Verwaltungsrecht

Subventionsrecht, Corona-Pflegebonus, Zuwendungsvoraussetzungen, Verletzung des Gleichheitssatzes (verneint), Sachgerechte Abgrenzung des begünstigten Personenkreises, Ambulante Einrichtungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung

Aktenzeichen  6 ZB 21.2723

Datum:
7.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41432
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3

 

Leitsatz

1. Der Freistaat Bayern hat durch die Ausgestaltung der Corona-Pflegebonusrichtlinie den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG nicht verletzt. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die für die Gewährung des Pflegebonus relevante Pflegesituation ist im Bereich der ambulanten Einrichtungen der Eingliederungshilfe typischerweise nicht gegeben. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 6 K 20.3127 2021-09-15 GeB VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 15. September 2021 – RN 6 K 20.3127 – wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 500,- € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Klägerin‚ die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts zuzulassen‚ bleibt ohne Erfolg. Die innerhalb der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO liegen nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Der in der Antragsbegründungsschrift bezeichnete Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Gerichtsbescheids (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) greift nicht durch.
Das Verwaltungsgericht hat überzeugend dargelegt, dass die Versagung des Corona-Pflegebonus rechtmäßig ist, weil die Klägerin nicht zu dem nach der hierfür maßgeblichen, rechtlich nicht zu beanstandenden Förderrichtlinie zuwendungsberechtigten Personenkreis gehört.
Die in Streit stehenden Zuwendungen gewährt der Freistaat Bayern ohne Rechtsanspruch im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel auf der Grundlage der Richtlinie über die Gewährung eines Bonus für Pflege- und Rettungskräfte in Bayern (Corona-Pflegebonusrichtlinie – CoBoR) vom 30. April 2020, BayMBl. Nr. 238, geändert durch Bekanntmachung vom 15. Mai 2020, BayMBl. Nr. 272). Begünstigte sind nach Maßgabe von Nr. 2 dieser Förderrichtlinie insbesondere Pflegende in Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken, stationären Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen sowie ambulanten Pflegediensten. Ebenso begünstigt sind tatsächlich in der Pflege Tätige, deren ausgeübte berufliche Tätigkeit der Pflege entspricht und mit dieser vergleichbar ist, sowie Rettungssanitäter, Rettungsassistenten, Notfallsanitäter und nichtärztliche Einsatzkräfte im Rettungsdienst.
Die Klägerin wendet mit ihrem Zulassungsantrag im Wesentlichen ein, die vom Beklagten vorgenommene Auswahl des begünstigten Personenkreises verletze den Gleichheitssatz, da sie schematisch erscheine und sich nicht ausschließlich an sachbezogenen Kriterien orientiere. Das ausschließliche Anknüpfen an bestimmte Einrichtungen, in denen die fragliche Tätigkeit ausgeübt werden müsse, stelle bereits einen Gleichheitsverstoß dar. Einzig nachvollziehbar und im Lichte des anzuwendenden Gleichheitsgrundsatzes geboten sei für die Festlegung des begünstigten Personenkreises eine Differenzierung mit Blick auf Person und Tätigkeit, nicht aber mit Blick auf die Institution, in der die Personen eingesetzt würden. Diese Einwände stellen den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid nicht in Frage und bedürfen keiner Prüfung in einem Berufungsverfahren.
Der Beklagte hat durch die Ausgestaltung der Corona-Pflegebonusrichtlinie den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet eine gleichmäßige Verwaltungspraxis. Dazu gehört das Verbot einer nicht durch sachliche Unterschiede gerechtfertigten Differenzierung zwischen verschiedenen Sachverhalten bei der Förderung (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 32). Dabei steht es dem Richtliniengeber frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden und diese zu handhaben. Die Willkürgrenze wird selbst dann nicht überschritten, wenn es auch für eine alternative Förderpraxis gute oder gegebenenfalls sogar bessere Gründe gäbe. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt mithin nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich daher der Schluss aufdrängen würde, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhten (vgl. z.B. VG München, U.v. 17.2.2021 – M 31 K 20.5587 – juris Rn. 33 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall.
Will der Norm- oder der mit diesem insoweit gleichzusetzende Richtliniengeber (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2018 – 10 C 1.17 – juris Rn. 18) ein bestimmtes Verhalten, auf das das Gemeinwesen in besonderer Weise dringend angewiesen ist, durch die Gewährung eines Bonus besonders würdigen und anerkennen, hat er eine große Gestaltungsfreiheit. Insbesondere in der Entscheidung darüber, welche Personen durch finanzielle Zuwendung des Staates belohnt werden sollen, ist der Gesetzgeber weitgehend frei. Zwar bleibt er auch hier an den Gleichheitssatz gebunden. Das bedeutet aber nur, dass er seine Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten, also nicht willkürlich verteilen darf. Subventionen müssen sich vielmehr gemeinwohlbezogen rechtfertigen lassen. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen dem Norm- und Richtliniengeber jedoch in weitem Umfang zu Gebote; solange die Regelung sich nicht auf eine der Lebenserfahrung geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebenssachverhalte stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist, kann sie verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden (ständige Rechtsprechung; vgl. BVerfG, U.v. 20.4.2004 – 1 BvR 905/00 – juris Rn. 61).
Nach diesem Maßstab begegnet die in der Corona-Pflegebonusrichtlinie vorgenommene Abgrenzung des zuwendungsberechtigten Personenkreises durch die Beschränkung auf bestimmte Einrichtungen einerseits und eine tätigkeitsbezogene Komponente andererseits keinen rechtlichen Bedenken.
Maßgebliche Zielsetzung der Förderung ist die Würdigung und Anerkennung des überdurchschnittlichen Engagements der in Bayern in der professionellen Pflege, im Rettungsdienst und in den stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe Tätigen vor allem im Hinblick auf den Ersatz von Angehörigenkontakten in der Zeit pandemiebedingter Kontaktbeschränkungen (vgl. Vorbemerkung zur CoBoR Nr. 1; Antwort des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege auf eine Schriftliche Anfrage des Abg. Krahl, LT-Drs. 18/11079 vom 15.1.2021). Es steht im Einklang mit dieser Zielsetzung, wenn der Richtliniengeber den Kreis der Begünstigten anhand bestimmter Einrichtungen und näher umrissener Berufsbilder abgrenzt, die er mit Blick auf diese für besonders relevant erachten durfte. Der Beklagte geht dabei von einer typisierend betrachteten Pflegesituation aus. Seine Wertung, dass es sich bei den in der Richtlinie aufgezählten stationären Einrichtungen, namentlich Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken, stationären Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen um solche handelt, in denen der vorgenannte Grundgedanke einer Substitution der Präsenz naher Angehöriger in der Zeit pandemiebedingter umfassender Besuchseinschränkungen ohne weiteres greift, ist von sachlichen Gründen getragen (einhellige Auffassung, vgl. BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.2023 – juris; VG Würzburg, U.v. 15.3.2021 – W 8 K 20.1261 – juris; VG München, U.v. 16.3.2021 – M 31 K 20.5824 – juris; VG Bayreuth, GB. V. 25.5.2021 – B 8 K 21.107 – juris). Das gilt auch für die in die Förderung einbezogenen ambulanten Pflegedienste, deren Mitarbeiter die durch die Gewährung eines Pflegebonus verfolgte Zielsetzung, besonders den „Ersatz“ persönlicher Kontakte zu würdigen, ebenfalls erfüllen. Denn auch insoweit handelt es sich um eine Situation, in der die Pflegekräfte häufig die wesentlichen oder sogar einzigen Ansprechpartner gerade solcher Pflegebedürftiger waren, die altersbedingt einer Risikogruppe angehören und daher von Besuchseinschränkungen besonders betroffen waren (vgl. VG München, U.v. 17.2.2021 – M 31 K 20.4944 – juris Rn. 22). Dass der Richtliniengeber damit die ansonsten verfolgte Beschränkung auf stationäre Einrichtungen durchbricht, zeigt, dass er entgegen der Auffassung der Klägerin nicht rein schematisch, sondern in Verfolgung der genannten Zielsetzung der finanziellen Zuwendung nach sachbezogenen Kriterien vorgegangen ist.
Diese damit an sich nicht zu beanstandende Vorgehensweise begegnet auch konkret mit Blick auf den aus dieser Abgrenzung folgenden Ausschluss insbesondere ambulanter Einrichtungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung keinen Bedenken. Der Beklagte kann sich jedenfalls auf einen sachlichen Grund berufen, wenn er davon ausgeht, dass sich die für die Gewährung des Pflegebonus relevante Pflegesituation im Bereich der ambulanten Einrichtungen der Eingliederungshilfe typischerweise so nicht ergibt.
Soweit die Klägerin erneut darauf hinweist, dass die von ihr benannten in ambulanten Bereichen und im Fachdienst tätigen elf „Vergleichspersonen“ den streitgegenständlichen Bonus erhalten hätten, werden ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat darin ausführlich dargelegt, dass es keine andere Förderpraxis begründe, wenn der Pflegebonus in einzelnen Fällen offenbar im Widerspruch zur Richtlinie und zur gängigen Förderpraxis gewährt worden sei, da nicht erkennbar sei, dass der Richtliniengeber eine solche richtlinienwidrige Abweichung gebilligt oder geduldet hätte. Vielmehr habe der Beklagte bekundet, in solchen Fällen von der Möglichkeit der Rücknahme der Bewilligungsbescheide nach Art. 48 BayVwVfG Gebrauch zu machen, und entsprechende Auszahlungen zurückzufordern (Art. 49a BayVwVfG). Mit diesen Entscheidungsgründen setzt sich der Zulassungsantrag nicht auseinander.
2. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO legt der Zulassungsantrag ebenfalls nicht dar.
Um diesen Zulassungsgrund dazulegen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, zudem ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, ferner erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und schließlich darlegen, weshalb ihr eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 12.5.2020 – 6 ZB 19.1287 – juris Rn. 21). Diesen Darlegungsanforderungen wird der Zulassungsantrag nicht gerecht. Es fehlt bereits an der Formulierung einer konkreten Rechts- oder Tatsachenfrage.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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