Verwaltungsrecht

Sperrzeitverlängerung einer Diskothek

Aktenzeichen  Au 5 K 19.2020

Datum:
13.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 19003
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GastG § 18 Abs. 1 S. 2, § 20 Nr. 2
VwGO § 80 Abs. 5
GewO § 34a
VwZVG Art. 20 Nr. 1, 30 Abs. 1 S. 1, 36 Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 22. Oktober 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Voraussetzungen für die in Ziffer 1 des Bescheids vom 22. Oktober 2019 ge 25 regelte Sperrzeitverlängerung von 3:00 Uhr bis 6.00 Uhr ab dem fünften Tag nach Bekanntgabe nach § 18 Abs. 1 Satz 2 GastG i.V.m. § 8 Abs. 2 und Abs. 1 BayGastV liegen vor. Maßgeblich für die Sperrzeitverlängerung als Dauerverwaltungsakt (Kopp/Schenke, VwGO, Aufl. 20. § 113 Rn. 43) ist hierbei der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung.
a) Die Sperrzeitverlängerung ist formell rechtmäßig, da die Beklagte sie als nach § 8 Abs. 2 BayGastV, Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG zuständige Behörde erlassen hat. Zuvor war der Kläger mit Schreiben vom 31. Juli 2019 ordnungsgemäß angehört worden (Art. 29 Abs. 1 BayVwVfG) und hatte die Äußerungsmöglichkeit auch wahrgenommen.
b) Die Sperrzeitverlängerung ist auch materiell rechtmäßig, da sie von der Beklagten in ermessensfehlerfreier Weise aufgrund der im „*“ gegebenen besonderen örtlichen Verhältnisse im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 2 GastG i.V.m. § 8 Abs. 2 und Abs. 1 BayGastV angeordnet wurde.
aa) Grundsätzlich dient die im Gaststättengesetz als einheitlich festgesetzte Sperr zeit dem Interesse der Volksgesundheit, der Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs und dem Arbeitsschutz (BT-Drs.05/205, S.17). Eine Verlängerung oder auch Verkürzung der Sperrzeit kann bei entsprechendem öffentlichen Bedürfnis oder besonderen örtlichen Verhältnissen in Betracht kommen, vgl. § 18 Abs. 1 Satz 2 GastG i.V.m. § 8 Abs. 2 und Abs. 1 BayGastV.
Besondere örtliche Verhältnisse liegen vor, wenn sich die Verhältnisse im örtlichen Bereich so von den Verhältnissen anderer örtlicher Bereiche unterscheiden, dass deswegen eine Abweichung von der allgemeinen Sperrzeit gerechtfertigt erscheint (BayVGH, Urt. vom 25.1.2010 – 22 N 09.1193 – juris Rn.28). Sie sind insbesondere dann gegeben, wenn hinreichende Gründe vorliegen, die ein Abweichen von der Regel im Interesse der Allgemeinheit rechtfertigen (VG München, B.v. 2.12.2015 – M 16 S 15.5057 – juris Rn. 18). Ein öffentliches Bedürfnis oder besondere örtliche Verhältnisse kommen nicht nur unter dem Gesichtspunkt des Schutzes vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes in Betracht; vielmehr dienen die Sperrzeitvorschriften auch dem Schutz vor sonstigen Sicherheitsbeeinträchtigungen. Dabei ist darauf abzustellen, ob Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass bei Beibehaltung der allgemeinen Sperrzeit die öffentliche Sicherheit und Ordnung infrage steht. Sicherheitsbeeinträchtigungen wie die Begehung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten haben für die Annahme besonderer örtlicher Verhältnisse besondere Bedeutung (BayVG, B.v. 24.05.2012 – 22 ZB 12.46 – juris Rn. 28; Weber in PdKB und, Gaststättengesetz, 3. Fassung 2018, K-2c).
– Die gaststättenrechtliche Erlaubnis für den Betrieb der Schankwirtschaft mit Betriebseigentümlichkeit Diskothek „*“ am aktuellen Standort wurde 29. Januar 2016 erteilt, seit dem 1. Oktober 2017 ist der Kläger alleiniger Betriebsinhaber. Seitdem haben sich im „*“ bis zum Erlass der mit Sofortvollzug versehenen Sperrzeitverlängerung mit Bescheid vom 22. Oktober 2019 zahlreiche Sicherheitsbeeinträchtigungen ereignet, die, zudem zahlenmäßig leicht überwiegend, zu Straftaten und Ordnungswidrigkeiten führten. Anderen Sicherheitsbeeinträchtigungen war (nur, aber dennoch) mit polizeilichen Gefahrenabwehrmaßnahmen zu begegnen. Im Einzelnen handelt es sich nach den durch die Beklagte vorgelegten polizeilichen Einzel-Aufstellungen betreffend die Zeiträume 01.01.2017 – 31.07.2018 (Bl. 36ff. der Verwaltungsakten), 15.07.2018 – 03.02.2019 (Bl. 74 ff. der Verwaltungsakten), 04.02.2019 – 29.07.2019 (Bl. 80 ff. der Verwaltungsakten) und 28.07.2019 – 17.12.2019 (Bl. 192 der Verwaltungsakten) um (ab dem 1. Oktober 2017) insgesamt 104 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Durchschnitt sind dies, bezogen auf 26 Monate, rund vier Vorfälle im Monat, was bedeutet, dass es im „*“ durchschnittlich an jedem Wochenende einen Vorfall gab, der zu einem polizeilichen Einsatz führte. Zwar ist dem Kläger zuzugestehen, dass die Anzahl der Vorfälle gegen Ende des herangezogenen Zeitraums, insbesondere im Jahr 2019, im Durchschnitt leicht abnahm, nämlich im Zeitraum ab 01.01.2019 – 17.12.2019 im monatlichen Durchschnitt auf 2,5 (29 Einsätze in 12 Monaten), was immer noch rund drei betroffenen Wochenenden entspricht. Hinzu kommt, dass es sich nach der Qualität der Sicherheitsbeeinträchtigungen bei der Mehrzahl um solche handelt, die Straftatbestände oder Ordnungswidrigkeiten (u.a. im Bereich der Körperverletzung, sexuellen Nötigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Eigentumsdelikte) verwirklichen. Hinzu kommt weiter, dass bei rund zwei Drittel der Sicherheitsbeeinträchtigungen die Geschädigten oder die Handelnden alkoholisiert waren und dabei, zumindest gelegentlich, auch deutlich erhöhte Atemalkoholkonzentrationen festzustellen waren. Damit liegen in der Gesamtbetrachtung der Umstände solche örtlichen Verhältnisse vor, die im Interesse der Allgemeinheit, nämlich zugunsten von Wahrung der körperlichen Integrität, Selbstbestimmung und Gesundheit, die bisherige Sperrzeitregelung in Frage stellen und insbesondere zugunsten der Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs ein Abweichen hiervon rechtfertigen. Auch wenn festzuhalten ist, dass nicht bei allen Einsätzen Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten realisiert wurden, liegen doch auch den anderen, eher gefahrenabwehrenden oder präventiven polizeilichen Einsätzen oftmals Lebenssachverhalte zugrunde, in denen sich Gäste des „*“ aufgrund des dortigen Besuchs in Umstände gebracht haben, die für ihre Sicherheit zumindest nicht förderlich, manchmal gar angesichts der Alkoholisierung sogar (gesundheits-) schädlich waren.
– Diese örtlichen Verhältnisse sind insoweit besondere i.S.d. § 18 Abs. 1 Satz 2 GastG i.V.m. § 8 Abs. 2 und Abs. 1 BayGastV, als sie sich von denen in anderen Diskotheken relevant unterscheiden. Nach dem durch die Beklagte vorgelegten polizeilichen Vergleich der Einsatzzahlen betreffend weiterer Diskotheken im Zuständigkeitsbereich der Beklagten (Bl. 96 ff. der Verwaltungsakten), dem „*“ und dem, „*“ ereigneten sich dort im monatlichen Durchschnitt signifikant weniger sicherheitsrelevante Vorfälle, nämlich unter 0,5 im „*“ und 1,3 im „*“. Diese grundsätzlich andere Dimension gilt auch unter Berücksichtigung des klägerischen Einwands, das „*“ habe ein anderes Veranstaltungsangebot und nur ca. acht bis zehn dem Angebot des „*“ vergleichbare Tanzveranstaltungen im Jahr bzw. das „*“ sei in den letzten drei Jahren über mehrere Monate hinweg nicht oder eher selten geöffnet gewesen. Denn ohne dass es auf eine exakte rechnerische Ermittlung polizeilicher Einsatzzahlen im Vergleich zu Öffnungstagen ankommt, ergibt sich aus dem vorgelegten Zahlenmaterial dennoch, dass im allgemeinen Durchschnitt rund einem sicherheitsrelevanten Vorfall pro Monat im „*“ oder „*“ rund drei – vier Vorfälle pro Monat im „*“ gegenüber stehen. Somit kann dahinstehen, ob es sich beim „*“, wie die Beklagte angenommen hat, bereits um einen sicherheitsrechtlichen „Brennpunkt“ im Sinne der von der Beklagten zitierten Rechtsprechung (BayVGH, B.v.9.3.2017 – 22 ZB 16.1872 – juris) handelt. 
– Es ist nicht zu beanstanden, dass die Feststellung der besonderen örtlichen Verhältnisse durch die Beklagte aufgrund der vorgelegten polizeilichen Dokumentationen erfolgte.
Eine Beurteilung sicherheitsrechtlicher Sachverhalte anhand von polizeilichen Feststellungen kann das Ergebnis einer nicht zu beanstandenden behördlichen oder richterlichen Beweiswürdigung sein. Ein Verwaltungsgericht kann sich auch ohne weitergehende Beweisaufnahme schon aufgrund einer Vielzahl polizeilicher Sachverhaltsschilderungen eine Überzeugung über das Vorliegen sicherheitsrechtlicher Tatbestände bilden (BayVGH, Beschluss vom 22.08.2013 – 22 CS 13.1530 – juris Rn. 21). Solche Sachverhaltsschilderungen liegen zur Überzeugung des Gerichts in ausreichender Qualität vor. Neben dem Aktenzeichen werden Tatzeit, ggf. Delikt, Alkoholbezug und eine kurze Sachverhaltsschilderung aufgelistet, so dass die Vorfälle und ihre sicherheitsrechtliche Relevanz aus sich selbst heraus verständlich sind. Die polizeilichen Dokumentationen sind daher geeignet, Behörde und auch Gericht zu befähigen, sich auf dieser Grundlage selbst den nötigen Eindruck über die sicherheitsrechtliche Situation im „*“ bzw. im „*“ und im „*“ zu verschaffen. Aufgrund der Sachverhaltsschilderung kann der Bezug zum jeweiligen Gaststättenbetrieb hergestellt werden, sowohl was die räumliche Zuordnung zum Betrieb als auch die Gästeeigenschaft des Opfers/Handelnden betrifft. Inhaltlich ergibt sich, dass hinsichtlich des „*“ fast alle aufgeführten polizeilichen Einsätze räumlich entweder im „*“, in dessen Eingangsbereich oder unmittelbar vor dem „*“, dann regelmäßig mit Bezug zu dessen Security-Mitarbeitenden, stattfanden. Der klägerische Einwand, die Gaststätte würde aufgrund der räumlichen Situierung an einem großen Parkplatz, der nicht zur Gaststätte gehöre, mit Vorfällen auf dem Parkplatz in Verbindung gebracht, die ihr nicht zuzuordnen seien, greift damit nicht durch. Gleiches gilt für die Eigenschaft der Opfer/Handelnden als (anwesende, Einlass begehrende oder den Betrieb verlassen habende) Gäste der Gaststätte. Auf den jeweiligen Ausgang der einzelnen eingeleiteten Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenverfahren kommt es dabei nicht entscheidend an.
– Die dokumentierten Vorfälle mit Sicherheitsrelevanz sind der Gaststätte „*“ auch zuzurechnen, unabhängig von einer Verschuldensfrage des Betriebsinhabers.
Im Sicherheitsrecht, zu dem auch das Gaststättenrecht gehört, ist die Verantwortlichkeit nach Gesichtspunkten der Zurechenbarkeit, der Verursachung und des erkennbaren Bezugs zum Betrieb zu bestimmen. „Besondere örtliche Verhältnisse“ können je nach den konkreten Gegebenheiten allein im Hinblick auf die Folgen des Gaststättenbetriebes bejaht werden, auch wenn der Gaststättenbetrieb die ihm möglichen Sicherheitsmaßnahmen betreibt (BayVGH, B.v.24.5.2012 – 22 ZB 12.46 – juris Rn.30). Der Bezug zwischen einem Gaststättenbetrieb und Gefahren und Beeinträchtigungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (z.B. in Gestalt von Körperverletzungen und Beleidigungen) geht nicht dadurch verloren, dass alkoholisierte und aggressive Gäste in den Nacht- und Morgenstunden eine Prügelei z.B. erst dann anfangen, nachdem sie die Gaststätte verlassen haben und vor die Tür getreten sind. Ein solcher Zusammenhang kann überdies auch dann bejaht werden, wenn Gaststättenbesucher aus anderen, bereits geschlossenen Lokalen kommen und die von der Gaststätte angebotene Gelegenheit zum „Weiterfeiern“ nutzen möchten, aber bereits vor dem Betreten der streitgegenständlichen Gaststätte in Streit geraten (mit den einschlägigen Folgen wie etwa Körperverletzungen, Beleidigungen, Lärmbeeinträchtigungen) (BayVGH, B.v. 13.01.2016 – 22 CS 15.2643 – juris Rn. 13).
Wie gerade ausgeführt, ergibt sich aus den polizeilichen Dokumentationen in überzeugender Weise die Zuordnung der sicherheitsrechtlichen Vorfälle zum Gaststättenbetrieb des „*“ und oftmals auch zum Alkoholisierungsgrad der Gäste. Entsprechend können die Einwände des Klägers nicht überzeugen, seine Diskothek werde auch von Gästen, die anderweitig bereits Alkohol getrunken hätten, zum Weiterfeiern genutzt, ohne dass er auf deren Alkoholisierungsgrad Einfluss (gehabt) hätte. Es ist Sache des Gastwirts, durch geeignete Maßnahmen die sicherheitsrechtliche Situation seines Betriebs im Allgemeinen und den Alkoholausschank im Besonderen so zu gestalten, dass es zu keinen oder nur möglichst geringen Sicherheitsbeeinträchtigungen kommt. Denn der Gastwirt setzt mit dem Betrieb der Gaststätte hierfür die grundsätzliche Ursache.
Dem steht vorliegend nicht entgegen, dass der Kläger seit der alleinigen Betriebsübernahme im Oktober 2017 und seitdem fortlaufend erhebliche Bemühungen unternommen hat, die sicherheitsrechtliche Situation zu verbessern. So hat er nach eigenem Vortrag stufenweise nahezu das gesamte SecurityPersonal ausgetauscht und schult dieses intern im Umgang mit erkennbar alkoholisierten Gästen. Eine Sachkundeausbildung nach § 34a GewO werde angestrebt. Erkennbar alkoholisierten Personen werde der Zugang zum „*“ verweigert. An erkennbar alkoholisierte Personen werde kein Alkohol ausgeschenkt. Einlass werde nur volljährigen Personen, auf Nachweis ausschließlich mittels Personalausweis oder Führerschein, gewährt. Ein Wiedereinlass nach Verlassen des „*“ werde verhindert. Wenn diese lobenswerten Anstrengungen auch bereits einige Erfolge aufweisen, die seitens der Beklagten zu berücksichtigen sind, ist dennoch noch kein Zustand erreicht, dass sich die sicherheitsrechtliche Situation in und im Zusammenhang mit dem „*“ so gestaltet, dass die Anzahl der Vorkommnisse weiter abgenommen hat bzw. sich auf niedrigem Niveau stabilisiert hat oder die Vorkommnisse der Art nach zumindest dergestalt sind, dass der Kläger sie grundsätzlich mittels (eigenem, geeigneten) SecurityPersonals bewältigen kann. Wenn es für die Ursächlichkeit des Betriebs für die Sicherheitsstörungen auch nicht darauf ankommt, ob den Geschäftsführer hieran ein Verschulden trifft oder ob er durch seine Art der Betriebsführung dem Alkoholmissbrauch Vorschub geleistet hat oder nicht (VG München, B.v. 2.12.2015 – M 16 S 15.5057 – juris Rn. 23; BayVGH, B.v. 24.05.2012 – 22 ZB 12. 46 – Rn. 30), so hat er dennoch die maßgebliche Steuerungsverantwortung und -möglichkeit, die es ihm erlaubt, durch geeignete Maßnahmen, wie sie auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, im Rahmen eines der Beklagten vorzulegenden Konzepts seine Gaststätte so auszurichten, dass dort keine besonderen örtlichen Verhältnisse mehr gegeben sind. Aktuell war nicht zu beanstanden, dass die Beklagte von solchen (noch) ausgeht, da sie im Hinblick auf die Folgen des Gaststättenbetriebs unter den konkreten Gegebenheiten anzunehmen sind, obwohl der Gaststättenbetreiber schon mögliche und zumutbare Sicherheitsmaßnahmen ergriffen hat (BayVGH, Beschluss vom 24.05.2012-22 ZB 12. 46- Rn. 30).
– Die Sperrzeitverlängerung führt vorliegend nicht dazu, dass für den „*“ das sei ne Betriebsart als Diskothek prägende Merkmal fortfällt (BayVGH, B. v.24.5.2012 – 22 ZB 12.46 – juris Rn. 37). Diese Betriebsart ist mit einer Schließung der Gaststätte um 3:00 Uhr jedenfalls weiterhin möglich (vgl. zu Öffnungszeit bis 2:00 Uhr: OVG Saarlouis, U.v.29.8.2006 – 1 R 21/06 – juris Rn. 93 38
bb) Die behördliche Ermessensentscheidung der Beklagten ist nicht zu beanstanden.
Die Beklagte hat das ihr eingeräumte Ermessen erkannt und pflichtgemäß ausgeübt, indem sie die in das Ermessen einzustellen Belange zu Gunsten wie zu Lasten des Klägers benannt und gegeneinander in ermessensfehlerfreier Weise abgewogen hat. Insbesondere bestehen zur Überzeugung des Gerichts bei der getroffenen Regelung keine Anhaltspunkte für Ermessensausfall oder Ermessensfehleinschätzung, die der Kläger rügt, wenn er vorträgt, die Beklagte habe quasi auf Anordnung der örtlichen Polizei gehandelt und die Umsatzeinbußen und den Verlust von Stammkunden beim Kläger nicht ausreichend gewichtet. Gerade die finanziellen Auswirkungen sind ausdrücklich bei den im Bescheid dargestellten Ermessenserwägungen ausgeführt.
cc) Die Sperrzeitverlängerung wahrt auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Sie ist geeignet, die sicherheitsrechtlichen Verhältnisse der Gaststätte positiv zu beeinflussen, da bei kürzerem Verbleib der Gäste weniger Gelegenheit zu Vorfällen allgemein und insbesondere auch weniger Zeit zum Alkoholkonsum gegeben ist. Die Geeignetheit der Maßnahme wird auch dadurch belegt, dass seit Wirksamkeit des streitgegenständlichen Bescheides mit Anordnung des Sofortvollzug Ende Oktober 2019 sich nur noch zwei sicherheitsrechtliche Vorfälle ereignet haben, beide ohne Alkoholbezug.
Die Sperrzeitverlängerung ist erforderlich, da die bisher vom Kläger selbständig ergriffenen Maßnahmen noch nicht in solchem Maße wirksam wurden, dass in der Gesamtbetrachtung bereits die „besonderen örtlichen Verhältnisse“ i.S.d. § 18 Abs. 1 Satz 2 GastG i.V.m. § 8 Abs. 2 und Abs. 1 BayGastV nicht mehr gegeben wären. Auch ist nachvollziehbar, dass die Beklagte angesichts des vom Kläger zunächst schriftlich, dann leicht abweichend in der mündlichen Verhandlung beschriebenen, von ihm bis vor Erlass des Bescheids praktizierten Schließprozederes (letzter Einlass um 3:00 Uhr, Beendigung des Alkoholausschanks ab 3.30 bzw. 3.45 Uhr, Licht ab 3.45 Uhr bzw. 4 Uhr), unter dem es zu den oben festgestellten sicherheitsrechtlichen Verhältnissen kam, eine deutliche zeitliche Zäsur hierzu anordnen wollte. Zwar hatte der Kläger im Klage- und Eilverfahren schriftlich angeboten und auch in der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten, eine Sperrzeitverlängerung auf 4:00 Uhr freiwillig zu akzeptieren (letzter Einlass um 3:00 Uhr, Beendigung Alkoholausschank 3.15 Uhr, Licht ab 3.30 Uhr), doch lässt dieses Angebot die Erforderlichkeit der Verlängerung auf 3:00 Uhr nicht in einem solchen Maße entfallen, dass die Anordnung unverhältnismäßig wäre. Dazu ist anzumerken, dass gerade die Zeit um und nach 3:00 Uhr für das Vorkommen von sicherheitsrechtlichen Vorfällen in der Gaststätte des Klägers relevant ist, die bei einer früheren Schließung vermieden wird. Auch sind, wie der Kläger selbst vorschlägt, weitere (betriebsorganisatorische) Maßnahmen denkbar, die zu einer Stabilisierung der sicherheitsrechtlichen Verhältnisse der Gaststätte beitragen und so für die Beklagte die Überprüfung der aktuellen Sperrzeitregelung ermöglichen würden.  Die Sperrzeitverlängerung ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne, da sie in Anbetracht des vor allem hinsichtlich des Alkoholbezugs hohen Schutzgutes der Gesundheit nicht unverhältnismäßig wirkt. Zwar kann sich der Kläger für seinen Gaststättenbetrieb grundsätzlich auf die von Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit berufen. Diese steht aber unter der Schranke des Schutzes wichtiger Gemeinschaftsgüter, wozu die Volksgesundheit und die Kriminalitätsbekämpfung gehören (BayVGH, B.v. 22.8.2013 – 22 CS 13.1530 – juris Rn. 32).
2. Die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 des Bescheids vom 22. Oktober 2019 ist rechtmäßig.
a) Die allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor, da die Beklagte als zuständige Anordnungsbehörde, Art. 30 Abs. 1 Satz 1 iVm. Art. 20 Nr. 1 VwZVG, in ordnungsgemäßem Verfahren (Art. 28 BayVwVfG) das Zwangsmittel angedroht hat und die Androhung dem Klägerbevollmächtigten auch zugestellt wurde, Art. 36 Abs. 7 Satz 1 VwZVG.
b) Die Zwangsgeldandrohung ist auch materiell rechtmäßig.
Vom Kläger wird nach Art. 29 Abs. 1 VwZVG ein bestimmtes Handeln (früheres Schließen, nämlich um 3:00 Uhr) bzw. Unterlassen der längeren Öffnung verlangt. Als Frist zur Reaktion nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG setzt der Bescheid vier Tage ab Bekanntgabe und damit einen ausreichenden Zeitraum zur Umstellung der organisatorischen Abläufe in der Gaststätte. Das Zwangsgeld wird in konkreter Weise für jeden Tag der Öffnung nach 3:00 Uhr angedroht (Art. 36 Abs. 3 Satz 1 VwZVG), so dass der Kläger hierauf ausreichend reagieren kann. Das Stufenverhältnis der Zwangsmittel bleibt gewahrt, da das Zwangsgeld nach Art. 31 VwZVG grundsätzlich das mildeste Mittel ist. Die angeordnete Höhe des Zwangsgelds ist vom Rahmen des Art. 31 Abs. 2 VwZVG (15 – 50.000 €) gedeckt und orientiert sich am wirtschaftlichen Interesse des Klägers, das anhand der Höchstzahl der zulässigen Besucher von 458 Personen und einem Betrag von 10,00 EUR (Konsum) pro zulässigen Besucher nachvollziehbar ermittelt wurde. Die Zwangsgeldandrohung erfolgte auch ermessensgerecht nach Art. 29 Abs. 1 VwZVG, da das Entschließungsermessen bei Vorliegen der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen regelmäßig zu bejahen ist (PdK Bayern – VwZVG, Stand Juli 2017, Art. 36 Rn 3.3), und im Übrigen auch verhältnismäßig nach Art. 29 Abs. 3 VwZVG.
Im Ergebnis war die Klage abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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