Verwaltungsrecht

Tierschutzwidrige Unterbringung eines Papageis in einer Zoohandlung nicht mit Urlaubsreise zu rechtfertigen

Aktenzeichen  9 ZB 15.188

Datum:
17.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 105355
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TierSchG § 2, § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 3

 

Leitsatz

1. Hinsichtlich der Frage, ob grobe und wiederholte Zuwiderhandlungen gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen vorliegen, kommt beamteten Tierärzten eine vorrangige Beurteilungskompetenz zu. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die wiederholte tierschutzwidrige Unterbringung eines Papageis in einer Zoohandlung kann nicht mit einer Urlaubsreise gerechtfertigt werden, denn die Beachtung von § 2 TierSchG steht nicht im Belieben eines Tierhalters, sondern verpflichtet ihn, auch für die Dauer seiner lediglich vorübergehenden Abwesenheit für eine tierschutzgerechte Unterbringung des von ihm gehaltenen Tieres Sorge zu tragen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 4 K 13.2106 2014-12-09 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid des Landratsamts P … vom 2. Dezember 2013, mit dem ihr unter Anordnung der sofortigen Vollziehung das Halten und die vorübergehende oder andauernde Betreuung von Papageien untersagt wurde.
Ihr Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz blieb sowohl beim Verwaltungsgericht (Az. RN 4 S. 14.386) als auch beim Verwaltungsgerichtshof (Az. 9 CS 14.1115) erfolglos.
Mit Urteil vom 9. Dezember 2014 wies das Verwaltungsgericht die Klage der Klägerin gegen den Bescheid vom 2. Dezember 2013 ab. Hiergegen richtet sich der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung (§§ 124, 124a Abs. 4 VwGO) hat keinen Erfolg.
Der von der Klägerin allein geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht gegeben. Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.
Das Verwaltungsgericht hat das Haltungs- und Betreuungsverbot für Papageien nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Klägerin trotz entsprechender vorheriger Anordnung erneut gegen tierschutzrechtliche Vorschriften in Zusammenhang mit der Haltung von Papageien verstoßen hat und ihr Verhalten auch für die Zukunft ein Umdenken und die Einhaltung der tierschutzrechtlichen Bestimmungen nicht erwarten lässt. Dies ist im Ergebnis nicht ernstlich zweifelhaft.
Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts hatte das Landratsamt die Haltung des Graupapageis durch die Klägerin bereits bei einer Kontrolle im Juli 2011 beanstandet und gegenüber der Klägerin mit Bescheid vom 6. August 2012 verschiedene Maßnahmen angeordnet, um eine tierschutzrechtlich ordnungsgemäße Haltung des Papageis sicherzustellen. Bereits zu diesem Zeitpunkt war festgestellt worden, dass der Papagei eine ausgeprägte Neigung zeigte, sich die eigenen Federn zu rupfen. Wie sich aus der Stellungnahme der beamteten Tierärztin vom 28. Oktober 2013 ergibt, hat sich der Zustand des Papageis ausweislich einer bei der Klägerin am 1. Juli 2013 erfolgten Nachkontrolle insoweit nicht verbessert. Nach ihrer fachlichen Einschätzung, der nach ständiger Rechtsprechung des Senats hinsichtlich der Frage, ob grobe und wiederholte Zuwiderhandlungen gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen vorliegen, eine vorrangige Beurteilungskompetenz zukommt (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 31.1.2017 – 9 CS 16.2022 – juris Rn. 13), ist das vom Graupapagei gezeigte Federrupfen Ausdruck einer schon längere Zeit vorliegenden schwerwiegenden Verhaltensstörung, die aus einer massiven Bewegungseinschränkung und der fehlenden Möglichkeit, arteigenes Verhalten ausüben zu können, resultiert. Das Zulassungsvorbringen der Klägerin ist nicht geeignet, diese fachliche Beurteilung zu entkräften. Aus dem angefochtenen Bescheid ergibt sich zudem, dass die Klägerin ihren Papagei wiederholt während ihres Urlaubs unter Verstoß gegen § 2 TierSchG in der Zoohandlung „Z …“ in P … untergebracht hat.
Soweit die Klägerin darauf hinweist, das Verwaltungsgericht gehe entgegen dem Landratsamt von einer Verschlechterung des Zustands des Papageis im Zeitraum von Juli 2011 bis Oktober 2013 aus, ist ihr zwar zuzugeben, dass weder aus den Gerichtsakten noch aus den Verwaltungsakten ohne weiteres ersichtlich ist, worauf das Verwaltungsgericht diese Aussage stützen könnte. Dies ändert aber nichts daran, dass nach der fachlichen Beurteilung der beamteten Tierärztin bereits die festgestellte länger anhaltende Dauer der Verhaltensstörung des Papageis die Untersagung der Haltung und Betreuung von Papageien rechtfertigt, weil im Zeitraum von Juli 2011 bis Oktober 2013 insoweit keine Verbesserung des Zustands des Papageis eingetreten ist. Dem wird im Zulassungsvorbringen nicht entgegengetreten.
Der Einwand der Klägerin, es habe sich bei der Unterbringung während des Urlaubs nur um eine Ausnahmesituation gehandelt, die nicht die Grundlage der weitreichenden Ermessensentscheidung bilden könne, ist ebenso wenig geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zu begründen. Die wiederholte tierschutzwidrige Unterbringung des Papageis in der Zoohandlung kann die Klägerin nicht mit einer Urlaubsreise rechtfertigen, denn die Beachtung von § 2 TierSchG steht nicht im Belieben eines Tierhalters, sondern verpflichtet ihn, auch für die Dauer seiner lediglich vorübergehenden Abwesenheit für eine tierschutzgerechte Unterbringung des von ihm gehaltenen Tieres Sorge zu tragen und ihn insbesondere nicht in einem viel zu kleinen Käfig einer Zoohandlung zur Unterbringung zu überlassen. Das Vorbringen der Klägerin zeigt nach wie vor insoweit starke Bagatellisierungstendenzen auf und lässt auch für die Zukunft ein Umdenken und die Einhaltung der tierschutzrechtlichen Bestimmungen nicht erwarten (vgl. BayVGH, B.v. 27.6.2014 – 9 CS 14.1115 – juris Rn. 12).
Soweit die Klägerin vorträgt, dass ihr das Verwaltungsgericht die fehlende Vergesellschaftung ihres Papageis nicht als Mangel in der Tierhaltung vorwerfen dürfe, weil es in einem früheren Verfahren die Verpflichtung zur Vergesellschaftung ihres Papageis mangels Erforderlichkeit aufgehoben hat, trifft dies nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat nämlich im Urteil vom 19. März 2013 (Az. RN 4 K 12.1389) keineswegs darauf abgestellt, dass eine Vergesellschaftung des Papageis nicht erforderlich ist. Vielmehr hat es die dort angeordnete Verpflichtung zur Vergesellschaftung des Papageis nur mit der Begründung aufgehoben, dass Privatpersonen nicht in der Lage seien, eine Vergesellschaftung durchzuführen.
Auch der weitere Vortrag der Klägerin, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass bei der Kontrolle bei der Klägerin am 1. Juli 2013 ihrem Papagei nicht ständig ausreichend Beschäftigungsmaterial zur Verfügung gestanden habe, ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zu begründen. Wie dem Urteil des Verwaltungsgerichts entnommen werden kann, war diese Beanstandung nicht entscheidungserheblich für die negative Prognoseentscheidung hinsichtlich der Gefahr weiterer Zuwiderhandlungen nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG bei der weiteren Haltung und Betreuung von Papageien durch die Klägerin. Das Verwaltungsgericht hat hierzu vielmehr auf die schwerwiegende Verhaltensstörung beim Papagei der Klägerin verwiesen.
Ob das Landratsamt bereits unmittelbar nach der häuslichen Kontrolle bei der Klägerin am 1. Juli 2013 einen Bescheid zur Fortnahme und anderweitigen Unterbringung des Graupapageis erlassen hätte können, ist hier nicht entscheidungserheblich. Dass es mit dem Erlass eines solchen Bescheids – zugunsten der Klägerin – noch solange abgewartet hat, bis weitere Erkenntnisse vorlagen, die eine solche Fortnahme rechtfertigen können, lässt keine Rechtsfehler erkennen.
Unerheblich für die Rechtmäßigkeit des angeordneten Haltungs- und Betreuungsverbots ist schließlich auch, ob die Klägerin konkret beabsichtigt, künftig Papageien zu halten. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, käme einer derartigen Absichtserklärung keine rechtliche Verbindlichkeit zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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