wird vor allem mit schädlichen Umwelteinwirkungen begründet, denen die Antragstellerin ausgesetzt sein soll bzw. die bei Erlass der streitgegenständlichen Bescheide im Rahmen einer Lärmbzw. Nachbarschaftsschutzprognose nicht ausreichend berücksichtigt worden seien.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids, dem Interesse eines Beigeladenen und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der Bescheid bei dieser Prüfung dagegen als rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage sind die Erfolgsaussichten der Klagen der Antragstellerin als gering, zumindest aber als offen anzusehen. Die daher durch das Gericht zusätzlich vorgenommene allgemeine Interessenabwägung ergibt, dass die Interessen der Beigeladenen und die öffentlichen Interessen am Weiterbetrieb der Gaststätte und damit der sofortigen Vollziehung die Interessen der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Rechtsbehelfe überwiegen.
Ob die von der Antragstellerin angegriffenen Bescheide vom 17. Mai 2017 rechtmäßig sind und die Antragstellerin möglicherweise in ihren subjektiven Rechten verletzen, kann auf Grundlage der vorgelegten Akten nicht abschließend beurteilt werden, wobei jedoch einiges für eine Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide spricht (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Rechtmäßigkeit einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis ist im Falle ihrer Anfechtung durch einen Dritten nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zu beurteilen (vgl. BVerwG, B.v. 18.3.1998 – BVerwG 1 B 33.98 – juris, Rn.11; OVG NRW, B.v. 3.11.2015 – 4 B 652/15 – juris Rn. 16). Gleiches muss für einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gelten, da im Rahmen der hierbei anzustellenden Interessenabwägung die Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids (zunächst) eine maßgebliche Rolle spielt.
Auf der Grundlage der §§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG ist die Erteilung einer Gaststättenerlaubnis nur zulässig, wenn der Gaststättenbetrieb im Hinblick auf seine örtliche Lage keine schädlichen Umwelteinwirkungen für die Nachbarschaft befürchten lässt (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG), die nicht durch Auflagen zum Schutz der Nachbargrundstücke (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG) verhindert werden können. Die §§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG haben insoweit einen nachbarschützenden Charakter (vgl. OVG NRW, B.v. 3.11.2015 – 4 B 652/15 – juris Rn. 25 bis 28). Die Antragstellerin kann sich jedoch nicht darauf berufen, dass die Beigeladenen statt der genehmigten Schankwirtschaft – Cocktailbar – eine Vergnügungsstätte – Diskothek – in den Räumen der streitgegenständlichen Gaststätte betreiben. Auch eine denkbare Unzuverlässigkeit der Beigeladenen, die ihren Grund darin hätte, dass diese ohne gaststättenrechtliche Erlaubnis eine Vergnügungsstätte betreiben, würde der Antragstellerin kein subjektives Recht vermitteln (instruktiv Michel/Kienzle/Pauly, GastG, 14. Aufl., 2003, § 4 Rn. 89).
Im Hinblick auf den Versagungsgrund nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG setzt die Erteilung der Erlaubnis eine auf den Eintritt etwaiger schädlicher Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bezogene Prognose der Behörde voraus, die auf eine hinreichende Tatsachengrundlage gestützt werden muss. Im Rahmen dieser Prognose können auch Erfahrungen mit der Lärmbelastung durch einen Vorgängerbetrieb zu berücksichtigen sein (vgl. BayVGH, B.v. 16.11.2012 – 22 ZB 12.34 – juris Rn. 12 und 14).
Betriebszeitbeschränkungen und Auflagen, die der Gewährleistung des gesetzlichen Nachbarschutzes gemäß den §§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG dienen, müssen den Nachbarschutz ausreichend gewährleisten. Hierzu gehört, dass sich die Grenze zumutbarer bzw. zulässiger Belastung für Nachbarn und Betreiber bestimmen lässt und ihre Einhaltung aufgrund der Regelungen in der Genehmigung sichergestellt erscheint, sodass sich der Schutz der Nachbarschaft gegebenenfalls auch mittels Verwaltungszwangs durchsetzen lässt. Individuelle immissionsrelevante Nebenbestimmungen führen nur dann zu einer tatsächlichen Konfliktbewältigung, wenn sie auf effektive Umsetzung angelegt sind, sodass mit ihrer Beachtung gerechnet werden kann. (vgl. OVG NRW, B.v. 3.11.2015 – 4 B 652/15 -, juris Rn. 29 f., 35 f., 50 f.).
Wenn die von der Behörde anzustellende Prognose ergibt, dass sich zu bestimmten Stunden auch bei pflichtgemäßen Verhalten des Betriebsinhabers und individuellen immissionsrelevanten Nebenbestimmungen der gesetzlich gebotene Nachbarschutz voraussichtlich nicht gewährleisten lässt, ist eine volle Betriebszeit mit den in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG geschützten Belangen nicht vereinbar und es muss die Betriebszeit einer Gaststätte verkürzt werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.11.2012 – 22 ZB 12.34 – juris Rn. 9).
Gemessen an diesen Maßstäben spricht nach Aktenlage und der allein möglichen und erforderlichen summarischen Prüfung im Eilrechtsschutz vieles dafür, dass die Antragstellerin zu Unrecht eine unzureichende Tatsachengrundlage der Prognose der Antragsgegnerin und eine daran anknüpfende unzulängliche Konfliktbewältigung beanstandet. Eine Verletzung subjektiver Rechte der Antragstellerin durch den streitgegenständlichen Bescheid scheint nach Aktenlage wohl nicht in Betracht zu kommen.
Wie sich aus dem Vorbringen der Antragstellerin und der Aktenlage ergibt, wurde bereits vor Erlass der gaststättenrechtlichen Erlaubnisse zumindest im vorderen Teil der Räumlichkeiten der streitgegenständlichen Betriebsstätte eine als Cocktailbar firmierende Gaststätte, vermutlich auch von den Beigeladenen, betrieben. Auf Grundlage der Baugenehmigung vom 2. Mai 2017 und der gaststättenrechtlichen Genehmigung vom 17. Mai 2017 wurde die damalige Cocktailbar dann um einen Raum erweitert.
Die Antragstellerin wandte sich wohl erstmals mit Schreiben vom 31. August 2016 an die Antragsgegnerin und wies darauf hin, dass ihrer Ansicht nach in der als Schankwirtschaft genehmigten Gaststätte – Cocktailbar – auf dem Nachbargrundstück ein diskoähnliches Musiklokal betrieben werde (Anlage K1). Mit Schreiben vom 30. November 2016 schilderte die Antragstellerin, dass auf dem Nachbargrundstück eine illegale Diskothek betrieben und bis morgens um 5:00 Uhr Musik gespielt werde (Anlage K2). Eine andere Anwohnerin teilte mit Schreiben vom 28. Januar 2017 mit, dass aus ihrer Sicht erhebliche Lärmbelästigungen von einem Diskothekenbetrieb von der Gaststätte ausgehen würden, die sich in einem Teil der Räumlichkeiten der nunmehr streitgegenständlichen Gaststätte befinde (Anlage K4).
Die von der Antragstellerin vorgelegten Ausdrucke aus dem sozialen Netzwerk „facebook“ und andere Dokumente zeigen, dass bereits vor Erteilung der streitgegenständlichen gaststättenrechtlichen Erlaubnisse vom 17. Mai 2017 in der zuvor bestehenden Gaststätte teilweise wohl lautere Musik gespielt wurde. Nach dem Anlagenkonvolut K5 soll jeden Samstag ein „Live-DJ Mix“ und „deine Party am Samstag“ stattgefunden haben. Auf einem Flyer mit dem Datum 7. Januar 2017 findet sich der Aufdruck: „jeden ersten Samstag Clubnight, Clubdeko – Nebel – Lichteffekte – Discofeeling“. Ein ähnlicher Flyer datiert vom 4. Februar 2017. Laut Ankündigungen für den 4. März 2017 und den 1. April 2017 – wohl aus dem sozialen Netzwerk „facebook“ – sei jeden ersten Samstag im Monat eine Eskalation garantiert. Es gebe eine extra Lightshow, Nebel und eine fette Soundanlage, alles was man für ein echtes Disco- & Clubfeeling so brauche. Jedoch erscheint es nach Aktenlage durchaus möglich, dass die damaligen Gastwirte – wohl die in den hiesigen Verfahren Beigeladenen – von der Antragsgegnerin eine Genehmigung erhalten hatten, außerhalb des üblichen Betriebs einer Schankwirtschaft mit Hintergrundmusik ausnahmsweise lautere Musik abzuspielen. Dies legt zumindest das als Anlage K3 vorgelegte Schreiben nahe. Nach der Rechtsprechung ist es grundsätzlich möglich, dass in einer Speise- und Schankwirtschaft an einigen wenigen Tagen im Jahr ein diskothekenähnlicher Betrieb stattfindet (vgl. VG Cottbus, B.v. 13.3.2008 – 1 L 312/06 – juris Rn. 18 ff.). Ob und auf welcher Rechtsgrundlage ein diskothekenähnlicher Betrieb in der Vorgängergaststätte stattfand, lässt sich nach Aktenlage nicht aufklären.
Nach den vorgelegten Behördenakten lagen der Antragsgegnerin vor Erlass der streitgegenständlichen Bescheide am 17. Mai 2017 wohl keine Beschwerden oder Erkenntnisse über die Nachbarschaft beeinträchtigende Lärmimmissionen vor, die von der Gaststätte ausgingen, die zuvor in einem Teil der Räumlichkeiten der jetzt streitgegenständlichen Gaststätte betrieben wurde. Anderes lässt nur die Stellungnahme des Landratsamts Neuburg-Schrobenhausen vom 24. März 2017 vermuten, die ausführt, dass der Antragsgegnerin offizielle Lärmbeschwerden vorlägen – welche das wären, bleibt in diesem Schreiben jedoch offen.
Es fehlt in den Behördenakten an Beschwerden, Polizeiberichten oder ähnlichem, die sich auf die von der Antragstellerin vorgelegten Beweismittel beziehen, die schädliche Umwelteinwirkungen durch einen angeblichen Diskothekenbetrieb der Beigeladenen etwa jeden ersten Samstag im Monat vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids nachweisen sollen. Auch legt die Antragstellerin selbst weder ein Lärmgutachten noch von ihr erstattete Anzeigen bei der Polizei vor, die eine etwaige Lärmbelästigung stichhaltig belegen könnten. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin weist daraufhin, dass im Jahr 2016 gegen einen der Beigeladenen ein Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen unzulässigen Lärms bei Betrieb einer Gaststätte geführt worden sei. Aktenkundig ist ein solches jedoch nicht. Gegen einen der Beigeladenen wurde nach Aktenlage ein Bußgeld verhängt, weil er eine Gaststätte ohne die entsprechende gaststättenrechtliche Erlaubnis betrieben habe. Dieser Umstand belegt jedoch keine zu hohe Lautstärke einer Vorgängergaststätte.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass nach den vorgelegten Akten und auch nach dem Vortrag der Antragstellerin keine greifbaren, substantiierten behördlichen und polizeilichen Feststellungen und Bewertungen oder gar eine Lärmmessung vorhanden ist, aus der sich unzumutbare und schädliche Lärmeinwirkung auf die Nachbarschaft ergeben könnte, die von dem ebenfalls als Cocktailbar firmierenden Vorgängerbetrieb der nunmehr genehmigten streitgegenständlichen Schankwirtschaft ausgingen.
Nach alledem ist wohl entgegen der Rechtsansicht der Antragstellerin auszuschließen, dass die Antragsgegnerin keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, um ihre prognostische Einschätzung zu rechtfertigen, dass der Gaststättenbetrieb der Beigeladenen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu Lasten der Antragstellerin nicht befürchten lässt. Wie bereits ausgeführt, vermitteln lediglich §§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG subjektive Rechte, auf die sich die Antragstellerin möglicherweise berufen könnte. Daher kann sich die Antragstellerin nicht allein darauf berufen, dass in den Räumlichkeiten der streitgegenständlichen Gaststätte bereits vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheides die Cocktailbar der Beigeladenen möglicherweise unerlaubterweise als Vergnügungsstätte – Diskothek – betrieben wurde und dies von der Antragsgegnerin nicht prognostisch gewürdigt wurde. Die Betriebsart einer Gaststätte allein vermittelt keinen Drittschutz. Sollten die Beigeladenen tatsächlich eine Vergnügungsstätte betreiben, könnte dies eine Unzuverlässigkeit der Beigeladenen begründen, die die Antragsgegnerin – ohne dass die Antragstellerin mangels diesbezüglichem subjektivem Recht darauf einen Anspruch hätte – in letzter Konsequenz zum Anlass des Widerrufs der gaststättenrechtlichen Erlaubnisse der Beigeladenen nehmen könnte.
Ferner ist der vorliegende Sachverhalt offensichtlich nicht mit den Sachverhalten vergleichbar, die den Entscheidungen zu Grunde lagen, die der Bevollmächtigte der Antragstellerin zu Begründung seiner Rechtsansicht anführt. Aus den vom Bevollmächtigten zitierten Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW, B.v. 22.12.2015 – 4 A 1852/14 – juris Rn. 13) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B.v. 16.11.2012 – 22 ZB 12.34 – juris Rn. 10) geht jeweils hervor, dass die jeweiligen Gäste der (Vorgänger-)Gaststätten für die Nachbarschaft unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen hervorgerufen haben, indem es zu lautstarkem An- und Abfahrverkehr sowie lauteren Unterhaltungen der rauchenden Gäste vor der Gaststätte gekommen sei. Insofern fehlt es hier komplett an einem substantiierten Vortrag seitens des Bevollmächtigten der Antragstellerin. Lediglich auf Seite 14 der Klagebegründung wird rein hypothetisch angerissen, dass etwa auch vor dem Lokal rauchende Gäste von der Antragsgegnerin im Rahmen der aufzustellenden Prognose nicht beachtet worden wären. Es findet sich in den gesamten Behördenakten und auch im Vortrag des Bevollmächtigten der Antragstellerin kein substantiierter Hinweis darauf, dass überhaupt Gäste vor der Gaststätte rauch(t) en und sich dabei lautstark unterhalten bzw. unterhielten oder es zu nennenswertem An- und Abfahrverkehr kommt bzw. kam, den die Antragsgegnerin prognostisch hätte berücksichtigen können. Nach der vom Bevollmächtigten der Antragstellerin zitierten Rechtsprechung wäre zudem noch erforderlich, dass diese Gäste trotz Einwirkungsversuchen der Gastwirte der bereits vor dem 15. Mai 2017 betriebenen Cocktailbar weiterhin lautstark Gespräche vor der Gaststätte geführt hätten. Auch hierzu sind keine Erkenntnisse aktenkundig.
Vielmehr ist nach Aktenlage davon auszugehen, dass der Konflikt zwischen der Gaststätte der Beigeladenen und der in einem Mischgebiet liegenden Wohnbebauung in deren Nachbarschaft gaststättenrechtlich ausreichend bewältigt wurde. Welche Anforderungen an die gebotene drittschützende gaststättenrechtliche Bewältigung des Konfliktes zwischen dem Gewerbebetrieb und dem Ruhebedürfnis der Nachbarschaft zu stellen sind, hängt entscheidend von der Art der in Rede stehenden störenden Geräusche ab. Dem umfangreichen Vortrag des Bevollmächtigen der Antragstellerin ist (allein) zu entnehmen, dass wohl laute Musik, die im Inneren der Gaststätte im Rahmen eines diskoähnlichen Betriebs durch Diskjockeys abgespielt werde, zu schädlichen Umwelteinwirkungen in der Wohnung der Antragstellerin führe. Die Antragsgegnerin hat in ihrem Bescheid zahlreiche Auflagen nach den §§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG aufgenommen, die die Antragstellerin vor diesen und auch anderen schädlichen Umwelteinwirkungen effektiv schützen. Die in Auflage Nr. 3.1 aufgenommenen Immissionsrichtwerte entsprechen den Grenzwerten, die für ein (faktisches) Mischgebiet absolut üblich sind. Nach der Auflage Nr. 3.2 darf in der Gaststätte lediglich Hintergrundmusik gespielt werden, die auch leises Sprechen nicht übertönt. Auch die Auflage Nr. 3.3, dass nach 22:00 Uhr ins Freie führende Türen und Fenster geschlossen zu halten sind, dienen dem Schutz der Antragstellerin. Gleiches gilt für die Auflage 3.4, die Beigeladenen sollen darauf hinwirken, dass Gäste sich nach 22:00 Uhr bei Verlassen des Lokals ruhig zu verhalten haben, dies dient dem Nachbarschutz. Daneben ist auch die Auflage 3.12 dem Nachbarschutz dienlich, da in der Zeit von 22:00 bis 6:00 Uhr keine lärmintensiven Arbeiten im Freien vorgenommen werden dürfen. Diese Auflagen, die der Gewährleistung des gesetzlichen Nachbarschutzes gemäß den §§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG dienen, stellen aus Sicht des Gerichts den Nachbarschutz der Antragstellerin ausreichend sicher. Die Grenze zumutbarer bzw. zulässiger Belastung für Nachbarn lässt sich aus ihnen ohne weiteres bestimmen und die Einhaltung dieser Grenze erscheint aufgrund der Auflagen in den gaststättenrechtlichen Genehmigungen sichergestellt, sodass sich der Schutz der Nachbarschaft gegebenenfalls auch mittels Verwaltungszwangs durchsetzen lässt. Anders als der Bevollmächtigte der Antragstellerin meint, hat die Antragsgegnerin nicht nur den maßgeblichen Immissionsrichtwert als Grenzwert in den gaststättenrechtlichen Genehmigungen festgelegt, sondern auch weitere Auflagen erlassen, die dem Schutz der Nachbarn dienen. Sofern sich der Bevollmächtigte der Antragstellerin in diesem Zusammenhang auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW, B.v. 3.11.2015 – 4 B 652/15 – juris Rn. 32 ff.) beruft, ist diese nicht einschlägig, da es dort um den Nachbarschutz im Rahmen einer Außengastronomie ging, für die besondere Maßstäbe gelten. Eine Außengastronomie ist hier jedoch nicht vorgesehen, alle Räumlichkeiten der Schankwirtschaft befinden sich im Inneren eines Gebäudes.
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin stützt seinen Antrag ferner maßgeblich auf eine im baurechtlichen Verfahren abgegebene Stellungnahme des Landratsamts Neuburg-Schrobenhausen, Immissionsschutz, aus der sich ergibt, dass ein Betrieb der Schankwirtschaft nach 22:00 Uhr nicht genehmigungsfähig sei. Daraus kann aus mehreren Gründen jedoch keine Verletzung drittschützender Normen des GastG hergeleitet werden.
Der Stellungnahme des Landratsamts ist zunächst kein Grund zu entnehmen, wieso die Gaststätte nicht nach 22:00 Uhr betrieben werden darf. Bei der Beurteilung des Immissionsschutzes waren noch nicht einmal die baulichen Ausführungen zwischen dem Gebäude, in dem sich die Gaststätte befindet, und dem Nachbargebäude bekannt, das wohl von der Antragstellerin bewohnt wird. Erst recht lag der Stellungnahme keine Messung von Beurteilungspegeln innerhalb von Gebäuden oder bei der Körperschallübertragung zu Grunde. Wie das Landratsamt zu dem Ergebnis kommt, dass ein Betrieb der Schankwirtschaft nach 22:00 nicht genehmigungsfähig sei, ist nach Aktenlage nicht erkennbar. Daher ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, wieso in einem (faktischen) Mischgebiet der Betrieb einer Schankwirtschaft, in der lediglich Hintergrundmusik abgespielt werden darf, nach 22:00 Uhr ohne nähere Begründung nicht möglich sein sollte. Ein Mischgebiet nach § 6 Abs. 1 BauNVO ist von einem nebeneinander von Wohnen und Gewerbebetrieben sowie Speise- und Schankwirtschaften geprägt, die – bei rechtskonformer Betriebsführung – das Wohnen nicht wesentlich stören. Darüber hinaus entfaltet diese Stellungnahme, die im Rahmen der Erteilung der Baugenehmigung abgegeben wurde, keine rechtliche Bindung. Eine Abweichung von der immissionsschutzfachliche Stellungnahme wäre nur begründungsbedürftig, wenn sie substantiierte und überzeugende Ausführungen enthielte (vgl. etwa BayVGH, B.v. 12.10.2017 – 22 CS 17.1664 – juris Rn. 37 ff.), was hier jedoch nicht der Fall ist. Aus Sicht des Gerichts konnte die Antragsgegnerin die Stellungnahme des Landratsamts daher im Rahmen der bei Erteilung der gaststättenrechtlichen Erlaubnisse anzustellenden Prognose unbeachtet lassen, da die immissionsschutzfachliche Stellungnahme keinen Bezug zum konkreten Sachverhalt aufweist. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass sich nach Ermittlungen des Gerichts in unmittelbarer Nähe zur streitgegenständlichen Gaststätte und zum Anwesen der Antragstellerin weitere Gaststätten befinden, die offensichtlich ebenfalls nicht um 22:00 Uhr schließen. Zu nennen wäre etwa die Gaststätte „Elisenlounge – Cafe – Cocktailbar – Restaurant“, die freitags und samstags bis 3:00 Uhr nachts geöffnet hat, die Gaststätte „Sonderbar“, die freitags und samstags bis 4:00 Uhr geöffnet hat, die Gaststätte „Da Angelo’s Pizza“, die freitags und samstags bis 23:45 Uhr geöffnet hat, die Gaststätte „Pizzbar Toniz“, die samstags bis 2:00 Uhr geöffnet hat oder die Gaststätte „Huba Neuburg – Tex Mex – Burger – Cocktails“, die freitags und samstags bis 2:00 Uhr geöffnet hat. Die letztgenannte Gaststätte grenzt sogar direkt an die streitgegenständliche Gaststätte und das Grundstück der Antragstellerin an und betreibt – soweit das Gericht das ermitteln konnte – zumindest in den Sommermonaten auch einen Biergarten, also eine Außengastronomie.
Auch die in den Bescheiden verfügte Festlegung der Betriebsendzeit der Gaststätte auf 5:00 Uhr (innerhalb der Gaststättenräume), die vom Bevollmächtigten der Antragstellerin maßgeblich angegriffen wird, erscheint nach der im Eilverfahren allein möglichensummarischen Prüfung als rechtmäßig, weil die in der Nachbarschaft zum Gaststättenbetrieb wohnende Antragstellerin nach Aktenlage offenbar keinen Nachteilen ausgesetzt ist, welche ihr nicht zuzumuten wären. Das Gericht weist dabei darauf hin, dass der Gesetzgeber durch Aufgabe der früheren Sperrzeitenregelung nach § 8 Abs. 1 der Gaststättenverordnung (Verordnung zur Ausführung des Gaststättengesetzes vom 22.7.1986, GVBl S. 295, zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.12.2004, GVBl S. 539) die Sperrzeit mittlerweile auf die so genannte „Putzstunde“ von 5.00 Uhr bis 6.00 Uhr reduziert hat und damit eine grundsätzliche Entscheidung dahingehend getroffen hat, die Gaststättenbetreiber nicht über Gebühr zu beschränken. Dieser gesetzgeberischen Wertung entspricht nach Ansicht des Gerichts eine bis 5:00 Uhr geltende Öffnungszeit der streitgegenständlichen Gaststätte. Bei einer solchen Öffnungszeit ist angesichts der baulichen Situation rund um das Grundstück der Antragstellerin auch durch diese Betriebszeiten keine von der Gaststätte ausgehende unzumutbare Beeinträchtigung der Antragstellerin anzunehmen: Sowohl die streitgegenständliche Gaststätte als auch das von der Antragstellerin bewohnte Nachbargrundstück liegen offensichtlich an einem zentralen Verkehrsknoten der Stadt Neuburg an der Donau. Nach Recherchen des Gerichts treffen der Elisen Platz bzw. die Straße am Schlagbrückchen dort auf die Oskar Wittmann Straße und die Luitpold Straße, zudem zweigt noch die Straße Am Schrannen Straße ab. Weiterhin grenzt an den Elisen Platz die Elisenbrücke an, die über die Donau führt und die zudem die einzige Brücke über die Donau in Neuburg an der Donau ist. Ferner befinden sich in der Nähe der streitgegenständlichen Gaststätte noch andere Gaststätten, die – wie bereits aufgezeigt – ebenfalls lange Öffnungszeiten haben. Daher ist davon auszugehen, dass das Grundstück der Antragstellerin unabhängig von der streitgegenständlichen Gaststätte und deren Gästen und möglicherweise von ihnen ausgehenden Lärmemissionen beim Kommen und Gehen bereits möglichen Störungen der Nachtruhe durch ein allgemein vorhandenes und auch nachts erhöhtes Verkehrsaufkommen ausgesetzt ist. Diese Recherchen des Gerichts decken sich zudem mit dem Vortrag der Antragsgegnerin im Verfahren M 9 K 17.2382.
Nach alledem spricht vieles dafür, dass die streitgegenständlichen Bescheide rechtmäßig sind und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzen. Selbst für den Fall, dass zu Gunsten der Antragstellerin von offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache ausgegangen werden würde, würde eine reine Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin ausgehen. Zwar spricht zu Gunsten des Antragstellerin, dass nach der Vorschrift des § 80 Abs. 1 VwGO auch eine Drittanfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung entfaltet und somit entsprechend dem in Art. 19 Abs. 4 GG verankerten Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes vor einer Entscheidung in der Hauptsache der Vollzug einer belastenden hoheitlichen Maßnahme zu unterbleiben hat. Vorliegend aber ist es im überwiegenden öffentlichen Interesse und im Interesse der Beigeladenen geboten, diesen Grundsatz zu durchbrechen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klagen der Antragstellerin gegen die gaststättenrechtlichen Erlaubnisse, mit denen den Beigeladenen faktisch die aktuell ausgeübte gewerbliche Betätigung untersagt wird, ist in seiner das Grundrecht der Berufswahl, Art. 12 Abs. 1 GG, beschränkenden Intensität einem vorübergehenden Berufsverbot vergleichbar, zumindest bis es zu einer (rechtskräftigen) Entscheidung in der Hauptsache gekommen ist. Der Antragstellerin ist zunächst weiterhin der Betrieb der streitgegenständlichen Gaststätte zuzumuten. Nach Aktenlage und auch nach dem Vortrag der Antragstellerin sind keine substantiiert vorgetragenen und greifbaren schädlichen Umwelteinwirkungen durch die streitgegenständliche Gaststätte erkennbar. Eine derartige Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit, die die Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigen würde, ist daher nach Aktenlage nicht nachgewiesen. Rein subjektive Eindrücke der Antragstellerin, dass die streitgegenständliche Gaststätte bzw. deren Vorgängerbetrieb „zu laut“ (gewesen) sei, sind nicht justiziabel. Zudem ist nach den Recherchen des Gerichts rund um das Anwesen der Antragstellerin wegen der zahlreichen weiteren Gaststätten und der Verkehrswegesituation von einem erhöhten Verkehrsaufkommen durch Fahrzeuge oder durch Gäste der anderen Gaststätten, die sich zu Fuß auf den Weg nach Hause machen, nachts – unabhängig von der Gaststätte der Beigeladenen – von einem erhöhten Lärmpegel auszugehen. Besonders zu beachten ist zudem, dass die Antragsgegnerin zahlreiche Auflagen in die streitgegenständlichen Bescheide aufgenommen hat, die dem Schutz der Antragstellerin dienen und zudem mittels Verwaltungszwang durchgesetzt werden können.
Sollten die Beigeladenen die Auflagen in den streitgegenständlichen Bescheiden in der Zukunft missachten, die zum Schutz der Nachbarschaft aufgenommen wurden und die nach Ansicht des Gerichts nach Aktenlage den Schutz der Nachbarschaft vor unzumutbaren Lärmbeeinträchtigen ausreichend sicherstellen, führt dies nicht zu einer Rechtswidrigkeit der streitgegenständliche Bescheide. Vielmehr ist die Antragsgegnerin aufgrund der Gesetzesbindung der Verwaltung dann darauf verwiesen, mittels des Verwaltungszwangs die Einhaltung der Auflagen – etwa das bloße Abspielen von Hintergrundmusik – sicherzustellen. Sollten die Beigeladenen etwa dann weiterhin lautere Musik als Hintergrundmusik spielen, so ist Antragsgegnerin gehalten, zunächst weitere Auflagen zu erlassen. In Betracht käme insofern etwa der Einbau eines sogenannten Limiters / Pegelbegrenzers in die Musikanlage der streitgegenständlichen Gaststätte.
Aus den vorgenannten Gründen ist auch der Hilfsantrag abzulehnen, mittels dessen der Bevollmächtige der Antragstellerin erreichen wollte, dass die streitgegenständliche Gaststätte einstweilen nach 22:00 Uhr nicht betrieben werden darf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, Abs. 3 und § 162 Abs. 3 VwGO. Dementsprechend waren die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil die Beigeladenen einen eigenen Antrag gestellt haben und damit ein eigenes Kostenrisiko eingegangen sind. Bei den Beigeladenen dürften keine außergerichtlichen Kosten entstanden sein.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Dabei war in den zwei verbundenen Verfahren jeweils die Hälfte des Wertes der Hauptsache anzusetzen (vgl. Nr. 1.5 und Nr. 54.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013). Der Hilfsantrag erhöht den Streitwert jeweils nicht, da er denselben Gegenstand wie der Hauptantrag betrifft. Daher ist nur der Wert des Hauptantrags maßgebend, § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG.


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