Verwaltungsrecht

Tierschutzrechtliche Anordnung

Aktenzeichen  23 CS 19.1194

Datum:
9.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15929
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 146
TierSchG § 2, § 16a Abs. 1

 

Leitsatz

1 Bei einer tierschutzrechtlichen Anordnung kommt auch die Inanspruchnahme einer Person als Zustandsstörer in Betracht, wenn diese die Gefahr bzw. Störung am effektivsten beseitigen kann. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2 Tritt der Betriebsinhaber nach außen als Tierhalter in Erscheinung, unter anderem weil er in der Rinderdatenbank als solcher erfasst ist und die landwirtschaftlichen Anträge von ihm unter Einbeziehung der Rinder gestellt wurden, muss er sich daran festhalten lassen, so lange er diesen Eindruck nach außen aufrecht erhält. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

10 S 19.00521 2019-05-07 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- € festgesetzt.

Gründe

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 7. Mai 2019, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die fristgerecht dargelegten Gründe beschränkt ist, bleibt ohne Erfolg.
Mit Bescheid vom 18. Februar 2019 hatte das Landratsamt gegenüber dem Antragsteller unter Anordnung des Sofortvollzuges (Ziffer 3) und unter Androhung von Zwangsgeldern (Ziffer 2) in Ziffer 1. mehrere tierschutzrechtliche Anordnungen zur Sicherstellung einer tierschutzgemäßen Rinderhaltung im Rinderhaltungsbetrieb V. in Bezug auf Klauenpflege, Räudebehandlung, Liegeflächen, Futtertröge und Bechertränke verfügt.
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 7. Mai 2019 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab. Der Antragsteller sei richtiger Adressat der Verfügung vom 18. Februar 2019, da er zumindest Halter im weiteren Sinn des § 2 TierSchG sei. Er arbeite – soweit möglich – bei der Viehhaltung mit und versorge die Tiere zumindest auch. Zudem sei der Antragsteller in der HI-Tier-Datenbank als „landwirtschaftlicher Rinderhalter“ erfasst und der Betrieb werde durch den Antragsteller geführt (UA S. 11f.).
Die in der Beschwerde dargelegten Gründe sind nicht geeignet, die entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts in Frage zu stellen. Zur Begründung nimmt der Senat zunächst Bezug auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses (vgl. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Die in Ziffer 1 ausgesprochenen Anordnungen in Bezug auf die Rinderhaltung finden ihre Rechtsgrundlage in § 16a Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 Tierschutzgesetz (TierSchG). Nach dieser Vorschrift trifft die Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie kann insbesondere im Einzelfall die zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erforderlichen Maßnahmen anordnen. Gemäß § 2 Nr. 1 TierSchG muss, wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen (vgl. BayVGH, B.v. 10.9.2012 – 9 B 11.1216 – juris Rn. 27).
Diese Voraussetzungen liegen nach den summarischen Feststellungen des Verwaltungsgerichts im Eilverfahren (B.v. 4.4.2019 – RN 4 S 19.437) vor.
Soweit der Antragsteller dagegen einwendet, das Verwaltungsgericht bzw. das Landratsamt seien zu Unrecht davon ausgegangen, dass er richtiger Adressat der angefochtenen Verfügung sei, weil der Vater des Antragstellers dem Landratsamt bereits am 31. August 2018 erklärt habe, dass dieser den landwirtschaftlichen Betrieb mit Ausnahme der Tierhaltung an seinen Sohn, den Antragsteller übertragen habe und die Tierhaltung daher vom Vater des Antragstellers betrieben werde, rechtfertigt dies nicht die begehrte Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts.
Zum einen kann im Tierschutzrecht der richtige Adressat mithilfe der Regeln zur Feststellung von Störern im Polizei- und Ordnungsrecht ermittelt werden. Die Behörde soll dabei denjenigen in Anspruch nehmen, der die Gefahr bzw. Störung am schnellsten, wirksamsten und mit dem geringsten Aufwand, also am effektivsten beseitigen kann. Bei einer tierschutzrechtliche Anordnung kommt daher auch die Inanspruchnahme einer Person als Zustandsstörer in Betracht, zum Beispiel als Besitzer oder Eigentümer der Räumlichkeiten, in denen der Vorgang stattfindet, oder das gefährdete Tier sich befindet (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 3).
Der Antragsteller ist nach seinen eigenen Angaben unstreitig der Betriebsinhaber des landwirtschaftlichen Hofes, auf dem die Rinder gehalten werden (vgl. Gerichtsakte Verwaltungsgericht S. 45f.). Insoweit ist er für die Zustände in seinem Betrieb verantwortlich.
Hinzu kommt, dass es bereits nach dem Wortlaut des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG nicht auf die bürgerlich-rechtlichen Eigentumsverhältnisse ankommt (vgl. Metzger in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetzte, 223. EL Januar 2019, § 16a TierSchG Rn. 1), sondern darauf, wer die tierschutzwidrig behandelten Tiere hält oder betreut (vgl. BayVGH, B.v. 9.7.2018 – 9 ZB 16.2434 – juris Rn. 11). Eine tierschutzrechtliche Anordnung kann insoweit nicht nur gegenüber dem Halter des Tieres im engeren Sinn, sondern auch gegenüber dem Halter im weiteren Sinn und somit auch gegenüber dem Betreuer und/oder dem Betreuungspflichtigen ergehen (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 44).
Der Antragsteller ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, jedenfalls auch Halter der in seinem Betreib gehaltenen Rinder und damit der richtige Adressat der streitgegenständlichen tierschutzrechtlichen Anordnungen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass er in der Rinderdatenbank (HI-Tier-Datenbank, BA S. 50) als Tierhalter erfasst ist (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2019 – 20 CS 19.725 – juris Rn. 4). Zudem ist der Antragsteller laut Auskunft des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten W. vom 2. April 2019 (BA S. 100) seit 2017 Inhaber des Betriebs „Nr. 5771500064“. Danach ist für den vorliegenden Betrieb nur eine einzige Betriebsnummer vergeben, wobei dieser eine Betrieb seit 2017 unter dem Namen des Antragstellers geführt wird. Unter Bezugnahme auf den vorgelegten Pachtvertrag wird weiter ausgeführt, dass der komplette Betrieb an den Antragsteller verpachtet wurde. Ergänzend ist in den Behördenakten festgehalten, dass, wenn jemand eine eigenen Tierhaltung haben möchte, dies nur mit der Erteilung einer eigenen Betriebsnummer möglich ist, was hier jedoch nach Auskunft des Landesamts nicht geschehen ist (BA S. 83). Auch die landwirtschaftlichen Anträge für 2017 und 2018 sind danach durch den Antragsteller unter Einbeziehung der Rinder gestellt worden. Damit liegen entgegen der Behauptungen des Antragstellers und seines Vaters keine zwei getrennten landwirtschaftlichen Betriebe vor, sondern nur ein einziger, der sämtliche Betriebszweige umfasst und damit auch die Rinderhaltung in den Verantwortungsbereich des Betriebsinhabers einschließt. Jedenfalls ist der Antragsteller nach außen hin als Tierhalter in Erscheinung getreten und muss sich daran festhalten lassen, so lange er diesen Eindruck nach außen aufrecht erhält (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2019 – 20 CS 19.725 – juris Rn. 4).
Unstreitig ist zudem nach dem Verhalten des Antragstellers und der Aktenlage, dass der Antragsteller die in seinem Betrieb gehaltenen Rinder zumindest auch betreut und versorgt (vgl. UA S. 11 letzter Absatz). Nach dem Schreiben der Veterinäroberrätin vom 10. Januar 2019 war der Antragsteller bei der Ortskontrolle zunächst anwesend, habe sich dann aber mit der Begründung, dass er weiter melken müsse, verabschiedet (BA S. 42 letzter Absatz). Letzteres hat er auch zu keiner Zeit in Abrede gestellt. Dieser Umstand begründet nicht nur eine Verantwortlichkeit als Betriebsinhaber, sondern zudem ein tatsächliches Obhutsverhältnis zu den in seinem Betrieb gehaltenen Rindern (vgl. BayVGH, U.v. 17.12.1992 – 25 B 90.2906 – juris Rn. 33).
Im Übrigen kann es im Interesse eines effektiven Tierschutzes nicht darauf ankommen, wie der Antragsteller die Betriebsabläufe im Einzelnen regelt und ob der Vater des Antragstellers im Innenverhältnis die Hauptverantwortung für den Viehbetrieb hat. Denn dieses Innenverhältnis ist nach außen hin regelmäßig nicht erkennbar und darf nicht dazu führen, dass ein Verantwortlicher für die tierschutzgerechte Haltung der Tiere nicht mehr feststellbar ist. Hier kann zudem nicht ausgeschlossen werden, dass die vorliegenden tierschutzrechtlichen Anordnungen durch reine Schutzbehauptungen des Antragstellers bzw. seines Vaters unterlaufen werden sollen (vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2016 – 9 CS 16.1257 – juris Rn. 17). Damit kann dahingestellt bleiben, in wessen Eigentum die Rinder stehen (vgl. BayVGH, B.v. 8.5.2019 – 23 ZB 17.1908). Es kann auch dahinstehen, ob der Vater des Antragstellers lediglich Erfüllungsgehilfe des Antragstellers ist (so Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten W., BA S. 100) oder ebenfalls Halter der Rinder zumindest im weiteren Sinn des § 2 TierSchG. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände und zur Gewährleistung eines effektiven und schnellen Tierschutzes kann der Antragsteller sowohl als Betriebsinhaber als auch Inhaber eines tatsächlichen Obhutsverhältnisses zu den in seinem Betreib gehaltenen Rindern als richtiger Adressat der tierschutzrechtlichen Verfügung vom 18. Februar 2019 herangezogen werden.
Im Übrigen tritt die Beschwerde dem Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht entgegen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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